Neuer Volkswagen VW Tiguan Test Fahrbericht

Das erste ganz neue Modell von Volkswagen nach dem gewaltigen Imageschaden aus dem Emissions-Skandal: der neue VW Tiguan. Kann das beliebte SUV in der Neuauflage die gesamte Marke wieder mitziehen und ins positive Licht rücken? Wir sind das wichtigste Auto des Jahres 2016 gefahren. Von Thomas Majchrzak

Die erste Generation des VW Tiguan lief ab 2007, ein großes Facelift gab es dann 2011. Damit wurden z.B. die rundlichen Heckleuchten abgelöst. Vom ersten Tiguan wurden über 2,6 Mio. Stück produziert, 1,6 Mio. davon in Wolfsburg. Weitere Produktionsstandorte sind Anting (China) und Kaluga (Russland). Der Tiguan ist enorm wichtig für Volkswagen, weil er auch überall verkauft wird – in insgesamt 170 Ländern.

Die neue Generation des VW Tiguan wird zusätzlich noch in Puebla (Mexiko) gebaut. Außerdem wird die deutsche Produktion in Wolfsburg vom Werk Osnabrück unterstützt. Osnabrück soll 2.500 Tiguan pro Monat montieren und lackieren. Erstmals steht der Tiguan und damit auch der erste VW-SUV auf der Basis es Modularen Querbaukastens (MQB), auf der auch die aktuellen Modelle Golf, Passat und Touran basiert sind. Der neue VW Tiguan beginnt vorerst preislich bei 30.000 Euro mit 2.0 TDI mit 150 PS. Der Vorgänger hatte noch bei 25.000 Euro begonnen (mit 1.4 l TSI mit 125 PS). Langfristig wird es dann wieder eine Einstiegs-Variante mit 1.4 TSI geben, die preislich ähnlich liegen wird.




Exterieur

In der Front erinnert der neue Tiguan an den Passat, zeigt einen horizontal weit gezogenen Kühlergrill, der für Klarheit und Breite steht. Die Volkswagen-Designer drücken es so aus: Die V-Form von Scheinwerfer und Kühlergrill wird unten von den Lufteinlässen in A-Form gespiegelt. Auch die Spur fällt nun breiter aus. Insgesamt ergibt sich ein sportlicheres Bild, denn die Gesamtbreite ohne Außenspiegel ist um 3 cm gewachsen, während der Tiguan nun 3 cm flacher ist. Im Vergleich zum Vorgänger ist der neue Tiguan um 6 cm länger, hat einen um 7 cm längeren Radstand und dabei kürzere Überhänge. Man kann das sehr schön im Seitenprofil sehen, dass das Auto fast dort endet, wo die Räder enden. Dramatisch ist die seitliche Designlinie auf der Höhe der Türgriffe, die tief ins Blech einschneidet. Das Heck ist nun weniger eigenständig, es sieht eigentlich aus wie ein höher gelegter Passat Variant. Das verleiht dem Heck für SUV-Verhältnisse aber eine klare und dezente Form. Parallel speckt der Tiguan um gut 50 kg ab. Für Amerika und Asien ist übrigens noch eine Langversion mit 7-Sitzer-Option in Planung, die dann Anfang bis Mitte 2017 kommt. Dabei ist der Radstand um 11 cm verlängert und die Gesamtlänge um 15 cm. Der weltweite Plan ist dann der folgende:

Europa/Deutschland: 5-Sitzer kurzer Radstand aus Wolfsburg, 7-Sitzer langer Radstand importiert aus Mexiko
Amerika: 7-Sitzer langer Radstand aus Mexiko
Asien: 7-Sitzer langer Radstand von Shanghai-Volkswagen, 5-Sitzer kurzer Radstand bei Bedarf importiert aus Wolfsburg

In der Top-Ausstattung Highline kommt der Tiguan mit Voll-LED-Scheinwerfern. Wer es noch sportlicher mag, kann die R-Line wählen mit stärkeren Schürzen vorne, seitlich und hinten (und sportlichen Felgen in 19 oder mit weiterem Aufpreis 20 Zoll). Eine Chrom-Schürze führt ferner um das Fahrzeug herum. Dabei kann man sich entweder ausschließlich für das Exterieur-Paket entscheiden oder die komplette R-Line nehmen, die Exterieur wie Interieur umfasst.

Alternativ gibt es auch ein Offroad-Paket mit Schürzen im Offroad-Look, die gleichzeitig einen größeren Böschungswinkel versprechen. Ferner ist ein Unterbodenfahrschutz enthalten. Grundsätzlich sind alle Modelle mit Allrad 11 mm höher gelegt und haben dann 200 mm Bodenfreiheit.

