Im Netz sorgen Videoaufnahmen so genannter Dashcams, also Kameras die am Dashboard / Armaturenbrett angebracht sind, für Millionenklicks. In Russland ist es gang und gäbe, solche Kameras zu nutzen, um vor Polizei und Versicherungen ein gutes Beweismittel über den Unfallhergang zu haben. Darum bekommt man auch leicht das Gefühl, dass in Russland ganz besonders viele verrückte Sachen im Verkehr passieren. Das mag zwar sein, aber die Anzahl der Aufzeichnungen liegt vor allem daran, dass es in Russland erlaubt ist, diese Aufzeichnungen zu tätigen. In Deutschland gestaltet sich die Rechtslage allerdings anders. Von Thomas Majchrzak
Das Verwaltungsgericht Ansbach hat gerade im ersten bundesweiten Dashcam-Prozess entschieden, dass die Nutzung solcher Dashcams in Deutschland gegen das Datenschutzrecht verstößt. Der Automobil-Club Verkehr (ACV) kritisiert dazu, dass die Gesetzeslage in Deutschland aber weiterhin unklar bleibt.
Dashcams sind kleine Auto-Videokameras, die an der Windschutzscheibe oder am Armaturenbrett befestigt werden. Sie filmen ununterbrochen das Verkehrsgeschehen vor dem Auto und andere Verkehrsteilnehmer. Wer die Aufnahmen jedoch an Dritte weitergibt, im Internet auf Facebook oder YouTube hochlädt, der verstößt gegen das Bundesdatenschutzgesetz, wie das Verwaltungsgericht Ansbach nun urteilte.
Im verhandelten Fall klagte ein Nürnberger Anwalt gegen die Entscheidung des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht. Der Mann filmte permanent das Verkehrsgeschehen und stellte die Aufnahmen der Polizei zur Verfügung. Die Behörde untersagte ihm daraufhin den Einsatz der Autokamera. Dagegen klagte der Anwalt, es kam zum Prozess. Im konkreten Fall hob das Gericht das Verbot aufgrund eines formalen Fehlers im Bescheid des Landesamts für Datenschutzaufsicht auf.
Der Richter brachte zum Ausdruck, dass Autofahrer, die Videos mit Dashcams speziell dafür drehten, sie später im Internet zu veröffentlichen oder der Polizei zur Verfügung zu stellen, gegen das Datenschutzgesetz verstoßen. Denn die Datenschutzinteressen der heimlich Gefilmten seien höher zu bewerten als das Interesse des Autofahrers an einem Videobeweis für den Fall eines Unfalls.
Der ACV Automobil-Club Verkehr sieht den Trend zu Dashcams in Windschutzscheiben kritisch: „Die Kameras zeichnen permanent das Verkehrsgeschehen auf und verletzen damit Persönlichkeitsrechte anderer Autofahrer und Passanten, die nicht wissen, dass sie gefilmt werden“, so Jürgen Koglin, Sprecher des verkehrspolitischen Ausschusses des ACV. Viele Autofahrer sehen einen Vorteil darin, im Falle eines Unfalls, Videobeweise in der Hand zu haben. „Doch das Datenschutzinteresse unbeteiligter Personen muss hier im Vordergrund stehen“, so Koglin weiter. „Deshalb ist der Einsatz von Dashcams in Belgien, Luxemburg, Österreich und Portugal bereits strikt untersagt.“
Somit teilt der ACV die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Ansbach.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts untersagt zwar Aufnahmen zu machen und sie später ins Internet zu stellen oder an Dritte weiterzugeben, trotzdem sei es ein schwammiges Urteil, das nach wie vor Fragen offenlässt, kritisiert der ACV. Die Nutzung von Dashcams in Deutschland ist weiterhin nicht offiziell verboten. Es ist lediglich unklar, ob ein Gericht Videoaufzeichnungen als Beweismittel zulässt. Bislang hängt das vom zuständigen Gericht und der Art des Deliktes ab.
In Russland und Großbritannien sogar von Vorteil
Immer mehr Dashcamvideos landen auf Youtube. Sie dokumentieren Horrorunfälle oder kuriose Ereignisse vom Straßenrand. In Russland ist der Einsatz der Kameras weit verbreitet. Die Aufnahmen sind dort sogar als Beweismittel vor Gericht zugelassen. In Großbritannien können Dashcam-Betreiber sogar mit handfesten Vorteilen rechnen: Zahlreiche Autoversicherer räumen den Autofahrern wegen der im Fall eines Unfalls besseren Beweislage sogar Rabatte ein.
Wie funktioniert eine Dashcam?
Die kleine Kamera wird hinter der Windschutzscheibe oder auf dem Armaturenbrett befestigt. Die Geräte sind bereits ab 50 Euro erhältlich. Die Stromversorgung läuft über einen Akku oder durch ein Kabel am Zigarettenanzünder. Weitwinklige Objektive ermöglichen Aufnahmen von allem was sich vor dem Fahrzeug ereignet. In der oberen Preisklasse gibt es Modelle, die mit einer zweiten Kamera den Innenraum des Autos filmt.
Dashcams können zusätzlich mit GPS ausgestattet sein. Die ständige Aufzeichnung der Koordinaten ermöglicht es, ein genaues Bewegungsprofil des Fahrers nachzuvollziehen. Einige Modelle verfügen über Bewegungssensoren. Damit ist die ständige Bewachung des Fahrzeugs garantiert, denn sie beginnen bei Auslösung der Sensorik automatisch mit der Aufzeichnung. Das Material wird auf einer Speicherkarte gesichert und ist über ein Kartelesegerät von jedem Computer aus abrufbar.
Fazit von Autogefühl: Derzeit ist die Rechtslage zu den Dashcams in Deutschland noch nicht einheitlich, dementsprechend müsste der Gesetzgeber die Nutzung entweder strikt verbieten oder erlassen, dass sie bei Gericht als Beweismittel zugelassen werden. Falls letzteres passieren sollte, werden wohl alle Autofahrer anfangen, Kameras nachzurüsten und Hersteller möglicherweise irgendwann diese Möglichkeit auch ab Werk anbieten. Technisch ist das kein Problem, bei vielen Assistenzsystemen filmen Kameras ohnehin schon die Straße für die Erkennung von Verkehrszeichen oder als Nachtsichtgerät.
Wer schon einmal in einen Unfall verwickelt war und die Schuld des anderen nicht beweisen konnte, aber selber ganz klar unschuldig war, der wird sich einen Videobeweis herbeiwünschen. Die meisten anderen dagegen werden wohl erst daran denken, nicht einfach gefilmt werden zu wollen. Ob die Kamerasysteme der Sicherheit und der Gerechtigkeit dienen oder eher zu einem kollektiven Überwachungsstaat führen, muss ein breiter gesellschaftlicher Diskurs ermitteln.
Quelle für Infos & Foto: ACV