Audi e-tron GT Fahrbericht: Audi erfindet sich neu

Mit dem Audi e-tron GT schickt Audi ein weiteres Elektroauto ins Rennen, von der Bauweise eine Art elektrifizierten A7, aber auf einer komplett neuen Plattform (J1), die zusammen mit Porsche entwickelt wurde. Was hat der Audi e-tron GT zu bieten? Er kommt zunächst in zwei Versionen, als Audi e-tron GT quattro und als Audi RS e-tron GT mit noch mehr PS und mehr Ausstattung. Von Thomas Majchrzak





Exterieur

Audi e-tron GT

Audi RS e-tron GT

Gebaut wird der neue Audi e-tron GT in Neckarsulm, auf derselben Montagelinie wie der Audi R8, obwohl diese Fahrzeuge technisch völlig unterschiedlich sind. Der Audi e-tron GT ist wie beschrieben ein Bruder des Porsche Taycan. Die Produktion erfolgt CO2-neutral, heißt mit Strom aus Erneuerbaren Energien und darüber hinaus mit CO2-Ausgleichs-Zertifikaten. Ein willkommener Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit.

Außen ist der Audi e-tron GT scharf gezeichnet, das rundliche, in Asien beliebte Design berücksichtigt Audi eher weniger, sondern zeigt klare Kante. Dem europäischen, eher kantigen und klaren Design-Geschmack kommt das entgegen. Serie sind LED-Leuchten mit dynamischem Blinklicht, optional für den Audi e-tron GT quattro oder Serie für den Audi RS e-tron GT erhält man Matrix LED, eine weitere Option ist Matrix LED mit Laserlicht, was Reichweite des Fernlichts dann noch mal verdoppelt. Der Kühlergrill kommt in Wagenfarbe, in Grau oder mit dem Schwarzpaket in Schwarz. Im unteren Bereich des Grills wird nur bei Bedarf Luft durchgelassen, weil ein Elektroauto nicht so viel Kühlung benötigt.

Gegenüber einem A7 ist der e-tron GT noch etwas flacher und breiter, ansonsten ist er mit 4,99 m ähnlich lang. Das Seitenprofil ist lang gestreckt und sinnlich, die hinteren Schultern stark herausgestellt. Die Felgen starten bei 19 Zoll, 20 Zoll ist Serie für den RS, bei beiden Modellen geht es hoch bis 21 Zoll. Neben den Standard-Bremsen gibt es Bremsscheiben mit Wolframcarbit-Beschichtung (Serie für RS), die man von Porsche kennt. Diese reduzieren Bremsstaub und leichten Rost, der sich sonst bei nicht stark benutzten Bremsscheiben anlagert, wie es bei Elektroautos häufig der Fall ist. Optional stehen Keramik-Bremsen zur Verfügung.

Fahrdynamisch bekommt man eine Luftfederung (optional oder Serie für RS) mit drei Kammern, die Fahrhöhe variiert dann je nach Fahrmodus und Geschwindigkeit. Ebenfalls optional oder Serie für RS ist die Hinterachslenkung, die bis 50 km/h bis zu 2,8 Grad gegensinnig einlenkt und somit für mehr Wendigkeit und Agilität sorgt. Oberhalb dieser 50 km/h lenkt die Hinterachslenkung leicht parallel mit für mehr Stabilität. Und noch ein weiteres Feature nach dem Motto Option für Basis, Serie für RS: das spezielle Hinterachs-Sperrdifferenzial mit variabler Steuerung (Serie: Hinterachs-Sperrdifferenzial mit festen Werten).

Der Preisunterschied zwischen Audi e-tron GT quattro und Audi RS e-tron GT liegt bei gut 40.000 Euro (100.000 Euro vs 140.000 Euro), für diese 40.000 Euro mehr bekommt man also neben ein bisschen mehr Leistungs-Tuning direkt größere Felgen in 20 Zoll, Wolframcarbit-Beschichtung für die Bremsscheiben, Luftfederung, Hinterachslenkung und ein erweitertes variables Sperrdifferenzial.

Ein Lichtband zieht sich über das gesamte Heck. Der Kofferraum öffnet allerdings nur mit kleiner Öffnung, nicht im Stile eines Fastbacks.

