Über die sportlichen Topmodelle 330i M-Sport und M340i xDrive haben wir bereits ausführlich berichtet. Doch wie fährt sich der volumenstarke BMW 3er G20 320d mit 190 PS und wieviel Diesel nimmt er sich zur Brust? Von Thomas Imhof
Der erstmals 1975 als Nachfolger der 02er-Reihe erschienene 3er ist seit Jahrzehnten das Brot-und-Butter-Auto der Münchener. Auch wenn als Folge der neuen SUV-Modelle seine herausragende Stellung inzwischen etwas abbröckelt, macht er in nun siebter Generation als „G20“ noch immer einen Anteil von 20 Prozent am Gesamtvolumen des Herstellers aus. Aktuell ist er nur als Limousine verfügbar, doch die Kombiversion Touring steht schon in den Startlöchern.
Exterieur
Die Designer haben es geschafft, auch im neuen BMW 3er G20 die für die Fahrzeugreihe typischen Proportionen zu erhalten. Sprich: Extrem kurzer vorderer Überhang, etwas längerer hinteren Fortsatz. Mit jeder neuen Generation wurde die BMW-Niere breiter, sodass sie im neuen Modell inzwischen am Rande der Überzeichnung angelangt ist. Bei diesem für die Marke ähnlich symbolträchtigen Markenzeichen wie der Stern für Mercedes oder die vier Ringe von Audi würde man sich in Zukunft wieder eine etwas schmalere und vielleicht höhere Spielart wünschen. Die variablen Lüftungsschlitze in den beiden nun direkt an die Scheinwerfer angebundenen Nieren können ja dennoch bleiben.
Was aber offenbar zählte, ist der subjektiv empfundene Eindruck von Breite. Die aber auch objektiv um 16 Millimeter zunahm, ergänzend zur Länge (sogar plus 76 Millimeter) und den ebenfalls gewachsenen Spurweiten (vorn plus 40, hinten plus 20). Da wundert es nicht, dass die Scheinwerfer in der neuen BMW 3er G20 Generation auch stärker in die Breite gezogen sind. Ab Werk kommen sie mit LED-Technologie, in unserem Testwagen kam hingegen das für knapp 2000 Euro Aufpreis orderbare Laser-Fernlicht zum Einsatz. Es glänzt mit einer Reichweite von 600 Metern, einem Tagfahrlicht in C-Form und blauen Akzenten.
In der Seitenlinie fällt die neue Interpretation des legendären Hofmeister-Knicks auf – dem Gegenschwung des Glashauses im Bereich der C-Säule. Der Knick führt im neuen 3er G20 nun dazu, dass an den Hecktüren als Dekorelement eine freistehende Glaskante entsteht. Im Bereich der Türschweller sorgt eine deutlich hervorstechende Sicke oder Lichtkante für Dynamik, zum vorderen Radlauf hin zieht sie hoch und deutet einen Lufteinlass ein.
Das Heck wird dominiert von dreidimensionalen und L-förmigen Rückleuchten sowie einem zweiflutigen Auspuff (keine Attrappe!). Die einem liegenden T ähnelnden und auch im Bugstoßfänger integrierten Luftschlitze erinnern an ähnliche Elemente an Flugzeugen und Rennwagen. Im Modell M-Sport stehen sie am Heck senkrecht, sind jedoch abgedeckt, also nur Fake.
Insgesamt bietet BMW den neuen 3er G20 in fünf Ausstattungen an: Serie, Advantage, Sport, Luxury und M-Sport. Die folgenden Bilder zeigen im direkten Vergleich die Unterschiede zwischen den drei oberen Lines.
Bei der Sport Line sind viele Elemente in Hochglanz-Schwarz gehalten, etwa die Stäbe der BMW-Doppelniere und die Fensterrahmen. Das M Sport Modell verfolgt eine ähnliche Philosophie und beeindruckt darüber hinaus durch markanter ausgeformte vordere und hintere Stoßfänger sowie einen schwarz lackierten „Diffusor“. Am elegantesten kommt der 3er G20 in der Luxury Line daher – Chrome macht’s möglich.
