Cadillac XT4 Fahrbericht – das kleinste Cadillac SUV

Im mittlerweile übervollen Mittelklasse-SUV-Segment spielt der Cadillac XT4 die Rolle des exotischen Amerikaners. Wir fuhren das Modell mit nur in Europa angebotenem Turbodiesel und wollten wissen, ob der Caddy mehr kann als nur gut aussehen. Von Thomas Imhof

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Der Cadillac XT4 (XT für Crossover Touring 4) ist das aktuell einzige Modell, das die edle GM-Tochter in Deutschland und Europa anbietet. Das SUV wurde bereits 2018 auf der New York Auto Show präsentiert, kam aber erst im Juni 2020 nach Europa. Innerhalb des SUV-Aufgebots von Cadillac ist es das kompakteste Modell (in den USA als compact-sub-compact eingeordnet), rangiert unterhalb des XT5 und XT6. In Europa tritt der 4,60 Meter lange XT4 gegen Fahrzeuge vom Format der nur leicht längeren Audi Q5 oder Volvo XC60 (jeweils 4,68 Meter) an.

Der Cadillac XT4 basiert auf der E2XX Plattform, die er sich in den USA mit dem Buick Envision teilt, und wird im Werk Fairfax (Kansas) gebaut. Angeboten wird er neben Nordamerika und Europa auch in Russland, im Nahen Osten und in Japan; dazu – gebaut im Joint-Venture-Werk von SAIC-GM in Shanghai – in China. 2020 wurden in China 58.000 XT4 verkauft; gegenüber nur 22.470 in den USA. In Deutschland dagegen fanden ganze 36 Modelle den Weg auf die Straße, davon 23 mit 4×4-Antrieb und alle mit dem Dieselaggregat. Exotischer kann ein Modell fast nicht sein.

Exterieur

Cadillac pflegt seit Jahren recht konsequent eine eigene Designsprache, die durchaus eigenständig ist und eine tendenziell eher kantige denn rundliche DNA pflegt. Am besten gefällt uns die Frontpartie mit dem herrschaftlichen Grill – in der getesteten Sport-Version gehalten in glänzend Schwarz – und den ähnlich wie bei aktuellen Modellen von Peugeot senkrecht nach unten gezogenen Tagfahrleuchten, die zugleich auch als Blinker fungieren. Die Gehäuse der serienmäßigen LED-Scheinwerfer ziehen nach innen, der untere Teil des Stoßfängers ist schwarz abgesetzt. Auch die vorderen Blinker und das im Dunkeln sehr nützliche Kurvenlicht setzen auf LED-Technik. Die seitlichen Lufteinlässe in glänzend Schwarz mit jeweils fünf Querspangen sind dagegen nur Fake. Beim Öffnen der Motorhaube entdecken wir einen für ein solches Premium-Produkt eher schwach dimensionierten Gasdruckdämpfer zum Aufstellen, der dazu auch noch an einer wie nachträglich angepappten Aufnahme angebracht ist.

Die Seitenpartie des Cadillac XT4 350 d ist vergleichsweise schlicht und kommt ohne große Wölbungen und Lichtkanten aus; auch die Fensterlinie läuft ziemlich gerade bis hinten durch. Ab der B-Säule nach hinten sind alle Fensterflächen dunkel getönt. Mehr Drama dann wieder am hübsch gestalteten Heck mit den ähnlich wie bei vielen Volvo Modellen hoch in Richtung Dach gezogenen Rückleuchten, hier unter getöntem Klarglas. Leider nehmen die Blinkerleuchten einen zu kleinen Platz ein, zugleich sitzen sie auch ziemlich am unteren Rand und können so von nachfolgenden Fahrzeuglenkern nicht gut eingesehen werden. Eine weitere, allerdings eher angenehme Besonderheit, ist der in der Ruheposition unsichtbare Heckscheibenwischer, der sich dann regelrecht unter dem Dachspoiler versteckt. Zwei Endrohre für den Auspuff wirken für einen braven Zweiliter-Diesel vielleicht etwas dick aufgetragen, sind aber zumindest real und kein Fake.

Ein optisches Highlight sind die aufpreispflichtigen (1200 Euro) und diamantgedrehten Leichtmetallfelgen im Format 20 Zoll mit fünf Doppelspeichen im Finish Titan Satin. Sehr hübsch auch die Außenfarbe des Testwagens – Autumn Orange Metallic – für die Cadillac 850 Euro extra berechnet.

Insgesamt macht der Cadillac XT4 einen durchaus attraktiven Eindruck. In jedem Fall eigenständig und mit einem Schuss US-Charme, der aber nicht wie früher so oft erlebt ins Kitschige abgleitet.

Interieur

Cadillac bietet den XT4 in den Ausstattungsstufen Luxury, Premium Luxury und der getesteten Line Sport an. Schon ab Basis sind acht Airbags, die elektrische Heckklappe, Zweizonen-Klima, beheizbares Lenkrad (mit Druckkopf direkt am Lenkrad), hintere Parksensoren, Rückfahrkamera, im Verhältnis 40:20:40 geteilt umlegbare Rückbank (ohne Schnellentriegelung vom Kofferraum), LED-Licht, Sitzheizung (auch für hinten) und Keyless Go serienmäßig. Erst im Premium Luxury kommt die Dachreling, das sehr hoch auflösende Head-up-Display, der Regensensor und ein Paket aus Notbrems-, Spurhalte- und Verkehrszeichen-Assistent hinzu.

Der Raumeindruck auf den Vordersitzen ist wie von einem SUV zu erwarten sehr gut; das Dreispeichen-Lenkrad lässt sich elektrisch in Höhe und Weite genau einstellen, so passt die Sitzposition. Auf der Rückbank hingegen wird für Menschen über 1,85 Meter Größe der Knieraum schnell knapp. Bei zugleich noch ausreichender Kopffreiheit, aber nicht ausreichend höhenverstellbaren Kopfstützen.

Die Verarbeitungsqualität ist anders als früher von US-Modellen gewohnt deutlich besser geworden; weite Bereiche sind mit Soft-touch-Materialien ausgekleidet. Lediglich die Einlagen im Aluminium-Look wirken etwas billig; ebenso der Dreh-/Drückschalter für die Steuerung des Infotainment-Systems und der Radioknopf. Dafür verdienen die Make-up-Spiegel tatsächlich ihren Namen.

Die Armaturen bestehen aus zwei Analoganzeigen für Geschwindigkeit und Drehzahl – sehr schön, wieder einmal „echte“ Anzeigenadeln rotieren zu sehen. Dazwischen dann ein digitales Infofeld für den Bordcomputer oder die Abstandsanzeige. Eine Karte fürs Navi gibt es nur im 8 Zoll großen Zentraldisplay, das sehr elegant in den Armaturenträger eingelegt ist, statt auf denselben aufgepflanzt zu sein. Über den Dreh-/Druckschalter lassen sich insgesamt acht Hauptmenüs leicht anwählen. Auch sonst geht alles noch analog ab – gleich zwei Reihen von Bedientasten sind übereinander auf der Mittelkonsole aufgereiht. Als Handbremse kommt zwar keine Fußfeststellbremse mehr zum Einsatz; dennoch ungewohnt, dass dies eine Taste links vom Lenkrad übernimmt. Aber auch über den sehr schön gefertigten Automatikwählhebel der 9-Stufen-Automatik lässt sich über Wahl der Position P das Auto sicher abstellen.

Die Sitze bestehen aus einer Kunstleder/Tierhaut-Mixtur; Cadillac bietet aber auch Sitze nur aus Leatherette an. Die seitlichen Wülste lassen sich ja nach Body-Mass-Index aufblasen, was mehr Seitenhalt bringt. Den kann leider das Sitzkissen nicht bieten; es ist nahezu flach und an den Seiten nur minimal aufgepolstert. Bei schneller Kurvenfahrt kann der Unterleib daher mal leicht ins Rutschen kommen. Gegen Aufpreis gibt es für die Vordersitze eine Kühl- und Massagefunktion.

Der Kofferraum ist mit 637 Liter durchschnittlich groß; im Unterboden nimmt das Tire Fit-System den Großteil der dortigen Ladewanne ein. Kritik gibt es am Öffnungswinkel der elektrischen Heckklappe – hier stoßen Großgewachsene leicht mit dem Kopf an. Die Auskleidung des Laderaums ist hochwertig.

