Kia Proceed GT Fahrbericht 2020

Er wirkt wie eine koreanische Kopie des Mercedes CLA Shooting Brake. Doch kann er neben spektakulärer Optik auch mit inneren Werten glänzen? Test der 204 PS starken Top-version Kia Proceed GT. Von Thomas Imhof

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Kia liefert den wie alle Mitglieder der Ceed-Familie im slowakischen Žilina produzierten Proceed als GT-Line mit einem Drei- und zwei Vierzylinder-Benzinern sowie zwei Dieseln. Doch nur der ProCeed GT kommt in den Genuss des 204 PS starken Top-Motors. Die Proceed-Reihe teilt sich die Bodengruppe mit dem deutlich zahmer gestylten Kombi Ceed Sportwagon – bei gleichem Radstand und bis auf eine geringfügig größere Länge auch sonst identischen Außenmaßen. Der Aufpreis zum Beispiel für die Version mit 140 PS starkem Benziner beträgt rund 4500 Euro, eine Plug-in-Hybrid-Variante wie für den Ceed Sportswagon fehlt dagegen im Angebot. Der Preis bereits ab Werk sehr reichhaltig ausgestatteten Kia ProCeed GT beginnt preislich bei 30.891 Euro; für die von uns gefahrene Ausführung mit Doppelkupplungsgetriebe sind fast 2000 Euro extra fällig.

Exterieur

Es ist wohl nicht übertrieben, den Kia Proceed GT als echten Hingucker zu apostrophieren. Da ist zum einen die Grundform mit dem bogenförmig weit nach hinten gezogenen Dachaufbau. Und zum anderen zahlreiche Details, die teils verspielt, teils im Spirit eines Golf GTI, das ganze Auto durchziehen. Das beginnt mit feinen roten Streifen am Frontspoiler und an den Türschwellern, setzt sich über rote Einsätze in den Waben des glanzschwarzen Kühlergrills („Tiger-Nase“) mit „GT“-Emblem und einem haifischflossen-artigen silbernen Element im dritten Seitenfenster fort und gipfelt in einem Heck mit einer trapezförmigen dritten Bremsleuchte, markantem Diffusor und (gefakten) Luftauslässen an den Flanken des Stoßfängers. Spektakulär auch der doppelte Auspuff – kein Fake – und die ähnlich wie zum Beispiel bei Porsche beleuchtete Querspange zwischen den beiden Rücklichtern. Und durch die 18-Zoll-Felgen schimmern vorn und hinten rote Bremssättel. Keine Frage: Wo immer man mit dem Kia Proceed GT vorfährt, er macht Eindruck. Wozu die Farbe unseres Testwagens, Orange Fusion Metallic, zusätzlich beitrug.

Interieur

Die Materialqualität im Interieur des Kia Proceed GT enttäuschte uns etwas. Als Beispiele zu nennen sind die billigen Schalter für die elektrische Sitzverstellung oder der Schalter für die elektrische Handbremse. Oder auch die Lautsprecher der JBL Soundanlage (acht Speaker plus Subwoofer im Kofferraum und Zentrallautsprecher im Armaturenbrett), für die es kein eigenes Gehäuse gibt und die somit nur bündig in die Türverkleidungen eingelegt sind. Sehr solide hingegen der Türzuziehgriff, der ebenso wie die Einfassungen der Lüfterdüsen in einer Aluminium-Anmutung ausgeführt ist.

Der Kia Proceed GT kommt ab Werk mit einem digitalen Cockpit und HD-Display mit einer Bildschirmdiagonale von 12,3 Zoll. Die Ablesbarkeit ist gut, weniger hingegen die geringe Auflösung der Kartendarstellung im 10,25 Zoll großen Display des Navigationssystems. Das kostet als Paket 1260 Euro und umfasst neben einem Navi-Update für sieben Jahre und einer Verkehrszeichenerkennung für Geschwindigkeitslimits diverse Online-Dienste wie Verkehrsinfos in Echtzeit, Warnung vor Gefahrenstellen, Wettervorhersagen, Points of Interest, Suche nach Parkmöglichkeiten und einiges mehr. Über die so genannte UVO App (für Android- und Apple-Smartphones) lassen sich viele Daten zum Status des Kia Proceed GT und zur aktuellen Fahrt abrufen. Eine Reihe von Funktionen lassen sich auch fernbedienen.

