Mercedes EQC Fahrbericht

Mercedes geht mit dem Mercedes EQC nun auch im Elektro-Segment richtig an den Start – mit der eigenen Elektro-Marke EQ und voraussichtlich auch in mengenmäßig relevanten Stückzahlen. Zwar gab es vorher schon z.B. die elektrische Mercedes B-Klasse, doch stellten bisherige Modelle immer nur einen Kompromiss dar und waren zahlenmäßig zu vernachlässigen. Gebaut wird der neue EQC im Mercedes-Werk Bremen, mit über 300.000 Fahrzeugen pro Jahr wurde Bremen erst jüngst von Peking als größter Daimler-Werksstandort abgelöst. Das Werk produziert C-Klasse, SLC, SL, E-Kluflasse Coupé und Cabriolet sowie den GLC. Wegen des GLC wird auch der EQC dort gebaut, denn die Autos teilen sich die grundsätzliche Basis. Aber der EQC bringt auch viel Neues. Wir sind den neuen Elektro-Benz gefahren. Von Thomas Majchrzak





Exterieur

Mercedes hat es geschafft, eine durchgehende Leuchtband-Grafik bei den Behörden anzumelden, das ist neu. Somit können die Scheinwerfer auch licht-technisch miteinander verbunden werden. In manchen Märkten (hier konnte man die Genehmigung nicht überall bekommen) ist selbst der Mercedes-Stern illuminiert. Die Haupt-Scheinwerfer kommen serienmäßig mit der LED-Multibeam-Technologie, die ansonsten in den gewöhnlichen Mercedes-Modellen die höchste Ausbaustufe darstellt. Grundsätzlich wird die Frontpartie von einer großen schwarzen Hochglanzfläche bedeckt.

Mit 4,76 m Länge ist der Mercedes EQC etwas länger als der Jaguar I-Pace und der verwandte Mercedes GLC und etwas kürzer als der Audi e-tron sowie deutlich kürzer als ein Tesla Model X. Felgen gibt es von 19 bis 21 Zoll.

Für ein sportlicheres Exterieur ist auch eine AMG-Line bestellbar (1.600 Euro extra), die dann stärkere Spoiler enthält sowie einen Kühlergrill mit zwei größeren horizontalen Chrom-Lamellen. Dafür sind auch die großen AMG-Stylings der Felgen verfügbar. Mit dem AMG-Styling sieht der Mercedes EQC etwas weniger elektrisch und mehr „normal“ aus, ähnlicher zu einem Mercedes GLC Coupé.

Im grundsätzlichen Stil ist der Mercedes EQC ein Crossover, also zwischen SUV und Pkw, ähnlich einer Mercedes E-Klasse All-Terrain. Dadurch, dass die schwere Batterie im Fahrzeugboden untergebracht ist, ergibt sich ein sehr niedriger Schwerpunkt, was der Agilität zugute kommt.

Interieur

Prägend ist für den Innenraum des Mercedes EQC das Setup aus zwei 10,25 Zoll Bildschirmen – serienmäßig. Wenn die Bildschirme aus sind, sieht das wie eine durchgehende Fläche aus. Der horizontale Aufbau wird durch den Rest der Cockpit-Anordnung unterstützt.

Das MBUX Infotainment-System kommt mit eigenen Elektro-Anzeigen. Eine Besonderheit des neuen Infotainment-Systems, das mit der neuen Mercedes A-Klasse eingeführt wurde, ist die umfangreiche Sprachbedienungs-Möglichkeit. Aktivieren kann man die Sprachfunktion mit einem Knopf am Lenkrad oder über „Hey Mercedes“. Dann kann man z.B. sagen, welche Temperatur man eingestellt haben möchte oder einfach nur „Mir ist kalt“ sagen. Das Navigationssystem ist übrigens serienmäßig. Ein Head-up-Display ist optional erhältlich.

