Der Audi e-tron ist der erste voll-elektrische Audi. Wir konnten uns im finalen Prototyp ansehen, wie das Interieur ausschauen wird und durften auch schon eine Mitfahrt machen. Wird der e-tron der Tesla-Jäger? Von Thomas Majchrzak
Der Name Audi e-tron ist übrigens bestätigt, so wird der Elektro-Audi heißen. Übrigens zur besonderen Freude von Audi Frankreich, die nun die Aufgabe haben, bei sich ein Auto zu vermarkten, dass dort nach einem Stück Kot benannt ist. Auf allen anderen Märkten klingt der Name dagegen cool.
Exterieur
Mit einer Länge von 4,90 m ist der Audi e-tron etwas kürzer als ein Tesla Model X und etwas länger als ein Jaguar I-Pace. Insgesamt reiht er sich von den Abmessungen in die anderen großen Audi-Modelle à la A6, A7, A8, Q7, Q8 ein. Hier zeigt der Audi e-tron sich zwar noch mit Camo-Beplankung, aber man kann schon sehen: Der e-tron bewegt sich in Stil und Höhe zwischen einem A6 Allroad und einem Q7/Q8. Im Seitenprofil trägt der e-tron hier 21-Zoll-Felgen mit einem Stromlinien-Design. Optional stehen virtuelle Außenspiegel zur Verfügung, die ein Kamerabild ins Innere schicken. Das Kamerabild passt sich der Situation an, Winkel und Zoom verändern sich z.B. je nach Geschwindigkeit und Fahr-Situation, z.B. eine Autobahn-Ansicht oberhalb von 90 km/h oder eine gekippte Ansicht beim Rückwärts-Einparken. Das Kombi-Heck kommt uns von anderen Audi-Modellen bekannt vor, zudem ziert ein durchgehendes Leuchtband das Heck von einer Seite zur anderen.
Interieur
Wenn alle Bildschirme aus sind, ergibt sich in der Mittelkonsole ein großes schwarzes Panel. Geht die Zündung an, erkennt man die zwei Touch-Displays (10,1″ und 8,6″). Links kommen die 12,3“ Audi Virtual Cockpit digitalen Instrumente serienmäßig in Full-HD-Auflösung. So orientiert sich der Audi e-tron grundsätzlich am Basis-Layout an Audi A6, A7, A8 und Q8. Dazu kommen spezielle Elektro-Grafiken für die Reichweite und Rekuperation. Die Schaltpaddles dienen zur Verstellung der Rekuperations-Stufen von 0 bis 2. Den Gang wählt man mit einem neuartigen Schalter, der sich dort befindet, wo man normalerweise die Hand auf den Automatikwählhebel legt. Man zieht den Schalter nach vorne oder drückt ihn weg. Völlig in die Vergangenheit schaut Audi erneut beim Thema Innenraum-Materialien. Elektroautos sollen auch eine umweltfreundliche Wende in der Mobilität einläuten, stattdessen setzt Audi hier nach wie vor auf das Thema Tierhaut auf den Sitzen – zum Nachteil für Tiere, Umwelt und Mensch. Immerhin bietet Audi eine Sitzbelüftung an, weil man auf den Tierhautsitzen schließlich im Sommer schnell schwitzt. Die Sitzform allerdings ist sehr bequem, hier leistet der Ergonomie-Part einen guten Dienst.
Für den Musik-Genuss steht optional ein B&O Soundsystem mit 16 Lautsprechern zur Verfügung. Die hinteren Lautsprecher in der C-Säule sorgen für den Surround-Klang.
Im Fond hat der Audi e-tron eigentlich einen Vorteil als Elektroauto, weil es keinen Mitteltunnel gibt. Allerdings ragt das Bedienelement für die 4-Zonen-Klimaautomatik so weit in den Fond hinein, dass man hier nicht von drei vollwertigen Sitzplätzen sprechen kann. Das Platzangebot ist allerdings für vier große Erwachsene mehr als ausreichend und auf dem Niveau eines Audi Q7.
