Auf der Auto China 2014 in Peking hat sich Autogefühl auch bei den chinesischen Herstellern umgesehen. Wie steht es um die Qualität und die Anmutung? Wie viel ist in den Fahrzeugen tatsächlich kopiert, zumindest auf den ersten Blick? Eines ist klar: Die Autobauer in China machen keine schlechten Autos mehr, die Zeit peinlicher billiger Kopien ist vorbei. Von Thomas Majchrzak
Geely, Chery, Great Wall, MG… die Zahl der chinesischen Automarken ist vielfältig, und sie bedienen mittlerweile auch alle Segmente: günstig, Premium, kompakt, SUV… und sie sehen von außen schon mal alle grundsätzlich gut aus. Natürlich entsprechen die rundlichen Formen nicht ganz dem eckig-dynamischen europäischen Zeitgeist für Autodesign, aber man sieht an der grundsätzlichen Verarbeitung von Lack, Spaltmaßen und Gelenken, dass hier keineswegs unsauber gearbeitet wird.
Im Innenraum werden dagegen noch mehr Unterschiede deutlich: Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Doch keine der chinesischen Marken ist völlig schrecklich im Interieur, man hat vielmehr häufiger das Niveau günstiger anderer Hersteller aus Asien erreicht. Für deutsche Automaßstäbe also nichts, was begeistert, aber eben solide.
Zwei Marken stechen dabei aus der Masse heraus, so unsere subjektive Beobachtung auf der Auto China 2014: Qoros und Haval, letztere sogar noch deutlicher. Dabei handelt es sich um die Premium-Marken etablierter großen chinesischer Autokonzerne.
Qoros war 2007 als Joint Venture zwischen dem israelischen Mischkonzern Israel Corporation und dem chinesischen Automobilhersteller Chery Automobile entstanden. Qoros besitzt Standorte in Shanghai und Changshu. Interessant: Während für den Binnenmarkt der Name Guan Zhi zum Einsatz kommt, werden die Fahrzeuge international unter Qoros geführt, was dem Griechischen entstammt.
So wurde der erste Pkw 2013 auch in Genf vorgestellt, der Qoros 3 Sedan, also eine Limousine – das Design stammt dabei vom deutschen Gert Volker Hildebrand, der zuvor als Designer bei Mitsubishi und Mini beschäftigt war.
Man erkennt, dass hier durchaus die Ambition vorherrscht, auf andere Märke zu expandieren. Allerdings muss man einschränken, dass der Heimatmarkt für chinesischen Hersteller deutlich attraktiver ist: Mehr Kunden, ein einfacherer Markt, günstigere Produktion. In Europa ist der Markt dagegen kleinteiliger: Sehr viele verschiedene Segmente werden nachgefragt und die Autos werden häufig individuell ausgestattet. Ein völlig anderes Konzept zu Märkten wie Asien und den USA, wo bestimmte Fahrzeugklassen stark bestimmend sind und diese von der Stange in gleichen Ausstattungen vom Band laufen und dann auch so beim Händler ausgewählt werden.
Die von der Anmutung beste chinesische Marke auf der Auto China 2014 in Peking ist Haval. Auch hier steht ein großer Konzern dahinter, nämlich Great Wall. Auf der Messe zeigt Haval acht verschiedene Modelle, wobei man sich insbesondere auf SUVs konzentriert.
Von außen sind die Modelle schon mal grundsätzlich schick und genau so auf Hochglanz getrimmt wie die Autos hierzulande. Und bei Haval stimmt tatsächlich auch der Innenraum. Die Qualitätsanmutung ist sehr hoch. Allerdings sieht man schnell, wieso: Haval ist im Innenraum eine sehr gut gemachte Kopie von Volkswagen und Audi. Die Knöpfe am Navigationssystem machen von der Haptik den gleichen Eindruck wie bei VW, die Alu-Drehregler mit schwarzem Hochglanz in der Mitte sind unmissverständlich Audi. Und auch wenn man sich die gut gemachten Ledersitze anschaut: Außen die sportliche Schulterpartie, innen die Kontrastfarbe oder die beiden geschwungenen Linien, die die Sitzfläche unterteilen (siehe Foto in der Draufsicht) – es sind die Audi-Ledersitze, wie man sie auch z.B. aus dem A5 oder Q5 kennt.
Es ist dabei dann schon noch bezeichnend, dass der Hersteller mit der besten Anmutung einfach die beste Kopie hat. Und so geht das Kopieren auch munter weiter: Während unseres Interviews mit VW-Designchef Klaus Bischoff zur neuen Volkswagen Studie NMC legt sich zum Beispiel ein chinesischer Besucher unters Auto und leuchtet mit seinem Handy den Unterboden aus. Nur ein Beispiel, die technisch relevanten Kopien erfolgen natürlich viel professioneller.
Mittlerweile wird allerdings besser kopiert und technisch bodenständig. Und es werden durchaus auch mal eigene Akzente gesetzt. Etwa sehen die Autos von außen durchaus eigenständig aus mittlerweile.
Bei Haval zielen die Modelle H8 und H9 auf den Luxus-SUV-Markt ab. Als Kompaktmodelle gibt es den Haval H2 und das Coupé C. Haval möchte sich als “professionelle SUV-Marke” etablieren.
Außerdem arbeitet man auch eifrig an den Dakar-Auftritten. So wurde das Haval H8 Dakar Racecar auf der Auto China 2014 gezeigt, die Marke hat nun schon mehrfach an der Rallye teilgenommen.
Das Thema Sicherheit haben übrigens die meisten chinesischen Marken mittlerweile auf dem Schirm. Während sie früher teilweise katastrophal bei Crashtests abschnitten, bieten die heutigen Modelle die ganze Palette an Rundum-Airbags usw.
Lediglich beim Thema Schadstoffe ist bei dem ein oder anderen noch nachzubessern: Einige chinesische Neuwagen dünsten immer noch den Geruch einer billigen Plastikente aus.
In Deutschland und Europa sollte es vorerst keine großflächige Konkurrenz geben, doch in den USA muss man sich darauf gefasst machen, dass die chinesischen Marken kommen, sobald der heimische Markt kein großes Wachstum mehr abwirft. Noch kommen die Autobauer aber kaum der Nachfrage hinterher, insofern werden sie sich kurz- und mittelfristig erstmal auf ihren Markt im Volumen beschränken. Lediglich Qoros hat in der Slowakei schon erste Schritte gewagt und will dort 2015 mehr Autos verkaufen und auch in die Nachbarländer expandieren. Fortsetzung folgt – in jeglicher Hinsicht.
Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Fotos: Haval, Qoros