Neue Mercedes V-Klasse Testbericht – Großraumlimousine oder Transporter?

Mercedes V-Klasse, Foto: Mercedes

Mercedes belebt die V-Klasse neu, in dem die Personen-Ausführung des Vito nicht mehr Viano heißt, sondern wieder V-Klasse und damit auch wieder der übrigen Mercedes-Nomenklatur entspricht. Wo Volkswagen mit dem großen Multivan oder dem kleineren Touran den Markt beherrscht, möchte Mercedes nun neue Akzente setzen. In unserem ersten Fahrbericht wollten wir erfahren, für welche Zielgruppe die neue V-Klasse wirklich geeignet ist. Von Thomas Majchrzak

Beim ersten Anblick der neuen Mercedes V-Klasse wird klar, dass hier zum ersten Mal der Faktor Design in dieser Klasse eine entscheidende Rolle spielt. Natürlich müssen Fahrzeuge in diesem Segment praktisch sein, aber die V-Klasse darf auch schick aussehen. Gerade die vorderen Scheinwerfer vermitteln eine Dynamik, die sich dann durch zwei zentrale Designlinien nach hinten fortsetzt. „Sinnlich und puristisch“, nennt das V-Klasse Designer Bertrand Janssen. Der Niederländer hat dabei mit Licht und Schatten gespielt, denn die seitlichen Designlinien spiegeln das Licht unterschiedlich, so dass die V-Klasse auch im Seitenprofil eine dynamische Figur macht. Dass wir uns hier überhaupt mit dem Design beschäftigten, zeigt, dass Mercedes es tatsächlich gelungen ist, einen attraktiven Transporter zu produzieren.



Die neue Mercedes V-Klasse, V 250 BlueTEC, Exterieur, indiumgrau metallic
Die neue Mercedes V-Klasse, V 250 BlueTEC, Exterieur, indiumgrau metallic

Das Wörtchen Transporter möchte man bei Mercedes natürlich am liebsten nicht hören, sondern nur „Großraumlimousine“. Vorne im Cockpit erhält man tatsächlich den Eindruck. Das kleine und sportliche Lenkrad mit perforierter Griff-Fläche stammt aus der C-Klasse, die weiteren Elemente auf den Armaturen aus C- und sogar S-Klasse. Besonders gefällt uns das Wellendesign auf dem Armaturenbrett, die feinen Strukturen wirken aufgeräumt, sauber und modern. „Auch hier setzt sich das sinnliche und puristische fort“, so Designer Janssen, „so konnten wir zum Beispiel durch den Überhang des abschließenden Elements des Armaturenbretts die Fuge darunter verstecken.“ Dies reduziert die sichtbaren Spalten im Cockpit und beruhigt zusätzlich den optischen Eindruck.

Mercedes V-Klasse Interieur: Leder Lugano schwarz, Zierelemente Wellenoptik, anthrazit, matt; Foto: Mercedes
Mercedes V-Klasse Interieur: Leder Lugano schwarz, Zierelemente Wellenoptik, anthrazit, matt; Foto: Mercedes
Mercedes V-Klasse Interieur: Leder Lugano schwarz, Zierelemente Wellenoptik, anthrazit, matt; Foto: Mercedes
Mercedes V-Klasse Interieur: Leder Lugano schwarz, Zierelemente Wellenoptik, anthrazit, matt; Foto: Mercedes

Der fahrerische Eindruck ist sofort geprägt vom Pkw-Feeling: Durch die Bedienelemente aus den Mercedes-Limousinen, der einfachen Lenkung und der erstmals in diesem Segment auch erhältlichen Assistenzsysteme fühlt man sich direkt wie in einer gehobenen Limousine.

Mercedes V-Klasse Vordersitze, Foto: Mercedes
Mercedes V-Klasse Vordersitze, Foto: Mercedes

Die Sitzposition ist angenehm aufrecht, die Beine kann man fast in einem 90-Grad-Winkel aufstellen. Allerdings sind die Sitzflächen für große Menschen etwas kurz geraten. Unser Urteil: Als Fahrer und Beifahrer sitzt man in einem SUV besser.

Mercedes V-Klasse Rücksitze, Variante: 2x Dreiersitzreihen, Foto: Mercedes
Mercedes V-Klasse Rücksitze, Variante: 2x Dreiersitzreihen, Foto: Mercedes

Wichtig für diese Fahrzeugklasse ist natürlich der Komfort für die hinteren Passagiere. Das Setup mit vier Einzelsitzen fördert die Kommunikation und kann die Urlaubsreise schnell zu einem Event machen. Um mehr Personen transportieren zu können, lassen sich auch direkt zwei durchgehende Dreier-Sitzbänke ordern. Insgesamt finden in der Mercedes V-Klasse also maximal acht Personen Platz. Im Kofferraum bleibt dabei noch genügend Platz für Koffer und Co. Wer größere Sportgeräte oder Fahrräder einladen möchte, kann dann Sitze oder Sitzbänke ganz entfernen.

