VW Golf 8 TSI 1.5 TSI 130 PS Fahrbericht 2020

Wegen Software-Problemen dauerte es ein wenig länger, bis Volkswagen den neuen Golf endlich zu den Händlern rollen ließ. Äußerlich ganz der Alte, wartet innen eine neue digitalisierte Wolfsburg-Welt. Bietet der Golf 2.0 damit ein völlig neues Fahrerlebnis? Antworten darauf liefert der Fahrbericht mit einem VW Golf 8 1.5 TSI 130 PS. Von Thomas Imhof

Unser Test lief mit einem Golf 8 1.5 TSI in der Ausstattung Style – neben der betont sportlichen R-Line die am reichhaltigsten ausgestattete Variante und in Verbindung mit dem 1,5-Liter-Motor mit 130 PS und Handschaltgetriebe ab 28.255 Euro in der Preisliste. Die Farbe des Testwagens, das sehr attraktive Oryxweiß mit Perlmutteffekt, lässt sich Volkswagen zusätzlich mit knapp 1000 Euro vergüten.

Exterieur


Wohl nur gute Golf-Kenner können auf Anhieb die Unterschiede zwischen Golf 7 und Golf 8 ausmachen. Und das sei vorweg gesagt: ein gepflegter Golf 7 mit schicken Felgen und sonstigen Goodies sieht absolut noch nicht veraltet aus – von außen wohl gemerkt: Denn die großen Änderungen finden bekanntlich innen statt, doch dazu später.

Die Motorhaube des VW Golf 8 TSI erhielt eine zusätzliche Sicke und neue Scheinwerfergehäuse – im Fall des Testwagens bestückt mit 1.095 Euro teurem LED-Matrix-Licht, im VW-Sprech IQ-Light genannt. An den Seiten des unteren Kühllufteinlasses glänzen die oberen beiden Finnen in Wagenfarbe.

Aufgestellt wird die Haube mit einer – nach längerer Fahrt – empfindlich heißen Stange – für Dämpfer, die die Haube von selbst aufstellen, war im Budget offenbar kein Platz.

Auch am Heck fällt bis auf eine leicht geänderte Rückleuchten-Graphik und das neue, feiner gezeichnete VW-Logo samt Chrom-Schriftzug „Golf“ darunter nichts groß ins Auge. Die angedeuteten Auspuffendstücke – Stichwort Fake-Design – sind eine Unsitte, die die Designer auch beim neuen VW Golf 8 1.5 TSI nicht missen lassen wollten. Ein edles Detail dagegen sind „Volkswagen“-Schriftzüge in den B-Säulen. Neu auch die vorderen und hinteren Blinker mit animiertem Wischeffekt.

Ebenfalls Serie im Golf 8 1.5 TSI Style sind die unteren Chromleisten an den Seitenfenstern, Schlechtwetter und -Abbiegelicht, beleuchtete Türgriffmulden und eine Umfeldbeleuchtung mit Logoprojektion, das so genannte „Puddle Light“.

Stärkstes Erkennungsmerkmal des Golf und fester Baustein seiner DNA bleibt auch in achter Generation die breite C-Säule. Der Auftritt auf der Straße ist kräftig, auch weil die Räder schön bündig mit der Karosserie stehen und die Radkästen gut ausfüllen – in diesem Fall sind es 17 Zöller im Design „Ventura“ mit Reifen der Größe 225/45 R 17. 17-Zoll-Räder sind serienmäßig im Style (bis Life nur 16 Zoll), jedoch kosten die im hier abgebildeten Design knapp 650 Euro Aufpreis. Ebenfalls extra bezahlt (270 Euro) werden müssen die abgedunkelten hinteren Seitenscheiben plus Heckscheibe.

Interieur


Dass es sich um einen neuen Volkswagen dreht, zeigt beim Öffnen des VW Golf 8 1.5 TSI der neu designte Schlüssel. Er wirkt gegenüber dem Schlüssel zum Beispiel eines T-Roc (siehe Foto) schlanker und weniger eckig, darüber hinaus fehlt der Druckknopf zum Ausklappen des mechanischen Notschlüssels.

