Curves – Das Glück liegt hinter der nächsten Kurve

Die schönsten Straßen in "Curves", Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag

Stefan Bogner, Neffe des als Skirennfahrer sowie Filme- und Modemacher erfolgreichen Willy Bogner, hat mit dem Reisemagazin CURVES neue Standards gesetzt. Seine puristischen Porträts von Passstraßen in den Alpen wirken mitunter wie entrückt von dieser Welt – weil befreit vom Tourismus-Stress der Sommersaison. Sie sind auch eine Hommage an die findigen Erbauer der kunstvoll geschlagenen Trassen und zeugen von Demut gegenüber den Bergen, die Bogner „Königshäuser der Erde“ nennt. Mit detaillierten Karten und Höhenprofile lädt das mit 15 Euro fast schon unterbezahlte CURVES dazu ein, die Traumrouten auch selbst abzufahren. Mit Cabrio, Bike oder dem Fahrrad. Von Thomas Imhof

Der Untertitel von CURVES – soulfoul driving – ist ein erster Fingerzeig zur Choreographie des bislang in drei Ausgaben erschienenen Magazins. Ein viertes erscheint 2014 – nach Italien, Frankreich und der Schweiz über Österreich. „CURVES ist ein Sehnsuchtsprodukt mit Nutzwert“, sagt Bogner in einem exklusiven Interview mit autogefuehl, das Sie im Anschluss an diesen Text lesen können.

Curves Titelbild, Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag
Curves Titelbild, Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag

Auch wenn in den begleitenden Reisebeschreibungen für unseren Geschmack etwas zu viel Gas gegeben und Gummi verheizt wird, kommt das Erlebnis des „unterwegs sein“ in einer archaisch wirkenden Landschaft deutlich rüber. Das die an Sommer-Wochenenden von Campingwagen, im Rudel auftretenden Motorrad-Clubs, Amateur-Radrennfahrern und ganz normalen Motor-Touristen vergewaltigt wird, ist nur zu erahnen. Denn der Freizeitpark Alpen findet bei Bogner nicht statt: Seine zum Teil aus dem Hubschrauber geschossenen Bilder sind menschen- und maschinenfrei, lassen das kunstvoll gewundene Band der Straße im Einklang mit Felsen, Wolken und Bergseen wirken.

In "Curves" gibt es die dementsprechend Straßenkarten dazu, Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag
In „Curves“ gibt es die dementsprechend Straßenkarten dazu, Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag

Das Konzept ist immer identisch: In Form eines Roadmovies – in dem immer zwei Freunde die Hauptrolle spielen und die angeblich auch autobiographische Züge tragen – geht es in mehreren Tagesabschnitten auf große Fahrt. Die erste im Jahr 2011 erschienene Ausgabe war als Corporate Magazine der Mercedes-AMG GmbH entworfen – was sich im Text und der Wahl des Reisemobils – eines SLS AMG – leider auch deutlich wiederspiegelte. Thema des inzwischen neu aufgelegten Debütbandes ist die Route des Grandes Alpes. Sie wurde 1913 in fünf Teiletappen eröffnet und führt in ihrer modernen Form von Thonon-les-Bains am französischen Ufer des Genfer Sees bis nach Menton an der Cote d‘Azur.

Einzigartige Momente. Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag
Einzigartige Momente. Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag

Immer eng an der französisch/italienischen Grenze vorbei überquert sie 16 Hochalpenpässe, darunter viele Legenden der Tour de France wie den Galibier, den mit 2.770 Metern höchsten Punkt am Col de l‘Iseran und – zum Schluss – den durch die Rallye Monte Carlo berühmten Col de Turini. Die Strecke ist rund 700 Kilometer lang und überwindet einen Höhenunterschied von 15.700 Metern.

