BMW Cruise e-Bike 2014

BMW Cruise e-Bike 2014

Sportliche Elektromobilität hat sich BMW passend zum Claim „Freude am Fahren” auf die Fahne geschrieben. Der neue i8 ist beredtes Beispiel dafür. Das neue E-Radl der Bayern haben wir auf autogefühl ja schon ausführlich statisch vorgestellt. Doch nun wollten wir auch wissen, wie es sich fährt. So viel sei vorweg gesagt: Ein solches e-Bike bedeutet Fahrradfahren in einer neuen Dimension. Und eine ernsthafte Alternative für staugeplagte Stadtneurotiker und vor größeren Distanzen zurückschreckenden Hobby-Radlern. Und noch was: Mit diesem Bike konnte man sich überall sehen lassen, selbst hartnäckige E-Bike-Verschmäher zollten Respekt. Von Thomas Imhof

Noch haben es bis auf smart und BMW keine weiteren Autohersteller gewagt, mit einem eigenen E-Bike oder – amtlich korrekt gesagt Pedelec – auf den Markt zu kommen. Okay, Peugeot hat ein sogar recht breit gefächertes Segment, doch wirken die Räder im Design weitaus weniger begehrenswerter wie die Autos der Löwenmarke. Die von Opel, Audi oder Ford auf Automessen gezeigten Stromer hingegen hätte man am liebsten gleich mitgenommen – doch blieben sie bis heute Einzelstücke. Was speziell im Fall Opel zu bedauern ist, begannen die Rüsselsheimer doch ihre Unternehmensgeschichte einst mit dem Bau von Nähmaschinen und eben Fahrrädern.

BMW baut – was viele gar nicht wissen – auch schon seit über 60 Jahren eigene Fahrräder. Im Frühjahr 2013 rang man sich erstmals zur Vorstellung eines allerdings auf der konventionellen Modellfamilie aufbauenden E-Bikes durch. Für Exklusivität sollte die Limitierung auf 1.000 Stück und die Beschränkung auf den deutschen Markt sorgen. Das nun im Rahmen der 2014er Kollektion vorgestellte BMW Cruise e-Bike macht dagegen in punkto Design und Technik Nägel mit Köpfen. Die Leistung des Akkus wurde von 300 auf 400 Wh erhöht, die Schaltung verfügt über zehn statt zuvor neun Gänge, nur das Gewicht nahm um 3,5 auf 23,5 Kilogramm zu. Aber vor allem ist es das individuelle Design, das Lust auf eine Probefahrt mit dem nun auch außerhalb Deutschlands lieferbaren Rad macht.

Zeichnung des im Hydroforming-Verfahren geformten Rahmens - Foto: BMW
Zeichnung des im Hydroforming-Verfahren geformten Rahmens. Angestrebt wurden Ähnlichkeiten mit einem Motorradrahmen – Foto: BMW

Das Design des Weiß/Anthrazit lackierten Zweirads ist fraglos ein Hingucker. Mehrmals wurden wir bei unseren Exkursionen sogar angesprochen – was sonst nur an der Tankstelle und mit besonders aufregenden Testwagen mal der Fall ist. Keine Frage: Die Formgeber des seit 1995 zu BMW gehörenden Design-Studios Designworks in Kalifornien haben ganze Arbeit geleitet. Der im Innenhochdruckverfahren („Hydroforming“) hergestellte Rahmen kommt schlank und schon im Stand dynamisch daher – anders als das etwas klobig wirkende Konkurrenzprodukt von smart. Das leicht nach vorne abfallende„Bullneck“ (Stiernacken) am Oberrohr im vorderen Rahmenteil verleiht dem Rad zusätzlich eine spezielle Dynamik. Der Akku schmiegt sich an das schräg nach oben zum Lenker führende Rohr an. Statt wie bei vielen anderen E-Bikes wie ein schwerer Klotz nahe des Tretlagers zu sitzen.

Da hätte er ohnehin keinen Platz, sitzt doch beim BMW Cruise e-Bike 2014 dort der bewährte Bosch-Mittelmotor vom Typ „Active-Line“. Die Lage ist gut gewählt, liegt die E-Maschine doch ebenso wie der am Unterrohr fixierte Akku ziemlich exakt am Schwerpunkt des Bikes. Als Folge wirkt das BMW-Rad bei Kurvenfahrt oder schnellen Richtungswechseln sehr agil und nicht so träge wie das mit einem „Heckmotor“ ausgestattete smart e-bike. Diesen Effekt bewirken zum einen die weitaus günstigere Gewichtsverteilung (40:60 Prozent gegenüber 18:82 Prozent beim smart) und zum anderen das um gut fünf Kilo niedrigere Gewicht des BMW.  Und muss das Rad dann doch einmal per Muskelkraft eine schiefe Ebene hinaufgeschoben werden, sorgt eine clevere Walk-Funktion für leichten Anschub. Einfach eine Taste am linken Griffrand drücken, und der Drahtesel bewegt sich bis zu einer Geschwindigkeit von sechs km/h auch ohne Treten von ganz allein!

