Porsche 911 Carrera GTS Cabriolet Testbericht

Nach dem Porsche Cayman GTS wurde nun auch der aktuelle Porsche 911 Carrera erneut mit dem GTS-Zusatz geadelt. Manche sagen, GTS sei die schönste Art, einen modernen Porsche zu bewegen. Warum eigentlich? Unser Test sucht die Erklärung – startklar zum Frühling mit dem Porsche 911 Carrera GTS Cabriolet. Von Thomas Majchrzak

Mittlerweile gibt es so viele verschiedene Porsche 911 Einzelversionen, dass man zunächst nicht mehr so richtig durchblickt. Mit viel PS, sehr viel PS, extrem viel PS, mit und ohne Allrad, mit und ohne Cabriodach, als Targa, als Sauger oder Turbo… wo steht der GTS?

Kurz gesagt: Das leistungsstärkste 911er-Modell für die Straße, das ohne Turbo auskommt. Der 911er GT3 hat noch mehr PS, ist aber tatsächlich primär für die Rennstrecke gedacht. Und der 911 Turbo hat umso mehr PS, schöpft diese aber eben aus dem Turbo.





Der 3,8-Liter-Boxermotor im Porsche 911 Carrera GTS Cabriolet ist dagegen natürlich beatmet, was einen knackigeren Motorsound verleiht und einen geringeren Verbrauch gegenüber einem Turbo, gerade wenn man gerne mit dem Gas spielt. Kraft genug ist vorhanden. Der 6-Zylinder leistet 430 PS und schöpft daraus ein Drehmoment von 440 Nm. Das sind übrigens 80 PS mehr als beim Basis-911er-Cabriolet. Beim Porsche 911 Carrera GTS Cabriolet geht es in 4,8 Sekunden (mit 7-Gang-Schaltgetriebe) oder 4,6 Sekunden (mit Doppelkupplungsgetriebe) von 0 auf 100 km/h. Noch etwas schneller geht es mit dem Sport Chrono Paket Plus (plus 1.200 Euro), das den Antrieb nochmals sportlicher ausrichtet und damit eine Beschleunigung von 4,2 Sek. möglich macht. Außerdem ist in dem Chrono-Paket auch eine analoge Stopp-Uhr sowie die Sport-Taste enthalten. Mit dem Druck auf die Taste lässt das Fahrzeug höher drehen und später schalten, die Gassannahme wird verstärkt und auch das adaptive Fahrwerk wird härter gestellt. Zudem öffnen sich die zusätzlichen Auspuff-Klappen, die auch separat per Taste gesteuert werden können.

Exterieur

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Ein Porsche 911 Carrera GTS schreit nicht ganz so nach Aufmerksamkeit wie der Turbo mit dem dicken Heckflügel. Trotzdem markiert er seinen Platz gegenüber den Serienmodellen mit im Detail aggressiven Veränderungen: Porsche denkt dabei an die ideale Racingfarbe Dunkelrot, Karminrot. Eine Sonderfarbe, die aber auch noch Aufpreis kostet. Natürlich ist der GTS auch in allen anderen erdenklichen Farben erhältlich. Wie wir bei uns auf den Fotos und im Video sehen, steht dem GTS auch Weiß sehr gut, gerade beim Cabriolet. Dabei kommen die Kontraste besonders gut zur Geltung.

Denn viele schwarze Elemente finden sich am GTS-Exterieur: So etwa die serienmäßigen 20-Zoll-Felgen im Turbo S Design sowie schwarze Lufteinlassgitter und Akzente zwischen den Heckleuchten. Auch die Doppelendrohre hinten sind schwarz. Die Bremssättel sorgen wiederum für einen roten Kontrast. Gerade die Felgen fallen bei der weißen Außenfarbe am stärksten auf, größer könnte der Kontrast nicht sein.

Ansonsten sind serienmäßig noch Bi-Xenon-Scheinwerfer an Bord, besondere Sport-Außenspiegel und ein um 44 mm verbreitertes Heck (gegenüber Serien-911er). Somit steht der 911er GTS mehr als satt auf der Straße, er strahlt Autorität aus.

Der neue 911 Carrera GTS liegt inkl. serienmäßigen adaptivem Fahrwerk (Porsche Active Suspension Management, PASM) 10 mm tiefer, optional gäbe es auch ein PASM-Sportfahrwerk, das dann 20 mm tiefer gegenüber der Serie liegt. Nach unserer Fahr-Erfahrung ist das allerdings nicht notwendig, der GTS liegt tief genug und man muss den Komfort nicht weiter schmälern.

