Tesla Model X Test: Reichweite und Qualität im 100D

Das Tesla Model X ist das große Elektro-SUV, das bislang konkurrenzlos ist. Wir wollten in einem längeren Test herausfinden, wie sich das Model X im Alltag macht. Wie steht es derweil um die Qualität? Welche Reichweite hat die Version 100D mit der größten Batterie? Und welche versteckte Funktionen (Easter eggs) kann man benutzen? Von Thomas Majchrzak

Die Basisvariante 75D mit einer Batterie mit offiziell 417 km Reichweite (ca. 290 km reell) beginnt bei gut 92.000 Euro, die maximale Reichweite (565 km offiziell bzw. 400 km reell) hat der 100D, der auf 122.000 Euro kommt. Die Top-Sportversion ist der P100D mit derselben Batterie und Vollausstattung für 157.000 Euro.




Exterieur

Das Aussehen des Tesla Model X zeigt auf den ersten Blick (wenn die Türen geschlossen sind) eine Verwandtschaft zum Model S, nur dass das gesamte Fahrzeug höher gelegt ist und damit auch nicht ganz so stromlinienförmig ausschaut. Ein scharfes Design zeichnet die Front aus, ohne große Lufteinlässe, die ja für das Elektroauto nicht benötigt werden. Dazu noch eine sich neigende Motorhaube in Richtung Tesla-Logo. Die Lichtsignatur ist unique, während das Model S ein stilisiertes C zeigt, bleibt das Model X bei einer einfacheren Lichtsignatur-Spange. Die Position der Türgriffe ist so gewählt, dass sie zusammen eine Linie ergeben. Die Bereifung beginnt bei 20 Zoll und lässt sich optional auf 22 Zoll vergrößern (diesmal zeigen wir hier 20 Zoll), wobei man für einen besseren Abrollkomfort bei 20 Zoll bleiben sollte. Spektakulär wird es, sobald sich die hinteren Flügeltüren öffnen. Dann sieht das Tesla Model X so aus wie ein Flugzeug. Die Elektronik der Flügeltüren, die anfangs noch etwas hakelig war, wurde nun verbessert. Sie schließen schneller und öffnen auch zuverlässig eben nicht, wenn sich darüber ein Hindernis befindet. Und man kann auch bei niedrigen Ecke noch seitlich gut einsteigen. Das Heck des Model X ist eher kantig gehalten – das erkennt man besonders gut an den Rückleuchten. Besonders ist hier der kleine Spoiler, der ebenso den Luftstrom verbessern soll. Insgesamt zeigt das Tesla Model X einen futuristischen Look.

Mit dem Tesla-Schlüssel kann man übrigens so ziemlich alles öffnen, man muss nur auf die richtige Stelle einen Doppelklick machen. Doppelklick auf die Motorhauben-Region auf dem Schlüssel – der vordere Kofferraum öffnet sich. Doppelklick seitlich – die jeweilige Flügeltür öffnet sich. Doppelklick aufs Heck – Kofferraumklappe öffnet sich. Klicken und halten am Heck – die Ladeklappe, die im linken seitlichen roten Reflektor versteckt ist, öffnet sich. Und einmal aufs Dach tippen und man schließt ab.

Interieur

Der Innenraum ist riesig, und er wirkt noch größer, vor allem in Verbindung mit hellem Design und Panoramadach. Der Blick nach vorne ist gigantisch, weil die Scheibe sozusagen als Glaskuppel konstruiert ist. Witzigerweise hat man durch die geschickte Abdunkelung des oberen Teils der Scheibe auch gar kein Problem dadurch, dass zu viel Licht hineinkommen würde. Die klappbaren kleinen Sonnenblenden braucht man in der Regel nicht. Diese sind derweil auch fester arretiert, lediglich bei Kopfsteinpflaster können sie noch etwas klappern. Das ist einer der kleinen Punkte, wo Tesla noch nachbessern kann. Spontan kann man selber Abhilfe schaffen, in dem man die kleine Sonnenblende nicht ganz an den A-Säulen-Holm anlegt, sondern sie etwas anwinkelt.

