Audi e-tron Weltpremiere

Der Audi e-tron ist der erste voll-elektrische Audi, der in nennenswerten Stückzahlen gebaut wird. Nun schauen wir uns das finale Serienmodell an. Wo steht der e-tron gegenüber Tesla und Jaguar I-Pace sowie dem kürzlich vorgestellten Mercedes EQC? Von Thomas Majchrzak






Audi e-tron heißt der erste Elektroaudi, der großflächig und zahlenmäßig relevant in Serie geht. Übrigens zur besonderen Freude von Audi Frankreich, die nun die Aufgabe haben, bei sich ein Auto zu vermarkten, dass dort nach einem Stück Kot benannt ist. Auf allen anderen Märkten klingt der Name dagegen cool, erinnert zum Beispiel auch an den Science-Fiction-Klassiker Tron. Gebaut wird der neue Audi e-tron in Brüssel, das Werk wurde eigens für den e-tron „geräumt“, vorher wurde dort der Audi A1 gebaut. Dieses Commitment zeigt, wie ernst es Audi mit dem e-tron ist. Das neue Elektroauto startet bei einem Preis von gut 80.000 Euro – ähnlich wie Mercedes EQC, Jaguar I-Pace und Tesla Model X, die auch allesamt eine ähnliche Power und Reichweite haben, wobei sich im Detail natürlich Unterschiede ergeben. Es sieht danach aus, als wenn Audi der erste Hersteller aus der klassischen Riege wäre, der reichweitenmäßig Tesla das Wasser reichen kann. Voll ausgestattet überschreitet ein Audi e-tron die 100.000 Euro Grenze.

Exterieur

Der e-tron bewegt sich in Stil und Höhe zwischen einem A6 Allroad und einem Q7/Q8. In der Front ist der Kühlergrill maßgeblich verkleidet, weil eben nicht so viel Kühlung für das Elektroauto nötig ist. Wichtiger ist hier der geringe Windwiderstand, erreicht auch z.B. durch eine komplette Verkleidung des Unterbodens. Die Scheinwerfer starten mit LED-Technologie und sind optional als Matrix-LED mit Fernlichtfunktion erhältlich, dann erhalten sie auch das kaskadierende Blinklicht. Mit einer Länge von 4,90 m ist der Audi e-tron etwas kürzer als ein Tesla Model X und etwas länger als ein Jaguar I-Pace. Insgesamt reiht er sich von den Abmessungen in die anderen großen Audi-Modelle à la A6, A7, A8, Q7, Q8 ein. Im Seitenprofil trägt der e-tron 19- bis 21-Zoll-Felgen (hier gezeigt) mit einem Stromlinien-Design, später folgen auch eine 22 Zoll Option sowie Felgen im klassischen Design ohne Windwiderstandsoptimierung. Die Bodenfreiheit beträgt gut 17 cm. Optional stehen virtuelle Außenspiegel zur Verfügung, die ein Kamerabild ins Innere schicken. Das 7“-Kamerabild passt sich der Situation an, Winkel und Zoom verändern sich z.B. je nach Geschwindigkeit und Fahr-Situation, z.B. eine Autobahn-Ansicht oberhalb von 90 km/h oder eine gekippte Ansicht beim Rückwärts-Einparken. Das Kombi-Heck kommt uns von anderen Audi-Modellen bekannt vor, zudem ziert ein durchgehendes Leuchtband das Heck von einer Seite zur anderen. Weil die 700 kg schwere Batterie im Fahrzeugboden platziert ist und die weiteren Teile intelligent angeordnet sind, ergibt sich eine 50:50 Gewichtsverteilung von Vorder- zu Hinterachse, was ein ausgeglichenes Fahrverhalten verspricht.

Interieur

Wenn alle Bildschirme aus sind, ergibt sich in der Mittelkonsole ein großes schwarzes Panel. Geht die Zündung an, erkennt man die zwei Touch-Displays (10,1″ und 8,6″). Links kommen die 12,3“ Audi Virtual Cockpit digitalen Instrumente serienmäßig in Full-HD-Auflösung. So orientiert sich der Audi e-tron grundsätzlich am Basis-Layout an Audi A6, A7, A8 und Q8. Dazu kommen spezielle Elektro-Grafiken für die Reichweite und Rekuperation. Die Schaltpaddles dienen zur Verstellung der Rekuperations-Stufen von 0 bis 2 (nur rollen bis stärke Verzögerung). Den Gang wählt man mit einem neuartigen Schalter, der sich dort befindet, wo man normalerweise die Hand auf den Automatikwählhebel legt. Man zieht den Schalter nach vorne oder drückt ihn weg.