Beim Porsche 911 Carrera GTS Cabriolet kann bauartbedingt natürlich nicht ganz die klassische Coupé-Linie gezeichnet werden. Durch das flache und nach unten ablaufende Heck kann die Verdeck-Linie allerdings geschickt „eingefangen“ werden – vielleicht so schön und fließend wie bei kaum einem anderen Cabriolet. Zwischenfazit: Das Porsche 911 Carrera GTS Cabriolet bleibt im Grunde ein klassischer 911er, macht aber mit den schwarzen Akzenten deutlich, dass man sich mit ihm auf der dunklen Seite der Macht bewegt.

Interieur

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Im Interieur dominiert ebenfalls die Farbe Schwarz, kombiniert mit einem Material, das sich besonders gut für den sportlichen Einsatz eignet: Alcantara. So sind die serienmäßigen Sportsitze Plus mit erhöhten Seitenwangen auf den Körperkontakt-Zonen mit rutschfestem Alcantara bezogen. Auf den integrierten Kopfstützen sind GTS-Schriftzüge eingestickt. Ferner finden wir Alcantara am Lenkrad, am Schalthebel sowie an Türteilen. Das Armaturenbrett ist dagegen mit Leder bezogen und mit roten Kontrastnähten besetzt. Jede einzelne Fläche geht perfekt ineinander über, alles ist sauber und klar gezeichnet, das ist wirklich Perfektion pur. Besonders gut finden wir das Alcantara übrigens am Lenkrad, denn das gibt erstens einen guten Griff und ist zweitens auch sehr angenehm anzufassen. Die horizontalen Zierleisten präsentieren sich im Karbon-Look. All die Kombinationen schaffen das eigene GTS-Gefühl im Innenraum. Ein Gefühl von Rennsport, ohne zu übertreiben. Optional gäbe es dagegen noch Sport-Schalensitze (3.300 Euro), die wir aber nicht empfehlen. Wir hatten im Cayman GTS die Schalensitze und waren mit dem Alltags-Komfort nicht zufrieden, da sind die Sportsitze Plus schon deutlich besser.

Das Navigationsmodul kostet übrigens über 3.000 Euro extra. Das könnte im GTS durchaus mit drin sein. Das Multimediasystem ist grundsätzlich gut und einfach zu bedienen, und zwar mit einer Mischung aus Touchscreen und direkten Knöpfen. Ein iPhone ist schnell per Bluetooth verbunden und auch die Navigations-Anwahl geht fix. Bei Porsche haben wir keine zentrale Bedieneinheit, allerdings ist es vom Cockpit auch so konzipiert, dass man mit der Hand recht gut während der Fahrt an die Knöpfe herankommt. Die Ausrichtung ist allerdings nicht mehr allzu modern und wirkt etwas angestaubt, gerade angesichts der Anzahl an Knöpfen.

Die Verdecksteuerung befindet sich mittig vor dem Schalthebel und ist zweiteilig: Ein Knopf fürs Öffnen, einer fürs Schließen. Hält man den Öffner-Knopf, so fahren nach dem Öffnen des Verdecks die beiden Seitenscheiben hoch. Doch das war’s dann. Um die beiden hinteren Seitenscheiben hochzufahren, muss man links in der Tür einen Knopf drücken, der bestimmt, dass die Scheiben-Knöpfe fortan auch die hinteren mitbedienen. Das pfiffig integrierte Windschott lässt sich ebenfalls mit einem separaten Knopf ausfahren. Warum man allerdings dann bis zur kompletten Windschutz-Position immer diese drei Schritte separat ausführen muss, ist uns ein Rätsel.

Fahrverhalten

Gerade, wenn man im Cabriolet unterwegs ist, ist der Sound umso wichtiger. Mit offenem Verdeck kann man dem blubbernden Boxermotor die ganze Zeit genüsslich zuhören. Die Diskussion entfacht sich dann noch an der zusätzlichen Steuerung der Auspuffklappe. Mit Knopfdruck brüllt der GTS noch lauter, was bald in der EU für Neuwagen verboten sein wird. Der Sound ist dann schon bombastisch, allerdings muss man sagen, dass der Klang auch ohne Zusatz-Taste super ist und vielleicht auch ein größerer Charme darin liegt, nicht allzu sehr zu übertreiben.

