Volkswagen in den USA: Comeback mit VW Atlas und e-Golf?

Es ist ein denkwürdiger Messeauftritt von Volkswagen auf der Los Angeles Motor Show. Anstatt mit Glitzer und Pomp bei solchen Gelegenheiten gibt sich der Konzern bescheiden und zurückhaltend. Bei Reden übt sich Volkswagen in den USA in Demut – ja, wir haben Mist gebaut, wir haben verstanden, wir werden uns bessern. Und wir haben zwei Autos extra für euch, den VW Atlas und den überarbeiteten VW e-Golf. Von Holger Majchrzak

Für die kommende Trump-Regierungszeit stellt sich VW als amerikanisches Unternehmen auf, das im Land entwickelt und produziert. Versprechen: Eine amerikanische Belegschaft kümmert sich um US-Kunden. Bloß keine Angriffsfläche bieten. Rebuilding Trust, Vertrauen zurückgewinnen ist die Kernbotschaft.

Das Auto, das dies schaffen soll, ist vor allem der VW Atlas. Ein Full-Size-SUV für europäische Verhältnisse mit knapp über fünf Metern Länge, in den USA immer noch ein Midsize-SUV. Das klotzig geschnittene Fahrzeug, obwohl lange vor der Trump Präsidentschaftskampagne eingestielt, wirkt wie die zu Blech gewordene Aussage des Republikaners Make America Great Again.

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Der Atlas, mythologisch trägt der Titan ja die Last der Welt auf den Schultern, ist der Hoffnungsträger für den Konzern. In Los Angeles hat das auch funktioniert, der Andrang beim ersten Messeauftritt des SUV war riesig. Auch dem Schachzug zu verdanken, mit James Worthy und Kareem Abdul-Jabbar zwei Ikonen des US-Basketballs als Modell-Botschafter zu verpflichten. Die Ex-Korbjäger der LA Lakers, von beeindruckender Größe gesegnet, sollten darstellen, wie viel Platz in dem Siebensitzer ist. Wenn selbst sie gut sitzen können – Abdul-Jabbar ist 2,18 m groß.





Fast untergegangen im Trubel um den Atlas ist die Präsentation des natürlich im Vergleich nahezu zwergenhaft wirkenden neuen VW e-Golfs. Dabei ist der technisch das wesentlich anspruchsvollere Fahrzeug und symbolisiert viel eher die Zukunft des Automobils als der Atlas. Und für Volkswagen Amerika vielleicht noch wichtiger. Bereits jetzt sind 25 Prozent der verkauften Golf-Modelle in den USA elektrisch angetrieben; der Neue soll diesen Wert nochmals dramatisch verbessern.

Während das Facelift des Golf 7 in Deutschland, in Wolfsburg, vorgestellt wurde über fast alle Varianten hinweg, vom GTI bis zum Variant, wurde das E-Modell erst in Los Angeles auf den Messestand gefahren. Man merkt, VW treibt auch gehörig viel Symbolpolitik und zeigt damit den Amerikanern, dass auch dieses Auto für sie gemacht ist.

Wichtigster Fakt zum neuen Volkswagen e-Golf Facelift ist die Verbesserung der Reichweite um 50 Prozent. Bekanntlich messen Europäer und Amerikaner die elektrische Reichweite unterschiedlich. Nach der US-Methode fährt der e-Golf jetzt 125 Meilen mit einer Ladung, nach der EU-Methode 300 Kilometer. Wie man’s auch nimmt, damit ist er wettbewerbsfähig. Möge der eine oder andere Konkurrent sogar in der Reichweite noch besser sein, bietet der e-Golf zur Zeit wohl das beste Paket in seiner Klasse in puncto Premium-Qualität und noch erreichbarem Preis und ist damit das Modell, an dem sich andere messen lassen müssen.

Gebaut wird der e-Golf in Wolfsburg, läuft dort auf demselben Band wie alle anderen Golf-Modelle, und demnächst auch in Dresden, in der ehemals für den Phaeton gebauten gläsernen Manufaktur. Dort will VW ein Zentrum für Elektromobilität etablieren. Mit beiden Standorten hat VW aber auch die Möglichkeit, wohl jede Nachfrage abzudecken. Denn auch preislich soll der e-Golf Kaufanreize bieten.

