Mini Cooper SE Fahrbericht – Mini Electric

Die rein elektrische Version des Mini von BMW nutzt den hier allerdings umgekehrt eingebauten Antrieb des i3S. Kann auch der Stromer das Mini-typische Go-Kart-Feeling bieten und wie sieht es mit der Reichweite aus? Test des Mini Cooper SE in der Top-Ausstattung XL. Von Thomas Imhof

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Exterieur

Der wie alle Mini im Werk Oxford von BMW gebaute Mini Cooper SE signalisiert mit einer ganzen Reihe von gelben Plaketten seinen Zero Emission-Antriebstatus. Sie bestehen aus einem silbernen E auf einem gelben Kreis, was wie ein stilisierter Stromstecker wirkt. Statt Blau oder Grün, was vielleicht naheliegender wäre, wählte BMW schon bei der Vorstellung des ersten Mini E im Jahre 2008 diesen Farbton. Dieser Vorläufer des heutigen EV war allerdings so mit Akkus vollgestopft, dass dem damals die gesamte Rückbank und der halbe Kofferraum zum Opfer fielen. Gelb leuchten auch die Rückspiegelkappen, serienmäßig sind aber schwarze, was in unseren Augen weniger grell wirkt. Ein echter Hingucker sind jedoch fraglos die Felgen („Electric Power Spoke 2–tone“), deren Relief an ein Minus, das in ein Plus geschoben wird, erinnert. Abgesehen von den gelben Akzenten und den Spezialfelgen geht der Mini Cooper SE aber wie jeder andere Mini durch. Der Kühlergrill ist noch angedeutet, aber durch Zierblenden ebenso geschlossen wie der kleine Lufteinlass auf der Haube. LED-Scheinwerfer gibt es schon in der Basis; das Tagfahrlicht ist als geschlossener Ring in die Hauptscheinwerfer integriert. Am Heck findet sich eine von zahlreichen Stellen mit dem Motiv des Union Jacks – jeweils zur Hälfte leuchtet er in der rechten und linken LED-Rückleuchte auf. Solche Details zeigen: Auch bei einem Mini Cooper SE ist nicht alles rational, sondern vieles etwas verspielt und einfach nur witzig. Was den speziellen Charme des Mini seit jeher ausmacht.

Interieur

Im Interieur der XL-Version („MINI Yours“) des Mini Cooper SE wirkt zunächst alles sehr vertraut. Was zum einen am für den New Mini von BMW immer schon charakteristischen Zentralinstrument vom Format einer kleinen Pizza und ebenfalls lieb gewonnenen Bedienelementen wie den diversen Kippschaltern liegt. Ebenso vertraut ist die Sitzposition und die Sicht nach vorn, die ein wenig an ein sehr breit gezogenes Motorrad-Visier erinnert. Dass sich der Einstieg nach hinten – und erst recht dann auch wieder der Ausstieg – trotz Easy Entry-Funktion mühsam gestaltet, ist ebenfalls keine neu Erkenntnis. Die gute Nachricht betrifft den Kofferraum: Weil BMW für die Unterbringung des T-förmigen Hochvolt-Akkus auch diverse Hohlräume nutzt wie unter den Sitzen, blieb das Volumen im Vergleich zu den Verbrenner-Typen absolut identisch: 211 Liter und nach Umklappen der Rücksitze – es ergibt sich dabei eine deutliche Stufe – 731 Liter.

Wie bei T-Shirt- oder Hemdgrößen tauft BMW die vier Mini Ausstattungsstufen S, M, L und XL. BMW lieferte den Testwagen in XL, was neben einem Panorama-Glasdach auch eine Polsterung in Tierhaut umfasst (offizielle Bezeichnung: Leather Lounge Carbon Black). Wer Stoffsitze oder Kunstleder (Leatherette) haben möchte, findet sie nur in den beiden unteren Lines S und M. Auch der (extra dicke) Lenkradkranz im Mini XL besteht aus Tierhaut, genauer gesagt aus Walknappa-Leder. Auf der unteren Lenkradspeiche erscheint wieder der Union Jack, ebenso wie auf den Vorderseiten der vorderen Kopfstützen und einigen Nieten auf den Sitzschultern.

Die Unterschiede zu den Verbrennern beginnen im Mini Cooper SE mit dem – natürlich – gelb eingefärbten Starterknopf, der als Kippschalter genau in der Mitte der Schalterleiste liegt. Und setzten sich fort beim Kombiinstrument, das übrigens bei einer Höhenverstellung des Lenkrads mit nach oben oder unten wandert. Es besteht aus drei Segmenten: digitale Geschwindigkeitsanzeige in der Mitte, Ladezustand der Batterie rechts und eine Art Powermeter links, das anzeigt, wieviel Kraft abgerufen und wieviel Energie beim Bremsen rekuperiert wird. Ein sehr hübsches Detail leuchtet im Dunkeln auf – das Motiv des Union Jacks, über LEDs und Lichtleiter eingelegt als hinterleuchtete Dekorleiste auf der Oberseite des beifahrerseitigen Instrumententrägers. Ist der „Sport“-Modus gewählt, leuchtet das Gebilde sogar in einem grellen Rot.

