Der Jaguar F-TYPE V8S ist die derzeitige Top-Version des F-TYPE – 5 Liter V8 Kompressor, 495 PS und ein Brüllen aus dem Endtopf, das jeder Katze die Haare zu Berge stehen lässt. Es gibt Autos, die sind gut. Es gibt Autos, die sind sinnvoll. Es gibt Autos, die sind perfekt. Und es gibt Autos, die sind – leider geil. Und das ist der Jaguar F-TYPE. Von Thomas Majchrzak
Mit dem neuen reinrassigen Sportwagen will Jaguar seine Identität als sportliche und kraftvolle Marke stärken, nach dem in vielen Köpfen noch ein verwässertes Image vorherrscht. 308 F-TYPE wurden bis inklusive Juni 2013 neu zugelassen, das sind nicht nur Marketing- und Pressefahrzeuge, wenn auch einige darunter sind. Doch bisher funktioniert das Konzept F-TYPE, die Jaguar Händler sind auch sehr glücklich, endlich so ein Zugpferd zu haben. Durch überregionale Werbekampagnen ist der F-TYPE auch einer Jaguar unaffinen Zielgruppe bekannt geworden. Ob man deswegen keinen Porsche kauft, bleibt abzuwarten. Jedenfalls macht schon das Starten des F-TYPE richtig Laune:
Der Jaguar F-TYPE V8S mit 495 PS markiert die höchste Leistungsstufe. Darunter gibt es bisher den F-TYPE mit V6 und 340 PS und den F-TYPE S (durchaus auch mal F-TYPE V6S genannt) mit V6 und 380 PS. Wir haben also die absolute Racing-Variante, wobei schon gemunkelt wird, dass bald ein F-TYPE R kommt, Vorbild könnte das Jaguar Project 7 sein.
Sound verspricht Gänsehaut pur
Wir setzen uns auf die roten Sitze, schnallen uns mit dem roten Gurt fest – und drücken den orangefarbenen Startknopf. ROAR – erwacht die Katze zum Leben. Neu im Jaguar ist der Automatik-Wählhebel, kein Driveselector mehr. Das soll sportlicher sein. Wobei der Driveselector extrem praktisch und modern ist – gut, Geschmackssache. Fahrmodus eingelegt, los geht’s. Nur bei einem kleinen Tritt aufs Gas peitscht der Jaguar F-TYPE V8S nach vorne und rööööööhrt – so herrlich, dass man eigentlich immer wieder bremsen und beschleunigen möchte. A propos Beschleunigung: 0 auf 100 in gut 4 Sekunden, 0 auf 200 in gut 12 Sekunden – wie bitte? Hier:
Der Jaguar F-TYPE V8S bietet zudem einen speziellen Knopf für den Klappenauspuff, somit werden die Klappen aktiviert und es blubbert noch viel lauter. So laut, dass es in Wohngebieten schon an Perversität grenzt, aufs Gaspedal zu treten. Aber wenn man auf der engen Straße durch den Wald fährt, über die Landstraße, und nicht an die Ruhestörung denken muss, gibt es nichts Herrlicheres. Bei diesem Klang wird man selber zum Tier, fließt das Adrenalin in Strömen und man kann einfach nicht genug davon bekommen. Es lief Musik über die Meridian Soundanlage? Gar nicht gemerkt. Man will einfach nur dem F-TYPE zuhören, alles andere ist egal. Die Mundwinkel ziehen sich automatisch hoch. Wer seinen Lebensgeist verloren hat, der sollte F-TYPE fahren und ihn sich zurückholen.
Genau das vermittelt unser ausführliches Fahrbericht-Video:
Der Sound hat wirklich einen ganzen Absatz verdient, aber natürlich steckt noch viel mehr im Jaguar F-TYPE V8S. Die Straßenlage ist atemberaubend, man fühlt richtig, wie das Gewicht 50:50 vorne-hinten verteilt ist. Egal wie brutal man die Katze in die Kurve drückt, er bleibt einfach immer auf Spur, wie auf vier Pritt-Stiften. Nur beim Herausbeschleunigen aus der Kurve wischt er dann gerne hinten ein wenig aus, genau so muss es sein.
Modernes Interieur zum Racing-Wohlbefinden
Das Fahrwerk ist schön straff, aber nicht zu unkomfortabel – nur wenn man langsam über sehr huckelige Straßen fährt, da ist dann Schluss mit lustig und es wird holprig. Ansonsten: Null Wankneigung, Sport pur. Der Fahrer spürt die Straße durch das Lenkrad. Unebenheiten, gerade Längsfugen, werden aufs Lenkrad direkt umgesetzt. F-TYPE fährt man nicht entspannt, mit dem Jaguar F-TYPE V8S muss und will man arbeiten. Das Lenkrad ist immer fest im Griff. Unten abgeflacht, oben Aussparungen für die Finger, herrlich weiches Leder – toll.
Das gesamte Interieur wirkt schön modern und sportlich, es dominieren die runden Elemente – sei es beim Tacho oder bei den Lüftungs-Bedienungen. Das Navigationssystem und allgemein das Multimedia-Interface reagiert zügig, da kann keiner mehr über ein langsames Jaguar Navi lästern. Alle Bedienungen sind intuitiv schnell erlernt, ohne dass zu viele Knöpfe das Blickfeld stören. Liebevoll im Detail: Der vom Eurofighter inspirierte Knopf für den Winter- oder Racing-Mode. Nach vorne schieben und mehr Traktions-Reglung bekommen, nach hinten schieben und ihn auf der Rennstrecke mehr fliegen lassen.
