Mercedes-AMG E63S V8 Test Fahrbericht

Der neue Mercedes-AMG E63S ist mit seinen 612 PS die leistungsstärkste E-Klasse aller Zeiten. Was die Super-Sport-Version auf dem Kasten und wie sie das Mantra nun komplett von Heckantrieb zu Allrad verschiebt, verraten wir in unserem Testbericht. Von Thomas Majchrzak

Dem treuen Leser mag nun auffallen, dass wir die neue Mercedes E-Klasse bereits mehrere Male getestet haben, nur in anderen Versionen. Darunter die reguläre E-Klasse (Limousine), den Kombi (T-Modell) und den E43, welcher mehr oder weniger der kleine Bruder des E63 ist.




Exterieur

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In der Optik hat Mercedes vor allem an der Front gewerkelt. Ab der A-Säule wurde die Designführung noch sportlicher und kantiger gestaltet als bei den anderen E-Klasse-Varianten. Interessant ist, dass erstmals die Motorhaube auch in der Limousine zwischen Kotflügel und Stoßfänger eingebettet wurde – das kannte man nur zuvor aus dem Coupé. Was genau bedeutet das? Bei der normalen E-Klasse reicht die Motorhaube bis zu den Scheinwerfern, beim E63 ist oberhalb von den Scheinwerfern noch ein wenig Platz und die Motorhaube ist sozusagen „eingelassen“. Der Kühlergrill fällt durch die Doppel-Lamelle und den Frontsplitter auf, was logischerweise die Sportlichkeit unterstreichen soll. Außerdem haben sich die Radläufe um 1,7 cm vergrößert, damit Platz für größere Felgen an der Front ist. Serienmäßig befinden sich 19 Zoll Felgen am Fahrzeug, die können aber auf 20 Zoll erweitert werden.

Unsere Fotos zeigen stets die 20-Zoll-Felgen sowie das Cavansit-Blau und einmal das Selenit-Grau.

Generell kommt die neue Mercedes E-Klasse auf ganze 4,92 m Länge, hat also in Radstand und Länge noch mal um 6 cm zugenommen im Vergleich zum Vorgänger. Durch den Einsatz von mehr Aluminium wird aber bis zu 100 kg Gewicht gegenüber dem Vorgänger eingespart. Am Heck findet man neben den auffälligen AMG-Auspuffrohren einen kräftigen Diffusor, der die Sportlichkeit unterstreicht.

Interieur

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Typisch für die AMG-Version im Innenraum sind Zier-Elemente in Aluminium und Hochglanz-Schwarz, alternativ gibt es Karbonfaser und ein schraffiertes Aluminium wie wir hier im Innenraum sehen. Dazu gibt es serienmäßig noch Sportsitze, die uns bereits beim E43 überzeugt haben. Seltsam ist allerdings: Während im E43 die Serie immer mit Mikrofaser auf den Sitzflächen und Kunstleder an den Außenwangen kommt, wird beim E63 außen auf Tierhaut gesetzt. Wir testen in diesem Fall allerdings die optionalen Schalensitze, die den Langstreckenkomfort deutlich mindern. Diese sollte man sich unbedingt sparen.

Die optionale LED-Ambientebeleuchtung verleiht dem Fahrzeug einen individuellen Touch: Besonders bei Nacht kommen die Farben Blau oder Türkis sehr gut. Doch das Highlight der E-Klasse bleibt immer noch das schwungvolle und emotionale Cockpit-Design und das große Infotainmentsystem. Beide sind im E63 optisch nahtlos mit einander Verbunden. Der Mittelbildschirm lässt sich über das Steuerrad in der Mittelkonsole oder über die optionalen Touchpads am Lenkrad steuern. Für den Fahrer ist die Bedienung daher problemlos, doch für den Co-Driver ist es vor allem beim Eintippen einer Adresse ein wenig störend.

Ferner gibt es im E63 ein Lenkrad, welches seitlich mit Mikrofaser überzogen wurde. Das fühlt sich angenehmer an und erhöht auch den Grip.

Natürlich ist der E63 alles andere als günstig, aber immerhin gibt es noch weitere Serienausstattung:
– keyless start (kein keyless entry, es geht also um den Startknopf)
– ein neuer eleganter Fahrzeugschlüssel
– Regensensor
– Vordersitze elektrisch einstellbar
– 2-Zonen-Klimaautomatik
– automatische Notbremse
– Multimedia-System Audio 20 (optional dann mit neuem 70 cm breiten HD-Monitor nach S-Klasse Vorbild, wenn man beide Screens in der Breite zusammen nimmt)

Nennenswertestes Upgrade ist wohl das Burmester-3D-Surround-System, das den für uns derzeit besten Klang in einem Automobil bietet. Die Nuancen sind so fein, dass man die Songs ganz neu erlebt.

Das Platzangebot ist vorne wie hinten für große Erwachsene ordentlich, mit vier Personen à 1,90 m kann man bequem reisen. Leider lassen sich die Rücksitze nur vom Kofferraum aus entriegeln, damit man sie dann umklappen kann. Beim T-Modell ist das dann entspannter.

Motoren

Kommen wir nun zum AMG-Kernthema bzw. dem Herzen des E63.

4,0 Liter V8 Biturbo
572 oder 612 PS (E63S)
Allradantrieb 4Matic (neu)
0 auf 100 km/h: 3,4 – 3,5 Sekunden

Beide PS-Varianten des neuen E63 kommen mit dem Allradantrieb 4Matic+. Dieses System ermöglicht eine “variable Momentverteilung”, d.h. das Fahrzeug passt automatisch die Last auf Hinter- und Vorderachse an die jeweilige Situation an. Zuvor war die E-Klasse nur in der höchsten AMG-Version mit Heckantrieb ausgeliefert worden, der E63 ohne S hatte den Allradantrieb nur optional. Das neue System bietet nun eine höhere Flexibilität, mehr Grip in allen Lagen und auch mehr Kontrolle. Allerdings geht die klassische Charakteristik eines reinen Hecktrieblers verloren, auch wenn der Allradantrieb viel Power nach hinten schickt.

Im E63 kommt auch die Twin-Scroll-Turbolader-Technologie zum Einsatz. Dies hat es dem Hersteller ermöglicht, die Leistung weiter zu steigern. Genauer gesagt lassen sich durch die Technologie die Abgasströme im Turbinenlaufrad eigenständig steuern, wodurch die negativen Beeinflussungen bei einem Zylinderwechsel verhindert werden und somit der Gaswechsel verbessert wird.

Mit an Bord ist ebenso das AMG MCT Speedshift 9-Gang-Sportgetriebe, welches die Gänge nicht nur schnell, sondern bei geringer Last auch sehr sanft wechselt. Dieses ermöglicht ferner in Kombination mit dem „Racestart“ (Launch Control) das Beschleunigen von 0 auf 100 km/h in 3,4 Sekunden. MCT steht für Multi Clutch Transmission, es handelt sich also um ein Doppelkupplungsgetriebe.

Im Kontrast zum E63, kommt der E43 hingegen “nur” mit einem 6-Zylinder mit 401 PS. Der Beschleunigungsunterschied: Beim 43er sind es 4,7 Sek. 0-100.

Ferner sind folgende Motorisierungen generell für die E-Klasse erhältlich:

Diesel

E 200d
2.0 4-Zylinder
150 PS

E 220d
2.0 4-Zylinder
194 PS

E 250d
2.0 4-Zylinder
231 PS

E 350d
3.0 6-Zylinder
333 PS

Benziner

E 200
2.0 4-Zylinder
184 PS

E 250
2.0 4-Zylinder
211 PS

E 300 (optional 4Matic)
2.0 4-Zylinder
245 PS

E 400 4Matic
3.5 6-Zylinder
333 PS

Fahrverhalten

Wie schon der E43 lässt sich auch der E63 agil und sportlich, aber gleichzeitig komfortabel fahren. Denn wie der E43 kommen E63 und E63S mit einem AMG-Sportfahrwerk, das auf der Air Body Control Luftfederung basiert, aber straffer abgestimmt ist. Somit kann man stets den Komfort einer Luftfederung genießen. Dennoch schwimmt der E63 keineswegs, man vermisst nie den Kontakt zur Straße.

Die Lenkung ist, wie es sich für eine Sport-Version gehört, sehr direkt und fühlt sich natürlich an. Vor allem der Stoff-Bezug erhöht den Grip enorm – das würden wir uns auch in anderen Sportwagen wünschen.

Schon beim leichten Touchieren des Gaspedals merkt man die zwei Zylinder mehr gegenüber dem E43, und der V8 brüllt auch deutlich lauter. Schnell hat man zu viel Geschwindigkeit auf dem Tacho. Abhilfe schafft für diesen Fall das optionale Head-Up-Display, welches in die Windschutzscheibe projiziert wird. Dann hat man sein Tempo besser im Blick. Die ganze Power des E63 auszufahren, das ist eher nur auf der Rennstrecke möglich. Der Verbrauch pendelt sich bei uns im Mix bei gut 14 l / 100 km ein.

Die hervorragende Geräuschisolierung macht die E-Klasse insbesondere mit dem optionalen Akustik-Paket zum gefühlt leisesten Fahrzeug für die Insassen. Nur der brüllende V8 ändert die Situation.

Überzeugend ist auch die Spreizung in den Driving Modes: Im Comfort-Modus geht es ruhig und entspannt zu, im Sport+-Modus ist der Auspuff lauter, zieht sich die Stabilitätsregelung etwas zurück und die Gänge werden höher ausgefahren. Das Doppelkupplungsgetriebe signalisiert dann auch deutlich die Gänge.

Schließlich gibt es auch für den E63 den Drive Pilot, der im Grunde genommen komplett autonom auf der Autobahn fahren kann – nur ist die Regelung derzeit noch so, dass man die Hände am Lenkrad lassen soll.

Abmessungen

Länge: 4,92 m
Breite: 1,85 m / 2,06 m (mit Außenspiegeln)
Höhe: 1,46 m
Radstand: 2,93 m
Leergewicht: 1.605 – 1.800 kg

Fazit: Der Mercedes-AMG E63S ist der kräftigste und komfortabelste Sportwagen in der oberen Mittelklasse. Das Design ist prägnant, aber nicht zu übertrieben. Der Innenraum überwältigt mit emotionalem Design und aller Technologie zum Anwählen, kann höchstens dem ein oder anderen over-engineered sein, bei all den Funktionen. Technisch, etwa beim autonomen Fahren, ist die E-Klasse vielen Konkurrenten überlegen. Nur beim allzu umfangreichen Infotainment-System muss man aufpassen, dass man sich nicht verzettelt, denn manch einfache Grundfunktionen können angesichts des Umfangs etwas kompliziert werden. Auf der Rennstrecke bringt der E63S Leistung pur, wobei es auch ohne S sicher funktionieren würde. Die bessere Preis-Leistungs-Wahl ist ohnehin der E43, zumindest für alle diejenigen, die auf einen V8 verzichten können.

Autogefühl: ****

Text & Fotos: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Video: Autogefühl, Jonas Bomba

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