7 Generationen VW Golf – Ein Rück- und Ausblick

Kaum ein Fahrzeug hat die deutsche Automobilindustrie so sehr geprägt wie der Volkswagen Käfer, doch er ist nicht die erfolgreichste Baureihe. Das ist der VW Golf. Doch was macht den Golf so besonders? Wir unternehmen einen exklusiven Steifzug durch alle sieben Golf-Generationen. Von Michel Weigel

Seit Produktionsbeginn liefen mehr als 30 Millionen Einheiten VW Golf vom Band. Lediglich die Ford F-Serie und der Toyota Corolla können diese Summe überbieten. Schaut man auf die Absatzhistorie, so hatte der VW Golf seinen Höhepunkt im Jahre 2009 mit 366.231 Neuzulassungen – die damalige Abwrackprämie half dabei. Ein Jahr später normalisierte sich der Absatz auf rund 250.000 Stück.

Um das Phänomen Golf zu verstehen, gehen wir in die 60er Jahre zurück. Der Volkswagen Käfer war nicht mehr zeitgemäß und nunmehr entfernt von den höheren Ansprüchen der Kunden. Die Absatzzahlen gingen deutlich zurück und auch der VW Typ 3 konnte den negativen Trend nicht ganz aufhalten. Somit war die erste Krise nach dem zweiten Weltkrieg programmiert. Um aus der Misere zu entkommen, wurde die „Auto Union“, heute Audi, übernommen. Das Wissen der Ingolstädter verhalf den Wolfsburgern dabei, einen wassergekühlten Motor zu entwickeln und in Kombination mit einem frischen Design und überarbeiteten Interieur wurde die Basis für den VW Golf bereitet. Und eins kann man schon vorweg sagen: Der Golf ist sich im Kern immer treu geblieben.

Golf I (1974 – 1983)

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1974 begann die Produktion des neuen „Volkswagen“. In sehr kurzer Zeit entpuppte sich der Golf zum reinen Erfolg und beseitigte die letzte Skepsis der Vorstandsmitglieder. Im Blick auf die heutigen Modelle wurden mit dem Golf I die Grundsteine für die Modellreihe gesetzt: Runde Leuchten, horizontal ausgerichteter Kühlergrill, sowie die steilen Winkel der Windschutz- und Rückfensterscheibe. Immer prägnant bis heute: Die breite C-Säule.

Schon damals war der Golf mit einer Vielzahl von Motoren erhältlich. So fing es bei den Benzinern mit 1,1 Liter und 50 PS an. Dazu noch:

1,3 l, 60 PS
1,5 l, 70 PS
1,6 l, 75 PS und als GTI 110 PS
1,8 l GTI, 112 PS

Dieselmotoren waren natürlich auch erhältlich:

1,5 l, 50 PS
1,6 l, 54 PS
1,6 l Turbodiesel, 70 PS

Doch beim Kauf eines Golf ging es wohl weniger um Leistung, sondern darum, dass er bezahlbar war. Ab 8.000 DM war der Golf I erhältlich und somit zugänglich für die gesamte Bevölkerung. Umgerechnet von DM auf Euro mit Inflationsausgleich, also die damalige Kaufkraft berücksichtigt, wären das heute gut 11.500 Euro. Aber schon damals ließ sich VW jedes kleine Feature extra bezahlen, so gab es Gürtelreifen für 240 DM, Scheibenbremsen für 183 DM oder gar ein Dreigang-Automatikgetriebe für 705 DM.

Bis 1983 hielt die Produktion des Golfs der ersten Stunde an, in Südafrika unter dem Namen Citi Golf gar bis 2009. Und wer mag es glauben, dass das Kultfahrzeug auch der Grundstein für den Caddy war? Um auf dem amerikanischen Markt Fuß zu fassen, wurde der VW Rabbit-Pickup entwickelt, welcher nahezu baugleich mit dem seit 1983 produzierten VWN Caddy war. Zu Zeiten des Eisernen Vorhangs gab es auch Kooperationen mit der DDR. Das Land Niedersasche, welches bis heute Anteile am VW Konzern hält, klügelte ein Geschäft aus, in welchem die Wolfsburger einige Waren aus dem Osten erhielten und im Gegenzug ihren Golf dort verkaufen durften. Insgesamt überquerten 10.000 Golf im Jahre 1978 die Grenze.