Bei den Sitzen bietet Audi drei Formen an: Basis, Sportsitz und Multikontur-Sitz. Wir zeigen hier den Sportsitz mit ausgeprägteren Seitenwangen. Der Basis-Sitz steigt ein mit Stoffbezug, alternativ mit einem Kunstleder-Echtleder-Mix. im S-line Paket erhält man den Sport-Sitz sowie Alcantara auf den Mittelbahnen, Tierhaut außen an den Sitzwangen. Hier in der first edition ist auch schon der Sport-Sitz verbaut, allerdings komplett mit Tierhaut. Der Multi-Kontursitz ist ebenfalls nur mit Tierhaut erhältlich. Die Sitzform ist in jedem Fall sehr bequem, Audi ist beim Thema Komfort ganz vorne mit dabei. Bei Tesla hat man Tierhaut schon komplett von den Sitzen entfernt, und der neue Mercedes EQC bietet in der Standard-Konfiguration und auch optional mehrere attraktive tierfreie Bezüge an. Hier hinkt Audi beim Thema Nachhaltigkeit noch hinterher. Tesla und Mercedes bieten hier sogar schon Alternativen für den Lenkradbezug an. Bei Audi kann man bei der S-line immerhin ein sportliches Lenkrad mit Alcantara-Anteil bekommen. Positiv: Wie üblich macht Audi rein qualitativ mit die besten Innenräume.

Für den Musik-Genuss steht optional ein B&O Soundsystem mit 16 Lautsprechern zur Verfügung. Die hinteren Lautsprecher in der C-Säule sorgen für den Surround-Klang.

Im Fond hat der Audi e-tron eigentlich einen Vorteil als Elektroauto, weil es keinen Mitteltunnel gibt. Allerdings ragt das Bedienelement für die 4-Zonen-Klimaautomatik so weit in den Fond hinein, dass man hier nicht von drei vollwertigen Sitzplätzen sprechen kann. Das Platzangebot ist allerdings für vier große Erwachsene mehr als ausreichend und auf dem Niveau eines Audi Q7. Es gibt auch im Fond massig Beinfreiheit.

Der Kofferraum hinten fasst 600 l, er ist in der Breite sehr gut nutzbar, es mangelt lediglich etwas an Höhe. Die Sitze lassen sich praktisch vom Laderaum aus umklappen, wie beim Kombi. Vorne gibt es zusätzlich ein 60 l Fach für die Elektro-Kabel, damit es hinten im Kofferraum „sauber“ bleibt. Mit umgeklappten Sitzen fasst der Laderaum hinten 1.725 l.

Motoren

Batterie 95 kWh
On-Board-Lader Serie 11 kW, optional 22 kW AC
Bis zu 150 kW DC (CCS)
Die Lade-Abdeckung öffnet sich elektrisch, Standard ist links vorne, optional ist eine zweite Lademöglichkeit auch rechts vorne erhältlich, damit man keine Probleme mit zu kurzen Kabeln bekommt. Die DC-Lademöglichkeit gibt’s allerdings nur für links.

360 PS / 561 NM
407 PS / 664 NM im S Boost-Modus
0-100 km/h in 6,6 bzw. 5,7 Sek. Boost
Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
gut 400 km Reichweite nach WLTP-Zyklus (dürfte also in Realität nicht stark abweichen, Audi verspricht sogar mehr als 400 km Reichweite)

Fahrverhalten

Einer der größten Punkte beim e-tron für Audi, so der Hersteller, ist die Geräuschdämmung. Bei Elektroautos überwiegt von außen oberhalb von 25 km/h das Abrollgeräusch (bei Lkw und Bussen erst oberhalb von 50 km/h), aber von innen überwiegen die Windgeräusche das Motorengeräusch erst ab ca. 85 km/h. Insofern wird es gerade oberhalb dieser Geschwindigkeit wichtig, dass die Kabine gut abgedichtet ist. Audi hat hierzu selbst an den Radläufen Dämm-Maßnahmen vorgenommen und die Geräuschisolierung auf die eher hochfrequenten Töne eines Elektroautos angepasst. Bei unserer ersten Testfahrt hatten wir schon gemerkt, dass Audi in diesem Punkt wieder Maßstäbe setzt. So leise war bislang kein Elektroauto, und die Elektroautos sind in der Regel ja leiser als die Verbrenner.