Interieur

Audi e-tron GT

Audi RS e-tron GT

Das Interieur ist ein Novum bei Audi: Lange hat Audi dafür gebraucht und hinkte den anderen Premium-Herstellern hinterher, dafür kommt jetzt erstmals der große Aufschlag: Das Interieur ist in einem Design-Paket komplett tierfrei. Das entspricht den Anforderungen an Tierschutz und Nachhaltigkeit und ist gleichzeitig für alle Passagiere von Vorteil: Der graue Stoff fühlt sich gut an, macht gleichzeitig einen haltbaren Eindruck und verbessert den Sitzklimakomfort gegenüber Tierhaut-Bezügen. Im Sommer schwitzt man weniger, im Winter ist der Bezug nicht kalt. Für die lederfreie Ausstattung bekommt man entweder den Mix Stoff/Kunstleder oder Dinamica-Mikrofaser/Kunstleder. Im Vergleich zum ähnlichen Angebot im Porsche Taycan sieht der Stoffsitz im Audi e-tron GT noch mal besser aus und fühlt sich auch hochwertiger an. Die Stoffsitze sind zu 100 % aus Recycling-Materialien oder Stoffreste, die Mikrofaser-Variante hat einen Recycling-Anteil. Allerdings: Standard ist weiterhin ein Interieur mit Tierhaut-Anteilen, die vegane Innenausstattung ist lediglich optional, wie beim Porsche Taycan. Das setzt Tesla erneut konsequenter um und zeigt, dass Audi in der Produktpolitik immer noch nicht gänzlich verstanden hat, worum es geht. Aber es ist ein großer Fortschritt. Grundsätzlich stehen zwei Sitzformen zur Verfügung, der Sportsitz mit 8-Wege-Verstellung und der in den Sitzwangen etwas ausgeprägtere Sportsitz Plus (Serie für RS). Nur für den Sportsitz Plus stehen die tierfreien Innenräume zur Verfügung, und das auch nur in der 14-Wege-Verstellung, nicht in der 18-Wege-Verstellung. Der Bodenteppich sowie die Fußmatten sind in beiden Modellen aus Econyl gefertigt. Dieses Material besteht zu 100 Prozent aus recycelten Nylonfasern, die aus Produktionsabfällen, Stoff- und Teppichbodenresten oder alten Fischernetzen stammen – ebenfalls eine gute Nachhaltigkeits-Idee. Das Lenkrad ist im lederfreien Paket griffig mit Mikrofaser bezogen, wie man es aus dem Rennsport kennt. Insgesamt wandern gut 120 recycelte PET-Flaschen in das Interieur.

Die Instrumente sind komplett digital (Audi Virtual Cockpit in 12,3″), in der Mitte gibt’s einen großen Touchscreen in 10,1″, darunter eine manuelle Klima-Einheit zum Klicken von Temperatur & Co. Das ist deutlich besser zu bedienen als beim Porsche Taycan, der dafür einen weiteren Screen hat. Optional erhält man ein Head-up-Display. Das Dach kommt in Serie als Glasdach, optional undurchsichtig mit CFK. Die Windschutzscheibe besteht aus geräuschdämmendem Glas, optional bekommt man auch Seitenscheiben und Heckscheibe damit.

Hinten warten zwei Einzelsitze mit Sportsitzen, die den vorderen nachempfunden sind. In der Mitte kann man auch Platz nehmen, allerdings besser nur im Notfall. So genannte Foot-Garages (Aussparungen in der Batterie-Unterbringung) sorgen dafür, dass man hinten auch Platz für seine Füße hat. Mit vier großen Erwachsenen kann man im Audi e-tron GT also fahren.

Der Stauraum teilt sich ähnlich schon wie beim Audi e-tron SUV auf in vorne und hinten, beim Audi e-tron GT stehen 81 l vorne und 405 l im Heck zur Verfügung. Der Kofferraum öffnet nur lukenartig wie bei einer Limousine, nicht fastback-artig wie beim Audi A7.

