VW Golf R Cabriolet Testbericht – Rasantes Oben-Ohne Vergnügen

Eigentlich fährt man Cabrio ja gemütlich, will sich die Landschaft ansehen, die Natur riechen. Muss es da wirklich ein Auto sein, das mit 265 Pferdestärken in gut sechs Sekunden auf 100 ist und das immerzu auf den Fahrer einredet: Gib Gas? Muss nicht. Aber schön ist es schon, mit dem Golf R Cabriolet mal ein anderes Cabrio-Feeling zu genießen. Von Holger Majchrzak

Fangen wir mit etwas zum Nachdenken an: Das Golf Cabriolet ist das meistverkaufte Cabrio Deutschlands – doch als Golf R Cabriolet kann es ganz anders als gewöhnlich sein – was aber nicht direkt auffällt. Das Golf R Cabrio bolzt mit 250 km/h über die linke Spur, der Fahrer freut sich über die staunenden Blicke der Fahrer mit den Häkeltoiletten-Hütchen, aber plötzlich schert ein Lkw aus der rechten Spur aus. Der Fahrer hat ja „nur“ einen Golf im Rückspiegel entdeckt und gemeint, so schnell wird der nicht da sein. Ist er aber. Keine Frage, hätte er da eine Alpha-Schnauze oder eine BMW-Niere gesehen, der Lkw-Fahrer wäre vermutlich rechts geblieben. Also: Golf R fahren – und das gilt auch für das Cabrio – heißt auch vorsichtig fahren, weil das Auto nicht als Rennmaschine wahrgenommen wird. Das kleine R-Logo am Kühlergrill ist Understatement pur.

Machen wir mit dem Schönen weiter: Beschleunigung. Nur über die Vorderräder angetrieben – und das erstaunlich gut – über das 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe geht es so dynamisch und ohne Verzug los, dass es eine Freude ist, mit dem Golf R Cabrio auf Serpentinen Walzer zu tanzen. Kritiker bemängeln das Fehlen des Allrad-Antriebs – zumindest auf trockenen Straßen ist das gar kein Problem. Das Golf R Cabriolet krallt sich in den Asphalt, verströmt ein gutes Sicherheitsgefühl und hat jederzeit Reserven für Überholvorgänge. Das stärkste offene Serienmodell von VW ist auch auf der Bremse vorbildlich.

Wer das Auto vor allem zum Cruisen nutzen will, wird schnell die Erfahrung machen, dass VW mit dem R in erster Linie natürlich einen Sportwagen gebaut hat, der kaum bequem, vielmehr sicher sein soll. Dementsprechend sorgt das Fahrwerk für besten Bodenkontakt, was der Fahrer auch bei jedem Stein und jeder Rille merkt. Ein Hardstyle Freiluft-Erlebnis, aber eine Sänfte ist eben nicht sportlich.

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900 VW Golf Cabriolets werden pro Monat in Deutschland neu zugelassen, eine immense Zahl für ein offenes Auto, auch wenn es innerhalb der Golf-Palette nur fünf Prozent ausmacht. Das Golf R Cabrio hat natürlich daran jeweils nur einen marginalen Anteil und hat einen 44.450 Euro Einstiegspreis. Das ist stolz, ein normales Golf Cabrio gibt es schon unterhalb von 25.000 Euro. 1,2 l Benziner mit 105 PS und 6-Gang-Schaltung. Zur Serienausstattung zählen z.B. 16-Zoll-Stahlräder, Außenspiegel elektrisch einstell- und beheizbar, Berganfahrassistent, Klimaanlage.

Das Golf R Cabriolet ist dagegen schon nahezu wunschlos üppig ausgestattet:

– 2,0 l TSI mit 265 PS und 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe DSG
– 18-Zoll-Aluräder
– Kühlergrill schwarz, mit „R“-Logo
– Lendenwirbelstützen vorn
– Multifunktions-Lederlenkrad
– Pedale in Edelstahl
– beheizte Sportsitze in Leder
– Einparkhilfe
– 6 Lautsprecher
– Klimaanlage „Climatronic“ mit 2-Zonen-Temperaturregelung,
– Sportfahrwerk, Karosserie ca. 25 mm tiefer gelegt

Für unter 1.000 Euro gibt es ein paar Komfort- und Technikfeatures dazu – wie Tempomat mit Müdigkeitserkennung, Windschott, Lichtregulierung – und für 1.015 Euro eine adaptive Fahrwerksregelung. Bei einer um 25 mm tiefergelegten Karosserie kann man das Auto dann auf sportlich, normal und komfortabel abstimmen, was immerhin einen Hauch mehr Bequemlichkeit bringt. Damit ist der Wagen nahezu perfekt eingerichtet. Allein beim Navi könnte VW mal die Steinzeit verlassen. Und sich mal die hauseigene Konkurrenz anschauen, die hier Besseres anbietet. Schließlich ist man mit dem Golf R Cabriolet noch auf Golf 6 Plattform und nicht auf dem aktuellen Golf 7 wie der geschlossene Golf R.

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Volkswagen Golf R Cabriolet

Volkswagen Golf R Cabriolet

Und schauen wir rüber zum Audi S3 Cabriolet, dem einzigen natürlichen Feind des Golf R Cabrio. Der ist gut 5.000 Euro teurer, hat 35 PS mehr und wirkt edler, runder, schicker. Sozusagen der schöne Bruder, während der Golf der raue, krawallige Geselle ist. Der Rocker gegen den Balladensänger. Es ist eine reine Geschmacks- und Design-Frage, zu welchem Auto das Pendel schlägt.

Angenehm aufgefallen beim Test sind noch die 100-Meter-Sprint-Zeit, in der das Verdeck auf und zugeht – unter 10 Sekunden – und sehr angenehme Sportsitze, die der Härte des Fahrwerks viel nehmen.

Noch ein Wort zum Verbrauch: Vom Werk mit durchschnittlich 8,2 Litern angegeben sind 10 Liter unsere Messung bei normaler Fahrweise, waren wir sehr flott und sportlich unterwegs standen am Ende 10,6 Liter. Bei der Charakteristik dieses Autos nehmen wir das hin – wir haben es ja angerichtet mit dem Gasfüßchen.

Fazit: Ein Auto für Cabrio-Freaks? Nicht unbedingt. Das Golf R Cabrio ist designt für sportliche Fahrer, die sich ab und an auch mal den Wind um die Nase wehen lassen wollen. Oder für hartgesottene Freiluft-Fans, die auch oberhalb der 100 km /h noch die Oben-Ohne-Freiheit genießen wollen.

Autogefühl: ****

Text & Fotos: Autogefühl, Holger Majchrzak
Fotos Innenraum von oben: VW

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