Basisversionen wie ein 318d stehen auf 16-Zoll-Alufelgen, Sport Line und Luxury Line ab Werk bereits auf 17 Zöllern, der M-Sport dann auf 18-Zöllern.
BMW sind bekanntermaßen bei Autodieben ziemlich beliebt. Mit einer hoffentlich abschreckend wirkenden Technologie will man Langfingern aber künftig das Leben schwerer machen: Ein neuer Bewegungssensor überwacht permanent, ob der Fahrzeugschlüssel mitgeführt wird und daher senden muss oder zum Beispiel in der Wohnung irgendwo abgelegt wurde – wodurch sich die Sendefunktion jetzt abschaltet. Effekt: Ist der Schlüssel im Stand-by-Modus, ist es nicht mehr möglich, das Sendesignal von extern zu kopieren und darüber das Auto entriegeln und starten zu können.
Interieur
Auch der neue BMW 3er G20 bleibt das, was ein Dreier immer war: Eine auf den Fahrer fokussierte und noch immer recht kompakte Limousine. Die Mittelkonsole ist leicht zum Fahrer hin angewinkelt, alle Bedienelemente und Anzeigen sind im direkten Blickfeld und leicht erreichbar. Allerdings könnten wir uns die Zahl an Schaltern und Tasten noch etwas reduzierter vorstellen – hier sind andere Hersteller nicht mehr so konservativ. Als Folge dauert es länger als in anderen Modellen, bis man sich als 3er-Neuling mit allem vertraut gemacht hat. Einen konventionellen Lichtschalter links vom Lenkrad sucht man übrigens im neuen 3er G20 vergebens: Die Regelung der Scheinwerfer erfolgt komplett automatisch, die Tasten für Nebelschlusslicht und Nebelscheinwerfer sind zusammen mit einigen weiteren Tasten ziemlich versteckt links unterhalb vom Lenkrad angebracht und nicht intuitiv zu bedienen.
Eine feine Sache ist dagegen das um 70 Prozent vergrößerte Head-up-Display – 980 Euro extra. Neben den bekannten Angaben und Piktogrammen kann es sogar zusätzlich die Radiosenderliste einblenden. Das volldigitale Kombiinstrument spendet neben zwei großen Anzeigen für Drehzahl und Geschwindigkeit Infos zu Tankinhalt und Kühlmitteltemperatur. Anders als zum Beispiel im von uns getesteten Cupra Ateca lässt sich hier aber nicht die Navigationskarte über die gesamte Displayfläche auslegen.
Dazu muss der Blick auf den zentralen Infotainmentschirm schweifen. Dessen Inhalte lassen sich entweder per Touch oder über den bekannten iDrive Dreh/Druckschalter im Mitteltunnel regeln; es gibt aber auch Gestensteuerung (250 Euro Extra) und Sprachsteuerung („Hey BMW“/„Hallo BMW“).
Die Sitze passen gut zum dynamischen Anspruch des BMW 3er G20, doch selbst eine Sitzheizung will mit 380 Euro bezahlt werden. Die elektrische Sitzverstellung mit Memory steht mit 1200 Euro in einer über 50 Seiten starken Aufpreisliste. Anders als die mit Tierhaut bezogenen Sitze des Testwagens zieht Autogefühl die ebenfalls orderbaren Varianten in Alcantra und Kunstleder vor.
Unser Testwagen verfügte über ein mit Sensatec-Kunstleder bezogenes Instrumentenbrett – kostet 500 Euro extra, erhöht aber nochmals den ohnehin schon im Vergleich zum Vorgänger höheren Qualitätseindruck. Zu dem im Dunkeln auch die serienmäßige und stimmungsvolle LED-Ambientebeleuchtung beiträgt.
Die Platzverhältnisse im Fond haben sich dank des um 41 Millimeter verlängerten Radstands nochmals verbessert. Naturgemäß profitiert vor allem die Beinfreiheit, aber auch die Kopffreiheit ist sogar für Sitzriesen noch ausreichend.