Beim Fahren des Golf 1 fällt einem sofort auf, wie verwöhnt man heutzutage mit all den elektronischen Hilfen ist: Schließlich besitzt der erste Golf keinerlei elektronische Unterstützung und muss stattdessen vieles manuell bewältigen. Am ehesten fällt es einem beim Einlenken auf: Es benötigt gefühlt viel mehr Zeit, das Fahrzeug um eine Kurve zu manövrieren und ebenfalls wirkt der Wendekreis deutlich größer, als er tatsächlich ist. Deutlich kritischer ist die Bremse, welche nicht einmal annähernd so direkt ist wie heute. In der Praxis bedeutet dies, dass man frühzeitig seinen Bremsvorgang planen muss. Doch genau dies macht ein „Vintage“-Auto aus, es macht unbeschreiblich viel Spaß, einmal Abstand von den modernen Fahrzeugen zu nehmen. Wer jemals solch eine Möglichkeit hat, sollte seine Chance nutzen, jedoch sollte man sehr vorsichtig fahren.

Golf II (1983 – 1991)

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Neun Jahre nach Produktionsstart war Schluss für die erste Generation und der Golf II erblickte das Licht der Welt. Die Länge wuchs um 30 cm auf ganze 4 Meter, was im Blick auf heutige Generationswechsel fast ein No-Go ist, da häufig eher Kleinigkeiten verändert bzw. modernisiert werden. Nichtsdestotrotz war es immer noch ein Golf, nur mit mehr Platz und mehr Leistung. Die Höchstleistung betrug 90 PS beim 1,8 Liter Benziner und beim 1,6 Liter Diesel 80 PS. Mit ersterem war es nun auch möglich, Geschwindigkeiten von über 170 km/h zu erreichen.

Mit der zweiten Generation erreichten die Wolfsburger die Marke von insgesamt 10 Millionen verkauften Golf, zur Feier gab es ein Sondermodell. Davon abgesehen existierten auch damals schon eine Vielzahl an Ausstattungslinien und Sondermodellen. Die trims hießen:

C: Comfort
CL: Comfort Luxus
GL: Gehobener Luxus
GLX: Topausstattung

Aber auch die heutigen Varianten à la GT oder GTI konnte man in der zweiten Generation finden. Neben einer Variante mit drei oder fünf Türen feierte der VW Jetta (Limousine) 1984 seinen Einzug in das Produktsortiment. Doch an den Erfolg seinen großen Bruders kam er zumindest in Deutschland nicht heran. Seine Absatzmärkte waren und sind heute noch die USA und China, deshalb kann man auch von einem außereuropäischen Golf sprechen.

Golf III (1991 – 1997)

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Der Volkswagen Golf III war wegweisend für die heutige Karosserie des Kultautos: Es wurde auf kantige Elemente verzichtet und stattdessen bewusst auf Rundungen gesetzt. Die Folge daraus: Der VW Golf wirkte weniger kastenförmig und in sich stimmiger. Dazu vermittelte er das Gefühl von einem familiären Auto, das durchweg sozial verträglich ist. Jedoch blieb die generelle Idee in puncto Fahrzeuglänge, Höhe und die Winkel der Front- und Heckscheibe blieben ebenfalls konstant.

4,8 Millionen Exemplare wurden im Zeitraum 1991 – 1997 gebaut. Womöglich spielte hierbei auch die Wiedervereinigung eine wichtige Rolle, denn nun konnten auch alle DDR-Bürger den Golf beziehen. Zuvor stand ihnen nur eine begrenzte Anzahl zur Verfügung.

Die dritte Generation enthielt zum ersten Mal einen 2,0, 2,8 und 2,9 VR6 Benziner. Dabei betrug die maximale Leistung 190 PS. Der maximale Hubraum erhöhte sich ebenfalls bei den Dieselvarianten auf 1,9 Liter und die Leistung stieg auf 110 PS.

Fahrtechnisch markiert der Golf 3 einen Übergang zu einem modernen Auto, die Lenkung ist nicht mehr so schwergängig, trotzdem hat man immer noch ein relativ „bodenständiges“ Gefühl.

Golf IV (1997 – 2003)

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Eine auf den ersten Blick weniger radikale Veränderung hat der Golf IV erhalten, welcher im Oktober 1997 auf dem Markt eingeführt wurde. Dabei war die vierte Generation wegweisend. Kernthema war die Qualität: Volkswagen wollte mit der neuen Generation die Standards steigern und hat die Karosserie elektrozyklisch verzinkt und dazu dem Kunden eine zwölfjährige Garantie gegen Durchrostung offeriert. Und tatsächlich: Der Golf IV gilt heute noch als eine der zuverlässigsten Golf-Generationen. Mit sechs Jahren war der Produktzyklus des Golf IV auf dem deutschen Markt sehr gering, dennoch wurde sie z.B. in Südafrika bis 2011 produziert.

