Neuer Kia Picanto Fahrbericht

Der Picanto ist seit Jahren ein Verkaufsschlager von Kia. Klein und drollig wurde er vor allem zum Frauenliebling mit 62 % Kaufanteil. Die neue, dritte Generation ist eigentlich ein völlig anderes Auto. Hochwertiger, stärker, vielseitiger. Da sollten auch Männer mal einen Blick drauf werfen. Der neue Kia Picanto bei uns im Test. Von Holger Majchrzak





In der Basis-Version kostet der neue Picanto keine 10.000 Euro. 9990. Natürlich ein Marketing-, aber auch ein Kampfpreis. Denn nackt ist das Auto nicht, schon in der Grundausstattung sehr anständig fahrbar, Und danach kann der Käufer in kleinen Stufen den Picanto schöner, sicherer, bequemer, stärker machen bis hin zu einem flotten Flitzer mit allem drin, was man sich für ein kleines Auto erträumt. Und dann steht immer noch nur eine 15 vor dem Tausenderpreis. Erste Diagnose: gefährlich scharf für den Wettbewerb kalkuliert.

Exterieur

Designed wurde das Auto in Korea und Deutschland – um ihn europäischer aussehen zu lassen. Das Ergebnis: kein asiatisches, lächelndes Kindergesicht mehr, der Picanto schaut vorn fast schon grimmig auf die Fahrbahn. Sehr schön, endlich mal ein Einfall für das Kleinwagensegment. Die charakteristische Kia Tigernase wird an den Seiten begleitet von zwei schräg hochgezogenen Scheinwerfern, darunter liegt ein fetter Grill und große Lufteinlässe. Das wirkt nicht behäbig, sondern von Grund auf sportlich.

Von der Seite betrachtet gibt es wenig Änderungen, der Wagen hat mit 3,60 m auch die Länge des Vorgängers. Verlängert wurde der Radstand, um mehr Platz im Inneren zu schaffen. Das hat auch funktioniert. Eine richtig gute Idee hatte Kia mit der Farbauswahl – da gibt es jetzt etliche ungewöhnliche Farben, die auch noch mit speziellen Innen-Dekoren ergänzt werden können. Himmelblau oder Pop-Orange, finden wir gut.

Auch das Heck ist alles andere als langweilig durch zwei mächtige Rückleuchten, die in der Nacht wie große rote Klammern aussehen. Man merkt an vielen Details, dass die Designer dem Picanto Unverwechselbarkeit mitgeben wollten in einem Fahrzeug-Segment, dem A-Segment, in dem das auffällt. Zweite Diagnose: scharf geschnitten.

Interieur

Wir sagen mal klipp und klar: Wer in ein Auto mit Grundpreis 10.000 Euro einsteigt, erwartet bislang viel Hartplastik, eine gewisse Lieblosigkeit im Design-Detail, harte Sitze und Macken in der Verarbeitung, an irgendwas muss ja gespart werden.

Der Kia Picanto überrascht hier wirklich. Ein glasklares Design horizontal aufgebaut, wertig wirkender Kunststoff, in höheren Ausstattungslinien nette Metall-Applikationen. Und Sitze, von denen Kia sagt, dass sie aus Modellen höherer Segmente stammen, und die wirklich bequem sind.
Besonders bemerkenswert: die Übersichtlichkeit des Fahrzeugs durch die großen Fenster und die Benutzerfreundlichkeit aller Bedienelemente. Ergonomisch ein Vorzeigeauto. Auf den Vordersitzen auch reichlich Platz. Die Kunstledersitze im höchsten trim level wirken sehr gut, Standard ist Stoff.

Auf den Rücksitzen muss bei 3,60 m einfach irgendwo dann mal weniger Platz sein und hier wird es Leuten oberhalb 1,75 m Größe knapp mit den Knien, wenn vorne bequem gesessen wird. Allerdings hat die Kia Marktforschung ergeben, dass das ohnehin ein Auto ist eher für ein, zwei Personen. Das passt also. Und im Notfall passen auch fünf für kurze Strecken.