Das Kofferraumvolumen stieg auf 480 Liter, er ist sehr tief ausgeformt, könnte aber noch größer sein, gäbe es nicht die altmodischen Schwanenhals-Scharniere anstelle weniger Platz fressender, aber teurerer Dämpfer. In unserem Testwagen gab es kein Unterflurfach mehr, das Tire-Fit-System fand in einem mit einem Netz abgetrennten Seitenfach Platz. Dank der im Verhältnis 40:20:40 geteilt umklappbaren Rückbank ergibt sich eine für eine Stufenhecklimousine maximale Variabilität. Dass der Heckdeckel auf Wunsch sogar elektrisch wieder geschlossen werden kann, buchen wir unter das Kapitel „Luxusproblem“ ab.
Motoren
Turbo-Benziner
320i 2,0 l 4-Zylinder mit 184 PS
330i 2,0 l 4-Zylinder mit 258 PS (5,8 Sek. 0-100 km/h)
330e iPerformance 4-Zylinder-Plugin-Hybrid (60 km rein elektrische Reichweite)
M340i xDrive 3,0 l 6-Zylinder mit 374 PS (4,4 Sek. 0-100 km/h, M Performance Modell)
Turbo-Diesel
318d 2,0 l 4-Zylinder mit 150 PS
320d 2,0 l 4-Zylinder mit 190 PS (auch mit Allrad)
330d 3,0 l 6-Zylinder mit 265 PS
Geschaltet wird über ein 6-Gang-Schaltgetriebe (Serie 318d und 320d) oder eine 8-Gang-Wandlerautomatik (Steptronic), die in den Benzinern, im 320d xDrive und im 330d Serie ist.
Wer sich für einen BMW 320d G20 entscheidet, startet mit Schaltgetriebe und Heckantrieb ab 40.450 Euro. Die Variante mit xDrive und Selbstschalter beginnt bei 45.100 Euro.
Unser Testwagen war mit der bevorzugt per Schaltwippen zu betätigenden 8-Stufen-Steptronic ausgerüstet. Mit dem 190 PS starken Diesel ist der BMW 3er G20 sehr manierlich und vor allem effizient motorisiert. Die maximal 490 Nm Drehmoment stehen schon ab 1750 Umdrehungen pro Minute an, die beiden Turbolader – ein kleiner VTG-Lader und ein größerer ohne variable Schaufeleinstellungen – zaubern eine nahezu lineare Beschleunigungskurve. Mit Allradantrieb ist die 0-100 km/h Marke in 6,9 Sekunden, mit Heckantrieb und Automatik in 6,8 (mit Handschalter 7,1) Sekunden erreicht. Mit 233 (xDrive) beziehungsweise 240 km/h Spitze ist man auf einer leeren deutschen Autobahn sehr fix unterwegs. Dass ein moderner Euro 6dTEMP-Diesel bei aller Euphorie rund um das Elektroauto noch immer die wohl umweltverträglichste Antriebsform darstellt, zeigt dann der Testverbrauch: 6,4 Liter auf der Autogefühl-Verbrauchsrunde und sogar nur 5,9 Liter / 100 km im Langzeitspeicher sind respektable Werte. Selbst mit dem serienmäßig nur 40 Liter großen Tank sind so über 600 Kilometer am Stück möglich; mit dem für 170 Euro orderbaren 59 Liter Reservoir samt 8,5 Liter größerem Ad Blue-Tank dann auch echte Langstrecken von über 900 Kilometer.
Dass der Selbstzünder zudem akustisch zurückhaltend arbeitet und mit der Automatik bestens harmoniert, macht den Diesel noch empfehlenswerter. Apropos Akustik: Dank Akustikglas in den Vordertüren (optional auch für die hinteren) und stärkerer Dämmung der A-Säulen sind gerade auf der Autobahn Windgeräusche kaum noch wahrnehmbar.
