VW ID.3 Fahrbericht 2021

Für eine erneute Bestandsaufnahme des mit großen Software-Problemen gestarteten Hoffnungsträgers des VW Konzerns haben wir nochmal einen VW ID.3 in den Fuhrpark genommen. Ein Test mit der mittelstarken 58 kWh-Variante soll neben einer exakten Verbrauchsfahrt die Frage klären, ob die aktualisierte Software nun störungsfrei läuft. Von Thomas Imhof

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Der Nachfolger des e-Golf nutzt als erstes Modell den Modularen Elektro-Baukasten (MEB) des VW-Konzerns und ist neben dem inzwischen nachgeschobenen ID.4 so etwas wie das Schicksalsauto des konsequent in Richtung E-Mobilität gehenden Unternehmens. Schlagen die beiden Modelle nicht ein – wonach es im Moment zum Glück überhaupt nicht aussieht – hätte Volkswagen aufgrund der massiven Investitionen in die Technik und die Werke ein ernstes Problem. Volkswagen baut den ID.3 im Werk Zwickau und seit Ende Januar 2021 auch in der Gläsernen Manufaktur in Dresden.

Exterieur

Der VW ID.3 ist 4,26 m lang und damit fast genauso lang wie der Golf. Durch den längeren Radstand – 2,77 Meter zu 2,62 Meter – wirkt er aber subjektiv länger. Die Formensprache ist generell etwas fließender und rundlicher als beim Golf, die Frontansicht vermittelt ein freundliches Bild, ein „smiling face“. Das wird unterstützt durch ein witziges Begrüßungslicht – schon von weitem blinzeln die Scheinwerfer dem Besitzer oder der Besitzerin schelmisch zu – und eine bei eingeschaltetem Licht beleuchtete Querspange zwischen den Scheinwerfern. Die sind generell mit LED-Birnen bestückt; im getesteten Modell sogar als Matrix-LED. Auch die Türgriffmulden sind im Dunkeln beleuchtet, dazu gibt es ein Umgebungslicht („Puddle light“) beim Öffnen der Türen. Das noch vor der A-Säule angesetzte Dreiecksfenster streckt den ID.3 weit nach vorn – wodurch sich die „Motorhaube“ verkürzt. Diese trägt am oberen Ende einen schwarz abgesetzten „Deckel“ und wird mit einer simplen Stange aufgestellt. Was aber nicht weiter stört, denn einen Ölstand muss man hier nicht mehr checken.

An der Heckpartie finden sich waagerecht liegende Rückleuchten mit animierten Blinkern. Bei unserem Testwagen in Mondsteingrau sind das Dach und die Hecklappe schwarz abgesetzt; die C-Säulen im oberen Teil in silbern. Diese C-Säule und die von ihr herunterziehende Fuge der hinteren Türen erinnert übrigens an den Golf. Die Rädergrößen betragen 18 bis 20 Zoll, unser Testwagen, eine inzwischen so nicht mehr angebotene 1st Edition Plus, steht auf 19-Zöllern.

Insgesamt entspricht das Design des ID.3 der aktuellen VW Design-DNA, gleichwohl setzt er sich deutlich vom insgesamt schärfer geschnittenen Golf ab.

Interieur

Was ist nicht schon viel gelästert worden über die „billigen“ Materialien im Interieur des VW ID.3. Okay, wir fragen uns auch, wie manche Oberflächen – in unserem Testwagen eine Mischung aus grau, weiß (Türauflagen) und orange (oberes Dashboard) – nach längerer Nutzungsdauer wohl aussehen? Sind sie kratzfest genug? Zeigt sich gerade auf den weißen Flächen irgendwann der Grauschleier?

Doch unabhängig solcher Überlegungen wirkt das Ambiente erfrischend anders und vor allem funktionell und aufgeräumt. Ein bisschen wie in einem Wohnzimmer mit skandinavischen Möbeln. Auch die Qualität stimmt, ebenso die Spaltmaße und das Türschließgeräusch. Aber klar, ein wenig Geld hat Volkswagen mit einem solchen Material-Mix auch gespart.

Der zentrale Info-Bildschirm im Format 10 Zoll ist bestens erreichbar und die Kommandozentrale des ID.3. Vom Kombiinstrument mit digitaler Tachoanzeige zweigt nach rechts ein kleiner Ausleger für das Einlegen von Vor- und Rückwärtsgang und der stärkeren Rekuperationsstufe „B“ ab. Dabei wird die (gelernte) Schaltlogik umgekehrt: Will man vorwärts fahren, drückt man den Drehgriff nach vorn (für „B“ zwei Mal). Und für den Rückwärtsgang dreht man ihn auf sich zu. Die Handbremse wird mit einer auf der Oberseite angebrachten Taste aktiviert.

