Ford Focus RS der dritten Generation – der neue Driftweltmeister

„Deutlich über 320 PS“ aus einem aufgeladenen 2,3-Liter-Vierzylinder, Allradantrieb mit dynamischer Torque Vectoring-Verteilung und ein Flügelwerk, das nah an die doppelstöckigen Spoilermonster eines Sierra RS 500 oder Escort RS Cosworth heranreicht. Der von Gymkhana- und Rallycross-Star Ken Block mitentwickelte Ford Focus RS der dritten Generation kennt nur ein Motto: Mit Volldampf voraus. Von Thomas Imhof

Im Video zum neuen Donnerbolzen von Ford räubert Ken Block, ungekrönter Drift-Weltmeister und auf Ford auch regelmäßig in der Rallye- und Rallycross-Szene unterwegs, durch das an einem Wochenende wie verlassen daliegende Gelände des Ford-Werkes Köln-Niehl. Er durchquert menschenleere Fertigungshallen, fährt Slalom zwischen Rohkarossen und vollführt sogar einmal vor Schreck eine Handbremswende, um nicht vor einem Verladekai für Neuwagen in ein Hafenbecken des Rheins zu plumpsen. Endlich landet er dann an seinem Ziel: dem Ort der Weltpremiere des Ford Focus RS der dritten Generation, der so genannten Halle „W“ des Kölner Werksgeländes, wo Ford früher einmal Motoren für amerikanische Modelle wie den Explorer montiert hat.

Dabei wird der bislang schärfste Focus RS ab dem vierten Quartal 2014 nicht dort, sondern im Focus-Stammwerk Saarlouis gebaut – Seite an Seite mit dem 185 PS starken Focus ST und den zivileren Spielarten des erfolgreichen Mittelklassemodells. Zu den Händlern rollt der RS dann Anfang 2016. Vorab gibt es die offizielle Weltpremiere auf dem Genfer Salon 2015, auf dem Ford sich noch etwas konkreter zu den Leistungswerten des EcoBoost-Vierzylinders äußern will.

30. RS-Modell seit 1968 und nach dem GT aus Detroit zweites Modell der neuen Ford Performance Reihe

Es ist das 30. RS-Modell, das Ford seit Begründung der Baureihe (1968 mit dem in Köln gebauten 15 M RS) auf die Räder gestellt hat. Und es ist nach dem gerade erst in Detroit enthüllten Ford GT das zweite von zwölf Performance-Fahrzeugen, die das neue „Ford Performance Team“ bis 2020 unter das sportbegeisterte Publikum bringen will.

Der erste Ford Focus RS erschien 2002. Mit 215 PS aus einem 2,0-Liter-Turbomotor war er noch vergleichsweise zivil motorisiert; lediglich ein serienmäßiges Sperrdifferential war nötig, um die Kraft schlupffrei auf die Vorderräder zu schicken. Weitaus spektakulärer dann schon Ausgabe Zwei aus 2009: Sie schickte schon 305 PS an die Vorderachse, was dank der so genannten „RevoKnuckle“-Geometrie ebenfalls manierlich gelang. Der dritte Focus RS dringt nun sowohl optisch wie leistungsmäßig in neue Spähren ein und wird von Ford erstmals auch weltweit vermarktet.

 

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Der neue Donnerbolzen basiert auf der fünftürigen Limousine und bringt seine Kraft nun via Allradantrieb auf die Straße. Die dynamische Drehmomentverteilung (Dynamic Torque Vectoring) soll die Kraft immer so an alle vier Räder verteilen, dass maximale Haftung unter allen Bedingungen entsteht. Das 4×4-System stützt sich auf zwei elektronisch gesteuerte Differenziale an der Hinterachse. Sie regeln nicht nur die Kraftverteilung zwischen vorne und hinten, sondern auch die Drehmomentbalance zwischen den Hinterrädern, zu den maximal 70 Prozent der Power gelangen. Im Extremfall sogar komplett auf ein einzelnes Rad! Um das alles zu managen, wertet die Hochleistungs-Bordelektronik 100 Mal pro Sekunde Informationen über den Lenk- und Gierwinkel, die Querbeschleunigung und die Geschwindigkeit aus. Um dann bereits beim Einlenken in eine Kurve dem äußeren Hinterrad mehr Drehmoment zuzuführen. So vereitelt das System das nicht nur von Quertreibern wie Brock verhasste Untersteuern. Im Ergebnis erreicht der Ford Focus RS der dritten Generation so Querbeschleunigungen von über 1 g – ein Wert, den üblicherweise nur echte Rennwagen schaffen und der auch im Wettbewerbsumfeld des Focus RS – watch out Golf R mit 300 PS – noch seinesgleichen sucht.