Fahrverhalten
Die Grundvoraussetzungen für „Freude am Fahren“ auch im BMW 3er G20 sind gut: BMW hat seinen Dauerbrenner um bis zu 55 Kilo abgespeckt (Haube, Heckklappe und Kotflügel aus Aluminium), den Cw-Wert auf 0,23 gesenkt, eine Gewichtsverteilung von 50:50 hinbekommen, den Schwerpunkt um zehn Millimeter gesenkt und die Torsionssteifigkeit um 20 Prozent verbessert.
Das Fahrwerk mit Zugstreben-Vorder- und Fünflenker-Hinterachse wird im neuen BMW 3er G20 um hubabhängig ansprechende Dämpfer mit zusätzlichem Kolben für einen größeren Energieabbau veredelt. Anders als die optional angebotenen, aber überharten M Sport Fahrwerke konnten die Fahrwerksingenieure hier Sportlichkeit und Komfort bestens zusammenbringen. An der Vorderachse wirkt die Progressivität der Dämpfer in Einfederungs-, an der Hinterachse in Ausfederungsrichtung. So verbessert sich auch die Traktion an den angetriebenen Hinterrädern. Natürlich lässt sich weiteres Feintuning über die Wahl der verschiedenen Fahrmodi betreiben – die entsprechenden Drucktasten liegen links vom Getriebewählhebel. Generell gilt, dass schon über diese Möglichkeit sowohl ein nur für wirklich sportliche Touren zu empfehlendes Programm als auch ein Modus mit sehr harmonischem Abrollkomfort anwählbar ist. Was dann auch besser zum Charakter des 320 d passt. Von 19 oder sogar 20 großen Felgen sollte man die Finger lassen – die auch auf unserem Testwagen verbauten 18 Zöller bieten den besten Kompromiss zwischen Optik und noch genügend hohen Dämpfungseigenschaften.
Auch der neue BMW 3er G20 fühlt sich agil an, selbst mit Allradantrieb überwiegt der klassische Heckantriebscharakter. Kurven sind sein bevorzugtes Revier, aber auch auf der Autobahn sichert der verlängerte Radstand gute Richtungsstabilität. Die im Testwagen zu Werke gehende variable Sportlenkung spricht ausreichend leicht, dazu exakt und nicht zu spontan an. Sie dürfte allerdings noch progressiver operieren und rund um die Mittellage mehr Gefühl vermitteln. Den Kurvenspaß trübt diese Auslegung jedoch nicht nachhaltig.
Zu den serienmäßigen Assistenzsystemen gehört der automatische Bremsassistent, der nun auch Radfahrer erkennt. Optional sind zahlreiche weitere Assistenzsysteme wie ein Lenk- und Spurführungsassistent, einen Querverkehr- und Tote-Winkel-Warner, einen Heckkollisionswarner, eine Rückfahrkamera, auch mit 360-Grad-Panoramabild, sowie eine aktive Geschwindigkeitsregelung mit Stop & Go-Funktion.
Abmessungen
Länge: 4,70 m
Radstand: 2,85 m
Breite: 1,82 m
Höhe: 1,44 m
Fazit: Der neue BMW 3er G20 ist den Wurzeln der Baureihe treu geblieben. Er ist mehr eine Evolution denn Revolution, mit einem sehr 3er-typischen, nur in Details leicht überzeichnetem Exterieur-Design und einem qualitativ hochwertigeren Cockpit, in dem man sich jedoch etwas weniger Schalter und Tasten wünschte. Das Platzangebot hat sich dank größerer Abmessungen verbessert, vieles wurde im Bereich Instrumente und Assistenzsysteme stärker digitalisiert. Das Handling bleibt weiter die Domäne des Müncheners, wobei der 320d-Motor nicht nur eine adäquate Leistung abgibt, sondern auch beweist, wie aktuell ein moderner Diesel weiterhin ist.
Mit dem demnächst nachgeschobenen 3er Touring und dem Plug-In-Hybriden 330e (252 PS Systemleistung, 6,0 Sekuden von 0 auf 100 km/h, V-Max 230 km/h, elektrische Reichweite um zehn Prozent auf 60 km verlängert) macht BMW die 3er G20-Reihe noch attraktiver.
Autogefühl: ****
Text: Autogefühl, Thomas Imhof