Die Länge wurde auf 4,10 Meter ausgebaut (plus 10 cm) und es wurde auch an den Leistungsziffern gearbeitet: der 2,8 Liter Benziner besaß nun 204 PS, aber damit war noch nicht Schluss, VW führte den 3,2 Liter R32 Motor mit 241 PS ein. Die Leistung der Dieselmotoren erhöhte sich auf maximal 150 PS.

Den Golf der vierten Generation assoziieren wir mit einem modernen Fahrzeug, nicht nur in puncto Gestaltung von Außen und Innen, sondern auch im Hinblick auf Sicherheit und Fahrbarkeit. Über die Jahre haben immer mehr Sicherheits-Features serienmäßig Einzug in das Fahrzeug gefunden, wie z.B. ABS oder auch Airbags. Letztere wurden erstmals 1993 im Laufe des Golf 3 – Modellzyklus angeboten, allerdings nur optional. Zudem wurde nicht nur an den aktiven, sondern auch an den passiven Sicherheits-Elementen gewerkelt. Dadurch fühlt man sich deutlich sicherer beim Fahren. Wenn man erste und vierte Generation direkt miteinander vergleicht, so erkennt man, dass Welten zwischen beiden Modellen liegen. Der Golf IV besitzt deutlich mehr elektronische Unterstützungen, wodurch man den „Volkswagen“ einfacher durch Kurven manövrieren kann bzw. ist es durchaus möglich, ein wenig sportlich zu fahren. Auch die Sound-Kulisse im Inneren ist überzeugend, trotz des Alters von 19 Jahren. Was lernen wir daraus? Die Qualität der Golf-Modelle nahm stetig zu und war oftmals seiner Generation voraus.

Golf V (2003 – 2008)

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In der fünften Generation wurde der Golf erstmalig mit einer Vierlenker-Achse ausgeliefert, welche die Fahreigenschaften speziell in Kurven verbesserte. Damit reagierte Volkswagen auf ein ähnliches System des Hauptkonkurrenten, den Ford Focus. Die neue Hinterachse sorgte nicht nur zum Aufholen im Wettbewerb, sondern stellte auch die Basis für künftige Modelle, wie z.B. den Touran, da die neue Plattform auch in der Lage war, schwerere Fahrzeuge zu tragen. Doch hat sich der Umstieg rentiert? Nein. Der Golf V kam nicht an die Erfolge seiner Vorgänger heran, so wurden „nur“ 786.000 Zulassungen bis 2008 erreicht. Das war gleichzeitig auch das Ende dieser Generation, ehe sie durch den Golf VI ersetzt wurde. Vergleichsweise verkaufte man 1,5 Millionen Golf IV bis 2003.

Ein möglicher Grund: Der Golf V war ein Stück höher, bot damit z.B. im Fond deutlich mehr Kopfraum. Designtechnisch bedeutete dies jedoch, dass das Fahrzeug schmaler wirkte – und daher designtechnisch nicht so attraktiv. Die Golf V Generation wird wohl als eine der ungeliebtesten Generationen in die Geschichte eingehen.

Golf VI (2008 – 2012)

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Der Golf VI war mehr oder weniger eher ein Facelift des Golf V und stellte im technischen Sinne keine ganz neue Generation dar. Vielmehr wollte Volkswagen schnell auf den bislang mäßigen Erfolg reagieren. Mäßig natürlich nur für Golf-Verhältnisse, denn in absoluten Zahlen blieb er immer ein Bestseller.

Wie gewohnt war beim sechsten Golf die Ausstattungswahl breit gefächert, so war er weiterhin als Cabrio, Variant oder Plus erhältlich. Interessant: Damals gab es schon E-Testfahrzeuge namens Golf Blue-e-Motion. Die maximale Batteriekapazität betrug 26,5 kw/h.

Bei den Motoren hatte sich einiges wieder verändert. Im Gegensatz zum vorherigen Trend ging VW auf maximal 2,0 Liter Motoren zurück, trotzdem wurde die maximale Leistung in der R-Version auf 270 PS erhöht. Der Grund dafür ist, dass die leistungsstärksten Motoren nun als Turbo ausgeliefert wurden. Das Maximum bei einem Diesel war ein 2,0 Liter Motor mit 170 PS.