Im Interieur lädt dann zwar ein famoser Sport-Komfortsitz mit tierfreundlichen Mittelbahnen im Mikrovlies „Art Velours“ (auch an den äußeren Rücksitzen), Massagefunktion, drei Memory-tasten und verschiebbarer Oberschenkelauflage zum Platznehmen ein, doch ansonsten erwartet alle Golf-Neulinge, aber auch Golf-Vertraute, die schöne (?) neue Digitalwelt. Links vom sehr hübschen, beheizbaren, aber überflüssigerweise mit Tierhaut bezogenen Multifunktions-Lenkrad (310 Euro) findet sich eine erste Bedieninsel mit allen Lichtfunktionen. So lange kein Nebel herrscht, kann man sie völlig vergessen und auf „Automatik“ stehen lassen.

Neben dem zentralen Display vor dem Lenkrad (Virtual Cockpit), in das auf Wunsch neben zwei altgewohnten Runduhren für Drehzahl und Geschwindigkeit auch eine komplette Kartendarstellung eingespiegelt werden kann, fällt das zentrale Display mit acht Hauptmenüpunkten besonders ins Auge. Unter anderem für die Klimafunktionen, aber auch die vier Fahrprogramme gibt es zusätzlich einen Schnellzugriff über eine weitere, gleich unterhalb postierte Bedieninsel, in der auch der Warnblinker integriert ist. Wichtig zu wissen: Alle Schalter müssen noch, und teilweise sogar mit erstaunlich viel Nachdruck, gedrückt werden, wobei damit kein haptisch angenehmes Erlebnis verbunden ist.

Nichts zu deuteln gibt es dagegen beim sehr hochauflösenden Head-up-Display, das für 680 Euro ein sehr sinnvolles Extra darstellt.

Der Verarbeitungseindruck im VW Golf 1.5 TSI ist extrem gut, nur als Beispiel seien die Hochtöner des für 660 Euro erwerbbaren Harman Kardon-Soundsystems genannt, die wunderschön mit kleinen Chromrahmen in die A-Säule eingelassen sind. Oder die Ambientebeleuchtung (30-farbig) und die Dekoreinlagen in New Brushed Dark Metal für die Instrumententafel und die vorderen Türverkleidungen. Für alle, die ihr Handy gerne aufladen, stehen nun nur noch die neuen USB-C-Buchsen zur Verfügung; wer nach gewohnter Manier laden will, braucht einen Adapter oder die Zutaten für eine induktive Ladung in der dafür vorgesehenen Ablage.

Ablagen finden sich ausreichend – in den Türen haben auch 1,0-Liter-Flaschen Platz, auch die Konsole unter der höhen- und längseinstellbaren Mittelarmlehne ist recht schluckfreudig. Und die im VW Golf 8 1.5 TSI Style serienmäßige Klimaanlage regelt für gleich drei Zonen getrennt.

Im Fond des VW Golf 8 1.5 TSI geht es ähnlich komfortabel zu wie vorn, und auch der sehr günstig ausgeformte Kofferraum lässt kaum Wünsche offen. 381 Liter fasst er im Normalzustand, nach Umklappen der asymmetrisch geteilten Rückbank vergrößert sich das Volumen auf 1235 Liter. Ein praktisches Detail findet sich in der Heckklappe – ein integriertes Fach für das Warndreieck.

Zu den serienmäßigen Assistenzsystemen zählen die automatische Distanzregelung ACC stop&go mit Geschwindigkeitsbegrenzer, Notbremsassistent mit Fußgänger- und Radfahrerkennung, vordere und hintere Einparkhilfen, (passiver) Spurhalteassistent und der Fahrassistent Travel Assist, der das Auto durch aktive Lenkeingriffe ausgesprochen gut und mittig in der Spur hält. Musste beim Golf 7 noch Lenkmoment aufgewendet werden, um den Travel Assist aktiv zu halten, reicht dazu dank eines kapazitiven Lenkrads jetzt eine Finger-Berührung am Volant. Wer Spaß an solchen Gadgets hat, wird sich freuen, denn er oder sie erlebt hier halbautonomes Fahren in natura.

Eine Anmerkung noch zum im Rahmen des Komfort-Pakets erhältlichen Keyless Acces: Der Golf 8 1.5 TSI öffnete sich von selbst bei Annäherung, schloss aber nach Verlassen des Fahrzeuges nicht wieder auch automatisch ab. Eine Annehmlichkeit, die wir zum Beispiel zuletzt beim Renault Zoé sehr zu schätzen lernten. Dafür hatte unser Golf schon die Vorbereitung „Mobiler Schlüssel“ – für einen Zugang per Smartphone.