Auf unseren Fotos sieht man jeweils das Offroad-Package und die hohe Ausstattungslinie Highline. Der dunkelrote Wagen ist in Ruby Red, die etwas hellere Farbe nennt sich Habanero Orange.

Ruby Red

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Habanero Orange

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Interieur

Im Innenraum profitiert der neue Tiguan nun von der Technik des MQB, erhält somit auch die aktuellsten Infotainment-Systeme mit optional großen Bildschirmen mit Näherungssensor. Auch das digitale Cockpit aus dem Passat (Active Info Display) ist nun erhältlich sowie ein Head-up-Display. Auf der weiteren technischen Seite kann man sich nun für den Tiguan das App-Connect bestellen, das dann die Konnektivität mit MirrorLink, Android Auto oder Apple CarPlay herstellt. Die Bedienung des Multimedia-Systems erfolgt intuitiv und unkompliziert, insofern hat man hier einen guten Standard geschaffen, auf den man dann auch hier zurückgreift.

Verarbeitung und Klarheit im Design wurden weiter verbessert, interessant sind insbesondere die vielen attraktiven Sitzoptionen. Die Sitzposition ist wie gewohnt angenehm und aufrecht, weil das Fahrzeug an Größe gewonnen hat, fühlt es sich nun fast an wie ein Touareg. Man könnte das vom Platzangebot her tatsächlich annehmen. Die grundsätzlichen Ausstattungsvarianten teilen sich auf in Trendline, Comfortline und Highline. Highline enthält u.a. den adaptiven Tempomat ACC. So genannte Komfortsitze gibt ab der Ausstattung (wie der Name sagt…) Comfortline. Diese testen wir auch und wir können nur sagen, dass sie zu den bequemsten Sitzen auf dem Markt zählen. Da möchte man gar kein größeres Full-Size-SUV fahren.

Optional gibt es ferner die so genannte Air Care Climatronic, eine 3-Zonen-Klimaautomatik für Fahrer, Beifahrer und Fondpassagiere. Die optionale 3-Zonen-Klimaautomatik enthält einen speziellen Aktiv-Filter, der Allergene und Pilzsporen filtert. Ferner gibt es weitere Komfortmerkmale zu ordern, wie das riesige Panorama-Schiebedach, Lenkradheizung und die Progressivlenkung.

Im R-Design-Paket gibt es für das Interieur ein abgeflachtes Lenkrad, Alu-Pedaliere und Sportsitze mit attraktiven Textil-Bezügen auf den Sitzmittelbahnen. Kopfstützen, Sitzaußenwangen und der mittlere hintere Sitz sind ebenso wie die Mittelarmlehne und die Türinnenseiten in Lederoptik gehalten, eine tolle Lösung. Zum Glück ist die Echtleder-Variante nur optional.

Auch im Fond bleibt nun genügend Kniefreiheit (plus 2,9 cm gegenüber dem Vorgänger), selbst bei 1,90 m Personen. Man braucht also eigentlich gar keine Version mit langem Radstand, damit genügend Platz für Erwachsene hinten bleibt. Dasselbe gilt für den Kopfraum. Ohne Panoramadach gar keine Frage, mit Panoramadach bekommt man erst über 1,90 m Probleme auf den Rücksitzen mit der Kopffreiheit. Die Rückenlehne der Fondsitze lassen sich mit einer Schlaufe so anpassen, so dass man auch hinten angenehm aufrecht sitzen kann – oder sich eben bei Bedarf zurücklehnen kann. Da die Rückbank im Verhältnis 1/3 2/3 auch nach vorne und hinten verschiebbar ist, kann man flexibel die Beinfreiheit oder das Kofferraumvolumen anpassen.

Das Kofferraumvolumen reicht nun von 615 bis maximal 1.655 Liter (plus 145 Liter gegenüber Vorgänger). Das ist ein entscheidender Punkt, denn tatsächlich fiel der Tiguan für manche Kunden bislang aus, weil ihnen der Kofferraum zu klein war. Zudem hat man hier auch auf Kleinigkeiten geachtet, wie z.B. dass die Öffnung der Heckklappe größer ist als zuvor und die Ladekante niedriger. Die Rücksitze kann man einfach mit Hebeln vom Laderaum aus umklappen lassen. Zudem gibt es einen 230V-Stromanschluss im Ladebereich. Von außen kann man den Kofferraum optional auch mit der Fuß-Gestensteuerung öffnen.

