Maserati Ghibli S Q4 Topversion im Test

Der Maserati Ghibli S Q4 markiert die Top-Motorisierung der Modellreihe und findet seinen Weg in unseren Fahrbericht. Den Diesel hatten wir bereits getestet und für erstaunlich gut befunden, da er auch einen – wenn auch künstlich erzeugten – Wohlklang mit sich brachte. Was aber steckt im V6-Benziner mit Allrad? Von Thomas Majchrzak

Der Preisunterschied zwischen Einstiegs-Diesel und Topmodell beträgt in Deutschland fast 20.000 Euro. Während also der Diesel noch für Flottenfahrzeuge mit 1-Prozent-Regel zum Versteuern in Frage kommt, wird es beim S Q4 schon kritisch. Hier ist dann weniger Wirtschaftlichkeit und mehr der Petrolhead gefragt.





Exterieur

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In der Front öffnet der Maserati Ghibli S Q4 breit das Maul und die senkrechten Streben verleihen den klassischen Maserati Look, zusammen natürlich mit dem traditionellen Dreizack. Im Vergleich zu anderen Fahrzeugen der Oberen Mittelklasse ein mächtiger Auftritt.

Seitlich und hinten ist der Ghibli dagegen mit japanischen Fabrikaten zu verwechseln, was vielfach schon kritisiert wurde. Allerdings wächst der Ghibli im Gefallen nach und nach, gerade wenn man ihn bei Nacht von hinten betrachtet. Die wunderschöne LED-Signatur in den Heckleuchten trägt dazu bei. 18-Zoll-Felgen haben alle Versionen, die S-Variante hat ein anderes Design. Unsere Fotos zeigen 19-Zoll-Felgen. Der Maserati Ghibli S hat größere Bremsscheiben, aber ansonsten zahlt man wirklich vorwiegend den Motor, denn Voll-Ausstattung ist (bis aufs Navi, s.u.) das Programm dieses Fahrzeugs.

Interieur

Der Maserati Ghibli hat Schluss gemacht mit alten, eher biederen Interieuren bei Maserati, er vereint italienische Handwerkskunst mit modernen Formen und Flächen. Leider gibt es für Tier- und Nachhaltigkeitsbewusste keine Option für Alcantara-Sitze oder Kunstleder, hier muss Maserati noch nachbessern.

Die Verarbeitungsqualität bleibt allerdings ohne Frage immer hoch, und man bekommt so viel mehr Emotion als bei den zweifelsohne ebenfalls mehr als hochwertigen deutschen Fabrikaten. Auffällig ist, dass Maserati nicht auf schlichte Formen setzt, sondern bewusst kräftige Erhebungen und Kurven einsetzt, die teilweise so wirken, als wären sie ein überspannendes Dach für etwas, das darunter liegt. Im Falle der kleinen Überdachung der analogen Uhr ist das tatsächlich der Fall. Zusammen mit dem bulligen Lenkrad ergibt sich insgesamt ein interessanter Mix aus groben, kräftigen Strukturen und Feinheit der Verarbeitung und Liebe zum Detail, etwa wenn man die blau unterlegten Zifferblätter anschaut. Insgesamt sorgt das für eine Wohlfühlatmosphäre, man fühlt sich sicher und geborgen.

Angenehm ist auch die kleine Optionsliste, denn das meiste, was man braucht, ist schon enthalten, etwa auch die 2-Zonen-Klimaautomatik und Keyless Entry. Serienmäßig sind die Applikationen des Ghibli S im offenporigen Holz, die absolut zu empfehlen sind. Darauf hinterlässt man keine Fingerabdrücke und man kann immer wieder darüberstreicheln und das Naturholz genießen. Lediglich das Navigationssystem geht mit 2.500 Euro extra.

Das Infotainment-System funktioniert grundsätzlich über Touch, wobei man mit einem Einstellrad auch während der Fahrt dort dran drehen kann, weil es ja für den Fahrer nicht ganz so einfach ist, während des Fahrens kleine Touch-Bedienfelder zu treffen. Die Menüführung ist intuitiv, könnte lediglich teilweise einfacher gestaltet sein, indem man die gesamte Fläche zum Anklicken verwenden kann. Denn manchmal sind Felder so angeordnet, dass man nur z.B. am ganz rechten Rand die Funktion aktivieren kann und nicht über die gesamte Breite der Zeile. Der Look könnte ebenfalls moderner sein, die gesamte Anmutung der Software schaut doch etwas altmodisch aus. Außerdem stört es, dass man immer wieder erst OK/Akzeptieren drücken muss, bis man ins Infotainment-System gelangt, auch, wenn man gar nicht mal das Navi benutzen möchte. Grundsätzlich sind wir mit der Bedienfreundlichkeit aber zufrieden.

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Motoren

Benziner
Maserati Ghibli – 3 Liter V6 Benziner mit 330 PS (5,6 Sek. 0-100)
Maserati Ghibli S – 3 Liter V6 Benziner mit 410 PS (5,0 Sek. 0-100)
Maserati Ghibli S Q4 – 3 Liter V6 Benziner mit 410 PS und Allrad – 84.000 Euro (4,8 Sek. 0-100)
In den USA liegt der Preis für die Topversion unterhalb von 80.000 Dollar.

