Der Nissan Juke Nismo ist die Top-Version des Nissan Juke. Diese Nismo-Verson sieht noch heißer aus, als sie unter der Haube wirklich ist. Doch gelang Nissan eine treffliche Allianz aus Sportlichkeit und Komfort. Wer es unbedingt härter will, muss auf die bereits angekündigte RS-Version warten. Doch auch die 200 PS starke Normal-Dosis Nismo kommt gut. Von Thomas Imhof
Der Nissan Juke ist so etwas wie der bunte Vogel und Gute-Laune-Macher im Portfolio des japanischen Herstellers. Er polarisiert mit einem Design, das in der oberen Hälfte einem Sportcoupé und im Speckgürtel einem SUV gleicht. Alles verbunden mit sinnlich geschwungenen Sicken und Rundungen – cken und Kanten waren für die Designer tabu. Und solch riesige Scheinwerfer sah man zuletzt bei Rallyeautos der 70er Jahre, als sie Teil einer Lichtorgel waren, die die Fahrer eines Renault 5 Maxi oder Lancia Delta Integrale in tiefer Nacht über den Col du Turini leuchteten.
Als erstes Modell der sportlichen Nismo Linie kam der Juke Nismo Mitte Februar zu uns, mittlerweile gefolgt vom geschmackvoll aufgemotzten 370 Z Nismo und – wenn alles klappt – noch vor Jahresende sogar einem GT-R Nismo. Vor dem man jetzt schon den Hut ziehen mag, ist doch schon die Serien-Version ein 315 km/h schnelles Geschoss.
Hinter dem Kürzel Nismo verbirgt sich die 1984 gegründete Motorsportabteilung Nissans. Neben Konstruktion und Bau von lupeneinen Rennwagen war sie auch immer schon Werkstuner, so etwas wie das AMG-Pendant der Japaner, dabei jedoch konzentriert auf exklusive Kleinserien und Nachrüst-Kits. Nun hat Nissan den Aufgabenbereich Nismos nach unten um sportlich angehauchte Serienmodelle erweitert, dazu ein komplett neues Werk für die Sportabteilung eröffnet. Die Juke Nismos rollen in großen Stückzahlen und gemeinsam mit den zahmeren Versionen von einem Band – in diesem Fall dem des Nissan-Erfolgswerkes Sunderland im Nordwesten Englands.
Einen ausführlichen Video-Fahrbericht haben wir hier:
Der von uns getestete Wagen wirkt vor allem von vorn wie aus einem Need for Speed-Videospiel entsprungen. Auch in ein Grand Turismo-Spiel von der Sony PlayStation würde er bestens passen. Der untere Teil des Stoßfängers mit seinen fünf kreisrunden Luftöffnungen – genannt „das Weinregal“ – wich einem horizontalen Grill mit Maschendrahtgitter-Einsatz. Die riesigen Scheinwerferaugen werden ergänzt um schlitzartige LED-Tagfahrleuchten und einen roten Zierstreifen, der auch zu einem Golf GTI passen würde. Er zieht sich ums Eck und hinein in die komplexen, weil aerodynamisch ausgefeilten Türschweller und bis nach hinten zum angedeuteten Diffusor. Der wiederum zusammen mit dem XXL-Heckspoiler viel Kraft suggeriert.
Wer nun jedoch den 300 PS starken Samurai-Krieger erwartet, wird zunächst enttäuscht. Denn seine Kraft bezieht der Juke Nimso aus dem um „nur“ zehn PS und zehn Nm gestärkten 1,6 Liter DIG-T-Motor, ein Direkteinspritzer mit Turbolader. 200 statt 190 PS stemmen sich auf die Kurbelwelle, doch ist das kein Grund zum Frust. Denn in allen Drehzahlbereichen hat der Fahrer das Gefühl, eine Extraportion Sushi unter der Haube zu haben. Größere Turbolöcher oder Drehzahlfallgruben sucht man vergebens, eigentlich ist mit 250 Nm im Rücken immer genug Durchzug vorhanden, wenn man über die sahnig schaltbare Sechsgang-Box in den nächsthöheren Gang wechselt. Zumal der mit Leder bezogene Schaltknüppel optimal auf der von einem Motorradtank (!) inspirierten Konsole platziert ist.
Lediglich beim sehr starken Beschleunigen zerrt der Antrieb an den Reifen der Größe 225/45 R18. Dann machen sich auch leichte Antriebseinflüsse in der Lenkung bemerkbar. Die ist im Vergleich zum Brot-und-Butter-Modell spürbar direkter, jedoch keineswegs hyperaktiv ausgelegt. Ein haptischer Hochgenuss ist das Lenkrad mit seinem – im mittleren Bereich – mit flauschigem Alcantara überzogenen Kranz. Streichelfaktor: hoch! Die ebenfalls mit einem Wildleder-Stoff überzogenen Sitze sehen nicht nur gut aus, sondern bieten auch genauso guten Seitenhalt.
Die Farbe Rot spielt in Analogie zum äußeren Zierstreifen auch im Innenraum eine prominente Rolle: Die Sitze und das Lenkrad tragen rote Kontrastnähte – auch der Drehzahlmesser ist rot illuminiert. Als Besonderheit trägt das Lenkrad eine Markierung für die Geradeausstellung der Lenkung – eine direkte Anleihe aus dem Motor- und speziell Rallyesport.
