Fahrbericht Citroën C4 Cactus: So simpel wie genial

Der neue Citroën C4 Cactus beschert dem mit immer mehr Funktionen, Features und manchmal schlicht Firlefanz konfrontierten Autofahrer ein automobiles Slow-down-Erlebnis. Dessen Botschaft heißt „Schöner fahren“, dank Reduktion auf das, was wirklich sinnvoll ist und das Leben hinterm Steuer erleichtert. Das Positive an der neuen Bescheidenheit: Der Komfort und der Sinn für schönes Design bleiben dabei nicht auf der Strecke, im Gegenteil. Von Thomas Imhof

Der Purismus à la Citroën entsprang der Frage nach dem „Was zählt wirklich?“. Technisch ist ja heute fast alles darstellbar, doch soll der C4 Cactus eher die Frage nach dem beantworten, was der Autofahrer tatsächlich braucht. Die Lösung kommt einem Zen auf vier Rädern schon sehr nahe, denn die Aura des neuen Franzosen wirkt entschlackend und entschleunigend zugleich. Aber zugleich auch erfrischend, denn kein Auto ist ähnlich originell durchdacht wie der spirituelle Nachfolger des 2CV.

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Eine Live-Begegnung mit dem neuen C4 Cactus weist ihn mehr als alle schönen Pressebilder als einen aus der grauen Masse herausstechenden Individualisten aus. Speziell in der von Autogefühl gefahrenen Kombination aus gelber Karosseriefarbe und schwarz abgesetzten Kunststoffverkleidungen. Natürlich gibt es auch etwas weniger grelle, dezentere Kombinationen. Doch überall bewirkt das Zweifarben-Konzept, bei dem die kontrastierenden Flächen immer eine Funktion hervorheben, die gleiche Wirkung.

Der C4 Cactus hat keine Stacheln, er guckt vielmehr freundlich und selbstbewusst durch seine schlitzaugenförmigen Tagfahr-LEDs. Statt eines gierig aufgerissenen Kühlerschlundes findet man eine Stupsnase mit eingelegtem Citroën-Doppelwinkel-Emblem und schmalen Einlassschlitzen. Die Hauptscheinwerfer sind schützend eingebettet in einen jener Airbumps, die als Polster das Auto vor Kratzern und Beulen schützen. Wie das im Parkhaus mit zwei Cactus nebeneinander ausschaut, können wir hier gut sehen.

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Die Luftkissen aus flexiblem Thermoplastik TPU (Thermo Plastic Urethan) verfügen über Luftkapseln als Aufpralldämpfer. Sie wirken an den Seitenflanken ein wenig wie überdimensionale Pflaster und mögen vielleicht nicht jedem Ästheten auf Anhieb gefallen. Dafür ist ihre Schutzwirkung unbestritten: Automobilisten, die die französische Art des Ein- und Ausparkens praktizieren, verlieren damit ebenso ihren Schrecken wie auf dem Baumarkt-Parkplatz außer Kontrolle geratene Einkaufswagen.

So robust solche Details, so kunstvoll andere. Die an unserem Testwagen analog zu den Rückspiegelkappen weiß lackierte Dachreling ist ein Kunstwerk für sich. Ebenso wie der vielleicht schönste Körperteil des neuen Citroëns – die eleganten C-Säulen, auf denen das Dach schwebend zu ruhen scheint. Die Heckpartie hingegen wirkt dank des zusätzlich zwischen den beiden Rückleuchten eingesetzten Prallschutzes in Kontrastfarbe besonders gut geschützt.

Insgesamt schöpft der Citroën C4 Cactus spontane Sympathie durch seine ehrliche Formensprache mit glatten Flächen, ausgewogenen Proportionen und knappen Überhängen. Er verzichtet auf eine übertriebene Skulpturhaftigkeit der Flächen und kommt ohne bemühte Sportlichkeit aus. Stattdessen zeigt die „Ente“ fürs 21. Jahrhundert Mut zur Vertikale und sanften Rundung.

Für sein ungewöhnliches Design ist der Cactus schon vor seiner offiziellen Markteinführung im September mit zwei Designpreisen bedacht worden: Der „Red Dot Award“ gilt als DAS Qualitätssiegel für ästhetische Formen und nachhaltige Trends und wird von einer 40-köpfigen internationalen Jury anhand eines umfangreichen Kriterienkatalogs vergeben. In der Kategorie „product design 2014“ fiel ihre Wahl diesmal auf den gallischen Crossover im Zweivolumen-Format.

