Mercedes Sprinter Fahrbericht 2018 Tourer vs Kastenwagen

Der neue Mercedes Sprinter bietet noch mehr Varianten und mehr Variabilität im Innenraum – im Cockpit und Laderaum. Doch wie fährt er sich? Wir sind den Tourer (Personentransport) und den Kastenwagen (Warentransport) gefahren und vergleichen auch Vierzylinder vs Sechszylinder, Automatik vs Handschaltung sowie Heckantrieb vs Frontantrieb. Von Thomas Majchrzak





Abgesehen vom Fahrzeug selber soll die dritte Mercedes Sprinter Generation eine neue Dienstleistungsphilosophie bei Daimler Vans einführen. Es geht um Softwarelösung für Kunden, die die Fahrzeugflotte vernetzen. Dazu gibt es den neuen Dienst Mercedes Pro, der z.B. ein digitales Fahrtenbuch bietet, die Wartungsintervalle der Flotte im Blick hält, langfristig aber noch viel mehr bieten soll. Die Flottenmanager sollen jederzeit alles im Blick halten können und in Kontakt mit den Fahrern bleiben. Ein mögliches Szenario sind z.B. Routenänderungen und Optimierungen im Alltag. Eine Voraussetzung dafür ist die Verankerung der Internetanbindung in der Fahrzeug-Hardware.

Basispreis des neuen Sprinter ist 20.000 Euro netto (zzgl. Mwst.). Ein voll ausgestatteter Tourer mit Luxus-Interieur kann dann schon aufs Dreifache kommen.

Exterieur

Mit der neuen Generation will Mercedes Vans noch mehr Karosserievarianten, Radstände und Ladehöhen anbieten. An grundsätzlichen Varianten stehen zur Verfügung: Kastenwagen, Tourer, Pritschenwagen, Fahrgestell, Bus, Triebkopf. Gut die Hälfte aller Sprinter erhält Spezialaufbauten, dabei kommen dann Unternehmen ins Spiel, die sich auf die jeweilige Aufbauart spezialisiert haben, etwa für Wohnmobile. Dafür ist auch der neue Frontantrieb gedacht, denn die Wohnmobil-Aufbauten müssen aus technischen Gründen damit kombiniert werden. Somit will Daimler Nutzfahrzeuge gerade auf diesem Markt nun voll durchstarten.

Im Design zeigt der Sprinter eine etwas spitzere Schnauze sowie horizontaler gezogene Leuchten, Basis Halogen und optional sogar mit Voll-LED. Beim Kastenwagen in Blau sehen wir die Halogen-Scheinwerfer, beim Tourer in Silber die LED-Leuchten.

Die Länge variiert auf Wunsch zwischen 5,26 m und 7,36 m.

Eine zusätzliche Verzinkung an Unterboden und Seitenwänden verbessert den Korrosionsschutz, denn Rost bemängelten viele bisherige Sprinter-Besitzer.

Interieur

Auch im Innenraum will Mercedes mit der neuen Generation mehr Flexibilität bieten. Zu den Highlights zählen neue ergonomisch geformte Sitze, Keyless-Start und eine verbesserte Klimaanlage. Zudem stehen mehr Ablagen zur Verfügung. So befinden sich vier Becherhalter vorne auf dem Armaturenbrett, dazwischen bekommt man eine aufklappbare Ablage, wo sich auch die USB-Anschlüsse befinden, allesamt USB-C. Für den „normalen“ USB-Gebrauch benötigt man dann Adapter.

Die neuen Sitze machen in der Tat einen sehr bequemen Eindruck, zeichnen sich insbesondere durch die weiche Polsterung aus – und das auch schon die Basis-Sitze. Optional kann man Elemente ordern, die den Sitz besser anpassen, etwa eine manuelle Verstellung der Sitzlänge, der Sitzhöhe vorne oder im High-End-Trim die elektrische Verstellung. Letztere befindet sich dann wie bei Mercedes Pkw an den Innenseiten der Türen.

Beim Thema Bedienung und Infotainment gibt es vier Varianten: Basis ohne alles, zweite Stufe ein Radio, dritte Stufe ein größerer Digitalscreen zwischen den Instrumenten plus ein zentrales Infotainmentsystem, höchster Ausbaustufe das 10,25 MBUX, das neue Mercedes Infotainmentsystem. Dieses zeigen wir auch hier auf den Fotos. Die Displays funktionieren nun auch per Touch, der Fahrer kann ferner am Lenkrad auf kleine Daumen-Touchknöpfe zurückgreifen. Das MBUX ist dann auch Voraussetzung für ausgedehnte Flottendienste, etwa Life Traffic Re-Routing. Auch die Spracheingabe wurde gestärkt, so ist es nun möglich, auch relativ frei zu sprechen, z.B. „Der Tank ist leer“, um dann Vorschläge für die nächsten Tankstellen zu erhalten. Die Routenführung funktioniert damit auch, so kann man das nächste Ziel komfortabel per Sprachsteuerung eingeben. Die Klima-Verstellung wie bei anderen neuen Sprachsystemen funktioniert jedoch nicht. Lustig sind auch die Antworten der Navi-Stimme auf formloses Lob oder Kritik ;-)

Das optionale Soundsystem besticht übrigens durch einen glasklaren Klang, den wir in einem Nutzfahrzeug noch nie in dieser Form gehört haben.

