Der neue VW Golf R Test mit 300 PS

VW Golf R mit der passenden Begleitung. Foto: VW

Mit einem Golf in 8 Minuten 15 auf der Nordschleife? Der VW Golf ist das meistverkaufte und wichtigste Fahrzeug in Deutschland und genießt zudem nicht nur deswegen Weltruf. Der Golf GTI ist schon eine Legende, aber die Autoindustrie wäre nicht die Autoindustrie, wenn man nicht immer noch einen oben drauf setzen könnte. Der Verstand sagt, was soll das, 300 PS in einem Golf R. Aber wer den neuen VW Golf R über einen zugefrorenen See driften sieht und hört oder ihn bestenfalls noch selber fährt, der versteht, was die Magie des Power-Golfs ausmacht – und warum das auf die jährlich hunderttausenden Golf-Käufer ausstrahlt. Von Thomas Majchrzak

Der neue VW Golf R auf Schnee, Foto: VW
Der neue VW Golf R auf Schnee, Foto: VW

100 km südlich des Polarkreises, im schwedischen Lappland, ist es -20 Grad kalt. Ein zugefrorener See wurde von Spezialfirmen schon Monate zuvor vorbereitet, damit der See auch dick genug zufriert. Immer wieder muss der neue Schnee abgeräumt werden, so wird die Eisschicht dicker. Ab 10 cm kann man mit einem Auto drauf fahren, ab 80 cm mit einem Flugzeug drauf landen. Also fühlen wir uns auf 60 cm Eis sehr sicher.

Der neue VW Golf R auf Schnee, Foto: VW
Der neue VW Golf R auf Schnee, Foto: VW

Wir steigen direkt in den Himmel für Autofahrer auf: Ein riesiges Kreisoval, das möglichst im Drift durchfahren werden will. Wir steigen ein. Der Golf R wirkt außen wie innen scheinbar wie ein normaler Golf, so stellt sich auch beim Sitzen das schlichte Gefühl ein: Das ist ein Golf. Das Lenkrad ist sehr schön geworden, die schwarzen Klavierlackelemente machen es edel, wobei es für ein Sportlenkrad etwas kleiner hätte ausfallen können. Auch das schwarze Plastik-Armaturenbrett wird einem Golf R nicht ganz gerecht. In der Preisklasse könnte es Leder sein, wobei es ja nicht immer sofort Leder sein muss. Es gibt mittlerweile aber auch hochwertige Textil-Bezüge oder Hochglanzoberflächen. Nur übt der Golf R auch hier Zurückhaltung.

Der neue VW Golf R auf Schnee, Foto: VW
Der neue VW Golf R auf Schnee, Foto: VW

Ganz und gar nicht zurückhaltend wirkt der Golf R dann, wenn man seine Vorzüge so richtig ausspielt. Man braucht eine gewisse Grundgeschwindigkeit, so knapp 50 km/h, dann leitet man den Drift ein. Nicht, indem man wie wild am Lenkrad reißt und das Gas bis unten herunterdrückt – sondern in dem man einmal kurz das Gas lupft. In diesem Moment wirken keine Beschleunigungskräfte mehr, das Fahrzeug senkt sich dadurch nicht mehr nach hinten, sondern wird am Heck leicht. Somit kann das Heck ganz leicht davonschweifen, und das ist unsere Chance. Lenkrad behutsam einschlagen und fortan mit dem Gaspedal mitlenken: Ein Stoß drauf, und der Golf R geht quer, wir lenken ein wenig gegen und können aus dem Seitenfenster nach vorne schauen – ein irres Gefühl. Und auf Schnee macht das Driften gleich doppelt Spaß, weil alles schön smooth abläuft und man nicht wie auf dem Asphalt an den Punkt kommt, an dem plötzlich wieder Grip auftritt und das Auto heftig auf der Fahrbahn „einrastet“.

