Neuer Mercedes-AMG GT Testbericht

Mit dem Mercedes-AMG GT hat Mercedes sein Sportwagen-Portfolio neu aufgestellt und will die Vorherrschaft des Porsche 911 in Zweifel stellen. Funktioniert das? Unser Fahrbericht soll mehr herausfinden. Von Thomas Majchrzak

In Fachkreisen wird bei Vorstellung eines komplett neuen Modells häufig direkt darüber gesprochen, mit welchen Konkurrenzprodukten es zu vergleichen ist und wie es sich zum Vorgänger-Modell verhält. Der Supersportwagen Mercedes SLS, der aus dem Modellprogramm nun herausgefallen ist, war anders ausgerichtet als der nun gut 10 cm kürzere und im Einstieg halb so teure Mercedes-AMG GT. Der Mercedes-AMG GT ist also kein direkter Nachfolger, sondern soll eher bei den Bestseller-Sportwagen im Premium-Segment fischen, wie dem Porsche 911. Der neue Mercedes-AMG GT startet bei 115.000 Euro (462 PS), der AMG GT S bei 134.000 Euro (510 PS).

Zum Vergleich: Der Porsche 911 Turbo hat 520 PS und kostet 165.000 Euro, also deutlich mehr als ein AMG GT S. Ein 911 Carrera GTS mit 430 PS liegt bei 130.000 Euro, da bietet der AMG GT dann mehr PS zum günstigeren Preis. Definitiv also eine Kampfansage an Porsche.

Bislang kommen in Deutschland knapp 125 Neuzulassungen pro Monat für den Mercedes-AMG GT zustande, das ist sogar noch weniger als beim Jaguar F-TYPE. Der Porsche 911 verkauft sich sechsmal so viel. Aber es wird interessant, ob sich das Verhältnis langfristig ändern kann.





Exterieur

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Über das Design des Mercedes-AMG GT wurde ebenfalls viel diskutiert. An der Front sind im Gegensatz zu anderen aktuellen Mercedes-Modellen die Scheinwerfer weiter nach hinten gezogen, was die Stromlinienförmigkeit betont. Zentrales Designelement ist die lange Motorhaube mit nach hinten versetzter Fahrerkabine, was ein Zitat aus der frühen Rennsportzeit ist. Noch stärker wird dies im Seitenprofil deutlich, kaum ein anderes Fahrzeug vermittelt so viel alten Rennsportflair im modernen Gewand. Die Motorhaube ist sogar so lang, dass der Bau als Frontmittelmotor-Konzept verkauft wird. Die tropfenförmige Fahrgastkabine formt dann das, was Mercedes selber als Cokebottle-Design bezeichnet, angelehnt an die geschwungene Coca Cola Flasche. Serienmäßig sind 19-Zoll-Alufelgen, beim AMG GT S sind es hinten sogar 20 Zoll. Auch am Heck ist der Mercedes-AMG GT in der Modellpalette einzigartig, setzt er hier doch nicht auf den neuen Hauptmarkt China und bietet geschwungene Linien, sondern schmale horizontal verlaufende Heckleuchten. Glücklicherweise ist es kein fest stehender Heckspoiler geworden, dieser ist bei Bedarf ausklappbar. Durch die Aluminium-Bauweise der Karosserie hat man das Leergewicht auf gut 1.600 kg drücken können. An der Front wird sogar das noch leichtere Magnesium verbaut, der Heckdeckel ist aus Stahl.

Der Designeindruck bleibt jedenfalls fantastisch, und gerade in Verbindung mit der hier gezeigten Farbe brilliant blue metallic ist der Mercedes-AMG GT unser Meinung nach eines der schönsten Automobile, die derzeit verkauft werden. Ein zukünftiger Klassiker.