Die Beschleunigung ist rasant, weil die Elektromotoren sofort das volle Drehmoment bereitstellen. Mit 5,7 Sekunden auf 100 km/h liegt man in Sportwagen-Bereichen. Die Kraft wird vorwiegend über die Hinterachse übertragen, zumindest im niedrigen Lastbereich. Sobald mehr Power nötig wird, schaltet sich der vordere Elektromotor stärker zu. Dasselbe passiert bei Glätte.

Die Lenkung ist gewohnt progressiv, d.h. man kann dynamisch lenken und muss nicht allzu stark einschlagen. Das Fahrwerk ist eher straffer abgestimmt als bei den Audi SUVs. Auch hier zeigt der Audi e-tron seinen Crossover-Charakter zwischen den Welten der SUVs und der Limousinen/Kombis. Gleichzeitig kann man den Audi e-tron auch dosiert und entspannt fahren, in Verbindung mit der guten Geräuschdämmung ist das insbesondere vorteilhaft im Stau.

Die serienmäßige Luftfederung passt sich bei der Wahl der Fahrmodi an und variiert in der Höhe um bis zu 7,6 cm. Bei höheren Geschwindigkeiten senkt sich der e-tron automatisch, um windschnittiger und stabiler zu werden, im Gelände kann man dagegen die höchste Stufe wählen.

Die optionalen digitalen Spiegel sind gewöhnungsbedürftig, weil sie ein etwas eingezoomtes und kleineres Bild liefern als es der klassische Spiegel geben würde. Dafür haben sie aber trotzdem eine Tote-Winkel-Warner-Funktion, nämlich indem bei diesem Fall das Kamerabild gelb eingerahmt wird. Ein weiterer Vorteil: Die Kameraeinheit ist kleiner als ein Außenspiegel und hat daher weniger Windwiderstand, was die Aerodynamik verbessert und die Außengeräusche bei hohen Geschwindigkeiten weiter reduziert. Eine nette Spielerei, aber unser Rat geht klar dazu, von dieser Option abzusehen. Normale Spiegel bieten eine bessere Übersicht.

Die Rekuperation soll übrigens bis zu 30 Prozent zur Gesamtreichweite beitragen. In 90 Prozent der Fälle, so Audi, würde zum Bremsen die Rekuperation reichen, bevor die Scheibenbremsen eingesetzt werden müssten. Aus voller Fahrt kann der Audi e-tron bis zu 70 Prozent seiner Antriebsleistung rekuperieren.

Die Anhängelast beträgt 1.800 kg, wie beim Mercedes EQC. Nur das Tesla Model X schafft mehr, die anderen Elektroautos sind meist gar nicht für Hänger zugelassen.

Abmessungen

Länge: 4,90 m
Radstand: 2,92 m
Breite: 1,93 m
Höhe: 1,61 m

Fazit: Der Audi e-tron sieht für Außen, Innen und das Fahren ein Crossover-Rezept vor, das sich zwischen A6 Allroad und Q7/Q8 befindet. Viel Platz gibt es im Innern, allerdings ist das Auto auch groß, leider wird der dritte mittlere Sitzplatz trotz nicht vorhandenem Mitteltunnel nicht wirklich ausgenutzt. Trotzdem bleibt der e-tron gut nutzbar und bietet ausreichend Stauraum, deutlich mehr als der Jaguar I-Pace zum Beispiel. Bei den Innenraum-Materialien zeigt sich Audi im Gegensatz zu den drei Konkurrenten wieder als wenig nachhaltiger Hersteller, auch wenn die Verarbeitungsqualität wie gewohnt auf höchstem Niveau bleibt. Das Engagement, die Lieferketten künftig bei jedem Zulieferer zu durchleuchten, lässt aber hoffen. Ein Tesla-Jäger ist Audi e-tron insofern nicht, als dass der Audi e-tron eher ein klassischer Ansatz ein Elektroauto ist und nicht „komplett neu“ geplant wurde. Dafür setzt man bei Audi aber auf viel Erfahrung und wird somit unter allen Elektroauto vermutlich das technisch beste Fahrzeug anbieten. Verarbeitung, Komfort und Geräuschniveau sind beim Audi e-tron derart überzeugend, dass Audi bei diesen hard facts die Nase klar vor Tesla und Jaguar hat. Der Mercedes EQC ist qualitativ ebenfalls sehr gut und zeigt hier und da frische Ideen, jedoch hat der Audi e-tron eine deutlich höhere Reichweite und zeigt weniger Kompromisse als der „elektrifizierte GLC“.

Autogefühl: *****

Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Fotos: Antigua-Blau: Autogefühl, Siam-Beige: Audi