Die Sitze des Model X starten basismäßig mit schwarzen Stoffsitzen („Multi-Pattern“). Seit Mitte 2017 sind alle weiteren Sitzvarianten ebenfalls ohne Tierhaut. Diese sind dann komplett in hochwertiges Kunstleder gekleidet, in Weiß, Schwarz (hier zu sehen) oder Beige. Weiß kommt mit schwarzem Dachhimmel, Beige mit hellem Dachhimmel, Schwarz gibt es in beiden Varianten. Die Oberfläche fühlt sich in jedem Fall weich und geschmeidig an – wobei es die Basis-Variante auch schon tut. Sitzheizung ist Serie. Sitzkühlung gibt es leider bislang nur für den p100D. Aber es ist schon ein Fortschritt, dass ein Hersteller Sitzkühlung in Kombination mit Kunstleder anbietet. Die Sitzposition ist im Vergleich zum Model S etwas aufrechter und höher, das ermöglicht zusammen mit dem Panoramadach ein besseres Reiseerlebnis und ist für den ein oder anderen sicher auch bequemer. Das Lenkrad kommt bei der weißen Innenausstattung mit Sicherheit in Kunstleder, bei den anderen Ausstattungen sollte man explizit bei der Bestellung tierfrei ordern.

Optional steht ein Paket zur Verfügung, das die Vordertüren automatisch öffnet, wenn man sich diesen nähert und beim Betätigen des Bremspedals die Türen wieder schließt. Ein sinnvolles Feature, weil die Türen sehr weit öffnen und man vom Fahrersitze aus kaum an die Tür herankommt, es sei denn, man hat ganz besonders lange Arme. Im selben Paket ist ein Luftfilter enthalten mit „bioweapon defense mode“, bei dem dann keine schädlichen Partikel von außen in den Innenraum gelangen sollen.

Das Cockpit besteht wie schon beim Model S aus dem Multifunktionslenkrad mit Schaltern und Hebel, wie sie auch Mercedes nutzt, und digitalisierten Instrumenten mit einer hohen Auflösung. Die klassische Aufteilung von Analoginstrumenten, die teilweise auch in digitalen Instrumentenversionen noch digital nachgezeichnet sind, ist hier aufgehoben. Die Informationen gehen gleitend ineinander über, ein interessanter Ansatz, der voll funktioniert. So bekommt man eine kleinere Navikarte in den Instrumenten angezeigt, damit man den Blick nicht ablenkend auf das riesige Display wenden muss. Ferner kann man auch über den rechten Part der Instrumente die Temperatur einstellen, so dass man nicht hinunter zum Screen greifen muss.

Zentrum bleibt nämlich das extra-große Infotainmentsystem, welches gar ein iPad Pro alt aussehen lässt. Solange das autonome Fahren noch nicht 100 % ausgereift und gesetzlich geregelt ist, bleibt das Übermaß an Infotainment natürlich ein kritischer Punkt. Allerdings hat Tesla mit dem Autopiloten genau in dieser Richtung die Lösung schon im Ärmel, zudem kann man Temperatur und letzte Anrufe usw. auch wie erwähnt über das rechte Rädchen am Lenkrad im Instrumenten-Screen bedienen.

Einmal passiert es uns, dass wir einen Screen-Freeze haben. Das Bild im Touchscreen bleibt also stehen, und man kann nichts mehr kontrollieren – nur das Fahren funktioniert zum Glück noch. Was macht man in diesem Fall? Das ist zum Glück einfach: Man drückt beide Dreh-Rädchen am Lenkrad gleichzeitig ein (also mit dem linken und rechten Daumen) und hält sie für ein paar Sekunden. Dann wird der Bildschirm schwarz und führt einen Reset durch. Ein paar Sekunden später erwacht das Display wieder zum neuen Leben und kann wieder bedient werden. Muss man wissen, denn ein Start-Stopp-Knopf steht ja nicht zur Verfügung.

Wer gerne Aufmerksamkeit erhält, für den sind die Flügeltüren ein Segen. Es wirkt sehr spektakulär, wenn sich die Flügeltüren öffnen. Zwar spart man zur Seite hin Platz, aber in der Höhe bleibt man dafür limitiert. Doch weil man von der Tür aus gesehen seitlich einsteigen kann auf beiden Seiten, kann man trotzdem noch den Fond betreten. Es gibt auch einstellbare Höhenbeschränkungen wie bei elektrischen Heckklappen, man kann das also individuell einstellen. Derweil sind auch alle verfügbaren Easter Eggs freigeschaltet, z.B. der Christmas-Modus, der eine Licht- und Sound-Choreographie zusammen mit den Flügeltüren unternimmt. Außerdem kann man die Navi-Karte als Mars-Rover-Hintergrund darstellen lassen, auf dem Bildschirm im Einhorn-Modus zeichnen oder das Luftfahrwerk auf Tiefe im U-Boot-Modus verstellen. Die Easter Eggs sind verfügbar, wenn man das kleine Tesla-Logo oben in der Mitte des Bildschirms klickt.