Detailansicht des neuen BMW-Bikes - ein Kohlefaser-Riemen statt der öligen Kette würde ihm noch gut stehen - Foto: BMW
Detailansicht des neuen BMW-Bikes – ein Kohlefaser-Riemen statt der öligen Kette würde ihm noch gut stehen – Foto: BMW

Eine Rekuperation von Bremsenergie ist bei dem von Bosch und unter anderem auch von Panasonic favorisierten Mittelmotor-Layout allerdings nicht möglich. Denn über den Freilauf kann beim „Segeln“ oder Bergabfahren keine Energie in den Motor gelangen. Denn stehen die Pedale still, kann sich der direkt am Tretlager sitzende Motor auch nicht drehen. Anders zum Beispiel beim smart e-bike: Dort sitzt der Motor direkt auf der Nabe und kann beim Rollen direkt als Dynamo verwendet werden, denn er rotiert ja auch bei still stehenden Pedalen.

Aufgrund der relativ geringen Masse eines e-Bikes – mit Fahrer zirka 100 Kilogramm – beträgt der Energierückgewinn allerdings zum Beispiel beim Smart E Bike nur zirka 2-3 Prozent. Bei einem Auto ist das Trägheitsmoment aufgrund der vielfach höheren Masse dagegen deutlich größer. Somit macht Rekuperation bei einem BMW i3 viel Sinn, da deutlich mehr Energie zurückgewonnen werden kann.

Bei einem E-Bike sei Rekuperation eine „nette Story“, aber technisch eher zu vernachlässigen, antwortete uns BMW auf Anfrage. E-Bikes mit Hinterradmotor seien im Übrigen meistens auch etwas schwerer als e-Bikes mit Mittelmotor.

BMW Cruise e-bike 2014 mit Mittelmotor von Bosch - Foto: BMW
BMW Cruise e-bike 2014 mit Mittelmotor von Bosch für 2.799 Euro  – Foto: BMW

 

Und der deutlich konventionellere, auf 1000 Stück limitierte Vorgänger aus 2013 - Foto: BMW
Und der deutlich konventionellere, auf 1.000 Stück limitierte Vorgänger aus 2013 zum Preis von 2.599 Euro – Foto: BMW

Wie bei allen Pedelecs sorgt der leise vor sich her sirrende Bosch-Motor (250 Watt) auch im neuen BMW Cruise e-Bike 2014 nur bis 25 km/h für Vortrieb. Dafür darf es aber auch ohne irgendeinen Führerschein, ohne Helm (was wir allerdings nicht empfehlen!) und auch auf allen Radwegen bewegt werden. Getrampelt werden muss natürlich weiterhin, doch bei deutlich verringerter Schwitzgefahr. Denn neben der Zehngang-Shimano-Schaltung bestimmen die Trittkraft des Pedalritters und der per +/- Taste am rechten Lenkergriff wählbare Fahrmodus die passende Unterstützung. Neben einem wohl nur bei leerer Batterie sinnvollen Off-Modus besteht die Wahl zwischen einem Eco-, Tour-, Sport- oder Turbo-Programm. Drei Sensoren messen 1000 Mal pro Sekunde Geschwindigkeit, Trittfrequenz und Drehmoment – was bei maximalem „Ladedruck“ die Tretleistung des Fahrers bis zu 225 Prozent unterstützt. Mit so viel Anschub im Rücken geht es fast spielerisch die stärksten Steigungen hoch.

Doch schon im Level 1 – Eco – spüren die Tretmuskeln die anschiebende Wirkung. 40 Prozent Unterstützung reichen dem mit Schlips und Kragen gewappneten Bürohengst, um auf dem Weg zur Arbeit nicht zu stark zu schwitzen. Und den im Morgen-Stau stehenden Kollegen eins zu grinsen.