„Die Behauptung, dass 4×4-Kompaktwagen keinen Spaß machen, haben wir eindeutig widerlegt“

„Mit unserem neuen Allradsystem ist uns ein echter Durchbruch gelungen“, glaubt Dave Pericak, Direktor des globalen ‚Ford Performance‘-Teams. „Die Behauptung, dass vierradgetriebene Kompaktwagen keinen Spaß machen, haben wir damit eindeutig widerlegt. Der neue Focus RS wird gleichermaßen überraschen und begeistern“.

Auch wenn der Focus RS kein Homologationsmodell für eine spätere Rennversion ist, dürften Privatfahrer kaum der Versuchung widerstehen, ihn auch mal auf die Rennpiste zu lassen. Zumal Ford das Fahrwerk im Vergleich zum wahrlich auch schon sehr agilen Focus ST nochmals überarbeitet hat. Zu strafferen Federraten, verstärkten Anlenkpunkten und Lagern sowie größer dimensionierten Stabilisatoren kommen elektronisch verstellbare Stoßdämpfer. Auch die elektrische Servolenkung soll jetzt ein noch direkteres Lenkgefühl vermitteln.

„Bereits mit Focus ST und Fiesta ST haben wir gezeigt, wie sportlich eine elektrisch unterstützte Lenkung ausgelegt sein kann“, so Pericak. „Der neue Focus RS geht nochmals einen Schritt weiter.“

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Zum High Performace Powertrain kommen beim Focus RS der dritten Generation High Performance Reifen von Michelin. Serienmäßig sollten schon die „Pilot Super Sport“ der Dimension 235/35 R 19 für guten Grip bürgen. Optional zu haben ist aber auch ein reiner Sportreifen (Semi-Slick) – der Michelin Pilot Sport Cup 2 für Fahrten auf abgesperrten Rennstrecken. Frage: Wann bricht Ford mit dem neuen Focus RS damit den Rundenrekord von Renault auf der Nürburgring-Nordschleife?

Ein Zylinder weniger als der Vorgänger – aber mehr Power bei verringertem Verbrauch

Der EcoBoost Motor basiert auf dem gleichen Aluminium-Aggregat (2,3-Liter-Turbo), das auch dem neuen Ford Mustang als neue Basis dient. Es wurde aber für den Einsatz im neuen Focus RS gründlich adaptiert. Ford spricht von deutlich über 320 PS und einer Maximaldrehzahl von 6.800 U/min. Im Vergleich zu seinem fünfzylindrigen Vorgänger soll der Vierzylinder zugleich mit deutlich niedrigeren Verbrauchs- und Abgaswerten punkten – eine Tatsache, die er neben der Benzin-Direkteinspritzung und der variablen Steuerung beider Nockenwellen auch dem serienmäßigen Start-Stopp-System verdankt.

Ein Leisetreter sein will der Focus RS natürlich nicht. Vielmehr betöre er wieder mit einem sehr sorgfältig abgemischten Motorsound, der Fans Gänsehaut erzeugen wird, verspricht Ford. „Dieser spezielle EcoBoost-Vierzylinder mit 2,3 Liter Hubraum wird die Fahrer des neuen Focus RS begeistern“, ist Dave Pericak überzeugt. „Wenn Sie unter Volllast den gewaltigen Schub des Turbos in Kombination mit dem fantastischen Motor-Sound erleben, werden Sie hingerissen sein“.

Auch das manuelle Sechsganggetriebe soll dem athletischen Naturell des neuen Kraftpakets entsprechen. Übersetzt: Knackige und kurze Schaltwege. Sowohl das Getriebe selbst als auch die Kupplung seinen stärker dimensioniert, um der höheren Beanspruchung sicher standzuhalten, so Ford.

Last but not least das RS-Design – hier geriet der alte Designerleitsatz „form follows function“ zum obersten Gebot. Riesige Lufteinlässe für die Motor- und Bremskühlung sowie üppiges Flügelwerk spiegeln den Auftrag des Modells unmissverständlich wider. Im Motorraum sitzen sogar die größten Kühler, die Ford jemals in einem serienmäßigen Focus eingebaut hat. Sie seien sogar für einen „harten“ Rennstreckenbetrieb gewappnet.

„Durchtrainiert bis in die letzte Faser“ (Design-Chef Piaskowski)

„Dies ist der ultimative Focus – optisch beeindruckend und durchtrainiert bis in die letzte Faser“, findet Joel Piaskowski, als Nachfolger von Martin Smith neuer Designdirektor von Ford Europa. „Unsere ‚RS‘-Modelle waren schon immer faszinierende Sportfahrzeuge, bei denen die Funktion klar im Vordergrund steht. Auch der neue Focus RS führt diese Historie fort“.