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Auch beim „Internet Auto Award“ von AutoScout24 heimste der C4 Cactus in der Kategorie „Design“ den Hauptpreis ein. Mark Lloyd, Chefdesigner des Citroën C4 Cactus, nahm die begehrte Trophäe höchstpersönlich entgegen. Über 190.000 Internet-Nutzer aus ganz Europa hatten über die beliebtesten Fahrzeuge der letzten zwölf Monate abgestimmt und sich vom speziellen Charme des milden Rebellen bezaubern lassen.

In ihrer wechselhaften 95-jährigen Geschichte war die Firma Citroën eigentlich immer dann am stärksten, wenn sie ihre Ideen entschlossen verfolgt hat. Das war beim 2CV ganz ähnlich wie beim DS, CX, XM oder in jüngerer Vergangenheit bei den DS-Modellen. Eine diese Ideen betraf in Bezug auf den neuen C4 Cactus das Gewicht: Dank des Einsatzes von Aluminium für die Motorhaube und die vorderen und hinteren Stoßstangen-Träger sowie des verstärkten Einsatzes hochfester Stahlsorten bringt der C4 Cactus rund 200 Kilogramm weniger auf die Waage als eine konventionelle C4 Limousine. Konkret: Nur 965 Kilo in der Basisversion. Die hinteren Ausstellfenster sparen allein elf Kilo an Ballast ein, die einteilig umklappbare Rückbank sechs weitere.

Auch „Magic Wash“ ist ein System, bei dem überflüssige Pfunde entfallen. Statt über die sonst auf der Motorhaube sitzenden Waschdüsen wird beim Betätigen der Scheibenwaschanlage ein dünner Flüssigkeitsstrahl entlang der Lippe des Scheibenwischers aufgetragen – und zwar ehe dieser mit dem Wischen beginnt. Dank dieses „Vorspülgangs“ konnte Citroën den Behälter für das Scheibenwaschwasser um drei auf 1,5 Liter halbieren. Denn zum Reinigen der Scheibe wird weniger Wasser benötigt, nebenbei bleiben auch noch Motorhaube oder Dach immer sauber. Zusätzlich wird auch die Sicht nicht mehr eingeschränkt, wenn die Flüssigkeit mit vollem Druck auf die noch schmutzige Scheibe trifft.

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Zweites großes Betätigungsfeld der Cactus-Väter war der Innenraum. Für den mit Andreas Stump ein Deutscher und ehemaliger Student der renommierten Designhochschule in Pforzheim verantwortlich war. Vive la Simplicité – alles Unnötige über Bord werfen – hieß seine grobe Richtschnur, die jedoch nicht in einem spartanischen Interieur mündete. Ganz im Gegenteil fühlten wir uns beim ersten Live-Eindruck sehr schnell wie in einer kleinen Wohlfühloase, ja fast wie in einem ZEN-Garten auf Rädern. „Die ersten Ideen zum Innenraum entstanden auf einem weißen Blatt Papier. Wir wollten einen Raum erschaffen, aus dem man entspannter aussteigt, als man eingestiegen ist“, beschreibt Stump die Ausgangssituation.

„Es war wie beim Einrichten einer neuen Wohnung, da überlegt man auch, ob man die alte Kommode noch braucht oder man den Sessel nicht doch lieber durch ein neues Sofa ersetzt“, so Stump weiter. Was dann auch geschah. Durch die durchgehende Sitzbank, die auch Oldtimer-Fans anspricht, und die herunterklappbare Mittelarmlehne herrscht Sofa-Atmosphäre wie weiland in US-Schlitten der 60er und 70er Jahre. Der sehr flach liegende und an der Vorderkante sanft abgerundete Instrumententräger lässt unmittelbar den Eindruck von Luftigkeit und lässiger Bequemlichkeit aufkommen.

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Die geriffelte Oberflächen-Textur des Instrumententrägers wirkt ebenso hochwertig wie die Eisenbeschläge an der Oberseite. Mit der linken „Schnalle“ öffnet man ein verblüffend großes Handschuhfach, möglich gemacht durch die Verlegung des Beifahrerairbags in den Dachhimmel. Aber auch die Knie- und Beinfreiheit des Passagiers auf dem rechten vorderen Sitz ist generös.

Die Mischung aus Einfachheit und Gediegenheit, dieser sympathische Chic, setzt sich in den Türen fort. Die ledernen Griffschlaufen sind ein haptisches und funktionales Highlight – damit lassen sich die Türen wirklich sehr leicht und griffsympathisch zuziehen. Die Türen tragen dazu im oberen Bereich ein Muster, das das Design der Airbumps nochmals aufnimmt. Ebenso wie auch die Bezüge der bequemen Sitze. Edel auch das erfreulich kleine Lenkrad: Dessen Lederbezug ist griffig, und die dritte Speiche im unteren Bereich ein kleines Designschmankerl.

