VW Classic Team auf der Creme21 Youngtimer Rallye

VW Käfer Cabrio-Krabbler, Herbie und VW Corrado, Foto: Autogefühl

Schon mal was von der Creme21 Youngtimer Rallye gehört? Nein? Dann wird es Zeit! Als man mir von dieser Veranstaltung erzählte war klar: Ich MUSS dabei sein. Weil diese Rallye anders ist als andere. Sie ist Emotion, sie ist Lifestyle, sie ist Gefühl, sie ist Spaß, sie ist ein Konglomerat youngtimerliebender Menschen, die sich in ihren mobilen Schätzen genau diesen Attributen hingeben. Von Sarah Sauer

Eines vorab: der Begriff „Rallye“ kann für Missverständnisse sorgen. Denn es geht dabei nicht unbedingt um’s Erster sein. Gerade bei Old- und Youngtimer-Veranstaltungen spielt Gleichmäßigkeit eine entscheidende Rolle. Sogenannte Wertungsprüfungen sind das Salz in der Rallye-Suppe. Bestimmte Streckenabschnitte müssen innerhalb einer bestimmten Sekundenanzahl durchfahren werden, beispielsweise. Die Teilnehmer sind ausgerüstet mit Roadbook und Stoppuhren, hier ist dann die Competition angesagt.

Sarah mit dem "Herbie" VW Käfer, Foto: Autogefühl
Sarah mit dem „Herbie“ VW Käfer, Foto: Autogefühl

Bei der Creme21 Youngtimer Rallye aber ist das, wie gesagt, anders. Reisen statt rasen, Fun statt Battle. Als Teilnehmerin für das VW Classic Team, das drei Autos zu Verfügung stellte, weiß ich nun, was gemeint ist. Knapp 1000 Kilometer in fünf Tagen habe ich hinter mir – in einem VW Corrado mit zusätzlichem 16 V-Zylinderkopf und G60-Lader (Bj. 1989), ein in Osnabrück bei Karmann gebautes Unikat. Heißt: Satte 210 PS und extrem viel Fahrspaß.

VW Corrado aus dem Jahr 1989 (vorne rechts), Foto: Autogefühl
VW Corrado aus dem Jahr 1989 (vorne rechts), Foto: Autogefühl

Auch mit dabei: Das wohl kultigste Auto unter den Käfern, ein Wasser spritzender und mit der Motorhaube wackelnder Herbie (Bj. 1960) und ein orangefarbener Cabrio-Krabbler 1302 aus dem Jahr 72. Klar, dass die Farbe Orange bei der Rallye dominiert, macht sie doch die Creme-Marke aus den 70er-Jahren aus.

VW Käfer "Herbie" aus dem Jahr 1960, Foto: Autogefühl
VW Käfer „Herbie“ aus dem Jahr 1960, Foto: Autogefühl

Als im Sommer 2001 die Idee einer mehrtägigen Rundfahrt für jüngere Fahrzeuge entstand – das war auch die Geburtsstunde des Organisators Youngtimer Club e.V. – wählte man bewusst ein seinerzeit nicht mehr auf dem Markt befindliches Produkt. Eben jene Hautpflegeserie Creme21 aus den Siebzigern. So wundert es nicht, dass einige Teilnehmer der Rallye den Kühlergrill ihres Fahrzeugs mit Cremetuben schmücken, knallorangefarbene Schlaghosen, T-Shirts, Mützen oder Brillen tragen. Ich selbst habe noch wacker vor der Rallye meine olle Schlaghose zur Schneiderin gebracht, da der Bund um diverse Zentimeter, na ja, geweitet werden musste. Außerdem im Gepäck: Netzhemd und obligatorischer 80er-Jahre-Taillengürtel mit goldener Schnalle und diversen Nieten. Da soll mal keiner sagen, ich sei nicht vorbereitet!

Circuit Spa-Francorchamps, Foto: Autogefühl
Circuit Spa-Francorchamps, Foto: Autogefühl

Start der diesjährigen 12. Auflage am 25. September war an keinem geringeren Ort als an der Rennstrecke in Spa: Circuit de Spa Francorchamps. 1921 eröffnet, wird hier seither Motorsportgeschichte geschrieben. Und diesmal, mittendrin, wir. Anmelden, Startnummer aufkleben, technische Abnahme durch den AvD. Die über 180 Teams wurden in vier Gruppen eingeteilt – um dann drei Runden auf Belgiens schönster Straße zu drehen. Wohlgemerkt: Wir sprechen hier von Fahrzeugen wie Ente, Mini, Alfa Spider, aber auch von Porsche, BMW oder Fiat, die alle schon das ein oder andere Jahrzehnt auf dem Buckel haben. Da sieht man mal, was Wankverhalten bedeutet, da spürt man die Oberarmmuskulatur, wenn es ohne Servo in die Kurven geht! Egal, nach dem Prolog auf der Rennstrecke sind wir jetzt heiß, heiß auf die erste Etappe von insgesamt sieben.

VW Käfer Cabrio-Krabbler, Herbie und VW Corrado, Foto: Autogefühl
VW Käfer Cabrio-Krabbler, Herbie und VW Corrado, Foto: Autogefühl

Die startet am nächsten Tag um 8.30 Uhr, direkt von Spa geht es über Bad Godesberg nach Willingen. Unser Roadbook führt meinen Beifahrer Alex und mich durch von der Organisation wunderbar ausgeklügelte Strecken mit atemraubenden Landschaften und Kurven. Und es dauert nicht lange, da signalisiert uns das erste Schild an der Strecke: rechts ran zur Wertungsprüfung!