Die Vorklimatisierung im Innenraum kann Eiskratzer im Winter und Schwitzen im Sommer überflüssig machen, wobei man immer daran denken muss, das dies auch Energie kostet. Doch nach einer Vorklimatisierung braucht man auch wieder weniger Heiz- oder Kühl-Leistung, was sich wieder positiv auf den Verbrauch auswirken könnte. Man kann die Vorklimatisierung im Infotainment-System programmieren oder per Mercedes me App starten. Übrigens ist eine Energie-Einsparung auch ein weiterer Grund für Stoff-Sitze im Elektroauto, denn mit Stoffsitzen benötigt man im Winter weniger Sitzheizung und im Sommer weniger Kühlung.

So blickt Mercedes auch bei den Innenraum-Materialien in die Zukunft und führt passend zur nachhaltigen Elektroauto-Thematik eine Vielzahl von attraktiven Sitzbezügen ein: Standard ist ein Basis-Stoff-Sitz, darüber hinaus kann man einen hochwertigen Kunstledersitz (Artico) in Schwarz oder Beige bestellen. Optional bietet Mercedes im Paket „Eletric Art“ (535 Euro) einen etwas anders geformten Sport-Sitz an, der dann mit einem hochwertigen Sitzstoff namens „Sunnyvale“ kommt, der sogar aus Recyclingmaterial besteht. Diesen gibt es in Dunkelblau oder Beige (letzter hier zu sehen). Die Innenseiten der Sitze sind mit dem Stoff bezogen, die Sitzwangen mit Kunstleder. Alternativ gibt es den optionalen Sitz ebenfalls voll mit Artico in Schwarz oder Beige.

Im AMG-Line Interieur-Paket (1.000 Euro) erhält man ebenfalls den Sportsitz mit einer noch etwas abgeänderten oberen Polsterung, und hier mit der Mischung Mikrofaser innen und Artico außen, ebenfalls eine gute Wahl. Dazu kommen Alu-Pedalerie, abgeflachtes Lenkrad und AMG-Fußmatten.

Ein weiterer Hersteller zeigt sich konsequent wie bislang nur Tesla und verzichtet großflächig auf tierische Bestandteile. Generell gibt es im Mercedes EQC aber noch Teile aus Echtleder, so kann man auch optional die Sitze damit beziehen lassen, auch das Lenkrad kommt Standard mit Tierhaut (über den Händler aber auch mit Kunstleder zu bestellen), aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Die Zierelemente gibt es in einer so genannten Matrix-Optik (Punkt-Struktur), Alu, Karbon, Holz offenporig hell und Holz offenporig dunkel.

Grundsätzlich orientiert sich das Interieur am Mercedes GLC, fügt aber wie beschrieben einige Finessen und neue Details hinzu. Nicht zu konservativ, aber auch nicht zu revolutionär. Vorne kann man auch mit 1,90 m Körpergröße noch gut sitzen, und auch hinten ist der Kopfraum nicht eingeschränkt. Dasselbe gilt für die Kniefreiheit, wobei es mit vier großen Erwachsenen genau passt, aber eben auch nicht mehr. Groß unterschiedlich zum Verbrenner-GLC ist das aber nicht, die zusätzliche verbaute Batterie in der Plattform wirkt sich also nicht negativ aus. Generell hat der etwas längere Audi e-tron hier dann auch etwas mehr Platz im Innern. Das Gepäckraumvolumen beträgt 500 l (vgl. 550 l beim Mercedes GLC), und die Sitze kann man wie gewohnt umklappen. Im Praxistest erweist sich die abgeschrägte Kofferraum-Endung als etwas nachteilhaft, man muss sich daran erinnern, dass der Mercedes EQC eben eher dem Mercedes GLC Coupé als dem Mercedes GLC SUV ähnelt. So schließt manchmal die Kofferraumklappe nicht, weil z.B. der Rucksack etwas zu hoch hervorsteht, dann muss man sein Gepäck noch mal prüfen und etwas weiter hineinschieben. Dies ist aber kein Ergebnis eines Elektroautos, sondern mehr das Ergebnis der coupéhaften Designüberlegung, dass das Heck flacher ist.