Interieur

Beim serienmäßigen Interieur zeigt Mercedes, dass sich sportlicher Luxus und Nachhaltigkeit miteinander verbinden lassen: Eingesetzt werden Sitze aus Ledernachbildung (Artico) und Stoff mit AMG-Schriftzügen. Sitze, die komplett mit behandelter echter Tierhaut bezogen sind, haben gerade in einem Sportwagen einfach nichts zu suchen. Man rutscht auf den Sitzen, schwitzt auf der Rennstrecke und im Winter ist es kalt. So sind die Sitze in der Tat auch von der Oberfläche her sehr angenehm. Die Form lässt keinen Zweifel an der Sportlichkeit aufkommen, der Seitenhalt ist bis zu den Schultern gegeben. Auf der Negativ-Liste steht dafür der Langstreckenkomfort, der trotz Lordosenstütze zu wünschen übrig lässt. Wer den Mercedes-AMG GT kauft, sollte wissen, wirklich ein Sportfahrzeug zu erwerben und keinen bequemen GT im Sinne eines Mercedes SL. Auch sitzt man in einem Porsche 911 etwas bequemer, aber der Mercedes-AMG GT bietet mehr Platz als ein Porsche Cayman.

Auch die Instrumente sind hier sportwagengemäß tief eingefasst. Besonders ins Auge fallen dabei die Bedienelemente auf der breiten Mittelkonsole, alles im Chrom-Look und im rundlichen Cockpit-Stil. Das schafft Eindruck – und man hat die einzelnen Funktionen eigentlich auch recht praktisch angeordnet. Hier kann man zum Beispiel auch die Fahrmodi umstellen, von Comfort auf Sport und Sport+, bei letzterem wird auch gleichzeitig der Klappenauspuff mit aktiviert. Diesen könnte man mit einer Taste aber auch jederzeit separat ansteuern.

Das unten abgeflachte Lenkrad hat als Zitat aus der Rennsportwelt eine Markierung der 12-Uhr-Position. Beim Mercedes-AMG GT S geht die Tachoskala noch weiter. Außerdem bietet die Top-Version zusätzlich ein Mikrofaser-Lenkrad (Mercedes arbeitet hier nicht mit der Firma Alcantara, sondern mit dem Wettbewerber Dinamica). Unser Testwagen ist ein GT und kein GT S, hat aber so ziemlich alle Ausstattungsmerkmale der S-Version. So sehen wir auf den Fotos auch das Mikrofaser-Lenkrad, das wärmstens zu empfehlen ist. Es bietet mehr Grip, fühlt sich herrlich weich unter den Fingern an und bleibt somit sportlicher und bequemer zugleich. Dass es sich vielleicht schneller abnutzt als ein Tierhaut-Bezug – wen interessiert es? Wer über 100.000 Euro für ein Auto ausgibt, kann sich auch für 100 Euro ein Lenkrad neu mit Mikrofaser beziehen lassen.

Serienmäßig ist übrigens das Assistenzsystem Collision Prevention Assist Plus, das bei einer unaufmerksamen Fahrt im Notfall eine automatische Bremsung einleitet. Optional sind Rückfahrkamera, Toter-Winkel-Assistent & Co. erhältlich.

Im Kofferraum bleiben 350 Liter Stauraum, durch die lange Heckklappe kann man ihn recht gut befüllen. Nur allzu hoch sollte das Gepäch nicht sein.

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Motoren

Zentrum des Rennsport-Feelings ist ein 4,0 Liter V8 Biturbo mit 462 PS im GT und 510 PS im GT S. Dieser Motor wurde speziell für den neuen AMG GT entwickelt. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h erfolgt damit in 4,0 bzw 3,8 Sekunden, der Unterschied hält sich also in Grenzen. Die S-Version hat zum Beispiel das adaptive Fahrwerk schon inklusive.

Geschaltet wird immer über ein 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, das mechanische Hinterachs-Sperrdifferenzial ist inklusive. Letzteres verbessert die Kurvengeschwindigkeiten und die Traktion an der Hinterachse.