Da ist sie, die berühmt-berüchtigte Kofferfrage, von der ich zuvor schon so viel gehört habe. Wir bekommen einen kleinen Koffer mit folgender Ansage ins Auto hineingereicht: „Ihr habt 21 Sekunden Zeit, euch den Inhalt anzusehen!“. Aha. Koffer auf, drin liegt ein Taschenbuch. 12 Phantomas-Geschichten. Was jetzt? Wir merken uns das Cover, den Preis, die Titel der Stories. Und schon ist die Zeit um. Und nun? Nichts! Weiterfahren. Erst später am Tag wird uns eine Frage zum Koffer gestellt: „Welche Nummer hat die aktuelle Lustiges-Taschenbuch-Ausgabe?“ Gemein! Das hat nichts direkt mit dem Kofferinhalt zu tun, wir müssen schätzen und verhauen uns total, wie wir beim späteren googlen herausfinden.

Die Matchbox-Prüfung bei der Creme21 Rallye, Foto: Autogefühl
Die Matchbox-Prüfung bei der Creme21 Rallye, Foto: Autogefühl

Die nächste Prüfung lässt nicht lang auf sich warten: „Fülle ein Körbchen mit exakt 421 Gramm Matchboxautos“. Wir liegen 50 Gramm drunter und sind stolz auf uns. Nein, man kann sich wirklich nicht auf diese Rallye vorbereiten. Es sei denn, man wüsste vorher, dass man in den folgenden Tagen beispielsweise mit ungekochten Erbsen und Blasrohr diverse Creme21-Tiegel umpusten muss, oder eine Spaghetti in eine Makkaroni schieben muss – mit dem Mund – oder sein gesamtes Fahrzeuggewicht inklusive Fahrer und Gepäck schätzen muss.

Es sind jedoch Kindergeburtstagsspiele wie diese, die den ungezwungenen Charme der Veranstaltung ausmachen – und natürlich die Autos. Menschen am Straßenrand winken und fotografieren, seufzen bei Tankstellenstopps verklärt und erzählen von damals, als sie mit ihrem ersten Auto, einem Käfer, verreist sind. Weit vorne ist unser Herbie, der Kinder zum Jubeln und Väter zum Applaudieren bringt, weit vorne ist auch der Corrado, wenn er zum Überholmanöver ansetzt und zum letzten Gruß an den erstaunten Hintermann den Heckspoiler ausfährt.

Der VW Corrado hat kein Öl mehr, Foto: Autogefühl
Der VW Corrado hat kein Öl mehr, Foto: Autogefühl

Wirklich, bei dieser Rallye lacht das Autoherz. Nur einmal, da war uns eher zum Weinen zumute: Blauer Qualm unter der Corrado-Motorhaube! Ein Blick in und unter den Motorraum zeigte: Alles Öl verloren. Wir liegen auf dem Trockenen. Schon ist der AvD zur Stelle, Herbie-Copilot und Mechaniker Michael Winkler vom VW Classic Team füllt großzügig Öl nach und weist an: „Ab jetzt sutsche fahren! Die Gänge nicht ausfahren, Kolonne mit dem AvD“. Jawohl. Dann, in der Mittagspause, die Diagnose: Öldruckschalter kaputt. Eine halbe Stunde später: Öldruckschalter ausgewechselt, alles wieder gut. Ein riesiger Stein fällt uns vom Herzen, und der Corrado schnurrt und surrt, als sei nichts gewesen. Und: Wir haben es an diesem Tag immerhin auf Platz 68 in der Gesamtwertung geschafft.

Sarah muss eine Zwangspause einlegen, Foto: Autogefühl
Sarah muss eine Zwangspause einlegen, Foto: Autogefühl

Am vierten Tag versammeln wir uns abends alle beim Hauptsponsor Opel in Rüsselsheim und rocken eine der Werkshallen. Jetzt darf mein mein Nieten-Taillengürtel stilecht mit meinem orangefarbenem Nagellack um die Wette glänzen, andere tragen Glitzertops und Plateauschuhe, wieder andere Blümchenkleider und überdimensional große Sonnenbrillen.

Keine Creme21 ohne Abschlussparty! Dementsprechend wirken die Gesichter am fünften und letzten Tag. Augenringe machen jedem Pandabär Konkurrenz, manche Stimme hört sich kratziger an als das Aufsetzen von Unterböden bei Bahnübergängen. Die letzte Etappe und letzte Prüfung steht an: Auf geht’s zum Opel Testcenter Dudenhofen. Auf dem Prüffeld müssen wir innerhalb von 12 Minuten 8,6 Kilometer Strecke bewältigen, dabei geht es über Rumpelstrecken genauso wie über starke Gefällstrecken.

Und der VW Corrado läuft wieder, Foto: Autogefühl
Und der VW Corrado läuft wieder, Foto: Autogefühl

Nun brauchen wir sie doch, die Stoppuhr – und wir hätten die 12 Minuten auch exakt geschafft, wären wir nicht fälschlicherweise einmal rechts statt links abgebogen. Nichts zu machen, das war das Ende der Veranstaltung. Beinahe. Denn dann war da ja noch die Siegerehrung. Was man gewinnen konnte? Na, zum Beispiel eine Brotschneidemaschine. Oder eine Trockenhaube. Alles in original 70er-Jahre-Orange, versteht sich. Das Team Corrado sicherte sich von letztlich 180 Teams Platz 57. Kann man machen! Übrigens: Wie hießen noch gleich die Papageien in einem der Hörspiele „Die drei ???“?“

Text & Fotos: Sarah Sauer

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