Mit dem auf die 2002ti und tii der Sechziger- und Siebzigerjahre verweisenden 128ti füllt BMW die Lücke zwischen 120i/120d und dem 306 PS mächtigen M135i xDrive. Trägt der Fronttriebler das legendäre Kürzel zurecht und bietet er ähnlichen Fahrspaß wie seine weiß/blauen-Vorfahren? Der BMW 128ti im Fahrbericht. Von Thomas Imhof
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Mit Einführung der dritten Generation des Einser BMW (F40) im Herbst 2019 leiteten die Bayern den Wechsel von Hinterrad- auf Frontantrieb ein; zugleich gibt es den Einstiegs-BMW seitdem nur noch mit vier Türen sowie mit Allradantrieb für die Topmodelle M135i xDrive und 120 dxDrive. Im November 2020 ergänzte BMW die Einser-Reihe durch den optisch auffälliger gestalteten BMW 128ti und knüpfte so an die Tradition der legendären ti- und tii-Typen der 02er-Reihe an. Die erschienen 1968 respektive 1971 und schickten 120 beziehungsweise 130 PS an die Hinterräder. Der alte BMW Slogan „Freude am Fahren“ – er hat seine Wurzeln auch in diesen Sportlimousinen.
Exterieur
Der BMW 128ti basiert auf der M Sport-Ausstattung und setzt sich mit größtenteils knallroten Elementen von den zivileren Baureihenbrüdern ab. Das beginnt an der Frontschürze mit einem speziell geformten unteren Lufteinlass, rot hervorgehobenen vertikalen Lüftungsschlitzen und einer komplett glänzend-schwarzen BMW Niere (Shadow Line). Dem zum Opfer fallen diesem Design nur die Nebelscheinwerfer. Das rote Thema setzt sich an den Seitenschwellern fort. An deren hinteren Enden, also kurz vor dem hinteren Radausschnitt, glänzt ebenfalls in Rot der Schriftzug „ti“ (für „Turismo Internazionale“). Noch mal sehen wir knallrot dann am besonders ausdrucksstarken Heck; die analog zu den vorderen auch hier vertikalen Luftschlitze sind allerdings reines Fake-Design. Sehr real dagegen sind die beiden Auspuffrohre im Durchmesser 90 Millimeter und das glänzend schwarze Mittelteil des Stoßfängers, das einen Diffusor andeuten soll.
Die Shadow Line wird komplettiert durch schwarze Spiegelkappen und schwarze Fenstereinfassungen. Der Testwagen ist darüber hinaus mit den BMW Individual Leuchten Shadow Line (244 Euro), adaptiven LED-Scheinwerfern (488 Euro) und dem im Mittelteil abgesenkten M Heckspoiler (244 Euro) bestückt.
Die ebenfalls roten Bremssättel gehören zur serienmäßigen Sportbremse, die vorne mit Vierkolben-Monoblock-Festsätteln und 360-Millimeter-Scheiben sowie hinten mit Faustsätteln und 300er Scheiben verzögert. Sehr hübsch die exklusiv für den BMW 128ti entworfenen 18-Zoll-Leichtmetallräder, auf die an unserem Testwagen Michelin Pilot Sport 4-Reifen der Dimension 225/40 R18 aufgezogen sind. Die auf Wunsch lieferbaren 19-Zoll-Räder mit Pneus der Größe 235/35 R19 sind nur Hartgesottenen zu empfehlen – schon mit den 18-Zoll-Felgen ist der Abrollkomfort selbst für einen Hot Hatch wie den BMW 128ti an der Grenze des Zumutbaren.
Insgesamt hat das BMW Exterieur Design Team beim 128ti aber den Spagat zwischen einer zu zurückhaltenden und einer zu krawalligen Optik gut hinbekommen. Es wird auf Anhieb deutlich, dass es sich hier um ein sportliches Top-Modell handelt, ohne halbstark daherzukommen wie ein „echtes“ M-Modell.
