Opel GT Concept – Zweiter Versuch zur Wiederbelebung eines Mythos

Fast 50 Jahre nach dem Debüt des GT Experimental auf der IAA von 1965 zeigt Opel auf dem kommenden Genfer Salon eine neue GT-Studie, das Opel GT Concept. Kommt es zu einer Serienfertigung, wäre es der bereits zweite Anlauf für die Renaissance jenes Zweisitzers, der 1968 unter dem Slogan „Nur Fliegen ist schöner“ für Furore sorgte. Der erste Versuch scheiterte 2009 nach nur zwei Jahren kläglich. Von Thomas Imhof

Eine Legende neu zu beleben, funktioniert nicht automatisch. Das musste Opel 2009 leidvoll eingestehen, als die Rüsselsheimer nach nur zwei Jahren und 7500 gebauten Fahrzeugen den ersten neuen GT nach 1973 sang- und klanglos einstellten. Der unter dem Motto „Die Legende ist zurück“ vermarktete Roadster war nicht mehr als eine auf das damalige Opel-Design zurechtgeschminkte Version des Pontiac Solstice und wurde wie dieser auch in den USA gebaut. Als Folge blieb der von einem 264 PS starken Vierzylinder-Turbo angetriebene Hecktriebler weit unter den Opel üblichen Qualitätsstandards. Billig-Materialien im Innenraum und ein simples, schlecht schließendes Stoffverdeck trübten den Spaß an einem Auto, dass man – so ein Opel-Mitarbeiter – „zumindest schön quer fahren konnte.“ Doch auch wenn es der GT-Neuauflage an PS nicht mangelte, allein ihre Kapuze nervte enorm. Zum Verstauen musste der Fahrer eigens aussteigen, den entriegelten Verdeckdeckel per Hand öffnen und die Klappe anschließend wieder schließen – was nicht selten nur an einer Seite bündig gelang.

Opel GT 1968–1973

Opel-GT-66598

Production-ready: The Opel GT from 1968.
Production-ready: The Opel GT from 1968.

Nein – dieser Versuch, den Original-GT von 1969 zu kopieren, ging gründlich daneben. Dennoch wagt Opel nun einen erneuten Versuch zur Wiederbelebung des Mythos – in Genf steht am 1. März die Studie Concept GT. Als Verbeugung vor seinen Vorgängern und der spirituell verwandten Chevy Corvette mit einem Frontmittelmotor unter der maximal langen Haube. Der – nicht selbstverständlich für eine Studie – voll funktionsfähige Antrieb bedient sich eines aus Adam, Corsa und Astra bekannten 1,0-Liter-Turbomotors. Für den Vorboten eines möglichen GT hat ihn Opel auf 145 PS aufgemotzt – maximal 205 Nm an Drehmoment gelangen per sequenziellem Sechsganggetriebe und Lenkrad-Schaltwippen an – natürlich – die Hinterräder. Opel nennt ein Leergewicht von unter 1000 Kilogramm und acht Sekunden für den Standardsprint von 0 auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit soll 215 km/h betragen.

Opel-Chef Karl-Thomas Neumann gibt sich selbstbewusst: „Der GT Concept zeigt, wofür Opel inzwischen steht. Wir wollen mit jedem neuen Auto mehr Kunden für die Marke begeistern.“ Doch er wird wissen, dass zur seit Jahren angepeilten Rückkehr Opels in die Gewinnzone ein zweisitziges Coupés nur marginal beitragen kann. Der Markt für Cabrios und Coupés ist seit Jahren rückläufig und wird auch künftig überschaubar bleiben. 2015 kam Opel zumindest schon in einem Einzelquartal einmal in die Gewinnzone, 2016 wollen sie nun auch über zwölf Monate schwarze Zahlen schreiben. Nur wenn das gelingt und der Aufwärtstrend nachhaltig bleibt, könnte ein neuer GT frühestens ab 2018 als Imagekanone das Programm emotionalisieren.

