Alfa Romeo Rettungsplan bis 2018

Alfa 4 C Spider - Foto: Alfa Romeo

Das Portfolio der Großvolumen-Modelle auf MiTo und Giulietta zusammengeschrumpft, die Absatzzahlen in 2013 auf weltweit nur noch 74.000 Fahrzeuge abgesackt, in Deutschland mit einem Marktanteil von unter 0,1 Prozent nur noch unter ferner liefen – für Alfa Romeo stand die Uhr auf kurz vor Zwölf. Nun haben Fiat/Chrysler-Chef Sergio Marchionne (61) und sein für Alfa Romeo und Maserati verantwortlicher CEO Harald Wester (56) beim jährlichen Investoren-Treffen am Chrysler-Stammsitz in Auburn Hills den großen Relaunch verkündet. Der zunächst bis 2018 reichende Alfa Romeo Rettungsplan macht Hoffnung, birgt aber auch Risiken. Von Thomas Imhof

Es konnte ja nicht mehr so weitergehen mit der 1910 gegründeten Traditionsmarke Anonima Lombarda Fabricca Automobili, kurz Alfa, aus Mailand. Deren Designzentrum längst nach Turin verlagert wurde  und deren Techniker demnächst in räumlicher Nähe von Maserati in Modena arbeiten werden – unter Leitung von zwei führenden Ferrari-Ingenieuren, die das Tagesgeschäft überwachen sollen!

Keine Frage, der deutsche Alfa- und Maserati-Chef Harald Wester gibt mit Rückendeckung von Marchionne Gas. In seinem Powerpoint-Vortrag legte er ziemlich schonungslos die Sünden der Vergangenheit dar, konstatierte vor allem den großen Rückstand auf die deutschen Premiumhersteller. Bis auf das weiterhin überzeugende Design habe Alfa Romeo in allen anderen Bereichen seine Marken-DNA sträflich vernachlässigt, beklagte der in Linz am Rhein geborene Wester.

Technologisches Aushängeschild: Der jährlich nur 3.500 Mal gebaute Alfa 4 C - Foto: Alfa Romeo
Technologisches Aushängeschild: Der jährlich nur 3.500 Mal gebaute Alfa 4 C ist ein Leichtbau-Sportwagen in bester Lotus-Tradition – Foto: Alfa Romeo

Als die fünf entscheidenen Alfa Romeo Markenwerte nannte er:
– Moderne und innovative Motoren
– eine ausgeglichene Gewichtsverteilung von 50:50 Prozent
– einzigartige technische Lösungen
– klassenbestes Leistungsgewicht (kg/PS) nach Vorbild des Alfa 4C und
– ein spezifisch italienisches und wegweisendes Design

Wie bereits eingangs erwähnt, liegt das größte Alfa Problem in der ausgetrockneten und zudem schon leicht veralteten Modellpalette. Alfa hat es vor allem versäumt, von den beliebten Modellen 156 und 159 – auch als elegante Sport Wagon-Versionen lieferbar – einen Nachfolger zu bringen. Dort klafft momentan die größte Lücke. Dass es bislang keinen neuen großen 166 gibt, ist eher zu verschmerzen, sind bekanntlich nicht-deutsche Oberklassewagen zumindest in Europa nahezu chancenlos. Schwerer wiegt da schon die Lücke Alfa Spider – schließlich gilt doch gerade dieses Modell als eine Art Ikone der Marke.

Wird keinen Nachfolger erhalten: Der kompakte Alfa MiTo - Foto: Alfa Romeo
Wird keinen Nachfolger erhalten: Der kompakte Alfa MiTo – Foto: Alfa Romeo

Einzig geblieben sind neben dem jedoch nur in kleinen Stückzahlen (3.500 pro Jahr) produzierten 4C und dessen demnächst folgender Spider-Version der seit 2008 angebotene MiTo und die 2010 eingeführte Giulietta. Mit diesem Mini-Aufgebot brachte es Alfa 2013 in Deutschland auf einen Marktanteil von nicht einmal mehr 0,1 Prozent. Fakt ist: In Deutschland kauft heute kaum noch jemand einen Alfa Romeo – waren es im letzten Jahr noch rund 3.625, erlagen in besseren Zeiten jährlich 30.000 Kunden dem Charme der Milaneser Marke. Im Vergleich zu 2012 ging der Alfa-Absatz in 2013 um satte 52 Prozent zurück!