Die elektrisch verstellbaren Sitze kosten in Kombination mit einer Sitzheizung auch für die äußeren Plätze der Rückbank 672 Euro extra (Komfort-Paket). Die schwarzen Bezüge sind eine Mischung aus einem sehr weichen Veloursleder (Innenbahnen) und Außenbereichen in Tierhaut. Sie tragen ebenso wie die Innenflächen der Türtafeln farblich rot abgesetzte Ziernähte und das gestickte Logo „GT“. Das Lenkrad ist beheizbar und trägt bei der von uns getesteten Version mit DSG Schaltwippen zum manuellen Eingriff.

Das Raumgefühl ist trotz des stark abfallenden Dachs auch hinten großzügig, sogar groß gewachsene Zeitgenossen haben noch genügend Kopffreiheit. Ein elektrisches Glasschiebedach ist für 965 Euro bestellbar.

Dank elektrisch zu öffnender Heckklappe gelingt der Zugang zum Kofferraum denkbar bequem, wäre da nicht die doch etwas hohe Ladekante von 77 Zentimetern. Er fasst schon im Normalzustand fast 600 Liter, klappt man die im Verhältnis 40:20:40 geteilt umklappbare Rückbank um, vergrößert sich das Volumen auf 1545 Liter. Die Länge des nutzbaren Raums beträgt 1,07 Meter, an der schmalsten Stelle ist die Cargo-Zone 1,03, an der breitesten 1,20 Meter breit. Die Höhe von nur 65 Zentimeter allerdings ist begrenzt – irgendwo muss Kia dem Design eben Tribut zollen. Sind die Sitze des Kia Proceed GT flach gelegt, passen 1,70 bis 1,85 Meter lange Gegenstände hinein. Praktisch auch die Verstaufächer im Unterboden und das Schienensystem.

Dass die Qualität bei Kia noch verbesserungsfähig ist, zeigten übrigens auch die unterschiedlichen Spaltmaße an beiden Seiten der Heckklappe. Sie waren zumindest bei unserem Testwagen schon mit bloßem Auge zu sehen.

Motoren

Benziner

1.0 T-GDI 120 PS
1.4 T-GDI 140 PS
GT 1.6 T-GDI 204 PS

Diesel
1.6 CDRi 136 PS Sechsgang-Getriebe
1.6 CDRi 136 PS Siebenstufen-DSG

Das Programm für den Kia Proceed beginnt bei einem Dreizylinder-Benziner mit 120 PS in Kombination mit einem Siebengang-Handschalter. Gefolgt von einem Vierzylinder mit 140 PS, für den ebenso wie für den Kia Proceed GT wahlweise eine manuelle Sechsgangbox oder das siebenstufige Doppelkupplungsgetriebe zur Wahl stehen. Das Gleiche gilt
für den 136 PS starken Turbodiesel, wobei die Version mit DSG statt 280 satte 320 Nm auf die Vorderachse schickt.

Mit dem 204 PS starken Direkteinspritzer Benziner mit Twinscroll-Lader ist der Kia Proceed GT gut, aber nicht übermäßig stark motorisiert. Subjektiv herrscht das Gefühl, es könnten gerne noch ein paar PS mehr sein. Zumal die allerdings bereits ab 1500 Touren abrufbaren 265 Nm an Drehmoment auch nicht die Welt sind.

Wer es mag, findet sicher an der in unserem Testwagen installierten Duplex-Klappenauspuffanlage Gefallen. Es gibt zwei Stufen, wobei selbst in der zahmeren der beiden Stellungen ein deutlich vernehmbares Auspuffgrollen schon im Leerlauf ertönt. Wird das „Sport“-Programm per taste aktiviert, geht das große Konzert erst richtig los. Unsere Meinung: Cleverer wäre es, nur in der zweiten Stufe auf volle Lautstärke zu stellen – und gleichzeitig den Soundgenerator im Innenraum zu aktivieren – und in der unteren die Klappen zuzulassen. Die Nachbarn werden es bei einem Frühstart am morgen zu schätzen wissen.