Neu ist ferner die Aufrüstung der Sicherheitsfeatures, etwa eine selbstreinigende Rückfahrkamera mit Bild im Innenspiegel und ein Regensensor. Die Auflösung der Rückfahrkamera ist exzellent, in der höchsten Ausbaustufe steht auch eine 360-Grad-Rundumkamera mit Draufsicht zur Verfügung. Das ist enorm hilfreich für so lange Fahrzeuge. Ebenso zur Verfügung stehen Distronic (Adaptiver Tempomat), Bremsassistent und Spurhalteassistent. Somit wird das Nutzfahrzeug-Segment hier regelrecht zum modernen Pkw.

Einen Sprinter Tourer kann man zum Beispiel mit einem 2-2-3 Sitz-Setup im Laderaum ausrüsten, für einen komfortablen Reisedienst. Das Maximum-Setup wäre 19 Personen plus Fahrer. Für jede Sitzreihe sind USB-C-Lader verfügbar. Das maximale Ladevolumen liegt bei 17 m3, die Tonnage reicht von 3,0 bis 5,5 Tonnen.

Der Ladeboden im Innenraum für den Kastenwagen ist je nach Einsatzzweck mit Metall, Kunststoff oder Holz (Schwerlast) bezogen. Schienen oder Verzurrösen bieten verschiedene Möglichkeiten zur Befestigung.

Abmessungen und Volumen

Sprinter Kastenwagen
3,980 m2 bis 7,606 m2 Ladefläche
7,8 m3 bis 17,0 m3 Ladevolumen
2.732 mm bis 4.810 mm Laderaumlänge bodennah
1.787 mm maximale Laderaumbreite
1.719 mm bis 2.243 mm Laderaumhöhe
Mehr als 3.000 kg maximale Zuladung in der Gewichtsvariante mit 5.500 kg
Platz für bis zu sieben Europoolpaletten.

Sprinter Pritsche
5,8 m2 bis 9,2 m2 Ladefläche i. V. m. Standardfahrerhaus
4,3 m2 bis 7,7 m2 Ladefläche i. V. m. Doppelkabine
2.858 mm bis 4.308 mm Pritschenlänge i. V. m. Standardfahrerhaus
2.128 mm bis 3.608 mm Pritschenlänge i. V. m. Doppelkabine
2.035 mm bis 2.135 mm Pritschenbreite
403 mm Bordwandhöhe
Mehr als 3.000 kg maximale Zuladung in der Gewichtsvariante mit 5.500 kg
Platz für bis zu acht Europoolpaletten.

Motoren

3,0 Liter 6-Zylinder Diesel mit 190 PS
2,1 Liter 4-Zylinder Diesel mit 114, 143, 163 PS (Heckantrieb)
2,1 Liter 4-Zylinder Diesel mit 114, 143, 177 PS (Frontantrieb)

Alle Diesel kommen mit SCR-Kat. Die AdBlueTank-Kapazität steigt im Vergleich zur Vorgänger-Generation von 18 auf 22 Liter.

Anfang 2019 folgt der eSprinter, das rein elektrische Modell mit 115 PS und einer 55 kWh-Batterie. Alternativ steht eine kleinere 41 kWh-Batterie zur Verfügung, wenn die maximale Zuladung in Verbindung mit geringen täglichen Laufleistungen kombiniert werden soll. Zum Vergleich: Im VW e-Golf steckt eine 36 kWh-Batterie. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 120 km/h und kann für reinen Stadtnutzen auf 80 km/h begrenzt werden.

Fahrverhalten

Den Sprinter gibt es nun auch mit Frontantrieb. Somit gibt es dann drei Antriebskonzepte, Vorderradantrieb, Heckantrieb, Allrad. Der Vorteil der neuen Frontantriebsvariante: 50 Kilogramm mehr Nutzlast und eine um 8 cm niedrigere Ladekante. Ferner gibt es für diese neue Version auch eine 9-Gang-Wandlerautomatik, die mehr Komfort und Effizienz in das Kleintransporter-Gewerbe bringt. Standard ist ein neues 6-Gang-Schaltgetriebe, das ohne Vibrationen am Schalthebel auskommt. Und in der Tat läuft die Handschaltung vibrationsfrei und lässt sich auch ohne viel Widerstand schalten, das macht Freude.