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Die Frontpartie zeigt sich gegenüber einem aktuellen Serien-Focus nochmals stark modifiziert: Tiefer Frontsplitter, größeres oberes Kühlermaul, zusätzliche Luftschächte in den Flanken des unteren Stoßfängers. Vertikale Nebelleuchten und multifunktionale Xenon-Scheinwerfer gehören zur Serienausstattung. Sie passen die Lichtstärke und den Leuchtwinkel automatisch an das gefahrene Tempo, den Lenkeinschlag und den Abstand zu Objekten vor dem Auto an.

Am Heck dominieren ein üppig dimensionierter Diffusor-Einsatz im unteren Schürzenbereich, eine Auspuffanlage mit zwei kreisrunden Endrohren und die zentral positionierte Nebelrückleuchte das Bild. Der weit auskragende Dachspoiler ist in Wagenfarbe lackiert und trägt an den Halterungen „RS“-Logos.

Neben dem vierschichtigen Metallic-Ton Nitrous-Blau des am Dienstag in Köln präsentierten Modells gibt es den Ford Focus RS der dritten Generation noch in drei weiteren Außenfarben: „Frost-Weiß“, „Iridium-Schwarz“ und „Magnetic-Grau“.

Interieur mit Recaro-Sitzen und drei Zusatzinstrumenten

Im Interieur dürfen sich Sportfans auf Teilledersitzen von Recaro und typische RS-Applikationen freuen. Wie ein im unteren Bereich abgeflachtes Softleder-Sportlenkrad, Aluminium-Pedale und – wie im Focus ST – Zusatzanzeigen für Ladedruck, Öltemperatur und Öldruck. Das blaue „RS“-Thema spiegelt sich in farblich abgesetzten Nähten der Sitze, des Volants, der Innenverkleidungen und der Fußmatten wider. Auch der Schaltknauf besitzt ein spezielles Design. Das „RS“-Logo selbst taucht auf den Rücksitzlehnen, am Lenkrad und an den Einstiegs-Zierleisten auf.

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Mit dem Taunus 15 M RS von 1968 nahm die RS-Geschichte ihren Anfang

1968 gab Ford mit dem in Köln gebauten Taunus 15 M RS den Startschuss zur RS-Reihe. Der mit einem 1,7 Liter großen V4 Motor (!) bestückte Wagen war auf Wunsch auch als Coupé erhältlich. Seine Leistung: 70 und später 75 PS. In der Folge entstanden zahlreiche Technologieträger, mit denen Ford auf den Renn- und Rallye-Pisten viele Erfolge errang, die aber auch dem sportlichen Normalverbraucher einen Hauch der großen weiten Rennsportwelt in seinen fahrenden Untersatz zauberte.

Zu den Ikonen der RS-Baureihen zählt unter anderem der Escort RS 1600 (der mit dem Hundeknochen-Grill). Er kam 1970 und verfügte schon über einen damals noch sehr seltenen  Vierventilkopf. 1970 erschien der Capri RS 2600 (2,6-Liter-V6), der erste Ford in Europa mit Benzineinspritzung anstelle von Vergasern, gefolgt 1973 vom Capri RS 3100 (3,1-Liter-V6). Gut in Erinnerung ist vielen Ford-Freaks wegen seiner Kunststoff-Nase auch noch der Escort RS 2000 von 1975. Und 1981 gab es zum Abschied des Capri einen Capri turbo mit 2,8-Liter-V6.

Der Mittelmotor-RS 200 von 1984 diente als Homologationsmodell für ein Rallyefahrzeug nach der radikalen und wegen tödlicher Unfälle dann eingestellten Gruppe B. Ebenfalls 1984 war der Escort RS Turbo der weltweit erste mit Visco-Kupplung und Sperrdifferenzial. 1985 leitete der Sierra RS Cosworth – das erste Modell mit doppelstöckigem  Heckspoiler und einer Leistung von über 100 PS/Liter – die große Zeit des Ford Sierra ein. Sie gipfelte in 4×4-Cossies und dem RS 500, der in seiner Rennversion die Tourenwagen-WM holte.

Der Escort RS Cosworth von 1992 verfügte über Allradantrieb und ein ähnliches Doppelleitwerk wie der Sierra – wem das zu prollig war, konnte auch eine abgeschwächte Version ordern. Nach dem Escort RS 2000 4×4 von 2004 dauerte es dann acht Jahre bis zum ersten Focus RS. Der nun in seiner dritten Auflage einen neuen Leistungs-Olymp erklommen hat.

Text: Autogefühl, Thomas Imhof
Kamera: Autogefühl, Cornelius Dally
Schnitt: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Fotos: Ford