Die kleinen verzeihbaren Mängel
Lediglich die beim Jaguar F-TYPE V8S extra orange angemalten Schaltwippen wirken billig, denn die Farbe fühlt sich so weich an, dass man glaubt, man könnte die Weichmacher aus dem chemischen Anstrich mit dem Fingernagel abkratzen. Weitere Kleinigkeiten, die zwar nicht groß stören, aber dennoch auffallen: Nach dem Starten wird die Musik auf dem USB-Stick immer drei Mal für einen Bruchteil unterbrochen. Die ein- und ausfahrbare Lüftungsdüse vorne auf dem Armaturenbrett schließt etwas hakelig. Der Schalter fürs Verdeck öffnet das Verdeck, wenn man ihn nach vorne drückt und schließt, wenn man ihn nach hinten zieht – wo ist da die Logik?
Und da sind wir wieder an dem Punkt, an dem man sagen muss: In den kleinen Details, die wir Deutschen doch so gerne betrachten, ist der Jaguar nicht perfekt. Muss der Jaguar perfekt sein? Nun, er sollte es bei einem Basispreis von 99.990 Euro (für den Jaguar F-TYPE V8S) sein, aber nein, er muss es nicht. Denn egal was da gerade falsch piept oder beim Plastik vom Überroll-Bügel knarrzt – die phantastischen Fahreigenschaften und der herrliche Sound übertönen wirklich alles und machen den F-TYPE zur Spaß-Granate.
Technische Daten
0-100 km/h: 4,3 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 300 km/h
Angegebener kombinierter Verbrauch: 11,1 l/100 km
Tankvolumen: 72 l
Maximales Drehmoment: 625 Nm
Gewicht: 1.665
Länge: 4.470 mm
Breite ohne / mit Außenspiegeln: 1.923 mm / 2.042 mm
Höhe: 1.319 mm
Kofferraum: 196 l
Verdeck öffnen oder schließen: 12 Sekunden (bis 50 km/h)
Basispreis der Top-Version: 99.990 Euro
Der F-TYPE S kostet übrigens 84.900 Euro, der F-TYPE (die wirkliche Basis) 73.400 Euro. Dann ist der F-TYPE aber wirklich nackt, also auch ohne Navigationssystem usw. Insgesamt ist der Preis des F-TYPE in allen Versionen zu hoch gegriffen. Er soll zwar clever über der Audi-BMW-Mercedes-Roadster-Konkurrenz und unter der Porsche-Konkurrenz positioniert sein, doch für sich alleine betrachtet ist der F-TYPE nicht gerade preislich attraktiv. Schön wäre gewesen, wenn man potenziellen Marken-Wechslern auch einen finanziellen „Anreiz“ geboten hätte.
Unser Testverbrauch lag 3 Liter höher als der angegebene, also bei 14 Litern. Allerdings bei dynamischer Fahrt, das ist dann schon in Ordnung. Ist ja auch ein Kompressor.
Das Design: ein Genuss
Der Jaguar F-TYPE ist ein echter Hingucker. Von vorne bestechen die modernen und klaren Linien, seitlich stemmen sich die Kotflügel bullig breit nach außen, hinten ziert die neuartige Rückleuchte das neue Jaguar-Gesicht.
Die Traumvorstellung eines modernen Sportwagens mit wenigen klaren Linien, hier ist sie. Und dazu kommen dann klassische Details wie die riesigen Alufelgen, hinter denen wir herrliche Racing-Bremsklötze in Rot entdecken. Überhaupt passt rot ja zu Racing, und rot passt auch gut zum F-TYPE.
Der Jaguar F-TYPE im Alltag
Bleibt noch der Alltagsnutzen: Gut, der F-TYPE ist kein Auto für lange Strecken, dafür sind die Sitze zu unbequem und das Fahrwerk zu rough. Auch lange Cabriotouren bei höheren Geschwindigkeiten sind nicht allzu sehr zu empfehlen, auf der Autobahn sollte für große Menschen das Verdeck geschlossen bleiben. Es windet wirklich stark, gerade im Vergleich zum Jaguar XK. Wer eher auf Cabriocruisen steht, sollte zum XK greifen, den kann man auch mal gut stundenlang fahren, auch offen im Winter und mit 120 km/h offen über die Autobahn fahren. Der F-TYPE ist dagegen eher der Kandidat für die Rennstrecke. Wobei man natürlich dank des schnellen Verdecks (öffnen und schließen in 12 Sek.) immer sehr schnell von offen nach zu und umgekehrt gewechselt hat – und das sogar bei bis zu 50 km/h.
Der Kofferraum ist natürlich deutlich kleiner als beim XK, aber fürs Alltägliche reicht es. Wer nicht gerade häufig in den Getränkemarkt fährt, wird nicht unglücklich mit dem Kofferraum. Man sieht im Foto und im Video, dass man doch hinten einiges reinbekommt, und man gut und gerne ein Wochenende damit in den Urlaub fahren kann.
Wir haben unsere negativen Aspekte genannt, und es gibt sicher für verschiedenste Zwecke auch bessere Autos als den F-TYPE. Aber da der F-TYPE so herrlich unvernünftig ist – und man als Mensch auch manchmal das Bedürfnis hat, herrlich unvernünftig zu sein, erhält der F-TYPE ganz einfach wegen seiner emotionalen Stärke und dem enormen Spaßfaktor die Autogefühl-Höchstwertung von 5 Sternen. Das Schönste am Jaguar F-TYPE V8S: Wie eine richtige Katze wird er nie erwachsen und möchte bis ins hohe Alter spielen. Viel Spaß!
Autogefühl: *****
Text, Fotos, Video: Autogefühl, Thomas Majchrzak
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