Bild im Fokus, aber Text zur Beschreibung. Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag
Bild im Fokus, aber Text zur Beschreibung. Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag

Mondlandschaften auf Erden

Dass die Autoren über weite Etappen von der offiziellen Route abweichen – Start in Lausanne und Martigny mit dem Kleinen St. Bernhard als ersten größeren Buckel, Ziel in Nizza statt Menton – trübt das Gesamterlebnis keineswegs. Denn schon mit seinem Debütband sorgte Bogner für gleichwohl kontroverse Kritiken. Viele fanden seinen Ansatz banal oder gaben sich erst gar keine Mühe, sich dem Thema anzunähern. Andere ergötzten sich an Bildern wie jene vom Col de la Bonette, die Mondlandschaften auf Erden ähnelten.

Tolle Perspektiven, Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag
Tolle Perspektiven, Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag

Bei der im Herbst 2012 erschienenen Nummer 2 von CURVES trat die Goodyear Dunlop GmbH als Sponsor auf. Sie trug den Titel „Borders – Entlang der Schweizer-Italienischen Grenze“. Von Schluderns im Südtiroler Vinschgau ausgehend führte das Roadbook über das Stilfser Joch, das Engadin mit Albula, Flüela, Maloja, den alten Gotthardpass („Tremola“) und die Pässe nördlich von Italien wie Simplon und San-Bernardino. Die Klassiker Susten, Grimsel und Furkapass durften auch nicht fehlen.

In die Ferne schweifen. Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag
In die Ferne schweifen. Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag

Cannon Ball Race durch die Alpen – alter Mini Cooper S schlägt Lambo Miura SV

Mit diesem leider aktuell vergriffenen Band schuf Stefan Bogner das bislang rundeste CURVES. Das aus der Feder von Ben Winter erzählte Roadmovie schafft es im Gegensatz zum ersten und dritten Band, den Leser bis zum Schluss bei (Lese)laune zu halten. Die beiden Helden, der anonyme Autor und sein Freund Adam, gehen mit zwei Freunden eine Wette ein: 20 Schweizer Pässe in fünf Tagen. Während der Brite Gavin und der Franzose Serge mit einem Lamborghini Miura SV starten, preschen die beiden Deutschen in einem Mercedes 190E 2.5-16 Evo II los. Nachdem der bei einem Unfall am Stilfser Loch irreparabel derangiert wird, wechselt man ab St. Moritz in einen alten Mini Cooper S. Die Story endet mit einem auch bildlich gesehenen Knall – der Lambo fackelt kurz vor dem Ziel ab. Dennoch ein Happy End: Zu viert geht es im Mini auf den Großen St. Bernhard, wo die Kumpels die Sektkorken knallen lassen und das Leben und die Freundschaft feiern. Eine Freundschaft, die es so scheinbar nur unter Männern gibt.

Die schönsten Straßen in "Curves", Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag
Die schönsten Straßen in „Curves“, Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag

Noch viel betörender als der Text sind die Bilder der urigen Schweizer Bergwelt. Viele Helikopter-Motive zeigen ein schneebedecktes Landschaftsrelief, während das historische Kopfsteinpflaster des alten Gotthard Erinnerungen an die Postkutschen-Zeit weckt.

Die gerade frisch erschienene dritte Nummer hat es schwer, mit diesem Standard mitzuhalten. Sie beleuchtet „Norditalien mit den Provinzen Lombardei, Venetien, Südtirol“. Am Timmelsjoch beginnend, geht es bis zum Gardasee und am anderen Ufer weiter bis zu den berühmten Drei Zinnen bei Cortina d‘Ampezzo. Als Highlights auf dem Weg: der Gaviapass, die Monte Baldo-Höhenstrasse, die Kaiserjägerstraße, Manghenpass, Passo di Giau und die „Sella Ronda“. Weil diesmal Porsche als Sponsor mit im Boot ist, wird mit einem modernen und einem klassischen 911er – einem Bürzel Carrera RS 2.7 – auf Pässejagd gegangen. Aber auch – als Premiere bei Bogner – eine Etappe mit Fahrrädern zurückgelegt. Darunter sogar ein E-Bike! Sicher alles nicht ohne Grund, hat doch die Zahl der Radfahrer, die sich CURVES zulegen, laut Verlag Delius Klasing seit Start der Reihe stetig zugenommen.

