Kia e-Niro Fahrbericht 2021

Dem Kia e-Niro eilt der Ruf voraus, ein EV mit besonders großer Reichweite zu sein. Aber welche Eigenschaften zeichnen das familienfreundliche SUV der Koreaner sonst noch aus? Eindrücke eines Tests mit der 64 kWh-Version in Topausstattung Spirit. Von Thomas Imhof

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Technisch basiert der im Herbst 2016 eingeführte und Mitte 2019 erstmals leicht überarbeitete e-Niro auf der gleichen Plattform wie der Hyundai Ioniq und ist ebenfalls in drei Antriebsvarianten verfügbar. Neben der Hybrid- und der Plug-in-Hybrid-Version gibt es den hier vorgestellten batterieelektrischen Kia e-Niro, für den sich in Deutschland immerhin 45,5 Prozent aller Kunden/innen entscheiden. 31,2 Prozent entfallen auf den PHEV, 23,3 auf den Hybriden. Die teilweise auf neun Monate angestiegene Lieferfrist für den in Korea produzierten Kia e-Niro konnte Kia mittlerweile auf rund sechs Monate verkürzen. 

Exterieur

Kia e-Niro


Äußerlich ist der Kia e-Niro an türkisfarbigen Designakzenten sowie einer Blende anstelle eines Kühlergrills zu erkennen – in der sich hinter einer Klappe auch die beiden Ladeports befinden. Nur in der Top-Version Kia e-Niro Spirit sind leuchtstarke LED-Scheinwerfer Standard; ansonsten kosten sie Aufpreis. Die vielleicht auffälligsten Details am Bug sind die pfeilförmigen und durch eine türkisfarbige Querspange geteilten Tagfahrleuchten. Ansonsten gibt sich der Kia e-Niro Spirit eher zurückhaltend und erinnert von seiner Architektur fast schon an ein MPV (Multi Purpose Vehicle). Auch am Heck mit LED-Rückleuchten verzichteten die Designer auf Effekthascherei, kleine Querstege in Türkis sind die einzigen Farbtupfer und Hinweise auf den Zero Emission-Status des Modells.

Nur die Hybrid-Version des Spirit steht ab Werk auf 18-Zoll-Felgen, der e-Niro Spirit dagegen auf 17 Zöllern, die aber die Radkästen auch gut ausfüllen. Ebenfalls im Preis für den Kia e-Niro Spirit inkludiert sind getönte Fondscheiben.

Interieur

Der 4,37 Meter lange Kia e-Niro glänzt mit einem für ein Modell dieser Größenklasse großzügigen Raumangebot. Auf der Rückbank ist Platz für drei und es gibt dort so viel Beinfreiheit (und keinen Mitteltunnel), dass zumindest Kinder mühelos von links nach rechts und umkehrt durchgehen können (“Walk-through“). Auch an Kopffreiheit mangelt es nicht.

Im vorderen Bereich hat Kia endlich einmal die so oft beschworenen Package Vorteile eines Elektroautos voll ausgespielt. Das macht sich vor allem in einer Unzahl von Ablagen im Bereich der Mittelkonsole und des Mitteltunnels bemerkbar. Schon vor dem rampenförmig nach oben gezogenen Bedienfeld mit dem runden Schalter für die Einstufen-Automatik finden sich zwei Ablagen, darunter die im Kia e-Niro Spirit serienmäßige induktive Ladestation fürs Smartphone. Zwischen den Sitzen finden sich dann noch ein mit einem Rollo abdeckbares Staufach und ein weiteres, sehr tief ausgeformtes Fach unter der zentralen Armablage.
Bereits die Basisversion Edition 7 bietet serienmäßig unter anderem eine Einzonen-Klimaautomatik, Smart-Key und ein Audiosystem mit 8-Zoll-Touchscreen. Der beinhaltet bereits eine Smartphone-Schnittstelle (Android Auto™, Apple CarPlay™) und digitalen Radioempfang (DAB+). Ebenfalls Standard sind Stauassistent, Frontkollisionswarner mit Fußgängererkennung, aktiver Spurhalteassistent, Fernlichtassistent und Müdigkeitswarner. Schon allein das zeigt wie großzügig bereits das Grundmodell ausgestattet ist.

