Maserati Ghibli Diesel Test Fahrbericht

Es gibt diese Fahrberichte, die man mit philosophischen Floskeln beginnen möchte, mit emotionalen Reden über die Freude am Automobil und mit weltbewegenden Einordnungen über den Fortlauf der Automobilproduktion. Der Maserati Ghibli Diesel ist so ein Kandidat. Denn der jüngste Spross aus Italien ist eine Sport-Limousine, die so interessant ist, weil sie so vielschichtig ist. Selten haben wir intern so viel über ein Auto diskutiert, und selten haben wir so vielschichtige Eindrücke gesammelt. Ein Beweis dafür, dass der Maserati Ghibli die totgeglaubte Marke wieder aufleben lässt. Eine italienische Diva mit Allüren. Von Thomas Majchrzak

Die ersten beiden Maserati Ghibli-Serien waren noch reine Zweitürer. Die wunderschöne erste Serie in einer Zeit, in der man beim Fahrzeugdesign noch Freiheiten hatte (1966 bis 1973) und die – na ja etwas eckige und austauschbare zweite Serie von 1992 bis 1999. Nun war lange Zeit Pause mit dem heißen Wüstenwind der Sahara, den man übrigens ja nach Land auch als Scirocco bezeichnet. Aber diese Vokabel vergessen wir am besten ganz schnell wieder.

Fest steht: Der Ghibli weht stets Richtung Mittelmeer, und dort würde man ein solch exklusives Fahrzeug auch sehr gerne fahren. Auch mit Dieselmotor. Denn im neuen Maserati Ghibli, der eine Variante der Quattroporte-Plattform darstellt, kommt seit 2013 erstmals in der Geschichte der Marke ein Diesel zum Einsatz. Und während klassische Rennsportfreaks darüber gerne Witze machen, lacht sich der Diesel aus italienischer Produktion mit seinen 570 Nm Drehmoment über alle anderen schlapp.

Diesel auf Knopfdruck mit blubberndem Sauger-Sound

Der 3 Liter Diesel leistet 275 PS und ist über jegliche Zweifel erhaben. Anzug immer, wenn man ihn benötigt. Und ein italienischer Anzug ist schließlich der schönste. Und selbst mit hohen Geschwindigkeiten begnügt sich der Diesel im Testverbrauch mit 7,5 Litern auf 100 km (5,9 Liter offizielle Angabe).

Während er im Normalzustand doch etwas nagelt, erwacht er im Sport-Modus zu einem blubbernden Leben. Active Sound System heißt das, zwei Sound-Generatoren in der Nähe der Endrohre, die sozusagen künstlich den Ton erzeugen. Und das hört sich tatsächlich richtig klasse an und erinnert an einen großen Sauger, wenn man richtig aufs Gaspedal drückt. Nur ein Element, das den Maserati Ghibli zu einem Spaß-Auto macht.

Alternativ steht beim Ghibli übrigens noch ein 3 Liter V6 Benziner mit 330 PS oder 410 PS zur Verfügung (dann namens Ghibli S oder Ghibli S Q4 mit Allrad).

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Exterieur

Von außen betört der Maserati Ghibli vor allen Dingen von vorne: Die klassische breite Maulöffnung eines Maserati mit dem massiven Dreizack-Logo – herrlich. Und dass die senkrechten Streben schwarz glänzend – geschenkt. Die geschwungenen Scheinwerfer sind mutig klein, passen aber zum Aufritt, der sich natürlich bewusst außerhalb des gewöhnlichen vorherrschenden Standard-Designs bewegt. Probleme macht uns allerdings das Seitenprofil und das Heck. Wunderschön ist das Detail, dass ein weiteres erhabenes Maserati-Logo neben dem hinteren Seitenfenster angebracht ist. Aber im großen Ganzen verschwimmt das Seitenprofil doch markenlos und ist viel zu austauschbar. Auch am Heck könnte man leicht ein anderes Logo setzen, gar eins mit asiatischer Herkunft. Und niemand würde es merken. Schade. So bleibt das Seitenprofil und das Heck die designmäßige Schwachstelle des Ghibli.

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Das heißt aber nicht, dass es keine Aufmerksamkeit erregt. Nach mehreren Tests auf Parkplätzen oder in Schlossparks ist völlig klar: Der Maserati Ghibli ist ein Hingucker. Und dank des vollen Schriftzugs ist dann selbst von hinten ein „Ohh, ein Maserati!“ immer im Kommentar mit drin.

Fototechnisch bleiben wir dennoch am liebsten bei der magnifico Ansicht schräg von vorn. An Farben stehen außen Schwarz-, Grau-, und Brauntöne zur Verfügung, aber auch Weiß, Rot und zwei Blautöne, darunter das wunderschöne Blu Emozione. Unser Testwagen
hat einen der drei Grautöne, nämlich Grigio Maratea.