Hinterließ 2011 eine große Lücke: Alfa 159, hier in der Kombi-Version - Foto: Alfa Romeo
Hinterließ 2011 eine zu große Lücke: Der rassig gestylte Alfa 159, hier in der Kombi-Version – Foto: Alfa Romeo

Der Abstieg des einstigen Staatsunternehmens begann mit der Beinahe-Pleite Ende der 80er-Jahre und der daraus folgenden Not-Übernahme durch den Fiat-Konzern im Jahr 1987. Seitdem fährt Alfa einen finanziellen und anfangs auch markenpolitischen Schlingerkurs. Als größtes Negativ-Beispiel nannte Wester den von einem Nissan (Pulsar) abgeleiteten Alfa Romeo Arna. Auch Erfolge auf der Rennstrecke – wie dem Gesamtsieg in der DTM mit Nicola Larini auf einem Alfa 155 – hätten den Absatz der Marke kaum angekurbelt.

Mit Investitionen von fünf Milliaden Euro will Sergio Marchionne nach einem Jahrzehnt konstanter Verluste und sieben Jahren mit stetig fallenden Absatzzahlen nun den Turn-around einleiten. Die frischen Gelder fließen zum einen in die italienischen Alfa Romeo-Werke, zum anderen in acht neue Modelle, die bis 2018 auf den Markt kommen sollen. Bis dann soll auch der weltweite Absatz von heute 74.000 auf 400.000 Einheiten angestiegen sein – was aber nur durch ein stärkeres Wachstum in den USA zu erreichen sein wird. Immerhin kann Alfa Romeo dort auf das vorhandene Chrysler-Händlernetz zurückgreifen. Dennoch bleibt die Frage, in welchen Mengen die Amerikaner eine Marke auf ihre Shopping-List nehmen, die 20 Jahre lang in Nordamerika nicht mehr vertreten war….

Der Nachfolger der Giulietta wird von Front- auf Heckantrieb umgestellt - Foto: Alfa Romeo
Der Nachfolger der Giulietta wird von Front- auf Heckantrieb umgestellt – Foto: Alfa Romeo

Alle künftigen Fahrzeuge werden nach dem Willen Marchionnes in Italien gebaut – daher wird der geplante Spider auf Basis des Mazda MX-5 auch nicht als Alfa Romeo, sondern als Fiat oder Abarth erscheinen. Und auch in Hiroshima gebaut.

Alle neuen Alfa Romeo werden zudem auf einer neuen Heck-/Allradantriebsplattform mit Codenamen „Giorgio“ aufbauen. Dieser Entscheidung fällt – zu unserem Bedauern – der kompakte MiTo zum Opfer. Er wird keinen Nachfolger erhalten, womit Alfa Romeo es versäumen wird, junge Kunden und Erstkäufer an die Marke heranzuführen. Wie es zum Beispiel Audi mit dem A1 oder BMW mit Mini und Einser macht.

Designleader waren sie immer, nur trog qualitätsmäßig oft der schöne Schein: Der vom heutigen VW Konzerndesignchef Walter de Silva gezeichnete 156 wurde sogar "Auto des Jahres" - Foto: Alfa Romeo
Designleader waren sie immer, nur trog qualitätsmäßig oft der schöne Schein: Der vom heutigen VW-Konzerndesignchef Walter de Silva gezeichnete 156 wurde sogar „Auto des Jahres“. Stolz trägt er den „Scudetto“ – den typischen dreieckigen Alfa-Kühlerschild – zur Schau. – Foto: Alfa Romeo

Mit der flexibel auslegbaren Giorgio-Bodengruppe kann Harald Wester künftig Fahrzeuge vom C- (Golf-Klasse) bis zum E-Segment bestücken – darunter nicht nur Limousinen, sondern auch zwei SUVs. Er will nach eigener Aussage mit Alfa in Segmente vorstoßen, in denen die Marke zuvor nie war. „Dazu müssen wir einen kompletten Reset vornehmen und wieder Alfa Romeos bringen, die die Leute bewundern“, heißt seine unmissverständliche Botschaft.

Und so baut sich das Alfa Romeo Portfolio bis 2018 nach jetzigem Kenntnisstand auf:

Kompaktklasse: Vom dann heckgetriebenen Nachfolger der Giulietta sind zwei Karosserievarianten geplant. Angedacht sind ein viertüriges Coupé à la Mercedes CLA und eine raumgreifendere Variante im Stil des Audi A3 Sportback.

In seinem Logo kombiniert Alfa Symbole der Gründungsstadt Mailand. Links ein rotes Kreuz auf weißem Grund und rechts eine Schlange mit Krone, die ein Kind verschlingt. Doch die Musik spielt längst in Turin - und nun auch Modena
In seinem Logo kombiniert Alfa Symbole der Gründungsstadt Mailand. Links ein rotes Kreuz auf weißem Grund, rechts eine Schlange mit Krone, die ein Kind verschlingt. Doch die Musik spielt längst in Turin – und nun auch Modena

Mittelklasse: Eine mittelgroße viertürige Limousine wird als erstes Modell der neuen Alfa-Ära Ende 2015 in Europa und 2016 in den USA an den Start gehen. Bislang wird als Typenbezeichnung für den Nachfolger des 2011 eingestellten 159 „Giulia“ gehandelt, doch ist das noch nicht abgesegnet. Mit einem Jahr Abstand will Alfa eine zweite Karosserievariante nachschieben – mit sportlicher Dachlinie und zusätzlichem Ladevolumen.