In den beiden nächsten Stufen wird die Pedalkraft dann schon um 100 (Tour) beziehungsweise 150 Prozent (Sport) potenziert. In der Praxis hält man/frau sich daher auch zum überwiegenen Teil in diesen beiden „Modi“ auf. Doch die Aussicht auf eine 225fache Turbo-Unterstützung lockt speziell an wirklich kräftezehrenden Aufstiegen einfach zu sehr, um ignoriert zu werden. Dann geht es mit den ganzen 250 Watt und maximal 50 Nm Drehmoment mit voller Power dem Gipfel entgegen.

Auch optisch ein Hingucker - Foto: BMW
Der Muff und die Schwere der frühen e-Bikes sind dank des sportlichen Designs nun komplett verschwunden  – Foto: BMW

Der Lithium-Ionen-Akku erlaubt problemlos Reichweiten von gut 80 Kilometer; die vom Fachmagazin e-Bike auf einer genormten Teststrecke gemessenen 54 Kilometer können wir so nicht bestätigen. Über das nahezu smartphone-große Intuvia-Display kann jederzeit die verbleibende Reichweite in jedem der vier Modi abgefragt werden, sodass man sich die Restdistanz sehr flexibel einteilen kann. Und sollte der Saft doch einmal noch vor dem Tagesziel ausgehen, lässt sich das Bike selbstverständlich auch mit reiner Muskelraft nach Hause fahren. Wobei man spätestens dann das Mehrgewicht ebenso wie beim Transport in einen Keller deutlich spürt.

Das Aufladen des mit einem Schloss gegen Diebstahl gesicherten Akkus an der heimischen Steckdose dauert dann maximal 3,5 Stunden, wobei blinkende grüne Leuchtdioden sehr gut den gerade aktuellen Ladezustand anzeigen.

BMW Cruise e-bike 2014 - das Konzept stimmt. Vor allem auf zehn bis 20 Kilometer langen Strecken für Berufspendler  - Foto: BMW
BMW Cruise e-bike 2014 – das Konzept stimmt. Vor allem auf zehn bis 20 Kilometer langen Strecken für Berufspendler – Foto: BMW

Dank gefederter Vordergabel – die es beim smart e-bike erst seit vergangenem Jahr optional gibt – geht es mit 75 Millimeter Federweg auch auf Schotterwegen komfortabel voran. Die Conti-Reifen mit „Nailproof“-Eigenschaften wirkten auf uns sogar „bullit“-Proof. Sie sollen dank Kevlar-Einlagen unter der Lauffläche immun gegen Scherben, spitze Steine oder andere scharfkantige Gemeinheiten sein. Auch das Profil bot erfreulich guten „Grip“

Hydraulische Scheibenbremsen vorne und hinten sind bei Fahrrädern dieser Preisklasse dagegen Pflicht – und sorgen wie erwartet für sehr gute Verzögerung. Die 10-Gang Shimano Kettenschaltung rastete mitunter etwas ruppig ins angepeilte Zahnrad ein – in diesem Punkt wirkt das smart e-bike mit seinem coolen Zahnriemen aus Kohlefaser fortschrittlicher. Zumal dadurch das Ölen und mitunter schmutzige Hosenbeine entfallen. Nachteil jedoch: Der Gates-Carbonriemen ist nicht mit Kettenschaltungen kompatibel – so bleibt es beim smart bei einer lediglich bei einer Dreigang-Nabenschaltung.

Hätte hätte Fahrradkette - anders als beim smart e-bike will das Shimano-Gangwerk noch geölt werden - Foto: BMW
Hätte hätte Fahrradkette – anders als beim smart e-bike will das Shimano-Gangwerk noch geölt werden – Foto: BMW

Um im Dunkeln nicht übersehen zu werden, tragen die Reifen des BMW Cruise e-Bike 2014 reflektierende Streifen. Das vordere LED-Licht wird über einen Nabendynamo betrieben und hat eine Standlichtfunktion. Gut, wenn zum Beispiel beim Stopp vor einer Ampel das Licht weiterleuchten muss.

Kommen wir zum Fazit: Auch wenn Pedelecs unter vielen Hardcore-Bikern noch immer etwas verächtlich betrachtet werden und sich viele Zeitgenossen mit dem Argument „dazu fühle ich mich noch zu jung und fit“ aus der Affäre ziehen, haben uns 14 Tage mit dem BMW Cruise e-Bike 2014 mehr als überzeugt.