Der Kofferraum hinten fasst 600 l, er ist in der Breite sehr gut nutzbar, es mangelt lediglich etwas an Höhe. Die Sitze lassen sich praktisch vom Laderaum aus umklappen, wie beim Kombi. Vorne gibt es zusätzlich ein 60 l Fach für die Elektro-Kabel, damit es hinten im Kofferraum „sauber“ bleibt.
Motoren
Batterie 95 kWh
360 PS / 561 NM
407 PS / 664 NM im Boost-Modus
0-100 km/h ca. 6 Sek.
gut 400 km Reichweite
Fahrverhalten
Einer der größten Punkte beim e-tron für Audi, so der Hersteller, ist die Geräuschdämmung. Bei Elektroautos überwiegt von außen oberhalb von 25 km/h das Abrollgeräusch (bei Lkw und Bussen erst oberhalb von 50 km/h), aber von innen überwiegen die Windgeräusche das Motorengeräusch erst ab ca. 85 km/h. Insofern wird es gerade oberhalb dieser Geschwindigkeit wichtig, dass die Kabine gut abgedichtet ist. Audi hat hierzu selbst an den Radläufen Dämm-Maßnahmen vorgenommen und die Geräuschisolierung auf die eher hochfrequenten Töne eines Elektroautos angepasst. Bei unserer Testfahrt merken wir, dass Audi in diesem Punkt wieder Maßstäbe setzt. So leise war bislang kein Elektroauto, und die Elektroautos sind in der Regel ja leiser als die Verbrenner.
Die Beschleunigung ist rasant, weil die Elektromotoren sofort das volle Drehmoment bereitstellen. Die Lenkung ist gewohnt progressiv, d.h. man kann dynamisch lenken und muss nicht allzu stark einschlagen. Das Fahrwerk ist eher straffer abgestimmt als bei den Audi SUVs. Auch hier zeigt der Audi e-tron seinen Crossover-Charakter zwischen den Welten der SUVs und der Limousinen/Kombis. Gleichzeitig kann man den Audi e-tron auch dosiert und entspannt fahren, in Verbindung mit der guten Geräuschdämmung ist das insbesondere vorteilhaft im Stau. Die digitalen Spiegel sind gewöhnungsbedürftig, weil sie ein etwas eingezoomtes und kleineres Bild liefern als es der klassische Spiegel geben würde. Dafür haben sie aber trotzdem eine Tote-Winkel-Warner-Funktion, nämlich indem bei diesem Fall das Kamerabild gelb eingerahmt wird. Ein weiterer Vorteil: Die Kameraeinheit ist kleiner als ein Außenspiegel und hat daher weniger Windwiderstand, was die Aerodynamik verbessert und die Außengeräusche bei hohen Geschwindigkeiten weiter reduziert. Eine nette Spielerei, aber unser Rat geht klar dazu, von dieser Option abzusehen. Normale Spiegel bieten ein bessere Übersicht.
Die Rekuperation soll übrigens bis zu 30 Prozent zur Gesamtreichweite beitragen. In 90 Prozent der Fälle, so Audi, würde zum Bremsen die Rekuperation reichen, bevor die Scheibenbremsen eingesetzt werden müssten.
Abmessungen
Länge: 4,90 m
Radstand: 2,92 m
Breite: 1,93 m
Höhe: 1,61 m
Fazit: Der Audi e-tron ist die zweite Tesla-Antwort nach dem Jaguar I-Pace aus dem Lager der klassischen Automobilindustrie. Das Konzept für Außen, Innen und das Fahren sieht ein Crossover-Rezept vor, das sich zwischen A6 Allroad und Q7/Q8 befindet. Viel Platz gibt es im Innern, allerdings ist das Auto auch groß, leider wird der dritte mittlere Sitzplatz trotz nicht vorhandenem Mitteltunnel nicht wirklich ausgenutzt. Bei den Innenraum-Materialien zeigt sich Audi wieder als Hersteller von gestern. Ein Tesla-Jäger ist Audi e-tron insofern nicht, als dass Audi nicht verstanden hat, dass Tesla die Autos nicht für das „Was“, sondern für das „Warum“ baut. Doch Verarbeitung, Komfort und Geräuschniveau sind beim Audi e-tron derart überzeugend, dass Audi bei diesen hard facts die Nase klar vor Tesla und Jaguar hat.
Autogefühl: ****
Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Fotos: Audi