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Bei den während unseres Tests herrschenden tropischen Temperaturen von deutlich über 30 Grad sorgten die hinteren Ausstellfenster für eine angenehme – weil natürliche – Luftzirkulation. Sie sind ebenso ein Beispiel für den Verzicht auf unnötigen Luxus wie die nur als Ganzes umklappbare Rückbank. Sicher ist gerade für Hundebesitzer und Menschen, die zum Beispiel Skier im Auto transportieren wollen, eine geteilte Bank sinnvoll. Daher bietet sie Citroën auch zusätzlich und optional an. Aber der Mehrheit reicht laut Umfragen unter Kunden des Hauses die einteilige Lösung, mit der sich das Gepäckvolumen im C4 Cactus von 358 auf 1.170 Liter vergrößern lässt.

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Bestens zum minimalistischen Innenraum passen die digitalen Instrumente. Frei nach dem Grundsatz „All in one“ lassen sich über den zentralen 7-Zoll- oder 18-Zentimeter-Bildschim alle wichtigen Komfort-und Multimediafunktionen zentral steuern. Einstellung der Klimaanlage, Navi, Schnittstelle zu digitalen Endgeräten, Telefon, Parkassistent, Rückfahrkamera – all das und manches mehr ist im Touchscreen-Display integriert. Optional bietet ein 3G-Anschluss Zugang zum Anwendungsportal Citroën Multicity Connect, das über die nächste Tankstelle genauso Bescheid weiß wie über Hotels, Restaurants und die Lage auf den Straßen. Sehr übersichtlich dagegen der kleine Bildschirm im Blickfeld des Fahrers – er ersetzt das übliche Kombiinstrument und leistet sich den Luxus, auf einen Drehzahlmesser zu verzichten.

Eine traditionelle Mittelkonsole gibt es im C4 Cactus ebenfalls nicht mehr, dafür umso mehr praktische Ablagen. Vor der Handbremse sitzt zumindest in der von uns getesteten Version mit Automatikgetriebe auch kein klassischer Getriebewählhebel mehr – Vorwärts- und Rückwärtsgang sowie die Leerlaufstellung „N“ werden stattdessen über großflächige Drucktasten aktiviert. Wer unbedingt will, kann die Gänge dann über Schaltwippen am Lenkrad aber auch manuell wechseln.

 

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Zur vom C4 Cactus ausgesandten neuen Bescheidenheit passen auch die auf effiziente Arbeitsweise getrimmten Motoren. Allen voran der bereits nach Euro 6 abgaszertifizierte und 99 PS starke BlueHDi 100 Diesel, der mit Start-Stopp-System (im kombinierten Testzyklus) nur 3,4 Liter/100 km (CO2: 87 g/km) zur Brust nimmt. Ist solch ein C4 Cactus mit besonders rollwiderstandsarmen Reifen bestückt, sinkt der Verbrauch nochmals auf 3,1 Liter (82 Gramm CO2). Der von uns gefahrene Cactus wurde von dem ebenfalls 1.560 cm3 großen e-HDi 92-Diesel mit 92 PS angetrieben, der bei 1.750/min  maximal 230 Nm auf die Kurbelwelle schickt. Diese Version des Selbstzünders verfügt über ein Hochdruck-Einspritzsystem von 1.600 bar und Einspritzdüsen mit sieben Austrittsbohrungen, einen Turbolader mit fester Geometrie und einen Ladeluftkühler. Der Normverbrauch des noch nach Euro 5 zertifizierten Motors ist mit 3,5 Liter (CO2: 92 Gramm/km) ebenfalls sehr moderat.

Unser Testwagen war mit der – nur in dieser Form möglichen – Kombination aus dem 92 PS starken Dieselmotor und dem automatisierten Schaltgetriebe ETG6 ausgestattet. Die elektronisch gesteuerten Getriebe sind leichter und haben einen besseren Wirkungsgrad als Wandler-Automaten. Sie sind daher für Kunden, die partout nicht selbst die Gänge wechseln wollen, eine gute Alternative. Zumal jetzt eine neue – von Automatikgetriebe bekannte – „Kriechfunktion“ bei Einparkmanövern eine große Erleichterung bietet. Erlaubt sie doch im ersten und zweiten sowie im Rückwärtsgang eine langsame Fortbewegung im Leerlauf ohne Betätigung des Gaspedals.