Standardmäßig kommt das Model X als Fünf-Sitzer, hier ist der Vorteil, dass es a) keinen Aufpreis kostet und b), dass man die Sitzbank im 1/3 2/3 Mix umklappen kann. Das ist gerade sinnvoll, wenn man z.B. einfach ein Fahrrad in den Laderaum legen möchte. Optional kann man auf sechs Plätze bzw. sieben Sitzplätze gehen. Die Aufpreise dafür fallen allerdings happig aus: 6.700 Euro für den 6-Sitzer, 3.100 Euro für den 7-Sitzer. Die letzte Sitzreihe kann hier per Faltmechanismus im Kofferraum verschwinden. Der Sechs-Sitzer ist insofern praktisch, als dass man die dritte Sitzreihe durch die Lücke zwischen den Fondsitzen erreichen kann. Und die Passagiere in der zweiten Reihe haben ein noch luftigeres Raumgefühl mit den zwei Einzelsitzen. Das maximale Stauvolumen beträgt massige 2180 l (Sechs-Sitzer) bzw. 2493 l (Fünf-Sitzer). Denn dazu kommt noch der kleine Frontkofferraum. Vier große Menschen finden im Sechs-Sitzer ohne Probleme Platz, mit 1,86 m ist genügend 4x Kniefreiheit gegeben. Allerdings ist die Länge des Fahrzeugs nicht optimal ausgenutzt. Kopffreiheit ist sowieso reichlich vorhanden. Clever sitzt man auf den äußeren Plätzen in der zweiten Sitzreihe nämlich unter einem eigenen kleinen Panorama-Dach innerhalb der Wing-Doors. Die dritte Sitzreihe ist dagegen eher für Kinder gedacht, und clevererweise hat Tesla dort auch an Isofix-Punkte für Kindersitze gedacht.

Insgesamt ist der Innenraum noch so futuristisch, dass er auch zu einem Concept Car auf einer Motor Show gehören könnte. Nur in der absoluten Fertigungsqualität hinkt Tesla dem deutschen Premium-Wettbewerb hinterher, etwa was die Elektrik der Heckklappe betrifft oder manche Spaltmaße und Fugen.

Batterie

75D (75 kWh), 417 km Reichweite offiziell (290 km realistisch), max. 210 km/h, 5.2 Sek. 0 auf 100 (92.000 Euro)
90D (100 kWh), 565 km Reichweite (400 km), max. 250 km/h, 4.9 Sek. 0 auf 100 (122.000 Euro)
P100D (100 kWh), 542 km Reichweite (380 km), max. 250 km/h, 3.1 Sek. 0 auf 100 (157.000 Euro)

Die tatsächliche Reichweite der Batterie richtet sich nach der Fahrweise, dem Geländeprofil, der Außentemperatur und den genutzten elektronischen Verbrauchern. Das Temperatur-Phänomen kennen wir auch von unseren Smartphones, deren Lithium-Akkus bei Kälte ebenfalls schneller leer gehen. Wir rechnen wie beschrieben in der Regel damit, dass wir ein Drittel des offiziellen NEFZ-Wertes abziehen. Die Garantie auf die Batterie beträgt 8 Jahre ohne Laufleistungsbegrenzung, auf das gesamte Fahrzeug 4 Jahre oder 80.000 km.

Wie lange die Auflade-Prozedur dauert, kann man sich ausrechnen. Die 230 Volt Steckdose zu Hause ergibt 230 V x 16 A = 3680 W = ca. 3,7 kW. 100 kWh (die größte Batterie, wenn sie komplett leer ist) wären damit dann in 27 Stunden aufgeladen. Eine kleine Wallbox für die Garage kommt z.B. auf 11 kW, das wären dann 9 Stunden. An der öffentlichen Ladesäule mit 22 kW schließlich 4,5 Stunden, am Tesla Supercharger mit Gleichstrom dauert es schließlich eine gute halbe Stunde, um auf 80 Prozent aufzuladen. Effektiv fährt man das Auto meist nicht komplett leer, insofern reicht meistens sogar schon zu Hause die normale Steckdose. Man stellt sich vor, man stellt ein Model X 75D mit 80 km Restreichweite um 19 Uhr abends in der Garage ab und fährt um 9 Uhr morgens wieder los. In den 14 Stunden sind über 50 kWh wieder aufgeladen, damit wäre die Batterie wieder voll.