Die Rennstrecke im Fotobuch: Nordschleife. Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag
Die Rennstrecke auch im Fotobuch: Nordschleife. Foto: Stefan Bogner, Delius Klasing Verlag

„Fahren lehrt uns, gegenwärtig zu sein“

„Das Glück liegt in den Kurven“, heißt das Mantra von Stefan Bogner und er zitiert den französischen Literaten Albert Camus, der mal gesagt haben soll: „Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphus als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ Der Leser soll eingeladen werden zu einem Flow, „jener zeitlosen Hochebene des Seins, wo Ursache und Wirkung mal keine Rolle spielen. Sondern nur der Moment zählt, Fahren lehrt uns gegenwärtig zu sein, und nur wer gegenwärtig ist, ist glücklich.“ Das schon fast einer buddhistischen Erkenntnis gleichkommt.

Mit 15 Euro ist ein CURVES Band in Anbetracht der optischen Opulenz und der nebenbei gelieferten Faktensammlung fast geschenkt. Zwar gibt es auf dem Büchermarkt massig Reiseführer zu den schönsten Alpenpässen – doch keiner liefert eine solche bildliche Inszenierung dessen, was erwartet. Schon jetzt darf man gespannt sein auf den Österreich-Band (ein Vorgeschmack unter https://www.curves-magazin.com/Blog/Grossglockner) und das unter dem Titel „Tracks“ im Oktober erscheinende Buch über die Nürburgring-Nordschleife. Das kostet 29,90 Euro und kommt in der gleichen Ausstattung wie „Escapes“ – ein Fotoband mit einem „Best of“ der Bogner-Produktionen aus Frankreich und der Schweiz.

Interview mit Stefan Bogner (45): „CURVES ist ein Sehnsuchtsprodukt mit Nutzwert“

Stefan Bogner, Mitbegründer der Münchener Designagentur fpm, hat sich gerade ein halbes Jahr „Sabbatical“ gegönnt und sich in Begleitung seiner Familie auf eine Reise von Island bis nach Kalifornien gemacht. Auf seinem Blog hat er bereits erste Bilder der Grand Tour eingestellt, darunter extrem faszinierende von Island https://www.curves-magazin.com/Blog/Island/Tag-1. Dank Internet und e-mail beantwortete er bereitwillig unsere Fragen:

Stefan Bogner, Foto: Delius Klasing Verlag
Stefan Bogner, Foto: Delius Klasing Verlag

Herr Bogner, wie würden Sie den künstlerischen und photographischen Ansatz zu
„CURVES“ umschreiben?

Bogner: Für mich sind die Straßen in den Bergen schon fast Kunstwerke. Ich sehe sie fotografisch sehr grafisch und versuche sie zu portraitieren. Das geht natürlich am besten aus der Luft. Wichtig ist natürlich auch, dass sie leer sind. Das ist auch für den Leser am spannendsten, er will die Straße ja für sich alleine haben und zum „vor – oder nachreisen“. Die beste Stimmung ist im Frühjahr und Herbst ….bei nicht zu gutem Wetter. CURVES ist ein Sehnsuchtsprodukt mit Nutzwert.

Welches Equipment nutzen Sie und werden die Bilder hinterher eher
stark oder nur mild nachbearbeitet?

Bogner: Nikon d800e (neu) & Canon 5d mk2 mit Zeiss-Festbrennweiten – die vorliegenden Magazine sind alle noch mit Canon geschossen. Ich bearbeite sie nach – mal mehr, mal weniger … meist viel Schwärzen, um die Dramatik zu erhöhen

Wie schaffen sie es, dass auf allen Aufnahmen weder Menschen noch Maschinen zu sehen sind?
Bogner: Sehr früh aufstehen – meist bin ich um sechs Uhr schon oben, antizyklisch fahren, unter der Woche und außerhalb der Saison.