Opel GT Concept

Opel-GT-Concept-298968

Opel-GT-Concept-298983

Opel-GT-Concept-298979

Opel-GT-Concept-298975

Genau so, wie es 1968 der Ur-GT so exzellent vermochte. Hervorgegangen war er aus der schon 1965 auf der IAA gezeigten Studie Experimental-GT, einem Werk des Designers Erhard Schnell, der neben dem späteren Serienmodell unter anderem auch den bildschönen Calibra von 1989 verantworten sollte. Schon die Studie verfügte über die damals als letzter Schrei geltenden Klappscheinwerfer und bestach durch eine schlanke Form sowie ausgewogene Proportionen ohne überflüssigen Zierrat. Die technische Basis übernahm sie von einem Allerweltsauto – dem Kadett B.

Der Serien-GT folgte drei Jahre später – als allerdings nur kurzlebiger GT 1100 und GT 1900 mit dem 1,9 Liter Motor aus der Limousine Rekord. Der leistete immerhin 90 PS und beschleunigte die nur 1,23 Meter hohe Mini-Corvette auf 185 km/h. Um den Motor unterzubringen, musste der Ventildeckel am vorderen Ende abgeschrägt werden. Auch sonst herrschte überall Platznot: Der GT hatte keinen Kofferraum, es gab lediglich eine flache Gepäckablage hinter den Sitzen.

Doch das störte die Fans nicht die Bohne, zu sehr magnetisierte die an das große Vorbild, die Chevy Corvette angelehnte Form. Mit der gleichen Cola-Flaschen-artigen Taille – dem „Coke Bottle-Shape“, der gleichen langen Haube, dem gleichen Stummelheck, den Schlafaugen. Nach Auslaufen des GT1100 schob Opel als Lockangebot noch den spartanischeren GT/J nach – ohne Ausstellfenster und Zusatzinstrumente sowie mit schwarzen statt verchromten Zierteilen.

Bis 1973 verkaufte Opel über 103.000 GT, mit in Frankreich bei Chausson und Brissoneau & Lotz gefertigten, lackierten und um die Innenausstattung ergänzten Karosserien, die erst zur Vermählung mit der Kadett-Technik per Bahn ins Werk Bochum gelangten. Mehr als die Hälfte aller GT ging in die USA, wo GM-Tochter Buick das Auto unter Beibehaltung des Markennamens Opel vermarktete. Als „Baby“-Corvette erreichte das Auto auch in den Staaten eine stattliche Fan-Gemeinde.

Auf der IAA von 1975 stand mit dem GT2 ein potentieller Nachfolger, wenngleich mit radikal anderem Design. Sein aus dem Manta GT/E bekannter 1,9 Liter Motor mit 105 PS reichte, um das keilförmige Gerät mit exzellentem Cw-Wert von 0,326 bis auf Tempo 200 zu beschleunigen. Auch dieser GT hatte voll versenkbare Scheinwerfer, dazu bündig verklebte Scheiben, zierliche Außenspiegel und abgedeckte Hinterräder. Doch das mit Schiebetüren, energieabsorbierenden Stoßfängern und damals als trendy geltenden Digital-Anzeigen im Cockpit auftrumpfende Modell schaffte nicht den Sprung in die Serie. Auch, weil sein 2+2-sitziger Innenraum zu nah am ebenfalls auf dieser IAA präsentierten Manta B lag. Einige Ideen aus dem GT2 wurden immerhin anderswo im GM-Konzern aufgegriffen: Das Front-Design kopierte Pontiac am Firebird, das „Mäusekino“ tauchte später im Opel Monza und Kadett E wieder auf.