Verkehrszeichenerkennung gehört ab der Version Vision zum Serienumfang, ebenso wie der auch in unserem Testwagen installierte 10,25-Zoll-Touchscreen, der bündig in den horizontal geformten Instrumententräger eingelegt ist. Aber auch Applikationen in Glanzschwarz am Armaturenbrett und in den Türverkleidungen, die Dachreling, ein beheizbares Lenkrad mit Tierhaut-Bezug, hintere Parksensoren, ein Regensensor, Sitzheizung vorn, verchromte Türaußengriffe und eine Wärmepumpe für die Innenraumklimatisierung (nur für die getestete Version mit 64 kWh) gehören hier bereits zum Standard-Equipment.

Im Kia e-Niro Spirit kommen dann noch Aluminium-Pedale, eine Ambientebeleuchtung, die erwähnte induktive Ladestation fürs Smartphone, ein JBL Soundsystem, Parksensoren auch für vorn, die Privacy Verglasung sowie der sehr segensreiche Querverkehrswarner sowie ein Tote-Winkel-Warner (Blind Spot Collision Warner) hinzu. Und selbst in den hinteren Türen finden sich elektrische Fensterheber.

Im Gegensatz zum allgemeinen Trend zu weniger Knöpfen und Drucktasten gelangen User im Kia e-Niro Spirit noch mit eben diesen in die Hauptmenüs. Auch sämtliche Heizungs-/Klimafunktionen werden über ein eigenes Modul manuell getätigt. Der Drehschalter für die Automatik (R, N, D + Park-Taste) liegt ergonomisch genau passend zur Hand, er wird flankiert von Drucktasten für unter anderem die Sitzheizung-/-Lüftung, die elektrische Handbremse, die Lenkradheizung und den Schalter zur Anwahl der vier Fahr-Modi Eco+, Eco, Normal und Sport.

Die Verarbeitung macht einen soliden Eindruck, auf der Oberseite des Instrumententrägers kommt soft-touch-Material zum Einsatz. Allerdings dominiert insgesamt ein eher sachlicher Eindruck, manche Oberflächen wirken auch weniger hochwertig. Und die Heckklappe schloss nur, wenn man sie betont kräftig zuwarf, statt sie eher sanft ins Schloss fallen zu lassen.

Die Sitzposition ist leicht erhöht, die Übersicht dank der relativ schmalen D-Säule manierlich. Die 1452 Euro Aufpreis für das im Testwagen installierte Leder-Paket würden wir uns sparen, auch wenn die teils in Echt-, teils in Kunstleder ausgeführten Sitze a) bequemen Komfort bieten und b) auch optisch mit ihren farblich angepassten türkisfarbigen Kedern und genoppten Innenbahnen einen feinen Eindruck machen. Wermutstropfen nur: beim streichen dieses Pakets würden weitere im Paket mit verpackte Goodies wie der achtfach elektrisch verstellbare Fahrersitz samt elektrischer Lordosenstütze, die Sitzventilation und die hintere Sitzheizung wegfallen. Wer damit leben kann, bekommt den serienmäßigen Sitzbezug in Stoff und einer Ledernachbildung.

Noch ein Wort zum mit ziemlich kratzempfindlichen Materialien verkleideten Kofferraum: Er ist mit 451 Litern größer als im Niro Plug-in-Hybrid und Hybrid und lässt sich über eine 83 Zentimeter hohe Ladekante gut beladen. Die Breite verengt sich von anfangs 1,20 Meter sehr bald auf 1,05 Meter – geschuldet den relativ weit nach innen ragenden Radkästen. Die Länge beträgt bei aufgestellter Rückbank 1,65 Meter, wird alles flach gelegt, eröffnet sich ein auf fast zwei Meter verteilter Laderaum mit 1405 Liter Volumen.

