Fake Auspuff-Blenden & Lufteinlässe – warum wird das gemacht?

Blenden, die einen Auspuff vortäuschen. Lüftungsschlitze, die nur funktionsloses Styling sind, immer riesigere Kühlermasken – viele Designer beschwören mit billigen Fake-Details die Ära des nach viel Luft gierenden und viel Hitze abzugebenden Verbrennungsmotors. Dabei war das Autodesign schon mal längst auf einem entgegengesetzten Weg… Ein Erklärungs-Versuch und Kommentar Von Thomas Imhof

Rückblick ins Jahr 1988: Der Club of Rome hat zwar bereits 1972 vor den „Grenzen des Wachstums“ gewarnt, auch die Klimaerwärmung war, wenn auch nur in akademischen Kreisen, bekannt. Und die Gründung der Partei „Die Grünen“ lag auch schon wieder acht Jahre zurück. Doch von Fridays for Future, einer Grünen-Partei mit 20 Prozent Stimmanteil oder dem vom Pariser Klimaschutzabkommen formulierten 1,5-Grad-Ziel war die (Auto)welt noch Jahrzehnte entfernt. Und dennoch startete ausgerechnet Volkswagen damals einen Trend: Unter anderem beim Passat B3 von 1988 begannen die Wolfsburger Designer, die Heckstoßfänger so zu formen, dass der Auspuff – speziell bei Dieseln – völlig verdeckt war. Die Botschaft: Seht her, hier verpestet niemand die Umwelt.

Mit diesem Statement eilten die Designer – andere Marken folgten nämlich – dem Zeitgeist mächtig voraus. Denn an Kohleausstiegsszenarien, Windkraft- und Solarenergie oder gar Elektrofahrzeuge – der revolutionäre EV1 von GM kam erst 1996 – dachte damals noch niemand. Umso verwunderlicher mutet nun der schon seit ein paar Jahren zu beobachtende Trend zum so genannten Fake-Design an. Man könnte auch von Etiketten-Schwindel oder Attrappen-Inflation sprechen, wenn Fake-Auspuffattrappen und andere funktionslose Luftein- und -auslassschlitze an allen denkbaren Stellen der Karosserie aus dem verschnörkelt geformten Blech sprießen. Und wieder ist es VW samt der Schwestermarke Audi, sowie dazu Mercedes – die als Initialzünder gelten können.

Variante a) – echter Auspuff dahinter, aber Blende macht den Auspuff „größer“ oder formt ihn anders

Variante b) – der Auspuff endet unterhalb des Fahrzeugs, die Blenden sind komplett fake

Variante c) Diverse Blenden, die am Heckstoßfänger ein Auspuffendstück nur andeuten

Mercedes C-Klasse T-Modell
Mercedes C-Klasse

 

Audi Q8

 

DS 4
VW Golf

 

Opel Grandland X
Audi A6

Variante d) – Fake Luftschlitze, im seitlichen Stoßfänger, im vorderen Kotflügel oder im Bugteil 

 

DS 3 Crossback
Ford Kuga ST-Line
BMW 3er, Bugschürze

Da stellt sich die Frage: Wollen die Designer oder ihre Marketing-Kollegen damit das ja auf längere Sicht absehbare Ende der Verbrennungsmotoren hinauszögern oder gar ignorieren?

Solche eher im Zubehörhandel oder in Tuning-Shops zu erwartenden Accessoires wirken angesichts der Gesamtentwicklung des Automobils und der Mobilität im Allgemeinen weder charmant noch stylish. Sondern schlicht peinlich. Als wäre ein dicker Auspuff so etwas wie eine – mit Verlaub gesagt – Penisverlängerung. Es ist ja okay, wenn ein BMW M4 oder einer dieser AMG-Monster seine vier Endrohre stolz aus dem Heck ragen lässt, da stimmen Optik und Performance immerhin noch überein und wer es halt braucht, soll es kaufen können. Ei Alter, geil wa? Aber was sollen bitte Fake-Exhausts an einer kreuzbraven Mercedes C-Klasse oder einem Audi A4? Gibt es da nicht andere Möglichkeiten, einen Heckstoßfänger attraktiv und clever zu unterteilen und ihm so einer Klobigkeit zu berauben?