Das komplett weiße Lenkrad (mit kapazitiven Tasten und haptischem Feedback auf einer Gesamt-Taste pro Seite) trägt bei unserem Testwagen noch einen Kranz in Tierhaut. Bis auf diesen Lapsus ist das Interieur jedoch komplett frei von Leder. Die Stoffsitze vom Typ „Fragment“ sind bequem und tragen an den Seiten Armauflagen, die man bei Bedarf vorklappen kann. Die Sicht nach schräg vorn ist dank der großen, Van-artigen Dreiecksfenster exzellent. Auch sonst ist die Rundumsicht befriedigend.

Dank Elektroantrieb und dem an der Hinterachse sitzenden Motor eröffnet sich zwischen den Sitzen eine riesige Ablagen-Landschaft. Hier finden wirklich Gegenstände aller Art und auch zwei USB-C-Anschlüsse Platz. Zwei weitere dann am hinteren Ende der Konsole.

Wie vom neuen Golf gewohnt, gibt es bis auf die elektrischen Fensterheber, den Einstellknopf für die Rückspiegel und den Warnblinker keine Hart Keys mehr. Die Lautstärke des Radios und die Innenraumtemperatur werden per Schieberegel („Slider“) eingeregelt und über sanfte Berührung eines grünen Quadrats blendet das Display acht Hauptmenüs ein. Nicht immer geht es von dort dann intuitiv und auf direktem Weg zum Ziel, wobei zum Beispiel die Sitzheizung auch mit einer Taste unterhalb des Displays in Gang gesetzt werden kann.

Gut gefallen hat uns auch die Ambientebeleuchtung, ein Feature, das die Autoindustrie jetzt viel stärker einsetzt als noch vor wenigen Jahren und das Autofahren nach Einbruch der Dunkelheit um eine wirklich angenehme Facette bereichert.

Im ID.3 lassen sich auch viele Funktionen per Sprachsteuerung befehlen – wobei das System sowohl eine englische („Eidi“) als auch eine deutsche („Idee“) Aussprache versteht. Sie reagiert auf Kommandos wie („Hi Eidee, wärme mir die Füße“). Und versteht sogar Witze. Auf die Frage „Was essen Autos am liebsten?“, folgt als Antwort: „Park-Plätzchen“.

Das Raumgefühl im VW ID.3 ist sehr großzügig. Zwar ist die Kopffreiheit auf den Rücksitzen limitiert, dafür genießen die dort Sitzenden die Beinfreiheit eines Passat. Wie gesagt – der Radstand ist 13 Zentimeter länger als beim aktuellen Golf und kein Kardantunnel ragt aus dem Unterboden heraus. Durch die stark nach hinten abfallende Sitzfläche hat VW im Fond noch ein paar Zentimeter Kopffreiheit herausgekitzelt – auf langen Strecken dürfte diese Sitzhaltung jedoch nicht sehr komfortabel sein.

Der Kofferraum ist mit 385 Litern ausreichend groß, allerdings will Gepäck über eine recht hohe Kante gehoben werden. Nach Umklappen der Rückbank erweitert sich das Volumen auf 1260 Liter.

Wichtig zu wissen: Im ID.3 ist es zwar möglich, einen Fahrradträger (maximal zwei E-Bikes) auf die Anhängerkupplung zu setzen – jedoch keinen Anhänger. Das ist erst im ID.4 möglich, der mit einer Anhängelast von 1000 Kilo aufwartet.

Die Software läuft bei unserem Testwagen jetzt anstandslos, Kommandos werden auch nicht mehr per Gedenksekunde umgesetzt – offenbar Folge der zwischenzeitlich aktualisierten Software. Software-Updates Over-the-Air sind nun auch möglich, ein Vorteil, den Tesla bis dahin immer gern für sich reklamierte.

Als Extra bietet VW ein Head-up-Display mit Augmented Reality Funktion an. Dabei werden Richtungspfeile fürs Navi in Blickrichtung gefühlt in 3 bis 10 m Metern Entfernung projiziert. Als weitere Option wird ein Panorama-Glasdach angeboten, das man nicht öffnen kann, sondern nur mit einem Schiebe-Vorhang verdunkeln.

