„The absolute opposite of ordinary“ – das absolute Gegenteil des Gewöhnlichen. So unbescheiden charakterisiert sich zum 100. Firmenjubiläum die Modeneser Sportwagenschmiede Maserati. Nachdem die Marke mit dem Dreizack im letzten Jahr erstmals überhaupt ein zweistelliges Verkaufsergebnis erzielen konnten, wachsen die Ziele in die Höhe. Bis 2018 will der deutsche CEO Harald Wester das Programm von heute vier auf sechs Modelle ausbauen und das Volumen von heute 15.500 auf sage und schreibe 75.000 Einheiten und im gleichen Zug den Umsatz von 1,7 auf über sechs Milliarden Euro steigern. Die Zukunft von Maserati könnte spannend werden. Von Thomas Imhof
Maserati – da schwenken die Gedanken zunächst auf so legendäre 1970er Sportwagen wie Ghibli, Khamsin oder Bora. Und noch weiter zurück an Juan-Manuel Fangio, wie er 1957 am Nürburgring im unsterblichen 250F die Ferrari von Hawthorn und Collins nach anfänglichem Rückstand noch einholte und das Rennen seines Lebens fuhr.
Doch ehe wir noch einmal ein wenig aus der wechselvollen Geschichte der Marke erzählen wollen, werfen wir zunächst einen Blick ins Jahr 1993. Denn seitdem steht die Marke mit dem Dreizack unter dem Rettungsschirm von Fiat. In einem zweiten Schritt unterstellte die große Mutter dann am 7. Juli 1997 Maserati dem ehemaligen Erzgegner Ferrari. Maranello erwarb zunächst 50 Prozent am langjährigen Erzgegner aus Modena, um ihn im Jahr darauf komplett zu schlucken.
Doch es war keine feindliche Übernahme, denn von nun an gings bergauf. Ferrari investierte in neue Produktionsanlagen und präsentierte 2004 den Maserati MC12 auf Basis des Ferrari Enzo für Einsätze in der FIA-GT-Serie. Zwar mussten die Autos wegen einer kurzfristigen Änderung des Reglements außer Konkurrenz starten, dominierten aber unter anderem mit dem Deutschen Michael Bartels als Teamchef und Fahrer jahrelang die internationale GT-Szene.
2005 trennte die Fiat-Holding dann Maserati wieder von Ferrari und führt sie seitdem als eigenständige Tochtermarke – was den regen technologischen Transfer zwischen den beiden Sportwagenmarken jedoch nicht zum Erliegen brachte. Im zweiten Quartal 2007 fuhr Maserati erstmals unter Fiat-Regie in die Gewinnzone. 2007 war zugleich ein Rekordjahr für den Hersteller, Maserati lieferte über 7.300 Fahrzeuge weltweit an Kunden aus.
Doch ab dann ging es zunächst wieder mit dem Aufzug nach unten – nur noch 4.900 Verkäufe im Jahr 2009. Doch erneut folgte eine Wende über 6.200 Fahrzeuge 2012 und – zum ersten Mal in der Geschichte überhaupt – im letzten Jahr mit 15.500 Fahrzeugen ein zweistelliges Absatzresultat. Maßgeblich zu verdanken dem neuen Ghibli.
Maserati-CEO Harald Wester hat jedoch bis 2018 noch weitaus mehr vor. Zum einen will der auch für Alfa Romeo zuständige Deutsche das Produktangebot von heute vier auf sechs Modelle ausweiten. Neben Ghibli, Quattroporte sowie einem neuen Gran Turismo werden als absolute Neuheiten (ab 2015) der SUV Levante – unter dem Namen „Kunbang“ bereits ausgiebig auf Messen gezeigt – und der in diesem Jahr ebenfalls als Concept Car enthüllte Alfieri kommen. Letzterer soll ab 2016 direkt gegen den Porsche 911 antreten und wird wie dieser sowohl mit Heck- als auch Allradantrieb angeboten werden. Abgerundet wird das Six-Pack vom Alfieri Cabrio, das das heutige Grand Cabrio ablöst.
Auch bei den Motoren rüstet Wester auf. Die V6-Motoren für Ghibli und Quattroporte erstarken auf 350 und 450 PS (beziehungsweise 425 PS beim Levante). Für Alfieri und Alfieri Coupé sind sogar drei Sechsender mit 410, 450 und 520 PS eingeplant, allerdings (zumindest für den Start) kein V8! Den gibt es mit 560 PS für Ghibli, Quattroporte, Levante und Gran Turismo. Auch bei den Dieseln zeigt die Leistungskurve nach oben: 250 und 275 PS starke Selbstzünder bilden die Basis, noch getoppt von einem 340 PS für Quattroporte und Levante. Allradantrieb wird es selbstverständlich auch weiter geben, beim SUV ist er sogar generell serienmäßig an Bord.