Interieur
Auch im Innenraum des BMW 128ti geht es sehr rot zu. Die Buchstabenkombination „ti“ wird noch einmal zitiert, fein eingestickt in der vorderen Mittelarmlehne. Gleichfalls rote Kontrastnähte finden sich an der Rückenlehne der serienmäßigen Sportsitze in einer Stoff/Sensatec-Kombination sowie an den Armlehnen und Türverkleidungen, aber auch am Lenkradkranz und auf der Airbag-Abdeckung des mit Tierhaut (Nappa) bezogenen Sportlenkrads, dessen Kranz nach unserem Gusto durchaus etwas weniger dick ausfallen könnte.
Unser Testwagen ist mit den 488 Euro teuren M Sportsitzen mit voll integrierten Kopfstützen und einem viereckigen Ausschnitt in der Lehne ausgestattet – sieht gut aus, ist aber mit seinem Tierhautbezug nicht nachhaltig. Wobei es diese M Sportsitze auf Wunsch und ohne Mehrpreis auch in der Sensatec/Stoff-Kombi gibt. Die Sitzposition ist eher tief, die Sportsitze passen wie ein zweiter Anzug und die Wangen sorgen für gute Seitenführung, was aufgrund der hohen Querkräfte, die der BMW 128ti aufbaut, ein Segen ist. Nicht optimal nur der Hebel für die Lehnen-Neigungsverstellung – denn über ihn läuft genau der Gurt.
Der Dachhimmel im BMW 128ti ist generell schwarz/anthrazit, die Pedale und die M-Fußstütze tragen Edelstahl-Kappen, die Einstiegsleisten tragen M Sport-Farben und die Sicherheitsgurte eine farbige M Naht. Sehr stimmungsvoll die Ambientebeleuchtung des 128 ti – die in den Türen verlegten Leisten vom Typ Boston erstrahlen im Dunkeln in einem sanften – Sie erraten es – Rot!
Viele Annehmlichkeiten kosten im BMW 128ti extra: Wie die Lenkradheizung (195 Euro), die Sonnenschutzverglasung (342 Euro), Isofix vorn inklusive Beifahrer-Airbag-Abschaltung (185 Euro), Lordosenstütze für Fahrer und Beifahrer (244 Euro), Sitzheizung (342 Euro), Klimaautomatik (537 Euro), Hifi-Lautsprechersystem (342 Euro), Gestensteuerung (293 Euro) oder das Head-up-Display (877 Euro).
Besonders ins Kontor schlägt mit zusätzlichen 3000 Euro das Business Paket Professional, bestehend aus Head-up-Display-Navigation BMW Live Cockpit Professional, BMW Connected Package Professional, Wireless Charging, WLAN-Hotspot und Alarmanlage.
Ansonsten weicht der BMW 128ti auch im Platzangebot nicht von den übrigen Modellen der Einser Reihe ab. Das Live Cockpit ist voll digitalisiert, wobei wir uns für das Kombi-Instrument durchaus eine Einstellung mit Pseudo-analogen Runduhren anstelle der beiden C-förmigen Skalen für Geschwindigkeit und Drehzahlmesser vorstellen könnten.
Motoren
BMW startet beim Einser mit Dreizylinder-Benzinern und Dieseln und setzt dann bis zu 190 PS starke Diesel und zwischen 178 und 306 PS starke Benziner oben drauf.
Zwischen den 190 PS des 120d und den 306 PS des M135i klaffte eine Riesenlücke, die der BMW 128ti nun füllt. Mit seinen 265 PS liegt der quer eingebaute Zweiliter-Vierzylinder-Turbobenziner jedoch deutlich näher am M-Modell, von dessen Triebwerk er auch abgeleitet wurde. Mit maximal 400 Newtonmetern egalisiert das Aggregat exakt den Wert des Diesels, wobei er ihn bei den Fahrleistungen hinter sich lässt. Laut Werksangaben im 0-100-km/h-Sprint deutlich – nur 6,1 statt 7,3 (FWD) beziehungsweise 7,0 (AWD) Sekunden; in der Spitze liegt der 128ti mit 250 km/h gegenüber 230 km/h ebenfalls klar vorn. Auf die Vorderräder weitergeleitet wird die Power über eine sportlich abgestimmte Achtgang-Steptronic, die wir bevorzugt über die Lenkradwippen bedienen.