Wohl nur bei unserem Testwagen traten zwischen 2400 und 2600 Umdrehungen und auch nur im „Sport“-Modus Vibrationen aus dem Auspuffstrang auf, die sich bis in den oberen Rand des Instrumententrägers fortsetzten. In der Werkstatt wurde anschließend ein offenbar falsch verlegtes Kabel im Bereich des „Soundgenerators“ als Quelle des Übels ausgemacht. Nachdem es neu befestigt war, seien die Vibrationen verschwunden, teilte Kia mit.

Die Verbrauchsfahrt mit dem rund 1,5 Tonnen schweren Kia Proceed GT ergab einen Wert von 8,0 Liter/100 km; der Langzeitverbrauch lag mit 8,4 Liter sogar noch etwas höher. Die Werksangabe von 6,8 Liter erwies sich wie eigentlich bei fast jedem Modell als zu optimistisch und ist im realen Verkehr nahezu unerreichbar.

Fahrverhalten

Das Handling des Kia Proceed GT kann als gutmütig und flüssig bezeichnet werden, die Lenkung spricht exakt an, ohne dabei zu ruckartig die Lenkbefehle umzusetzen. Der Abrollkomfort war trotz der großen Felgen mit Reifen der Dimension 225/40 R 18 selbst im „Sport“-Programm noch angenehm ausgewogen. Wenngleich straffer als im familienfreundlicheren Kombi.

Das Arsenal an Assistenzsystemen kann sich sehen lassen: Stauassistent (Lane Follow Assist), Fernlichtassistent, adaptive Cruise Control, Parkassistenten, Parksensoren vorn und hinten, Lane Keep Assist, Frontkollisionswarner mit Bremseneingriff und Fußgängererkennung, Müdigkeits- und Querverkehrs-Warner und Spurwechselassistent mit Totwinkelwarner – da bleibt kaum ein Wunsch offen.

Abmessungen

Länge: 4,60 m
Radstand: 2,65 m
Breite: 1,80 m
Höhe: 1,42 m

Fazit:


Der Kia Proceed GT dürfte vor allem jene ansprechen, die sich eine möglichst spektakuläre Optik wünschen. Das bietet der Koreaner in der Tat, wobei es die Designer mit den teils verspielt wirkenden Details fast schon etwas übertreiben. Vom Kombi Sportwagon unterschiedet sich der „Shooting Brake“ vor allem durch ein straffer abgestimmtes Fahrwerk und die deutlich auffälligere Heckpartie. Die abfallende Dachlinie kostet ein wenig Übersichtlichkeit, bietet aber dennoch Platz für Personen mit bis zu 1,90 Meter Größe. Sogar das Ladevolumen bleibt fast identisch – und wer lädt schon jemals sein Auto bis unters Dach auf.

Der 204-PS-Motor wirkt ausreichend, hier würde man sich in manchen Situationen aber etwas mehr Punch wünschen. Der Klappenauspuff wirkt aufdringlich und sollte zumindest in der unteren von zwei Stufen stärker gedimmt sein. Nicht nur der subjektive, sondern auch objektive Qualitätseindruck lässt noch Luft nach oben.

Aber was will man erwarten bei einem Basispreis von lediglich 30.890 Euro – ein CLA Shooting Brake mit nur 165 PS kostet bereits über 42.000 Euro und die 225 PS-Version des Daimler schon fast 52.000 Euro. Selbst wenn der Wiederverkaufswert des Kia deutlich geringer ausfallen wird – da trennen den Koreaner mit seiner Sieben-Jahres-Garantie und sein Design-Vorbild aus Sindelfingen Welten.

Autogefühl: ***

Text: Autogefühl, Thomas Imhof