Insgesamt ist der Cadillac Innenraum durchaus wohnlich und bei der Bedienung gibt es keine großen Komplikationen. Auch Ablagen gibt es genügend; eine induktive Smartphone-Aufladefunktion findet sich im Ablagefach zwischen den Vordersitzen. Auch USB-C und USB-Ports (insgesamt vier) sind vorhanden, sodass man sich die Mitnahme eines Adapters sparen kann. Cool auch der Innenspiegel, in den auf Wunsch das Bild einer auf dem Dach sitzenden Kamera projiziert wird. Die Wiedergabe erscheint uns kristallscharf und besser als bei vergleichbaren Systemen anderer Marken.

Das Bose Surround-System mit 13 Lautsprechern ist ebenfalls serienmäßig und sorgt dafür, dass das nicht so prickelnde Geräusch des Diesels mit vortrefflicher Musik übertönt wird. Das zweiteilige „UltraView“-Schiebedach kostet 1200 Euro und ist ein Stimmungsaufheller; ein Anhängerpaket steht mit 790 Euro in der Preisliste.

Motoren

Cadillac rüstet den XT4 mit je einem Vierzylinder-Benzin- und Dieselmotor aus; wobei es den Selbstzünder 350d in Kombination mit Front- und Heckantrieb gibt. Den Benziner dagegen generell mit 4×4-Traktion. Beide Triebwerke erfüllen die Abgasnorm Euro 6d; der Diesel hat ein AdBlue-Reservoir.

So sieht das übersichtliche Angebot aus:

Benziner

350 T AWD 1998 ccm 230 PS 0-100 km/h in 8,3 s

Diesel

350 d 1995 ccm 174 PS 0-100 km/h in 10,4 s
350 d AWD 1995 ccm 174 PS 0-100 km/h in 10,6 s

Der Diesel ist ein relativ altes Aggregat und wurde ursprünglich von GM Powertrain in Turin entwickelt. Ein Joint-Venture, das nach dem Ende der Ehe GM/Fiat allein weiter für den GM-Konzern tätig war und dessen Motoren bis heute unter anderem in vielen Opel-Modellen, aber auch in einem Suzuki SX4, arbeiten. Zuvor als JTD 1.9 in vielen Fiat- und Alfa Romeo-Typen wie dem 159. Seit Juni 2020 gehört GM Powertrain, mit Sitz weiter in Turin, zur belgischen Punch-Gruppe.

Wie schon die Zeiten für den Sprint von 0 auf 100 km/h zeigen, hat das akustisch ziemlich präsente Triebwerk schon etwas Mühe mit dem immerhin bis zu 1,9 Tonnen schweren Allradler. Man darf sich also mit maximal 380 Nm (ab 1500 U/min) Drehmoment keine Beschleunigungsorgien vorstellen, eher geht es gemütlich und beim Beschleunigen mit einem gewissen Anlauf zur Sache. Dennoch stellt sich die Frage, ob Cadillac mit etwas konsequenterer Geräuschdämmung das „Nageln“ des Selbstzünders nicht besser abdimmen könnte. Speziell oberhalb von 4000 Umdrehungen schwillt der Geräuschpegel noch einmal extrem an.

Doch vielleicht entschädigt ja der Verbrauch für das zu einem Cadillac nicht recht passen wollende Sounderlebnis: Im Langzeitspeicher lesen wir 7,6 Liter/100 km ab; unsere Standradverbrauchsrunde ergibt dann einen Wert von 8,1 Liter – damit „nur“ 1,2 Liter über der Werksangabe von 6,9 Litern.

Was uns noch auffällt: Das etwas gewöhnungsbedürftige Pedalgefühl der Bremse, die auf sehr kurzem Weg anspricht.

Der Benziner verspricht deutlich mehr Temperament und ist zudem über 7000 Euro günstiger. Pläne, den XT4 zu hybridisieren, sind nicht bekannt. Was die Absatzchancen in Europa eher verschlechtert.