Motoren

93 kWh Batterie (brutto) / 86 kWh netto
Dauerleistung 476 PS im e-tron GT, 598 PS im RS e-tron GT
PS-Peak jeweils für 2,5 Sek. 530 PS im e-tron GT, 646 PS im RS e-tron GT
Aufgeteilt auf zwei Elektromotoren, einer pro Achse -> Allrad
Hinten zwei Gänge
4,1 bzw. 3,3 Sek. 0-100 km/h
Höchstgeschwindigkeit 245 bzw. 250 km/h
Effektive Reichweite 400 km (Sommer und gemächliche Fahrt 400 km +, Winter und/oder höhere Geschwindigkeiten eher gen 300 km)
Nachladen mit 11 kW AC (optional 22 kW AC) und 270 kW DC (250 kW effektiv im Test erreicht bei 20 % Ladestand an einem Ionity Fastcharger, bei ca. 50 % Ladestand dann noch 150 kW)
Wärmepumpe serienmäßig

Audi hat für den e-tron GT einen eigenen Sound komponiert. Der optionale e-tron Sportsound umfasst zwei Steuergeräte und Verstärker im Gepäckraum. Sie erzeugen einen separaten Außen- und Innensound, den je zwei Lautsprecher außen und innen abstrahlen. Als Basis für den digitalen Sound dienen Daten über die Drehzahl der E-Maschinen, die Last, die Geschwindigkeit und weitere Parameter. Auf dieser Basis entsteht ein synthetischer Klang, der die Arbeit des Antriebs abbildet. Über Audi drive select kann der Fahrer das Klangbild modulieren. Im Profil „efficiency“ ist nur das AVAS Acoustic Vehicle Alerting System aktiv, das bereits einen breiteren Sound erzeugt als gesetzlich verlangt. Im Modus „comfort“ wird der Außensound stärker. Das Profil „dynamic“ macht ihn noch eine Stufe kraftvoller, dann kommt auch der Innen-Sound hinzu.

Fahrverhalten

Das Batterie-Paket sitzt zentral und tief, wie üblich bei Elektroautos. Das sorgt für einen niedrigen Schwerpunkt. Die Gewichtsverteilung von Vorder- zu Hinterachse beträgt ferner 50:50. Das ermöglicht agile Fahrleistungen. Der Audi e-tron GT fühlt sich super sportlich an, zeigt dabei durch das Luftfahrwerk aber durchweg exzellenten Federungskomfort. Hierbei spürt man auch einen Unterschied zum Porsche Taycan: Der Taycan ist sportlicher abgestimmt, der Audi e-tron GT eben so wie ein GT, gutmütiger. Trotzdem fühlt er sich sehr flink an. Dazu trägt auch die (optionale oder Serie im RS) Hinterachslenkung bei.

Die Beschleunigung ist bereits im normalen GT Modell rasant, das Drehmoment liegt immer sofort an. Die Lenkung ist super direkt und vermittelt ein tolles Gefühl, man hat das Fahrzeug jederzeit toll im Griff. Die Geräuschdämmung ist auf einem hohen Niveau, wenn auch gleich sie nicht ganz an A6 / A7 / A8 herankommt, wenn man über 160 km/h fährt.

Als Verbrauch verzeichnen wir gut 22 kWh / 100 km, was dann einer Reichweite von 400 km entspricht. Fährt man Vollgas auf der Autobahn mit 180 km/h durchgehend, würde sich die Reichweite halbieren. Bei unserem Nachlade-Test am Ionity Fastcharger kommen wir auf 250 kW, was dann bedeutet: 100 km in 5 Minuten nachladen. Nach ein paar Minuten fällt die Power dann auf gut 150 kW, was aber immer noch beachtlich ist.

Abmessungen

Länge: 4,99 m
Radstand: 2,90 m
Breite: 1,96 m
Höhe: 1,41 m

Fazit: Der neue Audi e-tron GT ist ein Designobjekt, zeigt im Innenraum, dass ein Sportwagen auch für seine Verhältnisse nachhaltig sein kann: Endlich steht auch für den Innenraum ein tierfreies Paket zur Verfügung, wenn hierzulande auch nur optional (aber Serie in USA). Die Elektro-Architektur bietet innen ausreichend Platz. Die Fahrleistungen orientieren sich wie die Plattform am Porsche Taycan und man kann aufgrund der Verwandtschaft von einer hohen Agilität ausgehen. Der Audi e-tron GT zeigt hier aber klar die Gene als GT und ist komfortabler ausgelegt, das Fahrwerk ist großes Kino.

Autogefühl: *****

Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak