Mercedes CLA, der Baby-CLS: Mit dem CLS begründete Mercedes 2004 das neue Segment der viertürigen Coupés. Während mittlerweile schon die zweite Generation samt ersten Nachahmern von Audi und BMW auf Kundenfang geht, versucht Daimler das Kunststück mit dem Mercedes CLA eine Klasse tiefer zu wiederholen. Mercedes CLA Fahrbericht mit der 170 PS starken Version 220 CDI. Von Thomas Imhof
Keine Frage: Wie schon die neue A-Klasse sorgt auch der auf der gleichen Frontantriebsplattform basierende Mercedes CLA für Aufsehen im Straßenverkehr. Designchef Gordon Wagener berechnet ihn gar als „Stil-Rebell – mit sehniger, fließender Flächenmodellierung und skulpturalen Oberflächen.“ In der Tat wirkt der sehnig gespannte Karosseriekörper wie auf dem Sprung. Zur steilen, bulligen aber zugleich durch zahlreiche Linien etwas unruhigen Front kommt eine weich gezeichnete, wie die Schwanzflosse eines Fisches nach hinten auslaufende Heckpartie. Beides verbunden durch eine tief skulpturierte Flanke im Stil jener extrovertierten Formensprache, wie sie Designchef Gorden Wagener favorisiert.
Es ist ein Design mit konkaven und konvexen Flächen sowie großer Sofortwirkung – ob es aber so zeitlos elegant bleibt wie die Mercedes aus der Zeit seiner Vorgänger Peter Pfeiffer und Bruno Sacco, muss die Zeit erst noch zeigen. Windschnittig ist ein Mercedes CLA dagegen zweifellos: Bei der CLA 180-Basisversion erreichte Daimler einen Cw-Wert von 0,22 – ein neuer Bestwert für Serienmodelle, den der Mercedes CLA 220 CDI mit 0,23 nur minimal verfehlt. Auch die Graphiken der Leuchteinheiten sind liebevoll gestaltet: Vorne im Stil des von A- und B-Klasse bekannten „Fackelthemas“ für Tagfahrlicht und Blinker, hinten in einer pfeilförmigen Anordnung.
Mit 4,63 Meter ist der Mercedes CLA vier Zentimeter länger als eine C-Klasse, was sich aber im Innenraum nicht widerspiegelt. Im Gegenteil geht es speziell im Fond sehr beengt zu. Die Kopffreiheit ist als Folge des coupéartigen Aufbaus arg limitiert, so dass schon über 1,70 Meter große Personen mit dem Scheitel anstoßen. Die kleinen Seitenfenster verstärken das beengte Raumgefühl zusätzlich. Daher ist die Mitfahrt auf der Rückbank nur für kurze Strecken anzuraten.
Der Kofferraum des Mercedes CLA ist mit 470 Litern nur fünf Liter kleiner als bei einer C-Klasse. Er ist in der Tat sehr lang, jedoch relativ flach. Altmodische Bügel-Scharniere zehren in der Breite wertvolle Zentimeter auf und passen ebenso wenig zum Premium-Image wie die manuell zu betätigende Aufstellstange für die Motorhaube. Auch beim Abtasten der Dachhimmel- und Kofferraumverkleidungen wird deutlich, dass Mercedes oftmals mit spitzem Bleistift rechnete. Was sich auch bei den labbrigen Deckeln für die Ablagen der Mittelkonsole zeigt.
Zusätzlich vermisst haben wir einen Haltegriff für den Beifahrer und eine Rückfahrkamera, die auch bei deaktiviertem COMAND-System funktioniert. Zumal sie aufgrund der schlechten Sicht nach hinten ein Muss ist. Fast schon gefährlich beschnitten: der Blick nach schräg hinten. Hier engen die massive B-Säule und die hoch aufragende Kopfstütze des Integralsitzes die Sichtachsen stark ein.
Zumindest der Fahrer selbst kann dagegen nicht mäkeln. Er findet im Mercedes CLA eine fast ideale Sitzposition vor, hat ein griffiges, mit für die Daumen ausgeformten Mulden versehenes Lenkrad in der Hand und im neo-klassischen Stil geformte Instrumente vor sich. Der frei stehende Monitor des COMAND-Systems wirkt cool, ebenso wie die drei großen „Bullaugen“ der zentralen Luftaustrittsdüsen, die Einlagen in Aluminium mit Trapezschliff und das nussbraune Sattelleder auf der Oberseite von Instrumententräger und Türtafeln.
Mit den Paddle Shifts lassen sich die sieben Stufen der serienmäßigen Doppelkupplungsautomatik spielerisch anwählen, zumal die Abstufungen gut zur Charakteristik des drehmomentstarken Selbstzünders passen. Der 2,1 Liter CDI schöpft aus schon ab 1.400 Umdrehungen abrufbaren 350 Nm und beschleunigt mühelos in 8,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Nur bei nasser Fahrbahn kämpfen die Vorderräder mitunter mit mangelndem Grip. Bei 230 km/h ist Ende der Fahnenstange für den 170 PS starken und nur bei noch niedriger Betriebstemperatur nach Diesel klingenden Vierzylinder. Dank serienmäßiger Start/Stopp-Automatik begnügt er sich mit 4,2 Liter/100 km (109 g/km CO2) und ist auch bereits auf die 2014 in Kraft tretende Euro 6-Norm vorbereitet.
Schon für die A-Klasse erhielt Mercedes viel Lob für Fahrwerk und Lenkung – jedoch oft verbunden mit Kritik am überharten Feder/Dämpfer-Set up. Unser Testwagen verfügte über das so genannte Komfort-Fahrwerk und die zum AMG-Paket gehörenden 18-Zoll-Felgen (Serie sind 17 Zöller). Diese Kombination erwies sich als nahezu ideal: Der Mercedes CLA 220 CDI bügelte fast alle Flickstellen, Löcher und Querfugen der Fahrbahn dank ausreichend großer Federwege lässig weg. Zugleich baute er aber kaum Rollneigung auf, und ließ sich dank der sehr direkten und viel Kontakt vermittelnden elektromechanischen „Direktlenkung“ mit viel Brio und zentimetergenau um alle Ecken zirkeln.
Lobend erwähnt werden muss auch die große Zahl von Assistenzsystemen im Mercedes CLA: Darunter der im Daimler-Talk Collision Prevention Assist genannte Schutzengel. Ein Kollisions-Verhinderer auf Radarbasis, der nun schon ab sieben (statt früher 30 km/h) den Fahrer vor einem Hindernis warnt und genau die Bremskraft aufbringt, die idealerweise zur Vermeidung des Aufpralls nötig wäre. Sprich: Der adaptive Bremsassistent nutzt den zur Verfügung stehenden Anhalterestweg bestmöglich aus. In Kombination mit der Distonic Plus kann das Anti-Kollisions-System bei fehlender Reaktion des Fahrers bis zu Tempo 200 sogar eine autonome Bremsung durchführen und so das Risiko einer Kollision mit langsameren oder anhaltenden Fahrzeugen senken. Bis zu einem Tempo von 30 km/h bremst der Collision Prevention Assist Plus auch auf stehende Autos. Totwinkel- und Spurhalteassistent oder das adaptive Fernlicht sind darüber hinaus ebenso im Angebot wie ein aktiver Park-Assistent.
Fazit: Der Baby-CLS ist optisch ein Hingucker, macht viel Spaß in Kurven und ist dank der vielen verfügbaren Assistenzsysteme sehr sicher. Als viertüriges Coupé ist er im Fond eng geschnitten, hat aber einen erstaunlich großen, jedoch etwas zerklüfteten Kofferraum. Das schienenartige Handling, der elastische Motor und das unkonventionelle Design stehen auf der Haben-, das beengte Raumgefühl und das deutlich zu hohe Preisniveau dagegen auf der Soll-Seite.
Die Basisversion des CLA 220 CDI (37.991 Euro) ist so karg ausgestattet, dass man sich für 1.131 Euro Aufpreis zumindest die auch von uns gefahrene „Urban“-Line leisten sollte. Macht bereits gut 39.000 Euro. Da Autofirmen ihre Pressetestwagen gerne mit Vollausstattung ausliefern, brachte es unser CLA auf stolze 55.700 Euro – fast so viel, wie Mercedes für die Top-Version 45 AMG 4matic aufruft.
Ein Blick in die Aufpreisliste zeigt, dass die Schwaben sich fast alles extra bezahlen lassen: Durchlade (für Ski) 196 Euro, Zweizonen-Klimaautomatik 607 Euro, Navi ab 893 Euro, Nebelscheinwerfer 220 Euro, elektrisches Panoramadach 1.119 Euro, Parkassistent 803 Euro, Pre-Safe-System 393 Euro, Harman Kardon-Surround-Soundsystem 815 Euro, Rückfahrkamera 345 Euro, Sitzheizung vorn 345 Euro, hintere Seitenairbags 446 Euro, Tempomat 297 Euro oder – adaptiv – 1.023 Euro und elektrische Verstellung für den Fahrerplatz 399 Euro.
Als Folge dieser schottischen Aufpreisstrategie steigt auch schon ein nur dezent aufgewerteter Mercedes CLA so schnell über die 40.000 Euro-Grenze. Viel Geld für einen Wagen, der zwar einen hohen Spaßfaktor, aber wenig praktische Tugenden ins Feld führen kann.
Am Ende steht daher die Frage, für wen ein Mercedes CLA eigentlich gedacht ist. Am ehesten fallen uns Kunden eines bisherigen CLS ein, die – weil im reifen Alter – auf downsizing setzen. Aber für sie gäbe es – zu fast ähnlichen Preisen – auch das aus dem CLC hervorgegangene C-Klasse-Coupé. Mit zwei Einzelsitzen im Fond, Heckantrieb und „nur“ zwei Türen – wie es sich für ein „echtes“ Coupé eigentlich gehört. Auch beim CLS Shooting Brake erprobt Mercedes ja gerade das Konzept „Nische in der Nische“ und man wird abwarten müssen, ob der CLA eine zweite Generation erleben wird oder als Einmalexperiment in die Firmengeschichte eingeht. Denn auch für junge Familien oder Singles kommt er nur sehr begrenzt in Frage.
So bleibt der Mercedes CLA für den Moment ein bunter Tupfer im Straßenverkehr und ein Auto, mit dem man durchaus seinen Spaß haben kann. Zumal die Konkurrenz bislang noch nichts Vergleichbares dagegengestellt hat. Und genau darauf hofft offenbar Mercedes: „Mit dem CLA werden wir neue Zielgruppen erreichen, darunter auch jene, die nie einen Mercedes fahren wollten“, glaubt Vertriebs- und Marketingchef Joachim Schmidt.
Autogefühl: ****
Die zweite Perspektive
Thomas Majchrzak zum Mercedes CLA: Das Fahrwerk ist wirklich überragend. Einerseits kaum Wankneigung in engen Kehren oder in schnellen langgezogenen Kurven, andererseits toller Schwebe-Komfort beim Geradeauslauf und bei Bodenwellen. Das Design ist außergewöhnlich und edel. Leider sind ein paar Details nicht ganz so Premium. Es sieht so aus, als wenn Daimler bei scheinbar unwichtigen Details den Rotstift angesetzt hätte, um Produktionskosten zu sparen.
Text: Autogefühl, Thomas Imhof
Fotos / Video: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Redaktion: Katharina Kruppa
Weitere Informationen zum Mercedes CLA:
CLA 220 CDI-Test bei auto-geil.de
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