Mit den gerne silbern akzentuierten Auspuffblenden ist es in punkto Fake-Design ja längst nicht getan. Andere Elemente, die einen Verbrennungsmotor und dessen Bedürfnis nach frischer Luft signalisieren sollen, zählen Luftschlitze in den vorderen Kotflügeln (Beispiel: Ford Kuga) oder Frontschürzen, in denen große Teile der Lüftungsgitter reine Show, weil abgedeckt sind. Oft zu sehen bei SUVs, die für solche Tricksereien eine treffliche Spielwiese abgeben.

Aber es gibt auch Täuschungsmanöver an der Heckpartie: Wie zum Beispiel beim DS3 Crossback, wo kleine vertikale Auslassschlitze – obwohl völlig geschlossen – wohl andeuten sollen, dass hier von den Bremsen erzeugte Heißluft nach außen strömen kann. Hallo, bei 130 PS? BMW frönt beim neuen 3er dieser Fake-Design-Spielart übrigens ganz besonders und steht in punkto Attrappen-Inflation auch sonst den deutschen Konkurrenten von VW/Audi und Daimler kaum nach. Zugleich stimmen auch Importeure fröhlich mit ein, die einen mehr, die anderen weniger.

In den gleichen Deutungshorizont wie Fake-Design einzuordnen ist die Unsitte zu immer mächtigeren Kühlergrills. Es geht dabei um die Signalwirkung, die erzeugt wird. Speziell BMW treibt es immer bunter – der Nieren-Grill des neuen 3er dürfte inzwischen doppelt so breit sein wie der des ersten Dreiers von 1975. Doch alles nichts gegen die Grills der 7er Limousine oder des X7 – sie scheinen Vorausfahrende geradezu von hinten verschlingen zu wollen.

BMW 3er – 2. Generation (E30)
BMW 3er – aktuelle Generation
BMW X4M Competition2
Audi SQ8

Neben dem aggressiven Unterton, den solche Designs aussenden – als hätten wir nicht schon genug Aggressivität im Straßenverkehr, in Social Media und auch sonst im zwischenmenschlichen Umgang – wird auch hier überbetont, dass unter der Motorhaube ein starker Verbrennungsmotor sitzt. Der ganz viel, ich betone, GANZ viel Frischluft benötigt, um seine volle Leistung abzurufen. Dabei ist Fakt, dass in den meisten Fällen keine technische Notwendigkeit für solche Auswüchse besteht, es ist reines Protz- und Imponiergehabe. Beim neuen Audi SQ8 ist die ganze Frontpartie nur noch ein einziges Fachwerk aus Kühlerverstrebungen, in dem die Scheinwerfer als gestalterisches Element nur eine Nebenrolle spielen. Das Ganze hat auch nichts mit Markenbindung und Family Face zu tun – einen BMW erkennt jedes Kind auch mit einer um ein Drittel kleineren Niere, einen Mercedes allein an seinem Stern, einen Audi an den vier Ringen, einen Jaguar an seinem Raubkatzen-Kopf.

Also werte Auto-Designer und Auto-Designerinnen: Warum seid ihr anders als eure Kollegen/innen in den späten 80er-Jahren wieder so retrolastig? Was wollt ihr mit Fake Design und immer gierigeren Kühlermasken ausdrücken? Welcher Zeit trauert ihr – oder eure Marketing-Oberen – nach? Sehen so Signale aus in einer Zeit aus, in der sich die Autoindustrie so rasant transformiert wie vielleicht noch nie in ihrer Geschichte? Wir würden uns freuen, in Zukunft wieder mehr wirklich neue Designelemente an unseren Autos zu finden. Weniger Deko und Styling, mehr authentisches und funktional begründetes Design ist gefragt. Die immer fortschrittlicheren Scheinwerfertechnologien haben schon jetzt zu spannenden neuen Themen im Bugbereich geführt, und Elektroantriebe erlauben ebenfalls viel neuen Gestaltungsspielraum. Nur bitte verschont uns mit weiteren Fake-News!