Als Normverbrauch gibt BMW 6,9 Liter/100 km und einen CO2-Ausstoß von 157 g/km an. Auf unserer Norm-Verbrauchsrunde im Modus Comfort kommen wir auf genau 9,0 Liter/100 km; bei durchgehender und zügiger Autobahnfahrt geht es an die 10 Liter; auf der anderen Seite sind aber auch Werte mit einer „8“ vor dem Komma möglich, wenn man es halt drauf anlegt. Dank des im 128ti größeren Tanks (50 Liter) sind so Reichweiten von gut 500 Kilometern möglich, was heute allerdings kein Ruhmesblatt mehr ist. Generell sind solche Verbräuche nicht mehr ganz zeitgemäß und der abrufbaren Leistung des nach Euro 6d-zertifizierten Turbo-Triebwerks geschuldet.
Um es klar zu sagen: An Leistung wie an Drehmoment mangelt es dem 128ti-Motor wahrlich nicht. Wobei es oberhalb von 5500 U/min eher zäh wird, frühes Hochschalten ist also angebracht. Dass trotzdem der Funke nicht so richtig überspringen will, liegt an zwei Dingen: Die Schaltwechsel – auch mit den Paddle shifts – erfolgen eher undramatisch und beim Runterschalten bleibt selbst im Sport-Modus das erhoffte Brabbeln und Sprotzen aus. So präsentiert sich der 128 ti als akustisch unaufdringlicher Sportler – vielleicht wollte BMW auch bewusst nicht zu viel Nähe zum M135i schaffen.
Fahrverhalten
Natürlich hat BMW beim 128ti auch das Fahrwerk „angefasst“ und es auf verschiedene Weise in Richtung Dynamik getunt. Los geht es mit einer Tieferlegung um zehn Millimeter , ergänzt um härtere Federn und darauf abgestimmte Stoßdämpfer sowie den Stabis und den hoch vorgespannten Stabilisatorlagern des M135i xDrive. Damit nicht genug ist die Lenkung einen Tick indirekter ausgelegt (15:1 statt 14:1). Das geht auch deshalb, weil durch den Verzicht auf Allradantrieb das Gewicht im Vergleich zum 135i um rund 80 Kilogramm sinkt und damit auch die Massenträgheit. Daneben hat BMW die Elastokinematik der Vorderachse optimiert und ein Torsen-Sperrdifferenzial installiert.
Soweit die Hardware, aber auch bei der Software wurde neu programmiert. Die Performance Control – sie soll das Fronttriebler-typische Untersteuern in der Kurve durch Bremseingriffe an den kurveninneren Rädern verhindern – ist im Vergleich zu einem zivilen Einser so abgestimmt, dass die Hinterachse etwas „lebendiger“ agiert. Das ARB-System (aktornahe Radschlupfbegrenzung) kommt vom elektrischen i3S. Dabei wird ein Teil der Traktionskontrolle direkt vom Motorsteuer- und nicht mehr vom ESP-Steuergerät vorgenommen. Die Regelung erfolgt geschmeidiger und gefühlt zehnmal schneller, sagt BMW.
Wir gehen auf den kurvigen Teil unserer Autogefühl-Testrunde und der Spaß kann beginnen. Der 1,5 Tonnen schwere Hot Hatch lässt sich mit Schmackes in die Kurven werfen, lenkt BMW-typisch präzise ein. Bei geringer Seitenneigung bleibt der 128ti lange neutral, und falls man es zu bunt treibt, zieht das Torsen-Sperrdifferenzial (Sperrgrad: 31% unter Zug, 26% im Schub) begleitet von einem leichten Zerren in der Lenkung die Fuhre wieder auf Geradeauskurs.
Soweit die guten Nachrichten, doch es gibt eine Einschränkung. Die strafferen Federn, die härteren Passiv-Dämpfer und die dicken Stabis vom 135i fordern ihren Tribut. Selbst im Comfort-Modus und mit „nur“ 18-Zoll-Reifen ist das Fahrwerk auf unebenenen Straßen schnell überfordert. Wer einen solch heißen Hatch will, findet sich aber vermutlich damit ab, ja erwartet es vielleicht sogar. Wir dagegen finden dass auch dies eine etwas veraltete Philosophie darstellt – gerade auf langen Strecken wollen heutige Kunden eher ein harmonisch abgestimmtes Sportfahrwerk mit manierlichem Rest-Abrollkomfort. Wer es wirklich „hart“ will, kann ja immer noch zum M135i greifen.