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Interieur

Die größte Stärke des Maserati Ghibli ist das luxuriöse Interieur. Hier bietet er viel mehr Exklusivität als alle seiner Konkurrenten aus Deutschland oder Großbritannien. Schon serienmäßig lässt sich Ambiente genießen, etwa das stilvolle Leder-Lenkrad mit den Griffmulden im oberen Bereich und dem zusammenlaufenden Alu-Element am unteren Ende, oder die Innenseiten der Türen, bei denen die Aluleiste im Türgriff fortgeführt wird. Auch die formschöne Maserati-Analoguhr ist serienmäßig. Sie wird von einer gesonderten kleinen Leder-Kappe bedeckt. Die Verarbeitung des Leder-Armaturenbrettes ist tadellos, die Kontrastnähte verführen dazu, den Blick entlang der gesamten Linie schweifen zu lassen.

Als wäre das nicht schon genug, kann man sich mit einigen Optionen die Welt noch weiter verschönern: Wir betrachten in unserem Testwagen das dunkle offenporige Edelholz, das Premium Audiosystem mit 10 Lautsprechern und den Dachhimmel aus Alcantara. Zudem sitzen wir auf der Naturlederausstattung aus Poltrona Frau Leder. Diese verströmt einen betörenden Duft. Sitze, auf die man sich gerne fallen lässt.

Die Farbe der Sitze ist entweder Beige, Sattelbraun oder Schwarz; in Kombination mit weiteren Armaturenbrett-Varianten sind auch Sitze in Kastanienfarben, Blau oder Rot möglich. Wir sehen: Maserati hat hier Wert auf eine größtmögliche Individualisierung gelegt.

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Serienmäßig sind beim Ghibli Diesel unter anderem 18-Zoll-Felgen, die Maserati Touch Control Bedieneinheit mit allen Multimediafunktionen und üblichen Eingängen (USB, SD, Bluetooth), grundsätzlich feine Ledersitze und die Analoguhr, Audiosystem mit 8 Lautsprechern, 2-Zonen-Klimaautomatik und die geschwindigkeitsabhängige Servolenkung.

An interessanten Optionen wäre das Bower & Wilkins Premium-Soundsystem mit 1.280 Watt zu erwähnen, Sitzbelüftung, eben die Naturlederausstattung Poltrona Frau, beheiztes Lenkrad, Velours-Teppiche und das Glasschiebedach. Tatsächlich ist auch die Sitzheizung und das Navigationsssytem eine Sonderausstattung – das ist für einen Maserati eher peinlich. Zu den Active Shifting Schaltwippen können wir übrigens nur bedingt raten, denn diese sind zwar hochwertig gestaltet, verdecken jedoch aufgrund ihrer Größe etwas den Blinker-Hebel.

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Was die Assistenzsysteme betrifft, so hinkt Maserati hinterher: Immerhin gibt es einen serienmäßigen Notbremsassistenten, dann hört es aber auch schon auf. Der Tempomat ist nicht adaptiv, d.h. bremst den Wagen nicht herunter. Toter-Winkel-Warner? Fehlanzeige. Dieses Vorgehen geschah dabei bewusst, Maserati wollte ein Auto bauen, das das Fahrlerlebnis in den Vordergrund stellt, ohne dass piepende Assistenzsysteme stören. So die Argumentation.

Natürlich steigern alle Optionen auch schnell den Preis, so wir vom Basispreis des Maserati Ghibli Diesel ab 64.980 Euro schnell auf einen konkreten Preis von über 80.000 Euro kommen. Und daran sieht man auch, dass rein preislich keine guten Vergleiche mit Konkurrenten möglichen sind.

Wettbewerbsvergleich

Insofern wird es schwierig, einen direkten Wettbewerber zu finden. Am ehesten könnte man unserer Meinung nach einen BMW 6er heranziehen, den gibt es als BMW 6er Coupé ab 75.300 Euro oder als BMW 6er Gran Coupé mit vier Türen ab 79.900 Euro. Der vergleichbare Diesel dort im 640d leistest 313 PS und 630 Nm und kostet in Verbindung mit dem Gran Coupé 83.400 Euro. Und das zeigt: Im Vergleich zu den BMW 6er Modellen ist der Maserati sogar günstiger.

Wenn man dann allerdings den 5er BMW heranzieht, sieht es anders aus. Orientieren wir uns damit an der oberen Mittelklasse, wäre ein Jaguar XF mit 3 Liter Diesel S (ebenfalls 275 PS) und Portfolio-Ausstattung ein Konkurrent, der dann auf knapp 60.000 Euro kommt. Vom Aspekt der hochpreisigen Sport-Limousine her – abgesehen vom Antriebsmodell – könnte man sogar auch auf ein Tesla Model S schielen.

Fahrverhalten

Der Maserati Ghibli Diesel fährt sich jedenfalls nicht nur wegen des kräftigen Diesels sehr sportlich. Das gesamte Fahrverhalten verspricht einerseits viel Komfort auf Langstrecken, macht aber auch richtig Laune. Ein Jaguar XF ist im Vergleich zum Ghibli beim Fahren langweilig. Darum sollte man sich in puncto Fahrspaß auch eher in Richtung BMW und Tesla orientieren.