Dennoch ist der Juke Nismo weit davon entfernt, ein für die Straße gezähmter Renntourenwagen zu sein. Er eignet sich dank der für unseren Geschmack fast schon zu großen Federwege und einem angenehm gedämpften Geräuschniveau vielmehr auch für längere Ausfahrten. Auf langen Bodenwellen federt der Aufbau merklich nach, Querfugen hingegen werden nicht so souverän pariert. Dennoch: eine etwas straffere Abstimmung hätte nicht geschadet. Ebenso wie eine wenig mehr „good vibratons“ aus Richtung Auspuffstrang – hier haben die Soundtuner von Nissan beim angeblich nochmals 20 bis 30 PS stärkeren Juke Nismo RS ebenso noch Luft nach oben wie beim Fahrwerk. Wobei es schwer sein wird, an das schienenartige Handling eines Golf GTI oder Ford Focus ST heranzukommen. Denn im Gegensatz zu diesen klassischen Schräghecklimousinen hat der Juke als Folge seines Aufbaus einen höheren Schwerpunkt – und baut in schnellen Kurven mehr Rollneigung auf.
Nissan bietet den Juke Nismo in zwei Ausführungen an – als Fronttriebler mit Sechsgang-Schaltgetriebe zum Preis von 26.400 Euro sowie mit Allradantrieb und stufenlosem CVT-Getriebe für 29.400 Euro. Autogefühl testete den Fronttriebler, der auch den Löwenanteil der Verkäufe auf sich ziehen dürfte. Denn eine stufenlose Automatik, so spritzig sie auch abgestimmt sein mag, passt einfach nicht zum Nismo-Image. Ebenso wie der Allradantrieb, denn der bislang heißeste Juke passt überall hin, nur nicht ins Gelände.
Zu den vom Brot-und-Butter-Juke übernommenen Eigenheiten gehört die eher bescheidene Rundumsicht – die serienmäßige Rückfahrkamera ist ein Muss und höchst willkommen. Auf der Rückbank können Menschen mit einer Größe von maximal 1,75 Meter noch ganz manierlich reisen, darüber droht Kontakt mit dem – wie auch der übrigen Innenraum – in dunklen Tönen gehaltenen Dachhimmel.
Der Kofferraum ist mit 251 Litern eigentlich klein , lässt sich aber nach Umklappen der Rücksitzlehnen auf bis zu 830 Liter vergrößern. Wer einen Kasten Wasser einladen will, muss eine empfindlich hohe Ladekante überwinden. Praktisch: Das mangels eines vollwertigen Reserverads generöse Unterflurfach, in dem sich mittelgroße und wertvolle Gegenstände vor neugierigen Augen verstauen lassen.
Doch das sind sicher alles keine entscheidenden Kaufkriterien für all jene, die sich für den Juke Nismo erwärmen können. Sie erfreuen sich an Details wie den bildschönen 18-Zoll-Felgen mit Diamantschliff. Sie sind ein Zoll größer als im Serien-Juke und machen mit ihrem 10-Speichendesign und einem Finish in dunklem Anthrazit einen wirklich leckeren Eindruck. Die Radkästen füllen sie jedoch nur unzureichend aus und stehen auch nicht außenbündig mit den Radläufen. So sieht der in drei Farben – perlweiß, silbergrau und metallicschwarz – lieferbare Nismo aus manchen Perspektiven ein wenig staksig aus.
Mit 215 km/h gehört der Juke Nismo auf der Autobahn zwar nicht zur ICE-Klasse, schwimmt aber gut im Schnellverkehr mit. Die Beschleunigung von 7,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h dagegen dokumentiert den strammen Durchzug aus dem Drehzahlkeller. Nissan gibt einen kombinierten Verbrauch von 6,9 Liter/100km an – in der Praxis nahm die Direkteinspritzung über die 14-Tage-Testdauer eine Dosierung von 8,7 Liter vor, bei sehr zügiger Fahrweise dürften auch mal über neun Liter durch die Leitungen rinnen.
Fazit: Der erste Aufschlag von Nismo kann durchaus als gelungen bezeichnet werden. Wer sich mit dem etwas halbstarken Outfit anfreunden kann, erhält ein preislich fair positioniertes Modell, das genau diese Extra-Dosis Kraft und diese Extra-Dosis Schärfe im Fahrwerk besitzt, um den Nismo vom Serien-Modell abzuheben. Erstaunlich kommod sind Abrollkomfort und Geräuschniveau, wodurch der Nismo in seiner Charakteristik einem S-Modell von Audi gleichkommt. Sprich: Die Alltagstauglichkeit bleibt weitgehend gewahrt, das Aufbautraining ist trotz der Nismo-Gen-Transfusion noch nicht abgeschlossen. Wie gesagt: Der Über-Juke kommt erst noch, doch sind wir uns nach den überwiegend positiven Eindrücken mit dem Nismo Juke gar nicht mehr so sicher, ob ihn Nissan wirklich braucht. Zehn PS mehr und ein etwas knackigeres Fahrwerk würden eigentlich schon reichen.
Autogefühl: ****
Text: Autogefühl, Thomas Imhof
Fotos & Video: Autogefühl, Thomas Majchrzak
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