Welche Beziehung haben sie selbst zu den Bergen? Sind Sie dort schon mal gewandert oder sogar gekraxelt?
Bogner: Eine sehr lange und enge. Ich bin Münchner – da ist es eh nicht weit – komme aus einer Wintersportfamilie, die Bekleidung herstellt und fahre seit ich drei Jahre alt bin Ski. Bin, seit ich denken kann, im Engadin, in Südtirol und Österreich. Und mache mit meiner Designagentur viele Produkte für die Sportindustrie: Fischer Skischuhe, Salewa Footwear, Mountainbikes … Auf Strand kann ich gut verzichten – meine Lieblingstemperatur ist zirka 10 grad … gehe gerne wandern, Klettern ist nicht so mein Ding…

Wenn Sie selbst Pässe fahren, womit am liebsten: Fahrrad, Motorrad oder Cabrio?
Bogner: Mit einem Porsche 911 (geschlossen) – für mich das beste Interface, Motorrad würde ich gerne fahren, mache ich aber wegen der Kids nicht – zu gefährlich. Mir fehlt gerade auch die Kondition, aber ich habe einen Mordsrespekt vor den Bikern …

Ich bin selbst als Wanderer oft in den Dolomiten unterwegs gewesen und habe mich mitunter geärgert, wenn der Lärm von Motorradgruppen, die Pässe hochfuhren, durch die ansonsten so stille Bergwelt dröhnten. Können Sie das nachvollziehen?
Bogner: Völlig nachvollziehbar, geht mir auch so. Aber das ist nun mal die Natur des Menschen. Als Wanderer stören die Mountainbiker/Motorradfahrer/Autos, als Mountainbiker die Wanderer, als Radler die Autofahrer usw … Zum Wandern verziehe ich mich dann in Täler, wo kein Lärm hinkommt. Da gibt‘s ja noch einige…

Stefan Bogner, Foto: Delius Klasing Verlag
Stefan Bogner, Foto: Delius Klasing Verlag

Wie hoch ist der Aufwand der Fotoproduktionen? Helikopter-Miete? Genehmigungen von Behörden? Werden die Strecken partiell abgesperrt, damit kein Verkehr zu sehen ist?
Bogner: Die Heli-Miete hält sich in Grenzen, da man sehr schnell und effektiv arbeiten kann. Und die Erlebnisse kann einem keiner mehr nehmen – deswegen mache ich das und investiere gerne. Eine CURVES Produktion dauert in der Regel 14 Tage (je sieben im Frühling und Herbst). Ich verbinde das immer mit einer Ausfahrt mit Freunden. Die Strecken werden nicht gesperrt, Genehmigungen braucht man gottseidank keine mehr. Und zwischen 5.30 Uhr und 8.00 Uhr sind nur Postbusse unterwegs.

Wann kommt eine Ausgabe aus den deutschen Alpen? Oder lohnt die sich nicht, weil es zu wenige spektakuläre Pässe gibt?
Bogner: Ja, da gibt es wenig, aber ich denke über den Schwarzwald nach … oder über „scenic routes“ allgemein.

Wenn sich das Thema totgelaufen hat – was könnten Sie sich als Nächstes vorstellen? Bleibt das Buch „Tracks“ über die Nürburging-Nordschleife ein Einzelwerk? Oder könnte daraus eine Reihe werden?
Bogner: CURVES wird es noch eine Zeit lang geben, ich plane noch mindestens fünf Ausgaben fest. Ich bin gerade in den USA und kombiniere eine Auszeit mit der Familie mit dem Scouting von Straßen. Von Tracks ist eine Reihe geplant, Offroad- und Mountainbike-Wege habe ich auch schon gestartet. Übrigens. Fahren Sie unbedingt nach Island – da ist es wirklich sehr ruhig und die Natur ist unglaublich!!

Curves erhielt bislang folgende Auszeichnungen:

• Deutscher Designer Club Gold 2011 in der Kategorie „Marketingkommunikation“
• iF Communication Design Award 2012
• Best of Corporate Publishing Shortlist-Nominierung 2012 im Bereich „Specials und Annuals Corporate Magazine Industrie“
• Art Directors Club Bronze 2011 in der Kategorie „Editorial Print Ausgabe“
• red dot design award 2012 Kategorie: „Best of the best“

Text und Interview: Autogefühl, Thomas Imhof
Fotos: Stefan Bogner / Delius Klasing Verlag

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