Motoren

Pro Achse gibt es einen Elektromotor, daraus ergibt sich ein Allradantrieb ohne mechanische Verbindung. Insgesamt beträgt die Leistung 408 PS.

Die Reichweite, die man aus der 80 kWh Batterie quetschen kann, liegt bei gut 350 km, weil man im Verbrauch ca. 23 kWh/100 km erzielt. Bei einstelligen Temperaturen eher 25 kWh/100 km.

Wechselstrom kann man bislang mit einer Stärke von 7,4 kW nachladen (da sollte Mercedes noch nachlegen), Gleichstrom über den CCS-Standard mit bis zu 110 kW. Dann dauert das Laden von 0 auf 80 Prozent nur 40 Minuten. An der Haushaltssteckdose zu Hause muss man einen ganzen Tag stehen, wobei man die Elektroautos in der Regel nicht ganz leer fährt.

Über die Mercedes me App will Mercedes zudem viele Anbieter von Ladesäulen bündeln, damit man nicht viele verschiedene Karten und Accounts zum Laden benötigt. Das soll auch für das künftige Schnell-Lader-Netz Ionity gelten.

EQC 400 heißt er übrigens, weil dies für eine Vergleichbarkeit stehen soll zu einem C400 oder E400, es geht dabei um mehrere Leistungswerte, etwa Beschleunigung, aber nicht nur von 0-100 km/h.

Fahrverhalten

In 5,1 Sekunden geht es von 0 auf 100 km/h. Das ist vergleichbar mit einem Mercedes GLC 43 AMG Benziner. Die Beschleunigung ist also rasant, schließlich ist bei einem Elektromotor das Drehmoment auch sofort verfügbar. Die beiden Antriebe sind etwas anders ausgelegt: Der vordere Elektromotor sorgt vorwiegend für den niedrigen und mittleren Lastbereich (d.h. Frontantrieb bei langsamer Fahrt), der hintere für hohe Last. Gemeinsam beträgt das maximale Drehmoment 765 Nm. Die Antriebe sind dabei doppelt vom Innenraum isoliert, um das Geräuschniveau niedrig zu halten.

Beim schnellen Herausbeschleunigen aus Kurven merkt man, dass man mehr von vorne gezogen wird als von hinten gedrückt. Das fühlt sich dann also etwas weniger sportlich an als z.B. bei einem GLC 43 oder bei einem Audi e-tron. Allerdings ist der Mercedes EQC generell sehr agil. Der niedrige Schwerpunkt und die Crossover-Bauweise zusammen mit dem serienmäßig adaptiven Fahrwerk Agility Control sorgt für ein großartiges Handling. Eine Luftfederung wie beim GLC Verbrenner ist nicht erhältlich, Mercedes meint, dass nicht genügend Kunden dies bestellen würden im EQC und dass Komplexität und Kosten gegen eine Luftfederungs-Lösung hier sprechen würde. Klar, eine Luftfederung wäre auch nett gewesen als Option, aber das adaptive Fahrwerk ist so überzeugend, dass man in der Tat auch drauf verzichten kann. An der Hinterachse kommt allerdings wie beim E-Klasse Kombi eine Niveauregelung auf Luftbasis zum Einsatz, um so das Fahrzeug bei verschiedenen Beladungszuständen in der Waagerechte halten zu können.

