Honda Accord Tourer läuft aus – Testbericht: Jetzt noch kaufen?

In Deutschland fristet der Honda Accord ein Nischendasein, innerhalb der Marke und auch gesamt in der Mittelklasse. Dabei wurden seit knapp 40 Jahren über 18 Millionen Fahrzeuge weltweit in acht Generationen verkauft, womit der Accord zu den meistverkauften Autos überhaupt zählt. Die Märkte in den USA und Japan haben den Accord stark gemacht. Voll ausgestattet landet ein Honda Accord Tourer preisgleich zu einem top VW Passat. Und das ist womöglich auch der Grund, warum der Honda Accord hierzulande ausläuft. Von Holger Majchrzak

Einordnung

Das Zugpferd CR-V wird bei Honda hier sechsmal so häufig verkauft wie der Accord. Von der Mittelklasse-Limousine bzw. dem Kombi werden in Deutschland knapp über 100 pro Monat neu zugelassen. Das ist ein ähnliches Niveau wie beim Citroen DS5 oder Infiniti Q50, also kaum erwähnenswert.

Lange Zeit war der Accord eine Design-Sünde und allein deshalb hierzulande wohl ein Ladenhüter. Aktuell läuft der Honda Accord seit 2008 in der achten Generation, wobei es im Frühjahr 2011 ein Facelift gab. Damals gab es neue Scheinwerfer, Kühlergrill und Stoßfänger sowie ein Fahrwerks-Update und neue Materialien im Innenraum.

Die Basispreis liegt bei 26.990 Euro (Limousine) und 28.290 Euro (Kombi / Tourer). Mitte 2015 soll der Accord aus dem europäischen Modellprogramm verschwinden. Das verspricht jetzt hohe Rabatte. Ein Kaufgrund?

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Exterieur: Ausstrahlung verbesserungsfähig

Der Accord zählt zu den Japanern, die erkennbar nicht für europäische Käufer designt wurden. Fließende Formen, aber alles sehr verspielt, hier eine Linie, dort ein neuer Ansatz, dem Auto fehlt ein markantes Auftreten. Optik ist natürlich immer Geschmackssache, aber es ist definitiv nicht das Auto, das wegen des Designs den Händlern aus den Fingern gerissen wird. Dass Honda auch ganz anders kann, zeigen die Studien von Modellen, die in der Entwicklung sind, wie der HRV oder der NSX. Die Verspieltheit des Accord Designs sorgt noch dazu für eine mäßige Übersichtlichkeit des Fahrzeugs.

Interieur: Für die Langstrecke konstruiert

Der Designmix setzt sich unserer Ansicht nach im Innenraum fort. Es fehlt die einheitliche Formensprache, Harmonie Fehlanzeige. Neben formschönen Elementen tauchen immer wieder stilistische Abenteuer auf. Es ist anzuerkennen, dass in der Materialauswahl Premiumqualität angestrebt wird. Aber insgesamt überzeugt das nicht. Richtig gut hingegen die Sitze und die Sitzposition, das Handling des Fahrzeugs. Auf langen Autobahnfahrten kann der Accord Tourer mit seinem Komfort deutlich punkten. Hier entsteht das Gefühl eines amerikanischen Kreuzers. Fahrwerk und Sitzposition weisen darauf hin, dass dieses Fahrzeug stark im US-Markt vertreten ist. Das kann sehr angenehm sein. Die Sitze bieten mehr Sofa-Atmosphäre als alle anderen Mittelklasse-Fahrzeuge und fürs Cruisen ist das weiche Fahrwerk sehr angenehm. Lediglich wer gerne fix in Kurven fährt, wird die Rückmeldung von der Straße missen.

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Ausstattung

Der Accord ist preislich aufsteigend gleich mit sechs Ausstattungslinien erhältlich:

S
Comfort
Elegance
Lifestyle
Executive
Type S

Die von uns getestete Executive-Ausstattung umfasst:

– Einparkhilfe vorn / hinten
– Geschwindigkeitsregelanlage (Tempomat)
– Lichtsensor (automatische Fahrlichtschaltung)
– Regensensor
– Bluetooth
– Ledersitze
– Sitzheizung
– Lederlenkrad
– Fahrersitz und Beifahrersitz 8-fach elektrisch einstellbar (Fahrersitz mit Memory – Funktion)
– Glas-Hub-Schiebedach
– Premium-Sound-System
– Zwei-Zonen-Klimatisierungsautomatik
– Xenon – Scheinwerfer
– 17-Zoll-Felgen

Das Navigationssystem kostet 2.400 Euro extra, wirkt nicht gerade modern in der Grafik. Da gibt es mittlerweile ansprechendere Lösungen am Markt. Eine in der Mittelklasse erwartbare Ausstattung.

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Zum Vergleich: die Limousine
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Motoren

Kommen wir zu den wirklich positiven Eigenschaften des Accord Tourer. Die Motorisierung sorgt dafür, dass man generell sehr dynamisch unterwegs ist. Die wenigen deutschen Accord-Käufer loben denn auch die sportlichen Eigenschaften ihres Fahrzeugs. Aus den Motoren-Varianten 2 Liter Benziner (Sauger) mit 156 PS, 2,4 Liter Benziner (Sauger) mit 201 PS, 2,2 Liter Diesel (Turbo) mit 150 PS, 2,2 Liter Diesel (Turbo) mit 180 PS testeten wir den Honda Accord Tourer 2.2 i-DTEC Executive mit 180 PS und 6-Gang-Schaltgetriebe. Der erledigt in 8,6 Sekunden den Sprint von 0 auf 100 km/h. Top Speed 230 km/h. Seltsam mutet nur an, dass für eben diesen Top-Diesel keine Automatik erhältlich ist. Der Wagen bringt seine Kraft aber gut auf die Straße, die Lenkung ist präzise. Der kleine Schaltknüppel versprüht durch seine Kürze und die runde Alu-Abdeckung ein wenig Racing-Atmosphäre. Das Testfahrzeug kostet nach Liste 37.210 Euro.

Zum Vergleich: Ein Volkswagen Passat mit 2.0 Liter TDI und Highline-Ausstattung kommt auf 37.325 Euro – sicher kein Zufall. Honda will da offiziell also kein Billigheimer sein, die Preisdifferenz wird wahrscheinlich dann erst über eine verstärkte Rabattierung erfolgen. Auch in seinen Abmessungen,

Länge: 4,72 m
Breite: 1,84 m
Höhe: 1,44 m
Radstand: 2,70 m
Leergewicht: 1.484 kg

hat der Accord Tourer nahezu die gleichen Werte wie ein Passat Variant.

Fazit: Insgesamt ist der Accord Tourer ein durchschnittliches Mittelklasse-Fahrzeug, das den Abschluss an die Spitze in diesem Segment verloren hat. Andererseits bekommt der Käufer ein Fahrzeug mit ausgereifter Technik und hohem Nutzwert, dass etwa in den USA richtig gut läuft. Der Fahrkomfort und die sehr komfortable Sitzposition überzeugen. Sollten sich in den kommenden Monaten Schnäppchen-Preise ergeben, lohnt ein Blick speziell auf die Top-Ausstattungsvarianten. Wahrscheinlich gibt es dann viel Auto für relativ wenig Geld.

Autogefühl: ***

Text: Autogefühl, Holger Majchrzak
Fotos: Honda

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