Damit sind wir auch schon wieder zurück beim Atlas, der hinsichtlich seines Preises ebenfalls bemerkenswert sein wird. VW Amerika hat in L.A. klar gesagt, dass man der Konkurrenz auch preislich ordentlich einheizen wird, d.h. auf dem ohnehin niedrigpreisigen US-Markt den Atlas für einen richtigen Kampfkurs anzubieten. Er wird dann kein billiges Auto sein, sich im Preis zwischen Tiguan und Touareg einpendeln, aber richtig viel Auto für’s Geld bieten. Um die 30.000 $ wird wohl der Einstiegspreis liegen.

Was VW auf jeden Fall geschafft hat, sind heiße Diskussionen über das Auto. In den Autogefühl-Kommentaren und vielen weiteren Kommentar-Spalten wird das Für- und Wider sehr emotional besprochen, auch in der US-Presse, in der der Atlas gern als letzte Chance des VW Konzerns bezeichnet wird. Alleine die Tatsache, dass über ein Auto und nicht eine Affäre diskutiert wird, ist schon mal als Erfolg zu werten.

Insgesamt geht die US-Presse eher lobend auf den Atlas ein, vor allem auf das Innenraum-Konzept. Kritisch äußern sich Leser über die nur zwei verfügbaren Benzin-Motoren (238 + 280 PS); häufig wird das Fehlen eines kräftigen Diesels beklagt. Als Haupt-Konkurrenten gelten der Ford Explorer, der Mazda CX-9, der Toyota Highlander, der Nissan Pathfinder und der Honda Pilot. Autos, die in Europa ebenfalls nicht verfügbar sind.

Auf Technik und Design des VW Atlas sind wir bereits hier eingegangen. Die VW Konstrukteure in Amerika betonen vor allem, dass der Atlas sowohl die wichtigen Ausstattungswünsche von US-Kunden befriedigt, aber zugleich solide Technik auf üblichem VW-Niveau enthält. Und kein Billig-Plastik-Monster ist wie manch einer der Konkurrenten, die man auf der Messe sehen konnte, füge ich noch hinzu.

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Der neue Volkswagen Atlas (USA)

Der neue Volkswagen Atlas (USA)

Letztlich hat VW mit dem Atlas alles getan, um auf dem US Markt wieder ein attraktives Angebot zu haben. Entscheidend für den Erfolg dürfte der Preis sein.

Das wiederum sieht beim E-Golf auf dem US-Markt sicherlich anders aus. Hier ist der Preis nur ein Kauf-Kriterium unter vielen. Es wird ja auch ordentlich subventioniert jenseits des Atlantik. Sind es in Deutschland bis zu 4.000 €, gibt es in den USA schon mal 10.000 $, wenn man in Bundesstaaten wie Kalifornien lebt.

Das generelle Facelift des Golf 7 hatten wir in Autogefühl auch schon gewürdigt; der e-Golf als weitere Variante wird definitiv dafür sorgen, dass zu den mehr als 33 Millionen gebauten der Modellreihe noch einiges dazukommt. Denn der Preis – er wird in den USA wohl um 30.000 $ liegen – ist günstiger als der vergleichbarer Konkurrenten. Die bieten vielleicht mehr Reichweite, aber für die große Mehrzahl aller Fahrten ist der e-Golf mit seiner Reichweiten-Steigerung nun ein passendes Auto.

Der Aufbruch von Volkswagen in den USA auf der L.A. Motor Show kommt in derselben Woche, in der in Deutschland ein Konzernumbau und der Verlust von 23.000 Jobs bekannt gegeben wird. Um erstens den Konzern auf Elektromobilität umzubauen und zweitens den Ertrag pro Auto zu erhöhen, letztlich VW zukunftsfähig zu machen, so der Vorstand. Da der Betriebsrat bei VW traditionell noch viel Macht hat, passiert das immerhin nicht in einer Weise wie bei von Heuschrecken aufgekauften Unternehmen. Von dieser Woche im November 2016 hängt also viel für den Konzern ab. Man wird sehen, ob es eine gute Woche für VW war; viele Planungen klingen logisch, aber entscheidend wird sein ob der Autokäufer das auch so sieht.

e-Golf badge, Foto: VW

Produktion: Autogefühl, Holger Majchrzak & Thomas Blachetzki