Diesel
Maserati Ghibli Diesel – 3 Liter V6 Diesel mit 275 PS (6,3 Sek. 0-100) – Basispreis 65.000 Euro

Den Diesel haben wir hier im Text und hier auch im Video:

Fahrverhalten

Anderthalb Sekunden ist der Maserati Ghibli S Q4 schneller als der Diesel von 0 auf 100 km/h. So viel ist das nun auch wieder nicht. Trotzdem bleiben die 4,8 Sekunden natürlich ziemlich fix für eine Limousine der Oberen Mittelklasse. Allen Versionen gemein ist das ausgezeichnete ZF-8-Gang-Automatikgetriebe, das wohl die beste Wahl auf dem Getriebemarkt ist.

Durch den Soundgenerator der Diesel-Variante ist es tatsächlich so, dass wenn man den Diesel im Sport-Modus mit dem Benziner im Normalmodus vergleicht, man kaum einen großen Unterschied merkt. Das überrascht uns. Insofern können wir also durchaus sagen, dass man zum Geldsparen den Diesel nehmen kann. Nur wer den Sound von außen hört, der merkt ganz klar einen Unterschied. Hier brüllt der S Q4 richtig.

Macht der V6 Benziner denn nun mehr Freude als der V6 Diesel? Ja, durchaus. Das Mehr an Spritzigkeit macht sich bemerkbar, wo man es denn ausfahren kann. Wer generell ein Freund von Benzinern ist, wird mit dem Ghibli oder Ghibli S glücklicher. Beim Verbrauch wird dann aber auch offenkundig: Während wir mit dem Diesel 7,5 Liter / 100 km gebraucht haben, sind es mit dem Maserati Ghibli S Q4 ganze 12,5 Liter. Also: Zusammen mit Listenpreis und Verbrauch kann man einen Maserati Ghibli Diesel als Dienstwagen noch gut rechtfertigen, den S Q4 für die meisten wohl weniger.

Er konzentriert sich vielmehr auf den Performance-Spaß eines echten V6. Für ein Fahrzeug der oberen Mittelklasse ist der Ghibli richtig schön sportlich und macht auch mächtig Spaß. Das große Lenkrad könnte für sportliche Aspekte etwas kleiner ausfallen, aber irgendwie hat es von Form und Haptik etwas, das es attraktiv macht. Die Lenkwege könnten kürzer sein, da fehlt ein bisschen Progressivität in der Lenkung.

Die Allrad-Variante ist gutmütiger, wenn es darum geht, das Heck herumzuschwingen. Mit ihr ist man auf jeden Fall sicherer unterwegs. Wenn man einen reinen Ghibli-Hecktriebler fährt, spürt man das leichte Übersteuern am Heck schon mal, wenn man richtig ins Pedal tritt. Mit der Allrad-Variante kommt man zügiger voran und auch gleichmäßiger. Für den Alltag sicher eine gute Wahl, und gerade auch, wenn man an nasse oder glatte Straßenverhältnisse denkt. Dafür gibt es auch noch einen extra ICE-Modus, der den Gas-Input etwas zurücknimmt. Auf der anderen Seite gibt es den Sport-Modus, der den Sound noch etwas verstärkt und Drehzahlen höher sowie Gänge stets niedriger hält. Das sorgt für den besten Kick.

Die Federung enttäuscht leider etwas. Bei guten Straßen fällt es nicht auf, aber Schlaglöcher mag das Fahrwerk gar nicht. Diese werden als ruppige Stöße an die Insassen weitergegeben. Außerdem macht sich die Unruhe des Fahrwerks bei sehr hohen Geschwindigkeiten bemerkbar. Während der Maserati Ghibli also bei der Emotionalität ganz vorne liegt, hinkt er technisch den deutschen Premium-Herstellern etwas hinterher.

Abmessungen

Länge: 4,97 m
Breite: 1,94 m
Höhe: 1,46 m
Radstand: 2,99 m
Leergewicht: 1.810–1.870 kg

Fazit: Der Maserati Ghibli S Q4 ist eines der emotionalsten Fahrzeuge in der oberen Mittelklasse und punktet mit italienischem Design, einem liebevollen Interieur, toller Verarbeitung und einer wohligen Atmosphäre. Der V6 brüllt artig und schafft ein ordentliches Maß an Performance mit einem zu erwartenden Verbrauch in dieser Klasse. Als Topversion mit Allrad ist die Leistung gut zu kontrollieren und insofern auch kein Problem für widrige Wetterverhältnisse. Luft nach oben gibt es bei der Individualisierung des Interieurs (Echtlederalternativen) und beim Fahrwerk, das bei Schlaglöchern komfortabler sein muss. Im Vergleich zum Diesel ist der S Q4 den massiven Aufpreis in Anschaffungswert und laufenden Kosten ehrlich gesagt nicht wert, aber nicht, weil der S Q4 schlecht wäre, sondern weil der Diesel schon ein erstaunliches Maß an Emotionalität und Fahrfreude bringt. Rein beim Autogefühl erzielt der Maserati Ghibli S Q4 unsere Autogefühl-Höchstwertung mit 5 Sternen.

Autogefühl: *****

Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Fotos: Autogefühl, Michel Weigel

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