Beim Blick in den Kofferraum stutzt man zunächst, wird mit 255 Litern doch der größte der Klasse versprochen. Riesig ist der damit nicht. Spätestens hier wird klar, warum der Picanto wie die anderen A-Segment Autos ein City-Fahrzeug ist und nicht für den Langstrecken-Urlaub gedacht ist. Legt man die Rücksitze – 60/40-Split – um, kommt aber ein 1000 Liter Stauraum zu Stande. Baumarkt- und Ikea-geeignet.
Optional ist der Innenraum und das Armaturenbrett groß aufzurüsten bis hin zu einem Navigationssystem mit 7-Zoll-Touchscreen, Mobil-Phone Vernetzung über Android Auto und Apple Carplay.

Rückfahrkamera, Klimaautomatik, Sitzheizung, beheiztes Lenkrad (!), Geschwindigkeitsregelanlage – und ein autonomer Notbremsassistent. Dritte Diagnose: Da kann man nicht meckern, das ist für das A-Segment umfangreich.

Motoren

Zwei Motoren gibt es, einen 1,0-Liter-Dreizylinder mit 67 PS und einen 1,2-Liter-Vierzylinder mit 84 PS. Der Dreizylinder klingt ein bisschen nach Rasenmäher und macht für unsere Begriffe zu wenig Dampf. Im reinen Stadtverkehr ist das aber noch in Ordnung. Der Vierzylinder macht einfach mehr Spaß und das Auto komplett. Im Herbst schiebt Kia noch einen dritten Motor für den Picanto nach, einen Turbo mit 100 PS. Damit sich noch mehr Kerle angesprochen fühlen – optisch hat sich der Picanto vom Frauenauto-Image in dieser dritten Generation ja deutlich entfernt.

Fahrverhalten

Wie schon unter Motoren erwähnt, ist der 67 PS Motor für die Probier‘s-mal-mit-Gemütlichkeit-Fraktion. 161 km/h Spitze und 14,3 Sekunden von Null auf Hundert und viele, viele Sekunden um weiter nach oben zu kommen. Das dürfte aber für viele Interessenten gar nicht wichtig sein. Entscheidend ist beim City-Auto viel mehr die Agilität und Wendigkeit. Mit einem Wendekreis etwa von 9,4 m lässt es sich gut leben. Die Spritzigkeit des größeren Motors lässt überall da Freude aufkommen, wo die Stadt nicht flach wie ein Brett in der Landschaft liegt, sondern auch mal Steigungen vorhanden sind. Die Lenkung ist weitaus direkter als beim Vorgänger, die Dämpfung besser, der Innenraum stärker gegen Lärm isoliert. Vierte Diagnose: es wurde an etlichen Stellen scharf gefeilt und der Picanto besser gemacht.

Der Verbrauch wird mit dem kleinen Motor mit 3,9 Litern angegeben. Im Test mit einigen Beschleunigungsversuchen lagen wir oberhalb von sechs Litern. Wir vermuten gute fünf Liter als realistischen Verbrauch.

Abmessungen

Länge: 3,59 m
Breite: 1,59 m
Höhe: 1,48 m

Fazit: Für ein Auto aus dem A-Segment ist der Kia Picanto eine echte Ansage an den Wettbewerb. Ausstattung und Preis aber auch die verbesserten Fahreigenschaften und das neue Design dürften das Fahrzeug für breitere Käuferschichten interessant machen. Gerade für junge Fahrer ein schickes und sicheres Einstiegsauto, gut zu handeln und auch die Konnektivität stimmt. Da haben die Koreaner viel richtig gemacht und uns überrascht. Das mögen wir.

Autogefühl: ****

Text: Autogefühl, Holger Majchrzak
Fotos: Autogefühl, Michel Weigel