Fahrverhalten

Grundsätzlich profitiert das Tesla Model X von den Eigenschaften eines Elektroautos: Die Leistung ist immer sofort da, auch aus dem Stand, und das Fahren ist ruhig und angenehm. Man ist deutlich entspannter unterwegs. Die Kraft wird dabei über alle vier Räder weitergeleitet. Der p100D hat auch den „von Sinnen“ Modus (insane), der dann so stark beschleunigt, dass einem selbst als Fahrer noch übel werden kann. Insofern reicht der 100D ohne „p für Performance“ auch aus, zumal der 100D der mit der höchsten Reichweite ist. Wir verbrauchen im Schnitt 20 bis 25 kWh / 100 km, das kommt dann rechnerisch genau hin mit einer effektiven Reichweite von mindestens 400 km für die 100 kWh Batterie. Selbst im 100D bleibt man auch lieber im Cruise-Modus anstatt im Standard-Beschleunigungsmodus. Ohnehin nutzt man das Model X aber auch nicht dafür, herumzuracen. Zwar ist die Abstimmung durchaus sportlich, man wankt auch bei höheren Geschwindigkeiten nicht nach links oder rechts, wenn man die Spur wechselt. Und die Beschleunigung ist auf Abruf stets brutal. Aber es macht viel mehr Freude, fast lautlos dahinzugleiten und die Blicke durch die Panorama-Glasscheibe zu genießen. Mit den 20-Zoll-Felgen ist das Model X übrigens deutlich komfortabler als mit 22 Zoll. Das hilft wirklich beim Abrollkomfort, wir können insofern von der dramatischeren Optik abraten, zugunsten des Komforts.

Die so genannte Smart-Air-Luftfederung ist serienmäßig mit an Bord. Diese ermöglicht es, das Fahrzeug dem jeweiligen Bodenbelag anzupassen, um den Komfort zu verbessern. Für steile Tiefgaragenrampen oder ähnliche Hindernisse kann man das Fahrwerk zudem manuell „hochpumpen“, um nicht aufzusetzen. Eine weitere Schwäche sind die Windgeräusche bei hohen Geschwindigkeiten, das ist ein Punkt, bei dem das Tesla Model X dem deutschen Premium-Wettbewerb hinterherhinkt. Auch das tiefer liegende Model S ist hier noch besser. Das Model X ist oberhalb von 120 km/h spürbar lauter. Als Autobahn-Raser also nicht zu empfehlen, obwohl die Leistung dafür geeignet wäre. Tesla setzt zudem ganz auf das One-Pedal-Driving, das zum Elektroauto als Alleinstellungsmerkmal dazugehöre. Das heißt: Man geht vom Gas und das Auto rekuperiert direkt stark. Dafür kann man zwei Stärke-Stufen einstellen. Schnell gewöhnt man sich an die stärkere Version, denn meistens geht man ja vom Gas, wenn man Geschwindigkeit reduzieren möchte.

Inkludiert ist ferner eine autonome Notbremsfunktion. Der Autopilot wird zudem laufend aktualisiert, die volle Ausbaustufe muss man allerdings immer extra dazuordern. Es muss jedoch angemerkt werden, dass für komplett autonomes Fahren in Deutschland noch die gesetzliche Grundlage fehlt, der Fahrer muss zu jedem Zeitpunkt volle Kontrolle über das Fahrzeug besitzen können. Bereits jetzt funktioniert das Feature auf der Autobahn sehr zuverlässig und man kann sich besser entspannen. Auch der Spurwechsel erfolgt „autonom“, wenn man den Blinker setzt und die Hände am Lenkrad behält. So muss man nun auch beim Tesla Autopiloten die Hände am Lenkrad halten, sonst beschwert sich das System nach einer Weile.

Abmessungen

Länge: 5,04 m
Breite: 2,00 m
Höhe: 1,68 m
Radstand: 2,96 m
Leergewicht: 2.391 – 2.441 kg

Fazit: Das Tesla Model X ist weiterhin konkurrenzlos: Massig Platz, rein elektrisch, große Reichweite. Gerade das Innenraum-Konzept ist futuristisch und sucht seinesgleichen. Im Laufe der Zeit ist nun auch das Model X in der Verarbeitungsqualität auf einem guten Niveau angekommen, wobei sicherlich noch Luft nach oben ist. Zudem entspannt das simplistische Interieur-Design. Auf der Höhe der Zeit ist auch der Verzicht auf Tierhaut auf den Sitzen. Abstriche machen muss man im Vergleich zu der etablierten Premium-Konkurrenz bei der Geräuschisolierung bei höheren Geschwindigkeiten. Und der Preis bleibt natürlich in allen Fällen sehr hoch, wobei vergleichbare Konkurrenzprodukte auch keineswegs günstig sind. In jedem Fall bleibt das einzigartige Tesla-Feeling eines gemächlichen lautlosen Fahrens, bei dem es regelrecht auf Knopfdruck rasante Beschleunigungen gibt.

Autogefühl: *****

Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak