2017 ist die Stadt Essen „Grüne Hauptstadt Europas“. Im Rahmen dieses Projektjahres hat sich Nissan als Automobil-Sponsor eingeklinkt. Der Fokus dabei: die Elektromobilität. Sie soll sich in die ganzheitlichen Konzepte rund um Urban Farming, Veranstaltungen und Parkanlagen einfügen. Von Thomas Imhof & Thomas Majchrzak
In der Stadt Essen fahren bislang 420 Elektroautos, laden kann man entweder zu Hause oder an 25 öffentlichen Ladesäulen, vorwiegend von Innogy. Oft wird das Henne-Ei-Problem genannt, also ob zuerst die Infrastruktur oder zuerst die Elektroauto-Nachfrage da sein muss. Logisch betrachtet schafft man in der Regel zunächst Voraussetzungen für die Nutzung einer Technologie. Die Nachfrage würde nun deutlich zunehmen, sagt Thomas Hausch, Geschäftsführer Nissan Center Europe GmbH. Nissan habe weltweit bislang 400.000 Elektroautos verkauft, davon 250.000 Nissan Leaf. Der Leaf ist damit das meistverkaufte Elektroauto.
von links: Thomas Hausch, Geschäftsführer Nissan Center Europe GmbH, Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen, Simone Raskob, Projektleiterin der Grünen Hauptstadt
Im Rahmen der Kooperation zur Grünen Hauptstadt 2017 sponsert Nissan die Stadt Essen mit 5 e-NV 200 und 10 Leaf, eingesetzt werden die Fahrzeuge im Fahrzeugpool der Stadt und der Stadtgesellschaften. Auch Oberbürgermeister Thomas Kufen soll einen Nissan Leaf fahren. Zum Ausbau der Ladeinfrastruktur wollte sich Kufen allerdings noch nicht festlegen, weder was die öffentlichen Ladesäulen angeht, noch die Unterstützung bei privaten Installationen. Für Simone Raskob, Projektleiterin der Grünen Hauptstadt, seien gerade letztere der Knackpunkt. Daher soll der Fokus nicht etwa auf Ladesäulen an Laternen liegen oder weiteren öffentlichen Schnell-Ladesäulen, die für die Kommune ins Geld gehen könnten. Beim größten Prestige-Städtebauprojekt der Stadt, in der Grünen Mitte, wurde jedenfalls schon mal gar nicht an die Elektro-Infrastruktur gedacht. Eine Bauverordnung, nach der jeder Stellplatz zumindest eine normale Steckdose aufweisen muss (was schon ein enormer Fortschritt wäre), fehlt. „Aus diesen Fehlern kann man auch lernen“, sagt OB Thomas Kufen.
Los geht es bei der Stadt mit der langfristigen Ausrichtung des Fuhrparks: So sollen ein Drittel der Fahrzeuge bald aus Elektroautos bestehen. Ein Grund vielleicht auch, wieso Nissan die Kooperation mit der Stadt auch als Sales-Impuls für andere Städte sehen könnte. Neben der 2.000 Euro Förderung vom Staat und der 2.000 Euro Förderung vom Hersteller gibt Nissan derzeit noch weitere 1.000 Euro oben drauf, so dass ein Nissan Leaf insgesamt 5.000 Euro günstiger ist als der Listenpreis und auf minimal 18.365 Euro kommt – zzgl. Batteriemiete, wenn man diese nicht mitkauft. An 70 Händler-Standorten bundesweit bietet Nissan übrigens Gleichstrom(DC)-Ladesäulen an.
Deutlich weiter ist die Stadt Essen übrigens beim Thema Urban Farming: Viele wissen nicht, dass es 70 Landwirte in Essen gibt, bei denen man seine eigene Scholle zum Anbau bestellen kann. 10 Gemeinschaftsgärten im Rahmen der Transition Town bauen ebenfalls bereits ihr eigenes Gemüse an, genau wie in den Ruhrgebiets-traditionellen Kleingärten. Grün und Gruga wird zudem Flächen ausweisen, auf denen sich Bürger künftig betätigen können, denn eine Bodenanalyse ist in einer Stadt mit alten Industriebrachen unerlässlich. Nicht jeder Garten eignet sich für den Anbau, wenn es sich z.B. um ein Städtebauprojekt auf belastetem Grund handelt.
Baldeneysee, Foto: Grüne Hauptstadt, Copyright Daniel Mueller
Stadtgarten, Foto: Grüne Hauptstadt, Copyright Johannes Kassenberg
Wichtig am gesamten Projekt ist, dass Beiträge zum Umweltschutz nicht mehr singulär, sondern innerhalb eines gesamten Systems gesehen werden. So sind Urban Farming und Elektroautos zwei wichtige Elemente in der Strategie, wieder für mehr saubere Luft in der Stadt zu sorgen. Weitere Projekte in der Grünen Hauptstadt 2017 sind ein neues Schwimm-Areal im Baldeneysee, der nach vielen Jahrzehnten wieder zum Baden geöffnet wird, sowie zahlreiche Veranstaltungen in den bekannten Grünanlagen der Stadt.
Auch der Radschnellweg R1, bislang fertig gestellt zwischen Essen Neue Mitte und Mülheim, soll noch in diesem Jahr weiter (nach Osten Richtung Bochum) erweitert werden. Ein weiteres Projekt ist ein Baldeneysee-Steig, der auf bewusst anspruchsvollen Wegen einmal rund um den größten der Stauseen des Ruhrgebiets führen soll.
Dass die Kanada-Gänse auf Essener Stadtgebiet allerdings im Grünen Hauptstadtjahr auf eine Schonfrist hoffen dürfen, ist jetzt schon mehr als fraglich. Im vergangenen Jahr sollte es nach traditionellen Abschüssen im Essener Süden auch eine großflächige Tötung im Grugapark geben. Daraufhin formierte sich ein breiter überregionaler Protest, der letztlich trotz negativer Parteinahme der örtlichen Medien – allen voran der WAZ Lokalredaktion – zu einem öffentlichen Druck führte, dem die Stadt nur noch nachgeben konnte. Egal ob Elektro-Infrastruktur oder der Respekt vor Flora und Fauna – im Jahr der Grünen Hauptstadt muss sich die Stadt nun daran messen lassen, ob das Projekt nur aus scheinbaren Leuchtturm-Projekten besteht, oder ob das Engagement für eine bessere Umwelt und Zukunft wirklich ernst gemeint ist. Die kommenden Monate werden es zeigen, das Potenzial ist jedenfalls da.
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