Die neue Mercedes G-Klasse erhält nun nach den Benzinern G500 und G63 AMG einen Diesel – passt das auch gut zum Auto und kann man damit auch sparsamer fahren? Das haben wir getestet – im G350d. Von Thomas Majchrzak
Exterieur
Grundsätzlich ist Mercedes dem Erscheinungsbild treu geblieben, das werden auch die bisherigen Kunden honorieren. Eckig, kantig, G-Klasse. Auch die aufgesetzten Blinker sind erhalten geblieben. Runde Elemente finden sich ausschließlich an den neuen Außenspiegeln. Diese wurden nicht etwa von GLE & Co. kopiert, sondern eigens für die G-Klasse entwickelt. Sie ersetzen die bislang eckigen Spiegel, weil die neuen runden Spiegel aerodynamischer sind und auch Luftverwirbelungen vermeiden, die sich negativ auf das Geräuschniveau auswirken. Die Rund-Scheinwerfer sind nun mit LED-Technik erhältlich. Auch die „alten“ Türgriffe sind geblieben und die Türen besitzen noch das charakteristische Schließ-Geräusch, das an vergangene Fahrzeuge erinnert. Nachteil: Man muss die Türen dafür auch immer zuschlagen, sonst gehen sie manchmal nicht zu. Für die Karosserie kommt weiterhin ein Leiterrahmen zum Einsatz, die Ingenieure konnten allerdings die Verwindungssteifigkeit um 55 Prozent verbessern. In der Länge ist die neue G-Klasse um 5,3 cm gewachsen, zudem ist sie 12 cm breiter geworden. Dabei hat die G-Klasse 170 kg abgespeckt. Denn neben der klassischen Stahlkarosserie bestehen Kotflügel, Motorhaube und Türen aus Aluminium. Gebaut wird die G-Klasse bei Magna Steyr in Österreich.
Beim G63 kann man bis zu 22-Zoll-Felgen bestellen. Dazu kommen AMG-Kühlerverkleidung, Radlaufverbreiterungen, sowie eine seitliche Auspuffanlage (auf beiden Seiten) mit einstellbarer Abgasklappe. Vom Fahrwerk her tiefer gelegt ist der G63 nicht, aber aufgrund der Anbauteile sind die Böschungswinkel geschmälert und somit ist er weniger offroad-geeignet.
Interieur
Im Interieur hat sich mehr getan: Hier wartet nun ein modernes Mercedes-Cockpit mit einem großen Infotainment-System, dass sich über den zentralen Dreh-Drück-Regler oder über Daumen-Tasten am Lenkrad bedienen lässt. Die G-Klasse gibt sich innen nun deutlich weniger rustikal.
Basis sind analoge Rundinstrumente, denn manche Kunden möchten diese noch behalten, zugegeben passen diese auch besser zu dem Ur-G. Optional steht wie zu sehen ein digitales Cockpit zur Verfügung. Rein optisch bilden dann zwei 12,3-Zoll-Bildschirme eine Einheit. Am Lenkrad kann man mit dem linken Daumen den Instrumente-Screen bedienen, mit dem rechten Daumen den Infotainment-Screen. Alternativ kann man dafür noch den klassischen Dreh-Drück-Knopf im Mitteltunnel verwenden. Touch hat die G-Klasse noch nicht.
Die Beinfreiheit ist vorne um 3,8 cm, hinten um 15 cm gewachsen. Auch die Freiheit für die Ellenbogen hat jeweils um ca. 6 cm zugelegt. Sitzheizung ist Standard, optional steht eine Sitzmassagefunktion zur Verfügung. Große Menschen finden problemlos Platz, auf allen Sitzen. Das ist insbesondere ein Fortschritt für den Fond, wo beim Vorgänger die Beinfreiheit sehr eingeschränkt war, wenn vorne ein großer Fahrer saß. Trotzdem muss man sagen, dass ein Auto dieser Länge mehr Beinfreiheit hinten haben müsste. Die Sitzfläche hinten kann man hochklappen, das ermöglicht es dann, die Sitzbanklehne flach zu legen. Der Kofferraum bleibt angesichts der Größe des Fahrzeugs sehr begrenzt, weil gerade in der Breite viel Platz verschenkt wird. Trotzdem bleibt der Kofferraum knapp über 1 m breit, damit kann man schon viel anfangen. Gepäck für zwei Personen ist kein Problem, aber im Kofferraum herumhantieren kann man damit eher weniger. Die Gepäckraumlänge liegt bei gut 80 cm.