Kann man hier überhaupt etwas kritisieren? Mancher Leser mag sich vielleicht wundern, warum wir nichts Negatives erwähnen. Wir halten das aber so: Wir suchen nicht krampfhaft nach Kritikpunkten, wo keine sind. Aber wenn etwas schlecht ist, dann benennen wir es auch. Bei der neuen Volkswagen Tiguan Generation finden wir lediglich, dass wie bei Passat und Touran die Sensorik der automatischen Heckklappe empfindlicher sein könnte, um z.B. Kinder zu schützen, wenn die Heckklappe zugeht. Es gibt einen Schutz, aber dieser braucht unser Meinung nach einen zu hohen Widerstand. Das war’s dann aber auch schon mit den Negativpunkten.

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Motoren

Die Motoren leisten zwischen 115 und 240 PS. Letzter ist der 2.0 Liter Bi-Turbo-Diesel aus dem Passat. Die Einstiegsversionen sind mit Frontantrieb erhältlich, optional gibt es dann Allrad. Sechs von achte Motorvarianten werden mit Allrad angeboten, vier davon serienmäßig. Ferner wird es eine Tiguan GTE Version geben, ein Plugin-Hybrid mit 218 PS Systemleistung und 50 Kilometer rein elektrischer Reichweite.

Zunächst startet der neue Tiguan mit einem 2.0 Liter Diesel mit 150 PS und einem 2.0 Liter Benziner mit 180 PS.

Hier noch einmal in der Übersicht die Motoren, die langfristig verfügbar sein werden:

1.4 Liter Benziner mit 125 PS
1.4 Liter Benziner mit 150 PS
2.0 Liter Benziner mit 180 PS
2.0 Liter Benziner mit 220 PS

2.0 Liter Diesel mit 115 PS
2.0 Liter Diesel mit 150 PS
2.0 Liter Diesel mit 190 PS
2.0 Liter Diesel mit 240 PS

Ab 180 PS haben die Motoren automatisch das Doppelkupplungsgetriebe DSG.

Fahrverhalten

Durch die neue Plattform und die neue Abstimmung fährt sich der neue VW Tiguan deutlich sportlicher als sein Vorgänger, obwohl er größer geworden ist. Verstärken kann man den sportlichen Effekt noch mit der optionalen Progressiv-Lenkung, wie man sie von den Sportmodellen des VW-Konzerns kennt. Wie gehabt steht optional ein adaptives Fahrwerk zur Verfügung. Gleichzeitig ist der Tiguan aber auch komfortabler geworden. Und wenn man sportlicher und komfortabler zur selben Zeit wird, dann spricht das für die Entwicklung.

Wir sind den Diesel mit 150 PS und den Benziner mit 180 PS gefahren, die vom Drehmoment dann ungefähr gleichauf liegen. Beides mal mit DSG und Allrad. Beide Motoren bieten genügend Kraftreserven, mehr Power braucht man bei diesem Fahrzeug nicht. Weniger Kraft wäre auch möglich, wobei der 180 PS Benziner wahrscheinlich der insgesamt stimmigste Motor für dieses Fahrzeug ist, wenn man recht zügig unterwegs sein möchte, ohne es aber zu übertreiben. Eine Aussage über den Verbrauch können wir noch nicht machen, aber erfahrungsgemäß wird sich der Diesel bei ca. 7 Litern / 100 km und der Benziner bei ca. 9 Litern / 100 km einpendeln.

Die Geräuschisolierung ist auf einem sehr hohen Niveau, da kann kaum ein anderes SUV mithalten, es sei denn, man geht in den Premium-Listenpreis-Bereich, etwa zum Mercedes GLC. Im Vergleich zum Passat ist der Tiguan natürlich ein klein wenig lauter, weil er nicht so niedrig liegt wie der Passat und daher etwas mehr Windgeräusche verursacht. Aber das sei auf hohem Niveau angeregt, der Tiguan ist im Innenraum sicher leiser als die meisten anderen Autos auf der Straße. Durch Fahrwerk, Platzangebot und Geräuschisolierung ergibt sich somit ein sehr entspanntes Fahrgefühl, das nichts vermissen lässt.

Der Allradantrieb lässt sich nun, wie von einigen anderen Geländefahrzeugen bekannt, in verschiedene Modi schalten, um für das jeweilige Terrain das Passende parat zu haben. Grundsätzlich erfolgt der Vortrieb weitgehend über die Vorderachse, bei Bedarf wird mehr von der Hinterachse hinzugeschaltet. Dabei kann die Kraft auch im ärgsten Fall vollständig über die Hinterräder abgegeben werden. Flankiert wird das System von elektronischen Differenzialsperren.

Hier zunächst die grundsätzliche Erklärung der Systeme:

Im Snow-Modus erfolgt die Gasannahme sachter, das DSG schaltet früher hoch und die Antischlupfregelung agiert in Kurven früher, aber bei Geradeauslauf später. Somit soll man den Berg hinauf kommen, aber in rutschigen Kurven sicherer fahren.