Abgesehen von solchen Diskussionen gefällt der 128ti durch gute Traktion, hohe Agilität und präzises Einlenken und ist damit ein Freund aller Kurven. Weniger kann und darf man von einem so sportlich positionierten BMW aber auch nicht erwarten.
Noch ein Wort zu den Assistenzsystemen. Notbrems-/Spurhalte-/Verkehrszeichen-Assistenten sind schon ab dem Basis-Einser serienmäßig, Parksensoren kommen ab der Line Advantage dazu.
Für 732 Euro ist unser Testwagen zusätzlich mit dem Driving Assistant-Paket ausgestattet. Es umfasst einen Spurverlassenswarner, der Spurmarkierungen ab ca. 70 km/h erkennt und per Lenkrad-Vibration bei einem ungewollten Verlassen der Fahrspur warnt. Außerdem erfolgt eine aktive Rückführung des Autos mit erneuter Ausrichtung in der Fahrspur. Weiterhin enthalten sind der Tote-Winkel-Warner (ab ca. 20 km/h) mit haptischer Warnung am Lenkrad (Vibration) und blinkendem Symbol im Außenspiegel. Die Frontkollisionswarnung mit Bremseingriff besteht aus einer Auffahr-/Personenwarnung mit City-Bremsfunktion: Warnung und Bremsung zwischen ca. 5 und 85 km/h auf Fahrzeuge und zwischen 5 und 65 km/h auf Personen. Kann ein Unfall nicht mehr vollständig vermieden werden, hilft die CityBremsfunktion die Aufprallgeschwindigkeit und somit die Unfallschwere zu verringern. Die Auffahrwarnung warnt zusätzlich vor einer Kollision mit einem vorausfahrenden Fahrzeug bei höheren Geschwindigkeiten (ab zirka 85 km/h) sowie Vorkonditionierung der Bremsen. Die hintere Querverkehrswarnung unterstützt beim rückwärtigen Ausparken und warnt vor möglichen Kollisionen mit Querverkehr in schlecht einsehbaren Situationen. In Verbindung mit der Rückfahrkamera wird die Querverkehrswarnung um eine Echtbild-Anzeige im Display erweitert. Hintere Sensoren verhindern Auffahrunfälle, indem sie nachfolgenden Verkehr per Warnblinkanlage (Blinken in doppelter Frequenz) warnen. Droht ein unvermeidbarer Crash, werden die Gurte präventiv gespannt und alle Scheiben geschlossen. Kurz gesagt: eine mehr als sinnvolle Investition in die eigene Sicherheit.
Abmessungen
Länge: 4,32 m
Radstand: 2,67 m
Breite: 1,80 m
Höhe: 1,43 m
Fazit: BMW positioniert den 128ti als „ungefilterte Fahrmaschine mit eigenständigem Charakter“. Dem ist durchaus zuzustimmen. Die Optik überzeugt durch die genau richtige Mischung aus Understatement und Entschlossenheit signalisierenden Features und Farbakzenten. Das Antriebspaket bietet harmonisch und souverän abrufbare Leistung, gleichwohl ohne größere Emotionen zu wecken. Dazu müsste akustisch mehr geboten werden. Ja und der Verbrauch dürfte gerne einen Liter/100 km niedriger sein. Das Interieur ist wie in anderen Einsern auch funktional und übersichtlich, die Sitze passen wie angegossen und erfreulich, dass BMW wie auch in anderen Modellreihen hier verstärkt auf tierfreundliche Bezugsstoffe setzt. Der Einstiegspreis des BMW 128ti liegt in Deutschland bei 44.600 Euro Das sind knapp 7000 Euro weniger als für den M135i xDrive, 6700 Euro mehr als für einen 120i und sogar nur 4500 Euro mehr als für einen 120d mit Frontantrieb. Vom 120d xDrive trennen die moderne Inkarnation des 2002ti sogar nur 2500 Euro. Wir finden, das ist eine faire Kalkulation.
Autogefühl: ****
Text: Autogefühl, Thomas Imhof