40 Jahre nach dem GT2 öffnet Opel also nun das vorerst letzte Kapitel der GT-Saga. Die Studie für Genf irritiert zunächst mit knallrot eingefärbten Vorderreifen und Felgen im Roller-Skate-Design. Das sei kein Gag, erklärt Opel, sondern eine Hommage an ein 1928 gebautes Opel-Motorrad namens Motoclub 500. Es war ausschließlich in der Farbkombination rot/silber erhältlich, wobei alle Metallteile in Mattsilber, der Sitz, die Griffe und die Reifen in kontrastierendem Rot gehalten waren. Damit stach die Opel – Cosename Rot-Silber-Vogel – aus der Masse der schwarzen und höchstens mit einem farblich abgesetzten Stecktank versehenen Bikes der Weimarer Republik heraus.

Knallrot eingefärbten Vorderreifen: Erinnerung ans Opel-Motorrad namens Motoclub 500

OpelMotorrad_Motoclub500_1

OpelMotorrad_Motoclub500_2

Ansonsten verzichtete das Team rund um Chefdesigner Mark Adams auf historisierende Zitate: Nur die lange Motorhaube, die fehlende Kofferraumklappe und der zentral angeordnete Doppelrohr-Auspuff gehen als Bezüge zum Ur-Modell durch. Adams zur neuen GT-Studie: „Der Experimental GT war damals Avantgarde, und der GT Concept ist es heute wieder – absolut klar, minimalistisch, dabei spannend und kompromisslos.“

Ganz ohne ein paar in die Technik-Zukunft weisende Features kommt heutzutage keine Konzeptstudie aus – und da macht die GT-Studie keine Ausnahme. Türen und Seitenscheiben gehen nahtlos ineinander über, zum Öffnen der elektrisch weit öffnenden Pforten genügt eine Tastfläche in der im gleich Rot wie die Vorderreifen lackierten Signallinie im Dach. Weil die Türen beim Öffnen ein ganzes Stück in die vorderen Radhäuser eintauchen – eine von Opel patentierte Lösung – soll selbst in engen Parklücken ein großer Öffnungswinkel möglich sein. Im Trend der Zeit liegt der Verzicht auf Rückspiegel – wie schon bei vielen anderen Studien zuvor besorgen auch im GT Concept zwei Micro-Kameras und Monitore im Cockpit die Rücksicht. Auffallend wiederum die Blinkereinsätze in den an BMW-Vorbilder erinnernden Scheinwerfer – sie leuchten dank moderner Projektionstechnologie dreidimensional auf. Die Hauptscheinwerfer selbst kommen laut Opel als volladaptives LED-Licht und nächste Entwicklungsstufe des im neuen Astra erstmals eingesetzten Matrix-Lichts.

Noch sei nichts entschieden, man wolle die Reaktion des Publikums auf der Genfer Messe abwarten, antwortet Opel auf die Frage nach den Serienchancen der Messeneuheit. In jedem Fall sei das technische Konzept weitaus schneller umzusetzen als zum Beispiel bei der 2013 auf der IAA enthüllten Studie Opel Monza. Und eine Heckantriebsplattform zu finden, sei im GM-Reich auch nicht das große Problem.

Die Frage, ob Opel nun ausgerechnet einen neuen GT braucht, um Akzente zu setzen, darf derweil kontrovers diskutiert werden. Nicht wenige Experten hielten es für sinnvoller, einer Opel Version des gerade in Detroit vorgestellten Chevrolet Bolt Priorität einzuräumen. Opel hat mit dem Ampera, dem deutschen Ableger des Chevy Volt, seinen ersten Aufschlag zum Thema Elektromobilität ins Aus geschlagen. Einen passenden Namen für einen diesmal erfolgreicheren Nachfolger gäbe es auch schon: Opel Blitz.

Weitere Perspektiven auf das Opel GT concept gibt es bei:
automobil-blog
autophorie
1300ccm
rad-ab

Text: Autogefühl, Thomas Imhof
Fotos: Opel

Opel-GT-Concept-298972

Opel-GT-Concept-298974

Opel-GT-Concept-298975

Opel-GT-Concept-298987

Kommentare sind geschlossen.