Der G63 AMG erhält Sportsitze mit einer speziellen Rauten-Steppung, die allerdings auf Langstrecken vom Sitzkomfort her eher nachteilhaft ist. Ansonsten ist die Sitzform gleich. Das unten abgeflachte AMG-Sportlenkrad ist dagegen ein echter Vorteil, es bietet eine sportlichere Form, mehr Grip und gibt dem Fahrer eine agilere Verbindung zum Fahrzeug. Ferner finden wir rote Karbon-Zierelemente, etwa bei der Einfassung des Infotainment-Screens oder beim Panic-Handle auf der Beifahrerseite. Beleuchtete AMG-Einstiegsleisten komplettieren das Angebot.
Motoren
G500 4,0-Liter-V8 mit 422 PS
9G-Tronic Automatik-Wandlergetriebe
5,9 Sek. von 0 auf 100 km/h
Der Preis für den G500 liegt bei 107.000 Euro. Damit ist die G-Klasse so ziemlich ohne Konkurrenz, denn dieser Preis ist schon sehr hoch gegriffen.
Der G63 AMG startet schließlich bei 148.000 Euro.
G63 4,0-Liter-V8 mit 585 PS
AMG Speedshift TCT 9G-Automatik
4,5 Sek. von 0 auf 100 km/h
G350d 3,0-Liter-V6 mit 286 PS
9G-Tronic Automatik-Wandlergetriebe
7,4 Sek. von 0 auf 100 km/h
Der Diesel liegt günstiger im Einstiegspreis, wir rechnen mit ca. 80.000 Euro.
Fahrverhalten
Die größte Änderung ist das neue Fahrwerk, wobei vorne eine Einzelradaufhängung und hinten eine Starrachse zum Einsatz kommt. Einen Fahrkomfort wie bei einem modernen Straßen-SUV von Mercedes darf man also nicht ganz erwarten. Ein GLE oder GLS mit Luftfederung sind deutlich komfortabler. Aber die neue G-Klasse hat im Federungskomfort zugelegt, und dank der sanften offroad-betonten Federung fühlt man sich durchaus weich gewippt, gerade im G500 und im G350d. Das macht die beiden jeweils zu einem guten Cruiser. Nur bei Querfugen spürt man die Starrachse hinten. Ein Kurvenräuber werden G500 und G350d nicht, dazu schaukeln sie sich zu stark auf. Man sitzt eben sehr sehr hoch. Das ist cool, wenn man einen guten Überblick behalten möchte und gehört zum einzigartigen Charakter der G-Klasse. Die Geräuschdämmung wurde zum Vorgänger verbessert, allerdings kann die steil stehende Windschutzscheibe sich nicht verleugnen, ab ca. 100 km/h erzeugt sie starke Windgeräusche, die man von einem modernen Mercedes sonst nicht kennt.
In verschiedenen Fahrmodi kann man die Gaspedalkennlinie und Schaltzeitpunkte verändern. Hat man die optionale Adaptiv-Federung gewählt, reagiert auf die Modi auch das Fahrwerk. Der G63 AMG ist straffer abgestimmt und macht daher bei Kurvenfahrten mehr Spaß. Allerdings reagiert er damit auch empfindlicher auf unebene Straßen. Wie G500 und G350d kommt auch der G63 AMG mit einer Grundausrichtung von 40:60 Vorderachse/Hinterachse. Beim Vorgänger war die Grundkraftverteilung noch 50:50. Das AMG-Sportfahrwerk mit adaptiver Verstelldämpfung ist straffer ausgelegt. Außerdem wurde die Lenkung progressiver gestaltet. In allen Fällen ist die Lenkung bei der G-Klasse zwar leichtgängig, aber nicht progressiv genug fürs agile Straßenfahren, d.h. man muss noch recht viel lenken. Das liegt an der Offroad-Prägung des Fahrzeugs, denn beim Fahren im Gelände benötigt man eine etwas weniger empfindliche Lenkung.