Bereits in der fünften Generation feierte der VW Golf sein 30-jähriges, mit dem Golf VI feierte nun die GTI-Version ihren 35. Geburtstag. Zur Feier nahm der GTI in seiner „35 Jahre Edition“ beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring teil. Für dieses eine Ereignis wurde dem GTI ein 440 PS starker Motor mit 2,5 Liter Hubraum verpasst.

Golf VII (2012 – heute)

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Erstmals kam hier der Modulare Querbaukasten (MQB) zum Einsatz, der dann auch für die weiteren Kompakt-Modelle der Konzernmarken diente – bis heute, nur in neuen Baustufen.

Seit 2012 ist die siebte Generation auf dem Markt erhältlich und konnte bis einschließlich 2015 mehr als eine halbe Millionen Neuzulassungen feiern. Bemerkenswert ist die exponentiell steigende Kurve, während im Launch-Jahr „lediglich“ 240.000 Einheiten verkauft wurden, knackte der Kompaktwagen im vergangenen Jahr die 270.000-Marke. Das sind rund 8,5 % der gesamten Neuzulassungen auf dem deutschen Markt in 2015 und damit weiterhin Platz 1. Des Weiteren wurde der Golf VII zahlreich ausgezeichnet, u. a. mit dem europäischen Auto des Jahres 2013, World Car of the Year oder dem Goldenen Lenkrad.

Bemerkenswert sind diese Zahlen vor allem im Hinblick auf die geringen Veränderungen, die am Golf vorgenommen wurden, denn der „Volkswagen“ ist sich stets treu geblieben. Abgerundete Frontleuchten, die mit der Zeit immer stärker in die Waagerechte gezogen wurden, der horizontal designte Kühlergrill und die Dachwinkel: Allesamt Elemente, die sich dem Trend anpassten, ohne ihren Ursprung zu verlieren. Dazu zählt auch die Entwicklung des Innenraumes: bessere Verarbeitung und hochwertigere Materialien, sowie ein aktuelles Infotainmentsystem fanden frühzeitig im Golf ihren Einzug und ließen ihn nicht veralten, wie einst den Käfer.

Nichtsdestotrotz fährt sich die siebte Generation wie kein anderer Golf zuvor. Die direkte Lenkung ermöglicht sportliches Fahren. Ebenfalls fällt auf, dass es über die Jahre immer einfacher wurde, einen Golf zu bedienen. Nur muss man auch erwähnen, dass es keine weltbewegenden Schritte von der vierten bis zur siebten Generation gibt, es wurde vor allem an Kleinigkeiten gearbeitet, die das Fahrerlebnis verbessert haben. Der Eindruck entsteht nicht dadurch, dass dem Golf 7 etwas fehlend würde, vielmehr war der Golf 4 schon so gut.

Golf VII Facelift

Der VW Konzern konnte zwar im ersten Halbjahr seine Neuzulassungen (noch) steigern, jedoch musste ihr wichtigstes Modell einen Rückgang von 3,8% erleiden. Zum einem sorgte durchaus die Abgas-Affäre zu einer Distanzierung der Kunden, aber auch die neusten Unstimmigkeiten mit den Zulieferern schmälerten das Absatzbild. Vielleicht kommt das VW Golf VII Facelift gerade richtig.

Die Auswahl der Verbrenner bleibt unverändert. Außen erfolgen kleine optische Retuschen, im Innenraum wird das Infotainment-System aktualisiert/vergrößert. Durchaus interessanter ist das Update für den e-Golf, dessen elektrische Reichweite von 190 auf 300 Kilometer erhöht wird. Somit zieht er gleich mit dem BMW i3. Das Tesla Modell 3 soll je nach Ausstattung 350 bis 500 Kilometer erreichen und der neue Opel Ampera-E verspricht 500 km – aber vermutlich zu einem höheren Preis.

Man kann gespannt sein, wie es mit der achten Generation des VW Golf weitergeht, gerade im Hinblick auf das Dieselgate. Die Vergangenheit zeigte, dass Volkswagen schon einmal in der Lage war, eine schwere Krise zu überwinden. Der Golf bleibt dabei der Fels in der Brandung.

Am spannendsten an unserem Siebener-Vergleichstest: Von Generation zu Generation denkt man immer, dass es nur kleine Schritte in der Entwicklung waren, aber wenn man erste und jüngste Generation vergleicht, ist es wie Tag und Nacht – nur dass Tag und Nacht immer zusammengehören werden.

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Produktion: Autogefühl, Michel Weigel & Thomas Majchrzak