Mit diesem Aufrüstungsprogramm will Wester gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Deckt Maserati mit seinem heutigen Portfolio erst 50 Prozent des weltweiten Luxuswagen-Segments ab, wird man 2018 100 Prozent bedienen können. Mit dann 75.000 Neufahrzeugen pro Jahr soll der Umsatz von heute 1,7 auf über sechs Milliarden Euro wachsen, bei einer Umsatzrendite von 10,3 Prozent.
Die Geschichte Maseratis begann am 1. Dezember 1914 in Bologna. Da gründeten die fünf Brüder Alfieri, Bindo, Carlo, Ernesto und Ettore Maserati die Firma Società Anonima Officine Alfieri Maserati (S. A. Officine Alfieri Maserati). Als Markenzeichen wählten sie einen Dreizack, den Tridente, entlehnt vom Neptunbrunnen in Bologna. Im ersten Weltkrieg baute Maserati noch spezielle Zündkerzen, danach Rennwagen für Isotta-Fraschini und Diatto, ab 1926 dann unter eigenem Namen. Zwei Brüder, Alfieri und Ernesto, griffen dabei auch gern selbst ins Lenkrad. Und mit diesem Tipo 26 gelang Maserati dann auch im gleichen Jahr der erste Erfolg – Klassensieg bei der Targo Florio in der 1,5-Liter-Kategorie, mit Alfieri Maserati am Steuer. In den 1930er Jahren tat sich Maserati mit Achtzylinder-Grand Prix-Rennern wie dem 8C-3000 oder dem 8CM hervor, die mit Kompressor 240 PS leisteten. 1930 gab es erstmals ein echtes Werksteam mit Fagioli, Borzacchini und Arcangeli, später fuhren auch Rennsportgrößen wie Achille Varzi , Giuseppe Campari und Tazio Nuvolari für die Bologneser. 1932 gab es sogar einen Sechzehnzylinder, den V5, mit 350 PS. Nach dem Tod von Alfieri 1932 übernahm Ernesto die Geschäftsführung, und nach der Ankunft der bald unbesiegbaren deutschen Silberpfeile konzentrierte sich Maserati ebenso wie Alfa Romeo und die Franzosen auf die 1,5-Liter-Klasse, wo man mit Vier- und Sechszylinder-Monoposti zahlreiche Erfolge einfuhr.
Doch vom Geschäftemachen verstanden die Fratelli Maserati nicht allzu viel, sodass ihre Firma schon 1937 in das Industrieimperium des Grafen Adolfo Orsi und dessen Sohn Omar integriert wurde. 1940 wurde dann auch das Werk nach Modena verlegt. Noch drei Maserati-Brüder blieben aber im Betrieb, und bauten unter anderen jenen 3,0-Liter-Achtzylinder namens 8CTF, der 1939 und 1940 mit Wilbur Shaw die 500 Meilen von Indianapolis gewann.
Nach 1947 nabelten sich die Maseratis dann ab, um in Bologna die Marke OSCAR zu gründen. Doch die Orsis setzten das Rennsporterbe fort. 1952 stellten sie einen neuen Formel 2 auf die Räder, 1953 gewann der noch junge Fangio auf einem Dreizack-Auto den Italien Grand Prix und den GP von Modena. 1957 holte dann Fangio auf Maserati seinen fünften und letzten WM-Titel und düpierte für einmal den ewigen Rivalen Ferrari. Er errang ihn mit dem erstmals 1954 eingesetzten 250 F. Aus dem 250 F entstanden auch noch die 300 S und der 450 S, der bei Langstreckenrennen große Erfolge errang. Leicht exotisch waren die Birdcage (Vogelkäfig) Typen, die in den USA besonders populär waren und ihrem Spitznamen dem filigranen, kunstvoll geflochtenen Gitterrohrrahmen verdankten. 1960 und 1961 gewannen Birdcage-Maserati das 1000-km-Rennen am Nürburgring.
Ende 1957 zog sich Maserati vom Motorsport zurück, gab dann 1966 noch einmal ein „halbes“ Comeback in der Formel 1 – mit einem V12-Motor für Cooper, mit dem unter anderem auch Jochen Rindt seine ersten Gehversuche in der Formel 1 absolvierte.
Ende 1967 unterzeichneten Orsi und Citroën einen Vertrag zu einer engen Zusammenarbeit, der den Franzosen 60 Prozent der Firmenaktien einbrachten; eine Ehe, aus der unter anderem der mit einem Maserati-Motor bestückte SM hervorging. Giulio Alfieri wurde neuer Chefkonstrukteur und unter seiner Ägide entstanden Modelle wie der Khamsin (ein Wind der Ostsahara), der Bora (Adriawind), der Merak oder der Quattroporte III. Die meisten Modelle waren – wie später bei VW (Passat, Scirocco…) nach Winden genannt.
1969 erschien der 2+2-sitzige Indy, als geräumigere Version des legendären Ghibli, dem ersten Entwurf, den Giorgetto Giugiaro 1966 nach seinem Weggang von Bertone für die Carozzeria Ghia realisierte. Als Motoren kamen V8 mit 4,2 und 4,9 Liter Hubraum zum Einsatz. Für den 12.000 mal gebauten SM und den Rennsportwagen Ligier JS2 hingegen nutzte man den V6 aus dem Merak.
1974 geriet dann auch Citroën in Turbulenzen und die neu gegründete PSA-Gruppe erklärte auch Maserati zum Insolvenzfall. Dank staatlicher Unterstützungsgelder der (GEPI, Societa di Gestioni e Partecipazioni Industriali dello Stato Italiano) blieb die Marke jedoch „am Tropf“. 1975 wurde Maserati dann vom früheren Rennfahrer Alejandro de Tomaso übernommen. 1976 führte der auch als Chef der Motorradmarke Benelli aktive Argentinier neue Modelle ein. Darunter den Kyalami und dann 1979 den Quattroporte III.
In den 1980er-Jahren gab Maserati dann das Mittelmotorwagen-Konzept zugunsten von sehr eckig gestylten Coupés mit zwei Türen, Heckantrieb und vorn eingebautem Motor auf. Die Modelle wurden günstiger und büßten an stilistischer Rasse ein, ließen es aber dank des neuen Biturbo-V6-Motors nicht an Power fehlen. Neben Modellen wie Biturbo Si, 222, 228, 425, 430, 422, 2.24 v oder 4.24 v fand der Motor auch Einzug in den Karif (1988) und den von Zagato gestylten Spyder. Die letzte Version hörte auf den Namen Maserati Racing – ein Übergangsmodell mit Elementen des 1989 eingeführten Shamal und des 1992 folgenden Ghibli II. Bei diesen Modellen und auch im Coupé 3200 GT sorgte ein 3,2-Liter-V8 mit 326 PS für mächtig Dampf. Und dann begann die Fiat-Ära….
Maserati versteht sich heute als absoluter Luxus-Autobauer mit hohem Performance-Anspruch, italienischem Design, liebevoll gestalteten Interieurs und einem typischen, als „lässig“ definierten Auspuffsound.
Geht Westers Plan auf, wäre Maserati 2018 etwa so groß wie Jaguar heute. Doch ehe es dazu kommt, wartet noch viel Arbeit. Unser Fahrbericht mit dem aktuellen Ghibli hat gezeigt, dass ein Maserati zwar sehr wohl seine ganz eigene Persönlichkeit entfaltet, in vielen Punkten aber noch Nachholbedarf hat. Vor allem beim auf schlechter Fahrwerk unharmonischen Fahrwerk und bei den Assistenzsystemen hinkt man in Modena doch noch stark hinterher. Wobei Chef Wester angeblich die Parole ausgegeben hat, zumindest die aktuellen Modelle noch für „echte Fahrer“ zu bauen, die nicht ständig von Blinkleuchten oder Piepstönen genervt werden wollen. Noch mag diese puristische Philosophie reichen, um Porsche und Co. überdrüssigen Kunden den Umstieg auf Maserati schmackhaft zu machen. Doch spätestens mit einem Ghibli-Nachfolger müssen die Italiener die Defizite ausgeräumt haben, sonst wird der Aufschwung ins Stocken geraten. Auch vor Assistenzsystemen sowie Methoden zur Treibstoffeinsparung – Hybrid-oder Plug-in-Hybrid-Varianten – wird Harald Wester nicht herumkommen.
Text: Autogefühl, Thomas Imhof
Foto: Maserati