Über die Schaltwippen hinterm Lenkrad schaltet man nicht wie beim Verbrenner die Gänge, sondern wählt die Rekuperationsstufen aus. Rechts wird die Bremswirkung und Energiegewinnung geringer, links stärker. Zudem wirken sich die gewählten Fahrmodi auf die Charakteristik aus, z.B. Sport für maximale Leistung und Max. Range für die höchste Reichweite. Dementsprechend werden Gasannahme und Rekuperationsstärke angepasst. Der Eco Assistent hilft zudem dabei, anhand von Navidaten den Fuß früher vom Gas zu nehmen, um Strom zu sparen. Eine ähnliche Funktionsweise ist von den prädiktiven Tempomaten bei VW, Audi und Porsche bekannt. Stellt man per Schaltpaddles nichts separat ein, so rekuperiert der Mercedes EQC automatisch anhand der Situation. Wenn die Sensoren z.B. kein Auto voraus entdecken und man rollen lässt, dann wird die Rekuperation tendenziell nicht stark appliziert, erkennen die Sensoren dagegen vorausfahrende Fahrzeuge oder sagen die Kartendaten einen nächsten Kreisverkehr voraus, wird eher stärker rekuperiert. Das ist aber kein One-Paddle-Driving. Letzteres hat man, wenn man die Rekuperation manuell auf die stärkste Stufe stellt. Dann kann man den Mercedes EQC auch vorwiegend nur mit dem Gaspedal fahren.

Interessant: Wird über Staumeldungen ein Stauende erkannt und man ist sehr schnell unterwegs, wird die Geschwindigkeit vorsorglich schon einmal auf 100 km/h reduziert, bevor man irgendetwas sehen kann. Ebenfalls neu: Im Stau setzt die Distronic das Fahrzeug nicht mehr in die Fahrzeugmitte, sondern nach versetzt, um eine Rettungsgasse zu bilden. Das setzt das Fahrer-Assistenzpaket voraus.

Der Autonome Bremsassistent ist serienmäßig, viele weitere Assistenzsysteme sind dann optional. Mercedes betont, dass der AEB für vorausfahrend und auch für stehende Fahrzeuge funktioniert.

Das Hochvolt-System schaltet sich überdies im Unfall ab, so dass Rettungskräfte keinem Risiko ausgesetzt sein sollen. Außerdem ist ein zusätzlicher Trennschalter im Motorraum untergebracht.

Optional ist eine Anhängerkupplung erhältlich, die maximale Anhängelast beträgt 1.800 kg.

Abmessungen

Länge: 4,76 m
Breite: 1,88 m (2,09 m mit Außenspiegeln)
Höhe: 1,62 m
Gewicht: 2.450 kg (Batterie: 650 kg)

Fazit: Der neue Mercedes EQC geht wie der Audi e-tron in eine Crossover-Richtung, präsentiert sich sozusagen als etwas zwischen E-Klasse All-Terrain und GLC Coupé, und das elektrisch. Wieso nicht. Doch Konzept, Styling und Interieur sind futuristischer, nachhaltiger und noch digitaler. Das große Angebot an hochwertigen Stoffsitzen spricht für sich, das sucht seinesgleichen. Die Coupé-Form am Heck wirkt sich wie schon beim GLC Coupé etwas negativ auf die durchgängige Kofferraumhöhe aus. Die Serienausstattung ist Mercedes-untypisch umfangreich, der Preis liegt bei 71.000 Euro, deutlich unter dem Audi e-tron (80.000 Euro). Ein Mercedes GLC Verbrenner beginnt übrigens bei 48.000 Euro, und als vergleichbarer GLC 43 AMG (wenn man sich Leistung und Ausstattung anschaut) gut 66.000 Euro. Wenn man beim EQC also noch die Elektro-Prämie abzieht und sich dann überlegt, dass bei einer Dienstwagen-Regelung nur 0,5 Prozent des Bruttolistenpreises pro Monat versteuert werden muss, dann kann ein EQC tatsächlich sogar ein lohnender Ersatz zu einem GLC 43 sein. Insgesamt ist der neue Mercedes EQC mit seinen Alleinstellungsmerkmalen ein neuer würdiger Vertreter im Bereich der größeren Elektro-SUVs/Crossover, der sich vor der Konkurrenz nicht verstecken muss. Nur mit der Reichweite von gut 350 km oder ggf. etwas weniger ist man zwar gleichauf mit Audi, aber noch hinter Tesla. Dafür punktet der Mercedes EQC besonders mit dem sportlichen Handling, ohne auf Komfort zu verzichten.

Autogefühl: *****

Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Video: Autogefühl, Jonas Bomba