Über das Display lässt sich u.a. der Unterstützungsgrad des e-Motors einstellen - Foto: BMW
Über das Display und den +/- Schalter (links) lässt sich der Unterstützungsgrad des e-Motors einstellen – Foto: BMW

Zum einen sieht es einfach gut aus und bietet den BMW-typischen Fahrspaß. Wie ein i3 geht er an der Ampel schon mit dem ersten Tritt in die Pedale ab wie die Post. Berge verlieren auf einmal ihren Schrecken, ebenso wie lange Distanzen von 60 bis 80 Kilometer, die man sich dank des virtuellen Rückenwindes eher mal zutraut als sonst. Überall dort, wo Steigungen oder Gegenwind lauern, ist ein e-Bike ein echter Segen. Man schwitzt weniger, hat dennoch einen Trainingseffekt und fährt konstant zwischen 20 und 25 km/h. Was heißt: 10 Kilometer in 30 und 20 Kilometer in 60 Minuten sind leicht drin. Bergab oder auf ebener Strecke stechen einen dagegen konventionelle Räder gerne mal aus. Weil sich dann oberhalb von 25 km/h das Zusatzgewicht bemerkbar macht.

Leider nicht weiterentwickelt: Bei der Olympiade in London setzte BMW dieses zusammenklappbare....
Leider nicht weiterentwickelt: Bei den Olympischen Spielen in London setzte BMW dieses zusammenklappbare….

 

...und so im Kofferraum eines BMW i3 zu verstauende Pedelec ein - Fotos: BMW
…und so im Kofferraum eines BMW i3 zu verstauende „i-Folding-Bike“ als Shuttle ein. Wer greift die Idee wieder auf? – Fotos: BMW

 

Angesichts dieser ganzen guten Eigenschaften ist der Preis von 2.799 Euro uns unserer Sicht noch nicht einmal zu hoch. Denn der BMW-Nimbus und die sehr gediegene Verarbeitung mit komplett im Rahmen integrierten Kabeln sind neben dem überzeugenden Antriebssystem starke Trümpfe. Zu wünschen wären aber noch ein paar zusätzliche Farben, ein optionaler Gepäckträger und mehr als nur zwei Rahmengrößen. Und Feinschliff im Detail: „Die provisorisch wirkende Verlegung des Rücklichtkabels inklusive Fixierung mit Kabelbindern ist fragwürdig;  auch die Befestigung des Strahlers am Schnellspanner des Sattelrohrs ist keine langlebige Lösung“, monierte das zweimal jährlich im Delius Klasing Verlag erscheinende Fachblatt „e-Bike – das Pedelec-Magazin.“Und vergab dennoch eine Note von 1,6, während das smart e-bike nur eine 1,9 erhielt.

So oder so tut das neue BMW Cruise e-Bike 2014 alles, um noch vorhandene Ressentiments gegenüber elektrisch aufgeladenen Fahrrädern abzubauen. Der Trend (siehe weiter unten) geht ohnehin seit Jahren nur in eine Richtung…

„Autogefühl“: *****

Text: Autogefühl, Thomas Imhof

Fotos: BMW

PS

Schon 1,6 Millionen Elektrofahrräder auf Deutschlands Straßen; immer mehr „jüngere“ Kunden

Mit einem Plus von rund acht Prozent und insgesamt 410.000 verkauften Einheiten ist der E-Bike Absatz in Deutschland auch 2013 erneut gestiegen. Zugleich nahm der Anteil am Gesamtmarkt für Räder damit auf elf Prozent zu. Parallel dazu hat sich die Altersstruktur der Kundschaft stark verändert: Stellten 2010 noch die 45- bis 60-jährigen mit 50  Prozent und die über 60-jährigen sogar noch zu fast einem Drittel die Käuferschaft, sind inzwischen die 30-45-jährigen mit einem Anteil von 45 Prozent die größte Zielgruppe. Vor allem im urbanen Umfeld entdecken immer mehr „jüngere“ Menschen die vielfältigen Chancen und Einsatzmöglichkeiten eines E-Bikes in der Alltagsmobilität.

Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag von Bosch eBike Systems können sich 23 Prozent der Erwerbstätigen vorstellen, mit dem E-Rad zur Arbeit zu fahren und das Auto manchmal zu ersetzen. Ähnlich sieht es beim Einkaufen aus: Für 21 Prozent ist es vorstellbar, die Besorgungen auf leisen Sohlen und zwei Rädern zu erledigen.

Die größten Märkte für E-Bikes in Europa sind die Niederlande und Deutschland, die zusammen über 50 Prozent des Gesamtmarktes abdecken. Insgesamt sind auf deutschen Straßen und Wegen heute schon über 1,6 Millionen E-Bikes unterwegs.

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