Fahrverhalten

Über eine Taste in der Mittelkonsole können wir zwischen den Menüs Tour, Sport, AWD und Offroad wählen. Für die Verbrauchsfahrt mit ihren schönen Kurvenpassagen wählen wir Tour, also einen 4×2-Modus mit Frontantrieb. In diesem Modus wird die Hinterachse über zwei Kupplungen am Differential entkoppelt. Das aktive Sportfahrwerk (950 Euro) regelt die Dämpferkennung kontinuierlich, ohne dass man als Fahrer zwischen verschiedenen Set-ups wählen kann. Vorab: Ein dynamisches SUV will und kann der Cadillac XT4 d AWD nicht sein. Aufbaubewegungen sind durchaus spürbar, und lange Wellen werden mit leichtem Nachschwingen ausgebügelt. Probleme hat das Fahrwerk, sicher auch als Folge der 20-Zoll-Reifen, bei kurzen Wellen und Querfugen. Speziell bei Langsamfahrt. Die Lenkung spricht dagegen aus der Geradeausstellung schnell genug an und ist auch sonst ausreichend exakt. Trotzdem überwiegt bei Kurvenfahrt das Gefühl, ein recht großes Auto bugsieren zu müssen.

Das Arsenal des Cadillac XT4 an Assistenzsystemen ist gut gefüllt: Mit Frontkollisionswarner, Spurhalteassistent, Querverkehrswarner für hinten, Toter-Winkel-Assistent und einem Fahrersitz, dessen Sitzkissen bei Gefahr vibriert.

Aufpreispflichtig sind die adaptive Cruise Control (950 Euro) und ein erweitertes Sichtpaket mit 360-Grad-Kamera, der Rückspiegelkamera, einem Parkassistenten für Parallel- und Querparken und einer Fußgängererkennung (hinten). Insgesamt steigern diese Extras – zu denen auch das große Schiebedach mit elektrischem Sonnrollo gehört – den Testwagenpreis von 44.800 auf 55.800 Euro.

Abmessungen

Länge: 4,60 Meter
Breite: 1,88 Meter
Höhe: 1,61 Meter
Radstand: 2,80 Meter
Leergewicht: 1.840-1900 kg

Fazit

Am Ende des Tests mit dem Cadillac XT4 d350 überwiegen gemischte Gefühle. Auf der Habenseite stehen ein attraktives Exterieur-Design und ein bis auf wenige Ausnahmen wohnliches und für ein US-Mobil gut verarbeitetes Interieur. Das zwar längst nicht das Niveau deutscher Premium-Marken erreicht, dafür aber von der Bedienung her kein Extra-Einführungsseminar erfordert.

Das Raumangebot ist im Fond trotz eines Radstands von immerhin 2,80 Meter eher bescheiden; der Kofferraum für die Klasse durchschnittlich groß. Das Fahrwerk lädt eher zum Cruisen als zum Düsen ein, was aber zum Nimbus eines Cadillac passt. Leider ist das Fahrwerk auf kurzen Wellen recht unentspannt, was zusammen mit dem im Grunde nicht zum Auto passenden Diesel das an sich ja besondere Erlebnis, einen Cadillac zu fahren, doch etwas trübt.

Und dennoch: Wer nicht ein SUV fahren möchte, das man an jeder Ecke sieht, und sich am individuellen Design und einem Touch Amerika freut, der wird am Cadillac XT4 s350d durchaus seine Freude haben. Denn so selten wie ein XT4 ist selbst ein Lamborghini oder Aston Martin nicht.

Allerdings muss der Caddy-Fan auch Opfer bringen: In ganz Deutschland gibt es nur elf Händler und 25 Servicepunkte. Zudem weiß man als Kunde nie, wie lange Cadillac dem europäischen Markt treu bleibt, zu viel Hin und Her gab es in der Vergangenheit. Eine Nischenmarke wird die GM-Brand auch weiterhin bleiben; andere, die es versuchten, wie Infiniti, sind sogar wieder ganz aus Europa verschwunden. Und auch Lexus weiß, wie schwer es ist, in die Domäne der deutschen Hersteller einzubrechen.

Am Ende reicht der Fahreindruck mit dem Cadillac XT4 350d daher nur zu einer allerdings starken Drei-Sterne-Wertung. In der Schule hätte es 3+ geheißen.

Autogefühl: ***

Text: Autogefühl, Thomas Imhof
Fotos: Autogefühl