Der Durchschnittsverbrauch liegt offiziell bei knapp unter 10 Litern / 100 km, effektiv sollte man aber durchaus 15 Liter einplanen.

Fahrverhalten

Die Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse liegt bei nahezu 50:50, genau genommen bei 47 zu 53, also mit leicht mehr Gewicht auf der Hinterachse. Das ausgeglichene Gewichtsverhältnis macht sich natürlich positiv beim Handling bemerkbar. So bereitet der Mercedes-AMG GT einfach riesig viel Spaß. Die Lenkung ist allerdings nicht so direkt im progressiven Sinne, erst meint man, sie sei etwas locker, bis es sich dann so anfühlt, als würde das Fahrzeug in die Kurve gezogen. An dieses Gefühl muss man sich erst ein wenig gewöhnen, aber dann macht es auch viel Freude. Denn eine Besonderheit stellt die elektronische Lenkunterstützung dar, weil diese beim Mercedes-AMG GT nicht nur geschwindigkeitsabhängig arbeitet, sondern auch die Querbeschleunigung mit berücksichtigt. Dies soll auch in extremen Situationen die Verbindung von Fahrer, Lenkrad und Straße verbessern.

Serienmäßig ist auch ein Klappenauspuff an Bord, der je nach Fahrmodus leiser oder lauter klingt. Optional ist die Abgasanlage auch mit einem Knopfdruck direkt zu steuern, wie auch in unserem Testwagen. Der Sound ist, wie unser Video zeigt, herrlich grollend.

Das ESP arbeitet in drei Stufen, so kann man sich je nach Fahrkönnen und Situation auf Straße oder Rennstrecke den passenden Modus der elektronischen Stabilitätsregelung aussuchen. Auch das haben wir im Video ausführlich getestet. Ist die Stabilitätskontrolle ganz ausgeschaltet, schwenkt der Mercedes-AMG GT gerne auch mal auf trockener Straße hinten aus, aber durchaus kontrolliert. Im ESP Sport Modus kann man dagegen nicht allzu viel falsch machen, weil sich das Fahrzeug selber wieder ab einem gewissen Bereich fängt.

Wie schon bei der Sitzprobe angekündigt eignet sich der Mercedes-AMG GT vom Fahrkomfort her nicht unbedingt für die Langstrecke. Das Fahrwerk ist konsequent sportlich ausgelegt und allzu starke Unebenheiten werden durchgereicht. Das Fahrwerk ist durchweg großartig gemacht, keine Frage, aber eben deutlich auf die Sportlichkeit ausgelegt. So festigt der GT seinen Status als Zweit- … oder Drittwagen.

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Abmessungen

Länge: 4,54 m (Porsche 911: 4,49 m)
Breite: 1, 93 m
Höhe: 1,28 m
Radstand: 2,63 m

Fazit: Der neue Mercedes-AMG GT ist zweifelsohne ein automobiler Genuss. Von außen ist er jetzt schon ein Klassiker und unser Meinung nach eines der schönsten Fahrzeuge, die man derzeit neu kaufen kann. Auch das Interieur verdient großes Lob, stilvoll, sportlich, emotional – und dazu die Verwendung nachhaltiger Materialien. Der Klang besteht aus einem sonoren Grollen und das Fahrverhalten ist konsequent sportlich. Ein GT in diesem Sinne für Langstecken ist das nicht, sondern eher ein kompakte und wunderschöne Rakete für die Rennstrecke – mit mehr Emotionalität als beim 911er. In Deutschland kann der AMG GT den Klassenprimus zahlenmäßig bislang nicht schlagen, obwohl er im Vergleich zu den umfangreichen 911er-Versionen deutlich günstiger ist. Allein das Erscheinungsbild des AMG GT sollte das Zahlenverhältnis aber langfristig ändern können.

Autogefühl: *****

Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Fotos: Autogefühl, Michel Weigel

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