Fiat/Chrysler-CEO Sergio Marchionne will den - lange überfälligen - Relaunch der stolzen Marke Alfa Romeo - Foto: Alfa Romeo
Fiat/Chrysler-CEO Sergio Marchionne will den – lange überfälligen – Relaunch der stolzen Marke Alfa Romeo – Foto: Alfa Romeo

Oberklasse: Schon seit Ende 2012 laufen die Überlegungen zu einem neuen Flaggschiff der Marke und Nachfolger des glücklosen 166. Ursprünglich als Derivat des Maserati Ghibli, sollte das Auto schon Ende 2014 auf den Markt kommen. Doch im letzten Sommer wurden die Pläne aus Kostengründen wieder begraben und zugunsten eines Modells auf der neuen Giorgio-Architektur revidiert.

Specialty: In der Alfa Präsentation vom letzten Dienstag fungierte ohne nähere Details auch ein „Spezial“-Modell. Man kann im Sinne aller Alfisti-Fans nur hoffen, dass es sich dabei um einen neuen Alfa Spider handelt. Denn ohne diese Ikone der Marke wäre Alfa Romeos Ausstrahlungskraft deutlich schwächer. Unser italienischer Kollege Luca Ciferri spekuliert auf Automotive News Europe von einem Modell in der Größe des 6er BMW – was vor allem in Europa wohl nur geringe Erfolgschancen hätte.

Mittelgroßer SUV: Die flexibel nutzbare Giorgio-Plattform gestattet den Bau eines Crossover-Modells, das zwischen dem BMW X3 und X5 angesiedelt sein dürfte.

Großer SUV: Pläne für ein speziell für die USA gedachtes großes SUV-Fahrzeug liegen ebenfalls schon lange auf dem Tisch. Zunächst als Abkömmling des Jeep Grand Cherokee und dann des Maserati Levante angedacht, wird aber auch dieses Modell ein Produkt der Giorgio-Plattform sein.

Einzige Neuheit im Jahr 2014 ist die Offen-Version des 4C. Danach müssen die Händle noch bis weit in die zweite Jahreshälfte eine Durststrecke überstehen - Foto: Alfa Romeo
Einzige Neuheit im Jahr 2014 ist die Offen-Version des 4C. Danach müssen die Alfa-Händler noch bis weit in die zweite Jahreshälfte 2015 eine Durststrecke überstehen – Foto: Alfa Romeo

 

Bei den Motoren wird Alfa auf ein Sortiment von drei Benzin- und zwei Dieselmotoren zurückgreifen. Die Otto-Aggregate leisten als Vierzylinder 100 bis 180 sowie 180 bis  320 PS; darüber rangiert noch ein Sechszylinder mit bis zu 500 PS Leistung! Der Vierzylinder-Selbstzünder deckt ein Leistungsspektrum von 105 bis 200 PS ab; ein Sechszylinder bringt es auf 275 bis 350 PS.

Aktuell entwickelt ein 200 Mann starkes und nahe des Maserati-Hauptsitzes in Modena beheimatetes Team unter Leitung des Franzosen Philippe Krief die auch für Chrysler- und Dodge-Modelle nutzbare neue Giorgio-Plattform. Er berichtet direkt an Wester, der auch Technikvorstand von Fiat Chrysler ist. Nach und nach soll dieser Think Tank auf über 600 Ingenieure erweitert werden.

Laut Ciferri habe die Fiat-Automobil-Sparte in den letzten drei Jahren in Europa Verluste in Höhe von 2,1 Milliarden Euro gemacht. Der Alfa-Relaunch sei für Marchionne entscheidend, um die in Europa bis 2016 angestrebte Rückkehr zur Profitabilität zu erreichen. Immer wieder hatte der Italo-Kanadier in den letzten Jahren Übernahmeangeboten für Alfa Romeo aus Richtung Wolfsburg die kalte Schulter gezeigt. Nun dürften die Avancen von Ferdinand Piech zunächst einmal ein Ende haben.