VW Golf R mit Huskies, Foto: VW
VW Golf R mit Huskies, Foto: VW

Im hohen Norden beweist der Golf R, dass er ein echter Sportler ist. Denn der Allradantrieb verteilt schon ausreichend Drehmoment auf die Hinterachse, bevor Schlupf vorne auftritt – so kann das Verhältnis für die Verteilung des Drehmoments in etwa ein Drittel vorne und zwei Drittel hinten betragen, wenn man dem Golf R hier auf dem Eis die Sporen gibt. Die spielende Leichtigkeit, mit der wir dann später auf dem Eis-Rundkurs das Heck hin- und herschwingen, ist erstaunlich bei einem Auto, das trotz Allrad eigentlich den Fokus auf der vorderen Antriebsachse hat.

VW Golf R mit Huskies, Foto: VW
VW Golf R mit Huskies, Foto: VW

Voraussetzung: Das elektronische Stabilitätsprogramm ESC im Golf R lässt sich zum ersten Mal auch komplett deaktivieren, um eben auf der Rennstrecke schön driften zu können, wenn man denn auf eine Rennstrecke kommt. ESC Sport heißt das System, das sich dann bei Bedarf eben nicht mehr einmischt, das gibt’s bei keinem anderen VW in dieser Form.

VW Golf R in Schweden, Foto: VW
VW Golf R in Schweden, Foto: VW

30 PS stärker als sein Vorgänger ist der neue Golf R, und das hat auch seinen Grund. Nicht nur, dass die Hersteller immer noch nach dem Motto „höher, schneller, weiter“ agieren, es geht vielmehr die Behauptung der konzerninternen Führung. Mit dem Seat Leon Cupra ist ein Performance-Modell der Tochterfirma auf dem Markt, das den Golf GTI leistungsmäßig schlägt. Den kann ein Golf R als Spitzenmodell dann wieder wunderbar überflügeln.

VW Golf R im Wettstreit, Foto: VW
VW Golf R im Wettstreit, Foto: VW

Grundsätzlich ist der Motor im Golf R verwandt mit dem im GTI, jedoch wurden für das Leistungsplus unter anderem Zylinderkopf, Kolben und Abgasturbolader verändert. Der Golf R ist seit Dezember 2013 ab 38.350 Euro erhältlich und ist damit in der Basisversion gut 10.000 Euro teurer als die Basisversion des Golf GTI (28.675 Euro), der 220 PS liefert.

Der neue VW Golf R - Instrumente, Foto: VW
Der neue VW Golf R – Instrumente, Foto: VW

Seit der Markteinführung wurden in Europa schon 5.800 Golf R verkauft, knapp 1.500 davon in Deutschland. Damit wird die Position der Volkswagen R GmbH als eigene Marke und Firma gestärkt, wie schon bei Audi mit quattro oder Mercedes mit AMG, Eigenmarken sind gerade im Trend. So hat die R GmbH zum Beispiel schon 135.000 R-Aluräder verkauft, das macht die Größenordnung und den Umsatz klar. 2002 kam der erste Golf R, damals mit 241 PS. Jetzt ist er gewachsen, aber vom Grundprinzip her gleich geblieben.

VW Golf R Innenraum, Foto: VW
VW Golf R Innenraum, Foto: VW

Äußerlich soll der Golf R kein Proll sein. „Seriosität und Sportlichkeit“, will VW verbinden, so Klaus Bischoff, Leiter Volkswagen Design. So ist der Golf R abgesehen vom Schriftzug vor allen Dingen vorne am ausladenden Stoßfänger und hinten an den vier verchromten Endrohren zu erkennen. Die Option auf 3 oder 5 Türen gibt’s wie bei allen Golf. Serienmäßig gibt es im Golf R 18-Zoll-(R)-Felgen und ein Sportfahrwerk, das den Wagen um 20 mm tiefer legt als gewöhnlich.

Ansonsten soll er im Vergleich zu anderen Sportwagen eher Wolf im Schafspelz sein. Diese Dezente Art und Weise, ein kraftvolles Auto zu fahren, ist in Deutschland durchaus beliebt. Hierzulande ist es schließlich auch schick, die Modell- oder Motorbezeichnungen gar nicht außen an der Karosserie anzubringen, bei einigen Herstellern kann man sie beim Neuwagenkauf kostenlos streichen lassen. In China dagegen soll möglichst viel R,S, RS, V8, V18, Turbo, Bi-Turbo, 350, 450 oder was auch immer auf der Außenhaut kleben, damit jeder weiß, wer hier mit big PS unter der Haube unterwegs ist.