Lange Bodenwellen und Unebenheiten bügelt das Fahrwerk problemlos aus. Das ist gerade angenehm für lange Autobahnfahrten. In den Autobahnabfahrten oder -auffahrten kann man trotzdem sportlich dynamisch fahren, ohne dass die Dämpfung zu „weich“ wird. Wer gerne mehr Rückmeldung von der Straße erhält, kann auch die Sportdämpfer-Einstellung wählen. Beweis für die grundsätzlich gute Arbeit ist das souveräne Verhalten auch bei hohen Geschwindigkeiten, im Autobahn-Test bei 200 km/h zeigte sich der Maserati Ghibli Diesel auch vom Fahrwerk her unbeeindruckt. Lediglich bei Brücken-Übergängen hat man das Gefühl, dass die kurzen abrupten Stöße dem Ghibli etwas zusetzen. Wenn die Straßen richtig zerbombt sind, fühlt sich der Ghibli nicht mehr wohl, da leistet ein Audi-Fahrwerk z.B. mehr.

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Die Lenkung könnte etwas direkter sein. Doch das tut dem Fahrspaß keinen Abbruch. Auch an das zu große Lenkrad gewöhnt man sich mit der Zeit.

Das 8-Gang-Automatikgetriebe von ZF schaltet wie bei Jaguar butterweich, die offizielle Beschleunigung von 0 auf 100 km/h liegt bei 6,3 Sekunden – den Wert verfehlten wir im Test knapp. Mit viel Vergnügen geht es dann mit leichtem Durchdrehen der Räder hinten durch die nächste Kurve. Dafür sorgt das massive Drehmoment.

Der angegebene Verbrauch liegt bei 5,9 Liter auf 100 km, unser Testverbrauch landete im Schnitt bei 8 Liter. Dabei hängt es sehr stark vom Gasfuß ab, ruhig gefahren hatten wir auch Werte gen 7 Liter, bei Voll-Last gen 9 Liter. Sportlichkeit und noch akzeptabler Verbrauch liegen zu einem Teil sicher auch am geringen Leergewicht von 1.745 kg. Teile der Karosserie bestehen nämlich aus Aluminium, wenn auch Stahl immer noch eine große Rolle spielt. Wie Maserati trotzdem und gerade in diesem Segment eine großartige Gewichtsverteilung von fast 50 Prozent zu 50 Prozent von Vorder- zu Hinterachse hinbekommen hat (nämlich 51:49), bleibt ein Geheimnis, das Maserati gerne hütet.

Maserati Ghibli Abmessungen:

Länge: 4.97 m
Breite (mit Außenspiegeln): 2.10 m
Breite (ohne Außenspiegel): 1.94 m
Höhe: 1.46 m
Radstand: 2.99 m

Kofferraumvolumen: 500 l
Tankinhalt: 80 l
Leergewicht: 1.745 kg

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Neuzulassungen in Deutschland und weltweit

Der Maserati Ghibli wurde erst im Laufe des Jahres 2013 eingeführt, so standen im vergangenen Jahr 83 Neuzulassungen in Deutschland beim Kraftfahrtbundesamt im Verzeichnis. Parallel wurden 174 Maserati Granturismo und 115 Quattroporte neu zugelassen. Die Verkaufszahlen weltweit waren weitaus beachtlicher. Maserati hatte bisher noch nie eine fünfstellige Anzahl von Autos verkauft, 2013 wurde diese Marke das erste Mal überschritten, und dann direkt deutlich: 22.500 Stück weltweit.

2014 bis inklusive April hat sich das Verhältnis für den Ghibli schon umgekehrt: Es wurden bereits 264 Maserati Ghibli in Deutschland neu zugelassen, damit ist er ab sofort der erfolgreichste Maserati. Eine kleine Genugtuung: Beim Kraftfahrtbundesamt wird der Ghibli auch unter den Sportwagen geführt, nicht etwa in der oberen Mittelklasse. Von den Volumenzahlen kommt man natürlich noch lange nicht an einen Jaguar XF heran oder an die BMWs, aber für Maserati sind das schon sehr gute Erfolge.

Interessant ist übrigens auch, dass sich in Deutschland vier Fünftel der Kunden für den Maserati Ghibli Diesel entscheiden und ein Fünftel für die Allrad-Version. Nur ein ganz paar Ghibli gehen demnach hierzulande als „Basis-Benziner“ raus.

Fazit: Der Maserati Ghibli Diesel belebt Maserati wieder und schickt die Marke in ein neues Zeitalter. Dabei bietet er ein Höchstmaß an Emotionalität und italienischem Design, besonders im Interieur. Ecken und Kanten hat er im übertragenen Sinne, das ist sicher: Hier und da findet man immer wieder kleine Unzulänglichkeiten, die die technisch perfekten deutschen Hersteller besser machen. Aber insgesamt ist der Maserati Ghibli auch technisch überzeugend und bietet eine sehr interessante Nische an: Exklusiver als alle anderen, günstiger als ein vergleichbarer 6er BMW mit vier Türen, teurer und sportlicher als die langweiligeren Modelle der oberen Mittelklasse. Wer es bequem und gleichzeitig sportlich mag und gerne italienisch-individuell ist, wird die fehlende Perfektion nicht bemängeln, sondern eher schätzen.

Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Fotos: Mikhail Bievetskiy

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