Schönes Design - hier bei der Giulietta - war und ist eine der wenigen echten Alfa-Stärken - Foto: Alfa Romeo
Schönes Design – hier bei der Giulietta – war und ist eine der wenigen echten Alfa-Stärken – Foto: Alfa Romeo

Kommentar Autogefühl:

Der Rettungsplan von Fiat/Chrysler – und nichts anderes ist es im Endeffekt – lässt alle Alfisti dieser Welt erst einmal ganz tief aufatmen. Denn eine Autowelt ohne Alfa Romeo wäre definitiv ärmer. Es gilt, vor allem die vom Alfa 159 hinterlassene Lücke zu füllen. Als nächstes muss ein neuer Alfa Spider anrollen – ohne ein solches Modell ist die Marke imagemäßig nur noch die Hälfte wert. Auch vom SUV-Kuchen dürfte sich Alfa noch ein Stückchen abschneiden, obwohl er bis 2016-18 eher kleiner werden dürfte. Darauf zu achten ist, dass Alfa auf klarer Distanz zu Maserati bleibt. Eine zu starke Premiumpositionierung ist ebenfalls heikel, weil Alfa in punkto Fertigungsqualität und Anmutung im Innenraum erst mühsam wieder Vertrauen aufbauen muss. Der Nachfolger der Giulietta muss ebenfalls sofort gut einschlagen, weil durch den Wegfall des MiTo ein wirkliches Einstiegsmodell fehlen wird. Die Wahl einer betont auf Sportlichkeit ausgelegten Heckantriebsform und die Nähe zu Maserati erstaunt – baut doch selbst BMW inzwischen auch Modelle mit Frontantrieb und Dreizylinder-Motoren.

Harald Wester - der deutsche Alfa- und Maserati CEO soll Marchionnes Plan umsetzen - eine Mammutaufgabe - Foto: Alfa Romeo
Harald Wester – der deutsche Alfa- und Maserati CEO soll Marchionnes Plan umsetzen – eine Mammutaufgabe – Foto: Alfa Romeo

Wester, der sich jüngst als großer Elektromobilitäts-Skeptiker outete, sollte auch nicht den Fehler machen, wie andere deutsche Ingenieure einem PS-Fetisch zu huldigen. Das geplante Motorenportfolio zielt jedoch eindeutig in den High Performance-Bereich und man fragt sich, was ein 500 PS starker Motor in einem Alfa Romeo soll! Nichts gegen einen 4C als technologisches Aushängeschild, aber auch Alfa Romeo braucht Modelle mit unter 100 g/km CO2 und über kurz oder lang intelligente Hybridkonzepte. In diesem Punkt hat der gesamte Fiat/Chrysler-Konzern ohnehin noch gehörigen Nachholbedarf. Vor allem muss das Design weiterhin so stimmig sein wie noch bei der heutigen Giulietta. Denn wenn man an Alfa Romeo in all den Jahren nur selten etwas zu bekritteln hatte, dann war es die „Bellezza“ der Karosserien. Stimmt demnächst auch der von der schönen Form umhüllte Inhalt, könnte der schlafenden Schönheit aus Italien ein Comeback gelingen.

Maserati - hier die Studie des neuen Alfieri - soll bis 2018 kräftig wachsen - Foto: Maserati
Auch Maserati – hier die Studie des neuen Alfieri – soll bis 2018 kräftig wachsen – Foto: Maserati

PS: Die ersten Reaktionen der Investoren auf den Fünf-Jahres-Plan Marchionnes waren verhalten und von Skepsis geprägt. Nach einem Verlust im ersten Quartal 2014 von 355 Millionen Euro fiel die Fiat Aktie am Mittwoch an der Mailänder Börse um zwölf Prozent, der stärkste Rückgang seit zweieinhalb Jahren. Der Fünfjahresplan sieht neben Alfa Romeo auch  für die  anderen Marken sehr optimistische Absatzsteigerungen vor. So soll Maserati mit Investitionen von zwei Miliarden Euro von 35.000 Einheiten in 2014 auf 70.000 Neuzulassungen in 2018 zulegen. Mit dann sechs Modellen, darunter dem bereits als Studie auf dem Genfer Salon gezeigten 911-Killer Alfieri. Auch die Absätze von Jeep und Dodge sollen sich nach dem Willen Marchionnes bis 2018 verdoppeln. „Powerpont Präsentationen haben mit dem richtigen Leben nicht viel gemeinsam“, zitiert Automotive News Europe den Analysten Harald Hendrikse von Nomura Holdings Inc. in London. „Es ist eine gewaltige Aufgabe, diese Marken dorthin zu bringen, wo sie hingehören. Die Welt ändert sich langsam und manche dieser Marken fangen in vielen Regionen von unten an. Nichts passiert über Nacht.“

Text: Autogefühl, Thomas Imhof (mit Ergänzungen von Luca Ciferri, ANE)
Fotos: Alfa Romeo

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