Der offizielle Verbrauch liegt übrigens bei 9,5 l / 100 km, und in der Tat kann man diesen auch fast erreichen, wenn man das Porsche 911 GTS Cabrio nicht allzu sehr jagt. Bei Autobahneinsatz und ruhiger Fahrweise funktioniert es also wie schon beschrieben sehr gut, dass der natürlich beatmete Boxermotor seinem offiziellen Verbrauch weitgehend treu bleibt. Das ist sehr selten, bei den meisten Turbomotoren muss man immer mindestens 2 Liter über dem Verbrauchs-Zyklus mit einkalkulieren, selbst bei gemächlicher Fahrt. Wir bekommen das 911 GTS Cabriolet nur bei vermehrter Stadtfahrt und häufigerem Gaspedaleinsatz auf über 11 l / 100 km.

Die 430 PS sorgen natürlich für eine überragende Beschleunigung, wobei die grundsätzliche Charakteristik im normalen Fahrmodus eher sanft und souverän ist. Das ist gut und entspannt für den Alltag. Gerade im Cabrio erwischt man sich dabei, einfach mehr zu genießen und eine ruhigere Gangart an den Tag zu legen, nach dem Motto: Ich habe zwar viel PS unter der Haube, habe es aber nicht nötig, das extrem auszuleben. Für das spontanere Ansprechen kann man dann jederzeit die Sport-Taste drücken, und dann entfacht der GTS ein Feuerwerk. Für die Rundstrecke gibt es dann noch die Sport Plus Taste, die die Regelmechanismen der Traktionskontrolle noch weiter zurückfährt. Für überragendes Kurvenverhalten sorgt neben dem Heckmotor und dem niedrigen Schwerpunkt auch das Porsche Torque Vectoring (PTV), das in schnellen Kurven gezielte kurze Bremseingriffe an den kurveninneren Rädern vornimmt, um das Fahrzeug besser um die Kurve herumzuziehen.

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Der Komfort ist trotz 10 mm Tieferlegung noch beachtlich, das Fahrwerk schluckt immer noch sehr gut die Bodenwellen. Nur spürt man feine Unebenheiten deutlich stärker, so zum Beispiel auch die weißen Fahrbahnmarkierungen auf der Straße. Die Straßenlage ist mehr als beachtlich. Durch das Motorgewicht am Heck bleibt die Vorderachse gefühlt immer leicht und agil und der Gran Turismo lässt sich spielerisch um die Kurven dirigieren. Nur bei langsamer Fahrt und hohem Lenkeinschlag macht sich die leichte Vorderachse mit Untersteuern bemerkbar. In puncto Sportlichkeit macht dem 911 GTS Cabriolet kaum jemand etwas vor – außer vielleicht Cayman/Boxster GTS, die kürzer und mit Mittelmotor bestückt noch ein wenig spritziger in den Kurven sind.

Die Windeigenschaften des Porsche 911 Carrera GTS Cabriolet sind durchweg sehr gut, mit 100 km/h geht es auch in einstelligen Grad-Temperaturen offen über die Autobahn. Dafür sorgen die hinteren seitlichen Fenster und das große Windschott. Nur wenn es um Langstreckenkomfort geht, dann hat zum Beispiel ein Mercedes SL deutlich die Nase vor, was an der etwas höheren Sitzposition liegt und den komforttechnisch besseren Sitzen.

Abmessungen

Länge: 4,50 m
Breite: 1,85 m (ohne Außenspiegel)
Höhe: 1,29 m
Radstand: 2,45 m
Leergewicht: 1.425 kg

Der Basispreis für einen 911 Carrera GTS liegt bei 117.550 Euro. Der Aufpreis für das Cabriolet liegt bei satten 13.000 Euro, Allrad kostet jeweils 7.000 Euro mehr.

Fazit: Das Porsche 911 Carrera GTS Cabriolet ist aktuell zweifelsohne eines der Top-Traumautos und ein zeitloser Klassiker dazu. Die GTS-Variante zeigt optisch die Aggressivität im Detail, ohne dabei zu übertreiben. Die Alcantara-Innenausstattung ist die wohl beste Wahl. Für uns ist der Boxermotor ohne Turboaufladung jederzeit erste Wahl, weil er so wenig verbraucht wie ein kleiner Turbobenziner und dabei ein Höchstmaß an Souveränität und einen knackigen Sound vermittelt. Wer die 27.000 Euro Aufpreis für den GTS allerdings nicht zahlen möchte, wird auch mit einem Basis-911 Cabrio sicherlich glücklich. Der GTS ist ein Zusatz-Leckerbissen, der irgendwie noch mehr Klasse hat als der 911 Turbo.

Autogefühl: *****

Text & Fotos: Autogefühl, Thomas Majchrzak

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