Mercedes V-Klasse, Foto: Mercedes
Mercedes V-Klasse, Foto: Mercedes

Von 1996 bis 2003 gab es schon einmal eine Mercedes V-Klasse, eben die Variante für den Personen-Transport des Mercedes Vito, in Mercedes-Sprache die Baureihe 638. Die folgende Baureihe 639 änderte dann die Namen, und es gab Vito Viano. Nun in der Baureihe 447 gibt die V-Klasse wieder den Ton an und soll einen neuen Fokus setzen: Mercedes möchte die V-Klasse eben als „Großraumlimousine“ positionieren. Ein „Premium-Pkw, eine Limousine für bis zu acht Personen“, sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche. Die Markteinführung für Deutschland findet Ende Mai 2014 statt. Dann will man Shuttle-Betreiber ansprechen, etwa Flughafen-Taxis, sowie Familien mit Kindern, die gleichzeitig noch Freizeitgeräte transportieren möchten.

Mercedes V-Klasse, Foto: Mercedes
Mercedes V-Klasse, Foto: Mercedes

Schauen wir uns die Hauptkonkurrenten an. Die kommen aus dem Hause Volkswagen. Der Multivan oder auch T5 ist in den Längen 4,89 m bis 5,29 m verfügbar. Der kleinere Bruder VW Touran ist gut 4,40 m lang. Die neue Mercedes V-Klasse greift in den drei verfügbaren Längen 4,89 m, 5,14 m und 5,37 m also eher den T5 Multivan an – und will sich durch seine Vielseitigkeit auszeichnen. So sind nach Wahl bestimmte Konfigurationen von Einzelsitzen, Zweier- und Dreiersitzbänken verfügbar.

Mercedes V-Klasse: Weit öffnende Heck-Klappe und niedrige Ladekante, Foto: Autogefühl
Mercedes V-Klasse: Weit öffnende Heck-Klappe und niedrige Ladekante, Foto: Autogefühl

Auch bei den Motoren gibt es drei Möglichkeiten: Der 2,2 Liter Diesel kommt mit 136, 163 oder 190 PS. Der Basispreis liegt bei 42.900 Euro. Der VW Multivan beginnt bei 32.000 Euro – wobei die Premium-Ausstattung Business gerne bis in die 80.000 bis 100.000 Euro geht. Das sieht dann schon recht exklusiv aus, wie der Testwagen von auto-geil.de. Man sieht: Wir reden hier nicht von einer günstigen Klasse, sondern von luxuriösen Ansprüchen an den Personentransport, in dem die Margen für die Hersteller nicht unerheblich sind. Und genau deswegen nimmt Mercedes dieses Segment nun genauer unter die Lupe.

Allerdings, so schränkt Andreas Rein aus der Entwicklung der V-Klasse ein, erzeugt die V-Klasse durch den erhöhten Materialeinsatz auch höhere Kosten bei der Produktion. „Wir bekommen hier sogar viel Auto für einen vergleichweise günstigen Preis“, so Rein. Er verweist darauf, dass entgegen aller Erwartungen eine Mercedes V-Klasse mit gleicher Ausstattung sogar günstiger sei als ein VW Multivan.

Überraschenderweise sind laut Mercedes tatsächlich Familien die Hauptkunden der Mercedes V-Klasse – trotz des stattlichen Preises. Dabei läuft es hierbei wahrscheinlich dann eher auf die günstigeren Varianten hinaus ohne High-End-Ausstattung. „Aber selbst in der Basisausstattung bekommen Sie die Hauptelemente, die Ihnen das hochwertige Gefühl geben“, so Entwickler Andreas Rein.

Mercedes V-Klasse Multimedia-Bedieneinheit, Foto: Mercedes
Mercedes V-Klasse Multimedia-Bedieneinheit, Foto: Mercedes

Die Qualitätsanmutung ist tatsächlich nicht nur einwandfrei, sondern überragend – in jeder Ausstattung. Serienmäßig ist dabei ein sehr interessantes Sicherheitsfeature: Der Seitenwindassistent. Er bremst bei einem erkannten großen Windstoß die windzugerichteten Räder etwas ab, um das Fahrzeug in der Spur zu halten. Wer allerdings viele Zusatzsysteme wie die Distronic Plus (adaptiver Tempomat) oder Luxus-Features mitbestellt, der zahlt ordentlich drauf. Zwar gibt es einige Extras erstmals in dieser Klasse, doch umsonst gibt es bekanntlich nichts. So lässt sich eine V-Klasse gut und gerne schon mal im Preis verdoppeln – und dann sind wir definitiv bei den Gewerbekunden angekommen.

Während Flughafenshuttles eher nicht als V-Klasse herumfahren, dominiert Mercedes in der kleinen Nische des VIP-Shuttles, wo es eben gerne ein Stern auf der Haube sein kann. Die Luxushotels und Shuttle-Services werden also in nächster Zeit wohl auf die neue Mercedes V-Klasse umrüsten.

Mercedes V-Klasse, Foto: Mercedes
Mercedes V-Klasse, Foto: Mercedes

Fazit: Die neue Mercedes V-Klasse bringt erstmals schickes Design in die Klasse der Personen-Transporter. Außen wie innen sind Stil und Anmutung sehr gelungen. Das Fahrwerk glättet einwandfrei alles aus. Der Komfort für Fahrer und Passagiere könnte jedoch noch besser sein, wenn die Sitze für große Menschen länger und breiter wären. Familien werden auf den Preis achten müssen, der gerne mal in die Höhe schnellt. Im Vergleich zu einer großen Limousine bekommt man hier aber trotzdem deutlich mehr Premium-Auto fürs Geld.

Für die Camping-Ausstattung gibt es auch die Version Marco Polo.

Unser volles Interview mit Designer Bertrand Janssen gibt es hier im Video:

Autogefühl: ***

Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Fotos: Mercedes

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