Der Hinterradantrieb hat wiederum Vorteile, er bietet einen kleineren Wendekreis und ein agileres Fahrverhalten sowie mehr Stabilität bei Fahrten mit Anhänger. Bei unseren Testfahrten merken wir, dass man durchaus den Unterschied spürt, dass man eben beim Heckantrieb von hinten geschoben wird und beim Frontantrieb von vorne gezogen wird. Letztlich ist das aber nicht entscheidend, es kommt mehr darauf an, ob man mit schwerer Beladung fährt. Mit leichter Beladung im Winter wäre der Frontantrieb im Vorteil.

Fahrzeuge mit zuschaltbarem Allradantrieb werden überwiegend von den Hinterrädern angetrieben. Im Allradmodus verändert sich die Kraftverteilung: 35 Prozent des Drehmoments werden an die Vorder- und 65 Prozent an die Hinterachse geleitet. Für anspruchsvolle Einsätze kann zusätzlich eine Getriebeuntersetzung bestellt werden. Allrad kann auch mit einer 7-Gang-Automatik kombiniert werden.

Daimler verspricht den Kunden gesenkte Total Costs of Ownership (TCO). So wurden Reibungen im Motor und an den Reifen reduziert und die Karosserie wie erwähnt umfassender verzinkt. Im so genannten Hibernation Mode (Winterschlaf) kann der Sprinter bei einer längeren geplanten Betriebspause (z.B. Fahrzeugüberwinterung) in einen Winterschlaf versetzt werden, der Energieverbrauch wird auf ein Minimum reduziert. Wird der Hibernation Mode aufgehoben, soll sich der Sprinter auch nach längeren Standzeiten ohne Mühe starten lassen.

Bei den Wartungsintervallen ist für die Sprinter-Varianten mit Dieselmotor und Heckantrieb eine maximale Laufleistung von 60.000 Kilometern oder höchstens zwei Jahren vorgesehen (in den europäischen Märkten). Der neu eingeführte Fronttriebler fährt nach maximal 40.000 Kilometern oder ebenfalls höchstens zwei Jahren zum Service.

Beim Test des Sechszylinder-Diesels fällt uns auf, dass dieser mit einer großen Souveränität besticht. Es sind immer Kraftreserven vorhanden und man kann mühelos auch noch auf der Autobahn beschleunigen. Zusammen mit der neuen Automatik ergibt sich ein sehr entspanntes, ruhiges Fahrgefühl, das eher an ein komfortables SUV erinnert. Dazu kommt die für ein Nutzfahrzeug hervorragende Geräuschisolierung. Testverbrauch: 12 l / 100 km.

Den Vierzylinder-Diesel testen wir in der „mittleren“ Ausführung, also mit 143 PS und Frontantrieb. Hier muss man schon etwas mehr aufs Gas drücken, damit auf der Autobahn noch etwas kommt, aber im normalen Stadt- und Lieferverkehr ist die Kraftentfaltung ausreichend. Man ist allerdings aufgrund der höheren Drehzahlen gefühlt etwas hektischer unterwegs als mit dem Sechszylinder. Trotzdem überzeugt bereits ein Basis-Sprinter-Kastenwagen mit einer guten Laufruhe, Geräuschdämmung und Fahrstabilität.

Fazit: Der neue Mercedes Sprinter wurde optisch etwas aufgefrischt, ansonsten zählt hier form follows function. Im Innenraum hat sich dagegen deutlich mehr getan, hier geht es von Basis (aber schon bequem) bis hin zur Luxus-Ausstattung mit High-Tech-Screen für Navi und Flotteninterface. Die Ergonomie der Sitze ist top, was gerade Berufsfahrern zugute kommt, die den ganzen Tag im Fahrzeug verbringen. Im neuen Top-Spec-Tourer genießen alle Passagiere auf allen Plätzen einen hohen Komfort. Im Laderaum beim Kastenwagen gibt es nun noch mehr Flexibilität. Zentral wird auch der neue Frontantrieb sein, der Ladehöhe senkt und die Kosten niedriger hält. Zudem haben sich bereits viele Kunden aus der Caravan-Branche interessiert gezeigt. Im Fahrverhalten ähnelt der Sprinter nun eher einem Pkw, einfacher zu lenken, zu dirigieren, dazu die Assistenzsysteme, die auch Unfälle vermeiden und für mehr Sicherheit sorgen.

Autogefühl: ***

Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Fotos: Autogefühl, Michel Weigel