VW Golf R Racing Seats, Foto: VW
VW Golf R Racing Seats, Foto: VW

Und letzteres hat der Golf R garantiert. Die 300 PS aus dem 2,0-Liter-TSI-Motor mit Turbolader sind natürlich auf Schnee nicht zu vergleichen zum Einsatz im normalen Straßenverkehr. Nur der Golf R ist eben nicht alltäglich, er ist ein Spaßmobil, das auch im Alltag benutzt werden kann. Oder dann mal auf der Nordschleife, 8:15 Min ist der neue Golf-Rekord mit dem neuen Golf R.

VW Golf R in Schweden, Foto: VW
VW Golf R in Schweden, Foto: VW

Entweder wird klassisch sportlich per Hand geschaltet oder per Doppelkupplungsgetriebe DSG, das sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Denn mit dem DSG ist es vorbei damit, dass man per Hand schneller oder sportlicher ist. Klar, es bleibt eine Geschmacksfrage, aber die offiziellen Beschleunigungswerte sprechen eine deutliche Sprache: 5,1 Sekunden manuell von 0 auf 100 km/h, aber nur 4,9 Sekunden mit DSG. Gut, macht jetzt auch nicht so viel Unterschied, aber es zeigt, die Maschine arbeitet da effizienter als der Mensch. Ermöglicht wird der Anzug auch durch das geringe Gewicht von 1.476 kg, da sind die meisten Sportwagen 100 bis 200 kg schwerer. Schluss ist übrigens bei 250 km/h, elektronisch abgeriegelt. Mehr muss auch wirklich nicht sein, die Tendenz einiger Autohersteller, jüngst die 300 km/h Marke wieder zur eröffnen, hat nichts mit Performance, sondern nur mit hilflosen Versuchen zu tun, ein Auto darüber zu definieren.

Der neue VW Golf R auf Schnee, Foto: VW
Der neue VW Golf R auf Schnee, Foto: VW

Der Golf R hat insofern einen ausstrahlenden Effekt auf die vielen anderen Golf-Käufer, weil er sich eben genau in derselben Modellreihe befindet. Kein Sportwagen außerhalb der Reihe, der unerreichbar ist und ein völlig neues Konzept hat. So kann jeder normale Golf-Käufer das Gefühl haben, ein Auto zu kaufen, das wegen seiner großen verkauften Menge eben nicht nur Standard ist, sondern auch giftig und cool sein kann.

VW Golf R im Wettstreit, Foto: VW
VW Golf R im Wettstreit, Foto: VW

Elektronische Hilfe gibt es dagegen stets vom serienmäßigen Allrad-System, das wie bei allen VW-Modellen nach dem System „vorne plus hinten“ arbeitet. Droht Schlupf, wird Drehmoment von der Vorderachse auf die Hinterachse verlagert – das geschieht über eine Lamellenkupplung, die Lamellen werden durch eine Ölpumpe bei Bedarf näher zusammengerückt. Und bei 300 PS geschieht das verdammt häufig. Und noch häufiger auf Schnee. Dazu könnte das Fahrzeug bei starker Beschleunigung vorne untersteuern, was bei starken Primär-Fronttrieblern vorkommt. Das so genannte XDS+ System ersetzt dabei elektronisch ein mechanisches Sperrdifferenzial und verhindert das Untersteuern.

VW Golf R mit Huskies, Foto: VW
VW Golf R mit Huskies, Foto: VW

Fazit: Auch wenn der VW Golf sicher nicht das aufregendste Auto auf deutschen Straßen ist, so wurden wir vom Golf R Virus erfasst. Er fühlt sich so normal und bequem an wie der ganz normale Golf Pkw, doch lässt auf Druck des Gaspedals 300 Huskies zugleich übers Eis tanzen. Und wenn man das erlebt hat, kann man sich nicht davon frei machen, beim nächsten Anblick eines normalen Golf daran zu denken, dass R auch ganz anders kann.

VW Golf R mit der passenden Begleitung. Foto: VW
VW Golf R mit der passenden Begleitung. Foto: VW

Autogefühl: ****

Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Fotos: Volkswagen

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