Motoren

Benziner

1.0 TSI 90 PS
1.0 TSI 110 PS
1.5 TSI 130 PS
1.5 TSI 150 PS
1.5 eTSI (Mild-Hybrid) 150 PS

Diesel
2.0 TDI 115 PS
2.0 TDI 150 PS

Der 130 PS starke Vierzylinder mit Zylinderabschaltung ACT und Otto-Partikelfilter ist ein sehr kultiviertes und durchzugsstarkes Aggregat. Da sein maximales Drehmoment von 200 Nm schon ab 1400 – und dann durchgehend bis 4000 Umdrehungen pro Minute – anliegt, ist auch schaltfaules Fahren möglich. Das im Testwagen installierte Sechsgang-Schaltgetriebe animiert jedoch durchaus zum häufigen Schalten, dank sahniger und klar definierter Schaltwege.

Sehr überzeugend auch der Verbrauch: Wer es darauf anlegt, kann mit bis zu 5,5 Liter/100 km auskommen – was dann gar nicht mehr so weit entfernt ist von der Werksangabe von 4,7 Litern/100 km. Auf unserer Normrunde mit gemischtem Profil und im Fahrmodus Comfort wurde mit 5,9 Liter auf 100 km aber auch nicht nennenswert mehr eingespritzt. Bei zügiger Fahrt mit höherem Autobahnteil werden maximal 6,5 Liter konsumiert.

Insgesamt wirkt der Golf 8 1.5 TSI mit diesem Motor genau richtig motorisiert, wobei der 150 PS starke TSI speziell in der Version als Mild-Hybrid noch einmal 20 Mehr-PS und noch etwas geringere Verbräuche in Aussicht stellt.

Fahrverhalten

VW sieht für den Golf 8 zwei verschiedene Hinterachsen vor: eine Verbundlenkerachse für die beiden Dreizylinder-Benziner und den schwächeren der beiden Diesel sowie ab dem 96 kW starken Golf 8 1.5 TSI aufwärts eine aufwendigere Vierlenker-Konstruktion.

Am Handling gibt es wahrlich nichts auszusetzen – der Golf fährt so unbeirrbar und undramatisch sicher, wie man es von seinen Vorgängern gewohnt war. Auch die im Testwagen installierte Progressivlenkung (210 Euro) spricht direkt und – wie es der Name schon verheißt, – progressiv an. Der Abrollkomfort im Fahrprogramm Comfort ist fast schon einen Tick zu kommod, während im Sport-Modus das Fahrwerk vor allem auf der Autobahn zum leichten Stuckern neigt. Aber das sind alles nur feine Nuancen und können den souveränen, durch die adaptive Fahrwerksregelung DCC (1.018 Euro Aufpreis) nochmals verfeinerten Gesamteindruck nicht nachhaltig trüben.

Abmessungen

Länge: 4,39 m
Radstand: 2,62 m
Breite: 1,79 m
Höhe: 1,49 m

Fazit:

Der Golf ist sich trotz seines virtuellen Glas-Cockpits und des Travel Assists für teilautonomes Fahren in seinen Grundzügen treu geblieben. Das Exterieur Design ist unverwechselbar, ja fast schon mit dem Golf 7 zu verwechseln, der Innenraum großzügig und souverän verarbeitet, die Abmessungen wie gewohnt angenehm kompakt, das ganze Paket unverändert alltagstauglich. Allerdings ist die Basisausstattung sehr mager, und vieles gibt es erst ab der getesteten Style-Ausstattung.

Bleibt die Frage nach dem neuen Bedienkonzept. Insgesamt lässt sich sagen, dass man zumindest eine längere Eingewöhnungszeit braucht. Aber auch dann ist die Bedienung nicht mehr so intuitiv wie gewohnt – zumal manche Touchflächen unbeleuchtet sind. Uns persönlich gefällt es durchaus, zum Beispiel für die Regelung von Heizung und Lüftung Drehräder mit feiner Riffelung zu bedienen und so auch haptischen Kontakt mit dem Auto zu haben. Nun läuft alles eher anonym, und noch scheint es auch keine Touchscreen-Oberflächen zu geben, auf denen man bei bestimmtem Lichteinfall keine Fingerabdrücke mehr erkennt.

Autogefühl: ****

Text: Autogefühl, Thomas Imhof