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Klar gesagt werden muss aber auch, dass sich dieses Getriebe im Gegensatz zu einem allerdings auch deutlich teureren Doppelkupplungsgetriebe oder gar einer vollwertigen Wandlerautomatik weitaus mehr Zeit beim Wechseln der Gänge lässt, und beim Schalten der Wagen zum Nicken neigt. Wer also gerne auch mal selbst den Schalthebel betätigt, sollte den serienmäßigen Fünfgang-Handschalter ordern.

Da die Preisschwelle für den günstigsten C4 Cactus-Diesel mit 18.990 Euro eher hoch liegt, lohnt sich in jedem Fall auch ein Blick auf die Benziner. Denn die sind mit 13.990 Euro für das 75 PS starke Einstiegsmodell und 15.140 Euro für die Version mit 82 PS für preisbewusste Kakteen-Liebhaber höchst interessant. Die neuen Dreizylinder-PureTech-Saugmotoren sind hochmoderne und auf minimalen Verbrauch getrimmte Aggregate. Beide holen aus 1.199 cm3 Hubraum ein maximales Drehmoment von 118 Nm. In Kombination mit einem 5-Gang-Schaltgetriebe und Start & Stop-Automatik sinken die Verbräuche im Normzyklus auf bis zu 4,3 l/100 km (CO2: 98 g/km). Eine zweifach variable Ventilsteuerung im Ein- und Auslasstrakt drückt den Verbrauch dabei ebenso wie das gegenüber derVorgängergeneration um über 25 Prozent gesenkte Gewicht. Eine Ausgleichswelle sorgt derweil für ein Vibrations- und Geräuschniveau auf Vierzylinder-Niveau.

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In seiner Top-Version bringt es der PureTech-Dreizylinder dank Direkteinspritzung und Turboaufladung sogar auf 110 PS und ein Drehmoment von 205 Nm. Auch dieses Modell bleibt mit einem Gesamtverbrauch von 4,6 l/100 km und CO2-Emissionen von 105 g/km sehr genügsam im Umgang mit dem wertvollen Treibstoff. Und liegt mit 18.240 Euro noch unter dem Preis der günstigsten Diesel-Version.

Die systembedingten Vorteile des Citroën C4 Cactus eröffnen sich unabhängig von der gewählten Motorisierung  jedoch allen Kunden. Ästhetik und Nutzwert werden bei diesem potentiellen Kult-Auto denkbar harmonisch vereint. Bei den Ausmaßen einer Kompaktlimousine (Länge 4,16 Meter, breite 1,73 Meter) entsteht zudem dank eines Radstands von 2,60 Meter ein großzügiges Raumangebot. Da wundert es nicht, dass der neue Cactus in auto motor sport einen Vergleichstest gegen seine französischen Klassenkameraden Renault Captur und Peugeot 2008 sowie den neuen Ford EcoStar gewinnen konnte. Unter der Headline „Einfach mal anders“ zogen die Tester folgendes Fazit: „Der Cactus sticht. Keiner zeigt den Unterschied zwischen simpel und einfach genial besser. Konsequenz zahlt sich aus – viele der neuen, einfachen Ideen im komfortablen, geräumigen und fahrsicheren Cactus überzeugen.“ Besonders gelobt wurden die umfangreiche Sicherheitssausstattung, die standfesten Bremsen und die präzise Lenkung. Die Federung spreche natürlich nicht so butterweich an wie bei legendären Hydropneumatik-Modellen von Citroën. Aber nur bei hoher Zuladung würden kurze Stöße schon einmal etwas unangenehmer bis zu den Insassen durchkommen, heißt es im Testreport.

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Dem Urteil aus Stuttgart schließen wir uns uneingeschränkt an, wobei wir noch einen nicht unwichtigen Aspekt hinzufügen wollen: Es macht schlicht Spaß, mit dem C4 Cactus zu fahren, zu reisen. Auf eine natürlich ganz andere Art als zum Beispiel mit einem 207 PS starken DS3. Nein, es ist diese sehr französische Nonchalance, diese Lässigkeit, die hier aus der Tiefe der Automobilhistorie zurück in die Neuzeit kommt. Zwar gibt es kein Rolldach für den Cactus wie zum Beispiel für den neuen Citroën C1, dafür aber ein formidables Panoramadach, das wir Ihnen nebenbei auch noch sehr ans Herz legen. Es ist quasi das i-Tüpfelchen auf ein durch und durch sonniges Auto.

Autogefühl: ****

Weitere Stimmen zum Citroën C4 Cactus:
Newcarz
Impulsee
Autoaid
Fanaticar
Drive Blog

Text: Autogefühl, Thomas Imhof
Fotos: Autogefühl, Thomas Majchrzak / Citroën

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