WM Autocorso verboten – Polizei Essen sperrt vorsorglich die Straße

Volkswagen CUP Sondermodelle, Foto: VW

Um möglichen Party-Exzessen nach dem Spiel Deutschland-Algerien vorzubeugen, hat die Polizei Essen in der gestrigen Nacht einen Autocorso am zentralen Berliner Platz in der Innenstadt untersagt. Dazu wurde die gesamte Kreuzung, die den wichtigsten Verkehrsknotenpunkt der Stadt darstellt, weiträumig an allen Eingängen abgesperrt. Grund dafür seien vorhergehende Eskapaden nach Deutschland-Siegen. Dies hat eine Kontroverse über die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme ausgelöst – zumal Anwohner sogar nachts nicht in ihre Wohnung zurückkehren konnten. Von Thomas Majchrzak

Du lebst in Deutschland, wenn dein Team gewinnt und du nicht feiern darfst. Das dachten sich gestern Nacht einige Ruhrgebietsbürger, die dann umso mehr hupend die zentrale Essener Verkehrskreuzung umfahren mussten. Ein friedlicher Autocorso war somit gar nicht möglich. Pikant wird die Geschichte zudem, wenn man als Anwohner im „Sperrbezirk“ wohnt und von der Polizei nicht durch die Sperre gelassen wird. Immerhin sollte es Bürgerrecht sein, nachts um 1 Uhr seine eigene Wohnung betreten zu dürfen, um zu schlafen. Es gibt ja durchaus Leute in diese Land, die am nächsten Tag arbeiten müssen. „Wir sind die Bösen„, scherzte (?) ein Polizist süffisant auf die wiederholte Bitte, doch zur Wohnung durch zu dürfen.

Natürlich, die Beamten haben sicherlich besseres zu tun, als nachts auf einer Kreuzung zu stehen und sich den Unmut hunderter Passanten gefallen zu lassen. Auch haben sie persönlich diese Entscheidung sicher nicht gefällt. Zudem muss die Polizei auch auf Anfragen von Anwohnern und Betroffenen reagieren, die durch vorherige Feierlichkeiten sich ggf. gestört fühlten. Die Frage ist jedoch: Ist ein Einsatz mit geschätzt zehn Streifenwagen und 20 Polizisten mitten in der Nacht verhältnismäßig, nur um einen Autocorso zu verhindern?

Im Gespräch mit den Polizisten vor Ort erfahren wir, dass es bei vergangenen Spielen offensichtlich zu Randalen gekommen sei. Und so sperrt die Polizei Essen seit Beginn der Weltmeisterschaft bei jedem Spiel den Berliner Platz. „Sie stellen sich gar nicht vor, was für Leute hier auftauchen“, so ein weiterer Polizist. Passanten seien angepöbelt worden.

Lesen wir im Pressearchiv der Polizei Essen, so finden wir zahlreiche Nachrichten von „friedlichen Fans“, die feiern. Einzige Negativmeldung: Beim ersten Spiel gegen Portugal kam es am Berliner Platz zu einer Festnahme einer betrunkenen Person. „Diese hatte versucht, einen Mitarbeiter der EVAG zu verletzen.“ (Essener Verkehrsgesellschaft für den ÖPNV). Eine Schlägerei gab es bei einem Public Viewing, allerdings weit abseits der Innenstadt.

Die Situation für das Algerien-Spiel: „Wie auch bei den bisherigen Spielen sperrten die Beamten in Rüttenscheid, in der Essener Stadtmitte und in Mülheim- Eppinghofen einige Straßenabschnitte, um eine Gefährdung der feiernden Fans möglichst auszuschließen.“

Im Gespräch mit Polizei-Pressesprecher Peter Elke erfahren wir, dass die Absperrungs-Maßnahmen nicht auf jüngste negative Geschehnisse zurückzuführen seien, sondern aufgrund jahrelanger Erfahrungen gemacht werden – auch von vorherigen Weltmeisterschaften. „Leider können wir bei den Absperrungen auch keine Ausnahmen machen, auch wenn dadurch Unbeteiligte darunter leiden müssen“, so Peter Elke und bittet um Verständnis für die Maßnahmen.

Und nun noch zum persönlichen Schicksal des Autors: Nachdem ich an der nächsten Sperrung den Wagen mitten auf der Straße abstellte, ausstieg, auf die Polizisten zuging und ein weiteres Gespräch suchte, erbarmte sich ein Beamter schließlich und ließ sich den Personalausweis zeigen, der den Wohnort und die Straße bestätigte. Welche Straße das überhaupt ist und dass sie im Sperrbezirk lag – davon hatte jedoch keiner der Anwesenden einen leisesten Schimmer.

Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak

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