Die Sportsitze mit verstellbarer Oberschenkelauflage und Lordosenstütze animieren zum zügigen Fahren; lediglich ihre Einstellung erfolgt etwas hakelig, aber wirklich ärgerlich ist nur die Gurtführung, weil das Band genau über den Hebel zur Sitzlehnenverstellung führt. Was für Neulinge im Cockpit heißt: Vor dem Anschnallen die Position einstellen, und dann erst zum Gurt greifen. Bei den Oberflächen dominiert schwarzer Klavierlack – an den Türellipsen, den so genannten Downtubes, den Türgriffblenden und den weich gepolsterten Streben der Mittelkonsole zum Abstützen der Knie in Kurven. Rückfahrkamera, Sitzheizung, DAB-Tuner, Harman/Kardon-Audioanlage, das Head-up Display in Form einer ausfahrenden Plexiglasscheibe und das heute fast schon obligatorische Fach zum drahtlosen Aufladen eines Smartphones gehören ebenfalls zur Serienausstattung.

Motoren

Wie bereits angedeutet, stützt sich der Mini Cooper SE auf den Antrieb des BMW i3S. Er wurde jedoch quasi um 180 Grad gedreht, wodurch der Mini Cooper SE im Vergleich zum i3S über Front- statt Heckantrieb verfügt. Die Höchstgeschwindigkeit wird bei gleicher Leistung (184 PS) und gleichem Drehmoment (270 Nm) mit 150 km/h zehn km/h früher abgeriegelt als im i3S – das sollte man immer im Hinterkopf behalten, wenn man auf der Autobahn mal zu einem Überholmanöver ansetzt. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h ist logischerweise mit 7,3 statt 6,9 Sekunden auch etwas langsamer.

Die Ladekapazität des Lithium Ionen-Akkus beträgt 32,8 kWh. An einem 11 kW-Wechselstromanschluss lädt der Mini Cooper SE in rund 2,5 Stunden zu 80 Prozent auf. An einer DC-Schnellladesäule mit 50 kW dauert der gleiche Vorgang rund 35 Minuten. Auf den Hochvolt-Akku gibt BMW acht Jahre oder 160.000 Kilometer Garantie.

Im alten NEFZ-Zyklus gibt BMW eine Reichweite von 270 Kilometern und einen Verbrauch von 14,8 kWh an. Es gibt diverse Möglichkeiten, um den Stromkonsum zu beeinflussen: zum einen über gleich vier über einen „Fahrerlebnisschalter“ anwählbare Fahrprogramme (Sport, Mid, Eco und Eco-Plus) und über zwei Rekuperationsstufen, die sich über einen der Kippschalter aktivieren lassen. In der stärkeren der beiden wird das immer wieder faszinierende Single Pedal-Fahren möglich – es ist höchstens für E-Mobilitäts-Anfänger gewöhnungsbedürftig, weil die Bremswirkung schon sehr abrupt einsetzt. Nach kurzer Zeit geht dieses Verhalten aber schnell in Fleisch und Blut über. In der schwächeren Stufe ist die Bremswirkung hingegen sehr moderat und nur ansatzweise zu spüren.

Auf unserer Verbrauchsrunde (Außentemperatur 10 Grad) erzielten wir einen Verbrauch von 16,5 kWh. Hat man noch mehr Möglichkeiten zum Rekuperieren oder einen höheren Anteil an reinem Stadtverkehr, dürfte er sicher in den 15 kWh-Bereich sinken. Auf der Autobahn lag er zwischen 18 und 19 kWh. Interessanterweise traf der im Langzeitspeicher des Testwagens hinterlegte Verbrauch des Testwagens mit 14,9 kWh fast die Werksangabe von 14,8 kWh.

Sehr gewöhnungsbedürftig ist jedoch die Reichweitenangabe. Mitnichten werden nach einer Vollladung 270 Kilometer angegeben, sondern immer eine Berechnung auf Basis der gesamten Verbrauchshistorie vorgenommen. Also auf Basis des von früheren Fahren erzielten und von deren Fahrstil abhängigen Verbrauchs. So ist es völlig normal, das zum Beispiel 155 Kilometer angegeben werden und man nach 30 Kilometern Fahrt noch 147 Kilometer Restreichweite angezeigt bekommt – das Rechengehirn extrapoliert halt ständig neu. Während unserer Tests zeigte das System zum Beispiel bei Autobahnfahrt und noch 50 Prozent Kapazität plötzlich nur noch 67 Kilometer Reichweite an, und das im Programm Green Plus. Fazit: Erst mit der Zeit wird ein Mini Cooper SE Besitzer ein untrügliches Gefühl dafür bekommen, wie groß die effektive Reichweite wirklich ist. Und der Anzeige entweder kaum Glauben schenken oder sie nur als grobe Richtangabe betrachten. Allein: Warum kann man bei einem EV den Verbrauch nicht nullen oder re-setten? Bei einem E-Bike erscheinen nach Aufladen des Akkus doch auch alle statt nur zwei oder drei Balken?

So oder so ist die Reichweite des Mini Cooper SE jedoch zu gering: Viel mehr als 200 Kilometer – und im Winter sicher noch weniger – sind nicht drin. Zumal man ja nie riskiert, den Akku fast leer zu fahren, sondern spätestens bei 50 Kilometern Restradius eine zuvor ausgemachte Ladesäule oder die heimische Wallbox ansteuert. Wer mit einem kompakten EV auch mal Langstrecke machen will, ist mit dem Renault Zoé oder Opel Corsa E besser bedient. Wer jedoch primär in der Stadt mit seinem Mini Cooper SE herumdüst – übrigens bis 30 km/h mit einem deutlich hörbaren sphärischen Sound zum Wohle des Fußgängerschutzes – wird seinen Spaß haben.

Fahrverhalten

Im Zuge der Umwandlung zum Elektromobil und der 200 Kilo schweren Batterie wurde der Mini Cooper SE zwei Zentimeter höher gelegt, bei gleichzeitig um drei Zentimeter abgesenktem Schwerpunkt. Die neu vorgenommene Feder/Dämpferabstimmung gelang sehr gut, selbst auf wirklich schlechter Bahn bügelt das Fahrwerk des auf 17-Zoll_Felgen stehenden Deutsch/Briten alle Gemeinheiten des Asphalts weg. Auf der Autobahn hört man eigentlich nur die Abrollgeräusche der 205/45er-Reifen und geringe Windgeräusche.

Das Handling ist mini-typisch wieselflink, auch dank der gewohnt direkten Lenkung. Man merkt beim schnellen „Wedeln“ ein wenig die Zusatz-Pfunde der Batterie. Auch die Beschleunigung ist nicht ganz so exklusiv wie bei sonstigen Elektrowagen, gleichwohl lässt man beim Ampelstart bis auf die anderen EVs fast alles andere locker stehen.

Abmessungen

Länge: 3,84 m

Breite: 1,73 m

Höhe: 1,43 m

Radstand: 2,50 m

Leergewicht: 1365 kg

Fazit

Der 2019 – und damit reichlich spät – auf der letzten Frankfurter IAA vorgestellte Mini Cooper SE ist kein Auto für die langen Strecken, sein Revier ist die Stadt. Wie auch die Verbrenner Versionen ist er zugleich ein Fashion Statement, wobei auch die elektrischen Versionen eines Opel Corsa oder Peugeot 208 alles andere als spießig daherkommen. Die Preise starten bei 31.680 Euro für den Mini Cooper SE S und enden beim getesteten Mini Cooper SE XL für knapp 39.500 Euro – alles natürlich noch ohne staatlichen E-Mobil-Zuschüsse.

Einen direkten Konkurrenten hat der Mini Cooper SE im Grunde nicht: Renault Zoe, Opel Corsa und Peugeot 208 sind deutlich schwächer, ein Tesla Model 3 liegt preislich wie powermäßig in einer anderen Liga und der Rest sind meistens SUVs oder ein braver Hatch wie der Kia e-Soul. Kurz gesagt: Hätte der Mini Cooper SE eine Reichweite von ehrlichen 250 bis 280 Kilometern, wäre er wohl zumindest das Nonplusultra.

Aber BMW wollte keine größere Batterie, um vor allem das markentypische Go-Kart-Handling nicht zu verwässern und das Platzangebot nicht noch mehr einzuschränken, als es ohnehin schon ist. BMW definiert den Mini Cooper SE als „urbanste“ Version der Modellpalette, wer mehr Kilometer fahren will, solle zum Countryman Plug-in-Hybrid greifen. Außerdem wisse man, dass die Kunden des Mini Cooper SE ihr Auto überwiegend urban nutzen. Mehr Akkukapazität hätte unweigerlich zu noch mehr Gewicht, einem eingeschränkten Kofferraumvolumen und einem noch höheren Preis geführt. Daher halten die Münchener den Aktionsradius und die Kapazität des Hochvoltspeichers als genau passend für die angepeilte Klientel und deren Mobilitätsverhalten.

Da ist BMW sogar zuzustimmen – doch um sich wirklich für einen Mini Cooper SE zu entscheiden, braucht es wie bei den Verbrennern eine Portion Unvernunft und Lust an mitunter kleinen, typisch britischen Schrulligkeiten. Zumal der Mini Cooper SE ja auch noch unzählige Möglichkeiten zur Individualisierung bietet.

Autogefühl: ***

Text: Autogefühl, Thomas Imhof