Kurz gesagt: Der Kia e-Niro Spirit ist voll familientauglich. Zumal zum Modelljahr 2021 das getestete 64 kWh-Modell jetzt serienmäßig für 100 Kilogramm Stützlast ausgelegt ist. Was die Montage einer Anhängerkupplung ermöglicht, auf die man zum Beispiel einen Fahrradträger setzen kann.

Motoren


Kia bietet den e-Niro in zwei Motorisierungen an: Das Basismodell (100 kW/136 PS) mit einer Batteriekapazität von 39,2 kWh und einer kombinierten Reichweite von 289 Kilometern. Die stärkere Version mit 150-kW-Motor (204 PS) und 64-kWh-Akku sprintet in 7,8 Sekunden von null auf Tempo 100 und schafft mit einer Batterieladung laut Werksangabe bis zu 455 Kilometer, im City-Modus sogar bis zu 615 Kilometer. Der Preisunterschied beträgt im Fall des Kia e-Niro Spirit fast 4.400 Euro. Wer auch mit einem EV öfters längere Strecken fährt, sollte sich die Investition überlegen; ansonsten reicht die schwächere Version mit einer Reichweite von (nach Werksangabe) knapp 290 Kilometer.

Beide Varianten verfügen über einen Schnellladeanschluss für den europäischen Standardstecker (CCS), über den sich die Batterie an einer 100-kW-Station laut Kia in 54 Minuten von 0 bis 80 Prozent aufladen lässt. Wird mit einphasigem Wechselstrom geladen, kommt der serienmäßige On-Board-Charger zum Einsatz. Mit dem neuen 10,5-kW-Ladegerät (Aufpreis 487 Euro) kann dreiphasiger Wechselstrom genutzt werden.

Der Langzeitverbrauch (über 1900 Kilometer) vor unserer Autogefühl-Standard-Verbrauchsrunde betrug 16,9 kWh. Bei 15 Grad Außentemperatur, 21 Grad Innenraumtemperatur und im Modus Eco geht es auf die 70 Kilometer lange Runde, ein Mix aus Autobahn, Landstraße und Stadtverkehr. Am Ende zeigt die Anzeige 15,8 kWh, was sogar noch knapp unter der Werksangabe von 15,9 kWh liegt.

Keine Frage: Reichweitenangst muss man angesichts solcher Werte nicht haben, 300 Kilometer Plus sind mit dem Kia e-Niro Spirit eigentlich immer drin, bei hohem Stadtverkehrsanteil sicher auch 400 Kilometer Plus.

One-pedal-Fahren ist jederzeit möglich – mit der linken Lenkradschaltwippe lässt sich der Grad der Rekuperation in mehreren Stufen verstärken– das macht mit zunehmender Dauer Spaß und erinnert fast an das Schalten eines Doppelkupplungsgetriebes. Ganz von alleine rollt der Kia e-Niro übrigens nur zum Beispiel vor einer Ampel aus, wenn man die Wippe konstant zieht. Sonst bleibt immer ein kleines Kriechmoment. Mit der rechten Wippe kann man dann wieder quasi „hochschalten“.