Motoren

Volkswagen bietet den ID.3 mit drei verschiedenen Akkugrößen an:

Batteriegrößen (netto, tatsächlich nutzbare Kapazität/brutto):

45 kWh / 48 kWh (126 oder 150 PS)

58 kWh / 62 kWh (150 oder 204 PS)

77 kWh / 82 kWh (204 PS)
Reichweiten: 351 / 426 / 526 Kilometer (WLTP)
Permanent-Magnet-Synchron-Motor
(jeweils Heckantrieb)
Höchstgeschwindigkeit 160 km/h (im Eco-Modus : 130 km/h)

0-100 km/h je nach Akku zwischen 8,9/7,3/7,9 s

Schnellste Nachlademöglichkeit: ca. 290 Kilometer in 30 Min.
Standard 50 kW DC Ladeleistung, optional 100 kW, später 125 kW
AC Charger: 11 kW

Wie bei allen Elektroautos fallen auch im VW ID.3 zwei Phänomene sofort angenehm auf: Der Spurt von der Ampel, bei dem man mit 310 Nm Drehmoment weitaus stärkere Verbrenner locker stehen lässt, und das leise Dahingleiten vor allem im Stadtverkehr. Wer 14 Tage einen modernen Stromer gefahren hat und danach in ein Fahrzeug mit einem Dreizylinder-Verbrenner umsteigt, fühlt sich in ein überkommenes Zeitalter zurückversetzt.

Auf unserer Autogefuehl-Verbrauchsstrecke fahren wir bei 13 Grad Außentemperatur und im Eco-Modus. Wo immer es Sinn macht, rekuperieren wir in der Stufe B, wodurch auch so etwas wie ein One Pedal-Feeling möglich ist. Gleichwohl nicht so extrem wie zum Beispiel im BMW i3, sodass man doch öfters mit dem Bremspedal nachjustiert. Im B-Modus geht übrigens auch schon das Bremslicht an, wenn man vom Gas geht. Auf der Autobahn ist die V-Max auf 130 km/h limitiert; lediglich auf dem kurzen Stück ohne Speed Limit verlassen wir den Eco-Modus und beschleunigen den VW ID.3 auf die maximal möglichen 160 km/h. Die Windgeräusche blieben dabei bis zum Schluss gering.

Am Ende springt ein Verbrauch von 19,6 kWh heraus, weitaus weniger als der im Speicher hinterlegte Langzeitwert von 26,0 kWh oder der Wert ab dem letzten Laden, der 21,5 kWh betrug. Ein respektables Ergebnis, sodass eine Reichweite von 300 Kilometer plus X im Stadt- und Landstraßenbetrieb durchaus realistisch ist. Mehr als 350 Kilometer sind dagegen beim besten Willen kaum zu erreichen. Bei reinem Autobahnbetrieb schrumpft schon bei konstant Tempo 130 der Aktionsradius deutlich; wer hier wirklich so weit kommen will wie im Prospekt verheißen, darf nur mit 100 bis 110 km/h dahincruisen.

Aber für ein Auto mit einem Leergewicht von rund 1,8 Tonnen und dem Platzangebot eines Tesla Model 3 sind das ordentliche Werte. Wem das nicht reicht, kann die 77 kWh-Version wählen. Darf dann wegen der insgesamt höheren Achslast jedoch nur drei Passagiere mitnehmen.

Dank einer maximalen Ladegeschwindigkeit von 100 kW – die allerdings schon bei einem Füllgrad des Akkus von 60 Prozent schnell und deutlich abfällt – dauert der Aufenthalt an einem HighPower-Charger übrigens nur etwa eine halbe Stunde. Mit der großen Batterie steigt die Ladeleistung auf 125 kW. Fließt Wechselstrom – an der Wallbox oder einer öffentlichen Ladesäule – beträgt die Ladeleistung 11 kW. Beim Basismodell mit 45 kWh-Akku betragen die Ladeleistungen serienmäßig 7,2 und 50 kW.

Nach dem Vollladen mit dem Typ 3-Kabel an einer 22 kW-Ladestation wies unser ID.3 übrigens immer eine Reichweite von um die 330 km aus – die Erklärung liegt darin, dass der Bordcomputer den Aktionsradius immer anhand der letzten gefahrenen 600 km hochrechnet. Ein Makel übrigens, dass Ladestationen im Navigationssystem nicht permanent angezeigt werden, sondern erst per Tastenbefehl gesucht werden müssen.

Fahrverhalten

Wie weiland beim Käfer werden auch im VW ID.3 die Hinterräder angetrieben. Dank des Wegfalls des im Bug installierten Verbrenners samt dessen Antriebswellen ergibt sich in Kombination mit dem ultrakurzen Vorderbau ein sensationell niedriger Wendekreis von 10,2 Metern – kaum mehr als ein VW Up!, der es auf 9,8 Meter bringt.

Der Modulare Elektro Baukasten sorgt zudem für eine ausgeglichene Gewichtsverteilung und einen niedrigen Schwerpunkt (die Batterie liegt zentral im Fahrzeugboden). Als Folge fährt sich der VW ID.3 wie auf Schienen, sprich ohne jegliche Seitenneigung. Darüber hinaus haben die Fahrwerksingenieure die Lenkung erstaunlich natürlich und präzise ausgelegt, sodass in Verbindung mit den 19-Zoll-Felgen durchaus von einem sportiven Handling zu sprechen ist. Mit 20-Zoll-Reifen für die Top-Version oder dem noch kommenden Dynamikfahrwerk DCC könnte es sogar zu einer Art ID.3 GTI kommen. Das macht aber auch schon im 58 kWh-Typ Spaß, da ja auch die Beschleunigung immer sofort da ist.

Der Abrollkomfort ist ebenfalls durchweg gut gelungen, nur auf wirklich schlechter Wegstrecke dringen schon mal Stöße durch, ohne jedoch wirklich unangenehm zu werden. Dank verschränkter Magnete im Rotor geht der permanent erregte Synchronmotor übrigens so flüsterleise zu Werke wie bei kaum einem anderen Elektroauto. Auch dieser Aspekt macht das Fahren im ID.3 wirklich zum Genuss.

Abmessungen


Länge: 4,26 m

Radstand: 2,76 m

Breite: 1,80 m

Höhe: 1,55 m
Leergewicht: 1770 – 1930 kg

Fazit

Der E-Golf ist Geschichte – und das ist auch gut so. Volkswagen hat mit dem ID.3 spät, aber wie es scheint noch rechtzeitig die Kurve gekriegt. Und mit dem ID.4 sogleich nachgelegt. Wer mit der etwas billigen Materialanmutung – wobei viele sie durchaus auch sympathisch finden werden – der eingeschränkten Kopffreiheit im Fond und den limitierten Huckepackeigenschaften – Fahrradträger für zwei E-Bikes ja, Anhänger nein – leben kann, wird das vielleicht beste E-Fahrzeug der kompakten Mittelklasse erwerben, dass es heute zu kaufen gibt. Anders als im Kompromiss-Modell E-Golf gelingt es Volkswagen, auf vergleichsweise wenig Verkehrsfläche viel Innenraum zu schaffen. Der Elektroantrieb ist effizient und lokal emissionsfrei, was jeder zu schätzen weiß, der sich zum Beispiel mit einem Fahrrad in Tuchfühlung mit städtischem Individual-Verkehr bewegen muss. Noch ist der Innenraum nicht komplett vegan, aber dem Vernehmen nach schon bald.

Am Ende punktet der ID.3 mit klassischen Volkswagenstärken, zumal die anfänglichen Software-Probleme nach unseren Erfahrungen nun offenbar aus der Welt geräumt worden sind.
Reichweitenangst dürfte schon in der getesteten 58 kWh-Version kein großes Thema mehr sein. Wer kann, sollte übrigens noch den staatlichen Förderbonus von 900 Euro für eine Wallbox beantragen, denn der Topf ist dem Vernehmen nach bald leer.

Aktuell kostet der VW „Golf für das Zeitalter der Elektromobilität“ in der günstigsten Version Pure mit 45 kWh-Akku 31.495 Euro. Ein ID.3 Pro mit 58 kWh-Batterie steht ab 34.995 Euro und die Top-Version Pro S mit 77 kWh für 41.995 Euro in der Preisliste.

Dank Umweltbonus und Innovationsprämie können Interessenten davon aktuell jeweils 9.480 Euro brutto abziehen. Damit wird ein VW ID.3 schon ein sehr spannendes Angebot – Tesla bekommt nun endlich Konkurrenz „made in Germany“.

Autogefühl: *****

Text: Autogefühl, Thomas Imhof
Fotos: Autogefühl