Der Offroad-Modus ändert ebenfalls die Regelsysteme für rutschigeren Untergrund, aber größter Unterschied ist hier, dass man noch zusätzlich besser die Motorbremse ausnutzen kann, etwa fürs Bergabfahren. Zudem wird die ABS Funktion zurückgenommen, so dass die blockierenden Räder beim steilen Bergabfahren einen Keil aus Sand und Geröll aufbauen können, die das Fahrzeug noch besser abbremsen. Zudem kann man die ganze Geschichte auch in die Hand einer Bergabfahrhilfe geben.

Und unsere Erfahrung mit den Fahrmodi:

Auf Schnee und Eis testen wir die unterschiedlichen Modi und sind extrem überrascht: Denn selbst einfach im Auto-Modus fährt der neue Tiguan wie auf Schienen. Und das ohne Spikes, nur mit normal erhältlichen hochwertigen Winterreifen, die für kältere Regionen ausgelegt sind. Dass die Stabilitätskontrolle verhindert, dass das Heck ausbricht, das ist bekannt. Beim Tiguan ist das System aber so fein abgestimmt, dass auch kein krasses Untersteuern hervorgerufen wird, man bleibt also immer in der Spur.

Im Offroad-Modus hat man dann etwas mehr Spielraum. Schließlich kann man die Stabilitätskontrolle mit dem Knopf in der Mittelkonsole noch etwas mehr zurückregeln, erst dann lässt sich der Tiguan auch gut quer stellen – was ja eigentlich nie gewünscht ist. Wir testen das trotzdem und erfahren dabei, dass man mit dem neuen VW Tiguan auch viel Spaß haben kann. Dabei verhält er sich trotzdem noch sehr gutmütig.

Ziehen kann der neue VW Tiguan übrigens bis zu 2.500 kg. Der optionale Trailer-Assist mit Kamerasystem kann zudem dabei helfen, mit dem Hänger zu rangieren.

Lobenswert: VW hat verstanden und inkludiert nun die wichtigsten Assistenzsysteme in die Serienausstattung. Dazu zählt der Front Assist mit City-Notbremsfunktion und Fußgängererkennung, der Lane Assist, die Multikollisionsbremse und die aktive Motorhaube mit Fußgängerschutz. Am wichtigsten ist der Front Assist, hier aus dem Katalog die volle Beschreibung: Als erstes wird beim Front Assist der Fahrer optisch sowie akustisch vor einer Kollisionsgefahr mit einem vorausfahrenden Fahrzeug gewarnt. Parallel werden die Bremsen auf eine Notbremsung vorbereitet. Sollte der Fahrer die Warnung ignorieren, folgt als zweite Stufe ein einmaliger kurzer Bremsruck. Tritt der Fahrer nun auf die Bremse, steht sofort der volle Bremsdruck zur Verfügung. Bremst der Fahrer zu schwach, steigert das System den Bremsdruck. In Situationen, in denen eine Kollision unvermeidbar ist, bremst Front Assist den Tiguan im Rahmen der Grenzen des Systems selbsttätig ab.

Abmessungen

Länge: 4,48 m (5-Sitzer SWB) / 4,63 m (7-Sitzer LWB)
Breite: 1,83 m
Höhe: 1,63 m
Radstand: 2,68 m (5-Sitzer SWB) / 2,79 m (7-Sitzer LWB)

Fazit: In Deutschland ist der VW Tiguan bislang das meistverkaufte SUV, in Europa ist es bisher der Nissan Qashqai und weltweit der Honda CR-V. Das könnte sich nun (Markteinführung April/Mai 2016, langer Radstand mit 7-Sitzer Anfang/Mitte 2017) ändern. Trotz Imageschaden wird den Käufern hier bewusst, dass der neue VW Tiguan das beste Package überhaupt im SUV-Segment bietet. Er setzt das neue Maß der Dinge im Kompakt-SUV-Segment. Keineswegs mit einer Revolution, sondern mit einer behutsamen Entwicklung von vielen kleinen Einzelteilen, die zu einem Produkt geführt haben, an dem man einfach nichts kritisieren kann. Ein attraktives Äußeres; Qualität, Einfachheit und Design im Interieur, ein sehr komfortables und sicheres Fahren – das ist die perfekte Mischung. Auf diesem Weg will Volkswagen zudem nun weiter gehen und bis zum Ende des Jahrzehnts in jedem Fahrzeug-Segment ein SUV anbieten.

Autogefühl: *****

Text & Fotos: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Kamera (Video): Autogefühl, Holger Majchrzak

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