Leider erlebten wir beim Nachladen Probleme an einer Innogy-Ladesäule – sie kommunizierte nicht mit dem Auto und weigerte sich trotz Intervention des netten Menschen der Hotline beharrlich, Strom fließen zu lassen. Ein Anruf bei der Innogy Hotline ergab, dass „dieses Problem immer wieder mal, aber nur bei Hyundai- und Kia-Modellen auftritt.“ (Zitat Hotline-Mitarbeiter). Die erst seit kurzer Zeit errichtete Ladestation war übrigens auch noch nicht im Infotainment-System gelistet – dieses wird nur einmal pro Jahr aktualisiert und man darf sich fragen, ob dieses Intervall angesichts fast wöchentlich neu aus dem Boden schießender Ladepunkte nicht verkürzt werden sollte. Übrigens: An einer Eon-Ladesäule klappte das Laden dagegen dann problemlos, wobei bei einer Ladeleistung von 10,5 kW der Kia e-Niro Spirit deutlich mehr als sieben Stunden an der Strippe hing.

Dass man als Käufer eines e-Niro übrigens für die Ladekabel noch Aufpreis bezahlen muss, leuchtet uns nicht ein – wenn es schon keinen Reservereifen und kaum noch Bordwerkzeug gibt, sollten diese eigentlich serienmäßig beigelegt werden. Zumal es dafür ja auch maßgenaue Fächer im Unterflurfach gibt.

Fahrverhalten


Die Lenkung des Kia e-Niro Spirit ist wie zu erwarten nicht super-sportlich, was auch nicht zum Charakter und zur Mission des Autos passen würde. Aber sie ist direkt genug, um den immerhin 1,8 Tonnen schweren Crossover bei Kurvenfahrt nicht schwerfällig wirken zu lassen. Die Feder/Dämpfer-Abstimmung ist ausgewogen, und da Fahrgeräusche weitgehend fehlen, ist das Reisen im Kia e-Niro eine weitgehend stressfreie Angelegenheit. Die Höchstgeschwindigkeit von theoretisch 167 km/h haben wir nicht geprüft – EV-Fahrer gewöhnen sich fast automatisch daran, mit Tempo 110 bis 120 über die Autobahn zu fahren, um so den Batterieladezustand möglichst lange im grünen Bereich zu halten und dennoch einen guten Schnitt zu erzielen.

Abmessungen


Länge: 4,37 Meter
Radstand: 2,70 Meter
Breite: 1,80 Meter
Höhe: 1,56 Meter (ohne Dachreling)

Fazit:


Die E-Niro-Version mit 39 kWh-Batterie und 100 kW (136 PS) startet als Edition 7 bei 34.400, die Preise der von uns getesteten Variante mit 150 kW (204 PS) und größerer Batterie bei 38.100 Euro. Die Top-Version Kia e-Niro Spirit beginnt bei 44.635 Euro. Nimmt man noch eine Metallic-Lackierung und den 3-Phasen-Onboard-Charger dazu, erhöht sich der Kaufpreis 45.700 Euro. Mit der 7-Jahre-Kia-Herstellergarantie, die auch für die Batterie gültig ist, bietet der e-Niro neben dem Kia e-Soul die umfassendste Herstellergarantie für ein in Europa vermarktetes EV. Nach Abzug der Förderprämien von insgesamt 9.580 Euro reduzieren sich die Startpreise beim 100-kW-Modell auf 24.820 Euro und bei der stärkeren Version auf 28.520 beziehungsweise 35.000 Euro.

Das sind sehr konkurrenzfähige Kurse für einen zwar optisch eher brav gestylten Familien-Crossover, der aber mit einem großzügigen Platzangebot, reichhaltiger Basisausstattung, gut abgestimmtem Fahrwerk und Sieben-Jahres-Garantie starke Pluspunkte ins Feld führt. Noch getoppt durch Reichweiten, die zumindest im Kia e-Niro Spirit mit 64 kWh-Akku keinerlei Reichweitenangst mehr aufkommen lassen.

Bei einem Nachfolgemodell wünschten wir uns ein etwas pfiffigeres Design und deutlich weniger Tasten und Knöpfe am und rund ums Armaturenbrett. Gleich so radikal wie im Golf 8 muss es ja nicht einmal sein.

Autogefühl: ****

Text: Autogefühl, Thomas Imhof
Fotos: Kia; Thomas Imhof