Fürs Offroadfahren kann man die Geländeuntersetzung nutzen und alle drei Differenziale zu 100 % sperren. Ist eine der Differenzialsperren aktiviert, springt die G-Klasse in den G-Mode, den Geländemodus. Dabei wird dann weniger geschaltet, um die Traktion zu erhöhen. Die Bodenfreiheit beträgt 27 cm (zum Vorderachsgetriebe), die maximale Wat-Tiefe nun 70 cm, der Böschungswinkel vorne 30 Grad, hinten 31 Grad. Wir sind beeindruckt davon, wie die G-Klasse mit Leichtigkeit jedes Offroad-Hindernis nimmt, und das sogar extrem komfortabel. Für uns bisher das beste Offroad-Fahrzeug. Eine elektrische Bergabfahrhilfe gibt’s übrigens nicht, aber durch die mechanische Verzögerung der Offroad-Untersetzung kann man trotzdem ganz langsam den Berg herunterrollen, ohne auf der Bremse zu stehen.
Kommen wir zum Thema Verbrauch. Mit dem G500 kommen wir minimal auf 12 l / 100 km, mit dem G63 AMG auf 14 l / 100 km – wenn man es darauf anlegt, etwa mit Tempomat auf der Autobahn mit moderater Geschwindigkeit. Realistisch sind eher 14 l und 16 l im Mix, und es geht noch höher, sobald man häufiger stärker beschleunigt oder mit höherem Speed auf der Autobahn unterwegs ist. Selbst wenn einem die Umwelt völlig egal sein sollte, nervt das, weil man ständig zur Tankstelle muss.
Mit dem G350d hoffen wir nun, dass die G-Klasse auch akzeptabel im Verbrauch zu fahren ist. Mit 7,4 Sek. von 0 auf 100 km/h ist der Diesel immer noch schnell, liegt bei diesem Wert gut 1,5 Sekunden hinter dem G500. Der Diesel lässt also keine Performance vermissen. Zudem ist er sehr laufruhig und kultiviert, er ist auch extra vibrationsarm gelagert. Ein typisches Dieselnageln ist nicht zu vernehmen. Der Verbrauch ist aber leider nicht viel geringer, mit 13l / 100 km muss man schon rechnen. In manchen Situationen ist der Diesel vielleicht sparsamer als der G500 Benziner, aber wir hätten wirklich mehr Ersparnis erwartet.
Eine weitere wichtige Erkenntnis nehmen wir noch mit: Während wir G500 und G63 mit großen Felgen und Sommerreifen gefahren sind, haben wir den G350d mit Winterreifen und 19-Zoll-Felgen getestet. Das tut dem Abrollkomfort sehr gut. Wir empfehlen also für mehr Komfort, auf die kleineren Felgen zu gehen, damit mehr Reifen übrig bleibt, der auch dämpfen kann. Optisch passt das auch gut zur G-Klasse, weil dickere Reifen und kleinere Felgen den Offroad-Charakter unterstreichen.
Abmessungen
Länge: 4,82 m
Breite: 1,93 m
Höhe: 1,96 m
Radstand: 2,89 m
Leergewicht: 2.429 kg
Fazit: Die neue Mercedes G-Klasse erfährt außen eine behutsame Überarbeitung und behält ihren unverwechselbaren Charakter und Charme. Innen passt sich das Interieur den modernen Mercedes SUVs an. Fahrtechnisch betont die G-Klasse weiterhin in Fahrwerk und Lenkung die Offroadfähigkeit, das zeichnet sie von den Straßen-SUVs ab. Wir sind sehr beeindruckt von den Offroadfähigkeiten und wie komfortabel die G-Klasse im Gelände bleibt. Auf der Straße muss man allerdings im Vergleich zu z.B. GLE und GLS mit weniger Komfort bei Fahrwerk und Geräuschdämmung rechnen – wir raten hier klar dazu, nicht die größten Felgen zu nehmen. Die G-Klasse bleibt bewusst ein „moderner Dinosaurier“ unter den Fahrzeugen, in vielerlei Belangen unzeitgemäß, überholt, aber von den Fans genau deswegen geliebt. Der Verbrauch von mindestens 12 bis 14 Litern / 100 km und manchmal sogar gen 20 Liter bei den Benzinern ist natürlich inakzeptabel. Der G350d ist etwas verbrauchsfreundlicher, aber nicht deutlich genug. Dafür bleibt er die günstigere Lösung im Einstiegspreis.
Autogefühl: ***
Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Fotos & Video: Autogefühl, Cornelius Dally