Der Mercedes CLS hat 2004 die neue Gattung der viertürigen Coupés eröffnet, seit 2011 gibt es ihn in der zweiten Generation – und wir sind die aktuelle Version gefahren. Mit einem nach wie vor bestechenden Design und überzeugenden Assistenzsystemen. Stilvoll und komfortabel reisen, trifft es auf den Punkt. Von Thomas Majchrzak
Rot ist nicht jedermanns Farbe, gerade wenn es ein Weinrot für ein Auto ist. Doch die verführerische Mischung aus weinroter Außenfarbe und Leder in Beige im Innenraum ist einfach so schick, dass man gar nicht drüber streiten braucht.
Clever hat Mercedes dabei eingerichtet, dass der gesamte Innenraum zwar hell ist, aber die Oberseite des Armaturenbrettes schwarz – damit es sich nicht in der Scheibe spiegelt. Genau so muss es sein. Egal, wo man hinguckt, alles ist einfach bis ins letzte Detail durchdacht. Die edle Analog-Uhr, die vorne eingelassen ist, die belederten Innenwände der Türen, das Lederlenkrad mit praktisch-sportlichen Griffmulden für die Daumen und der perforierten Oberfläche an der Haupt-Griff-Position… Mercedes setzt hier Maßstäbe.
Die hellen Ledersitze: Butterweich, sie laden zum Entspannen ein. Geben aber gleichzeitig genug Seitenhalt, sie lassen sich nämlich „aufpumpen“. Entweder ständig und/oder bei Bedarf: Ist die Funktion für den dynamischen Seitenhalt eingestellt, pumpt sich die linke Sitzwange auf, wenn man nach rechts lenkt und die rechte Wange, wenn man nach links lenkt. Für Fahrer und Beifahrer ein angenehmes Feature, um immer fest im Sitz zu bleiben und auch bei schnelleren Kurven nicht an Komfort zu verlieren. Dazu kommt noch eine zweistufige Lordosenstütze.
Die perforierte Struktur auf den Sitzen hat eine spezielle Funktion: Sie lässt die Luft der Sitzkühlung durch, die in diesem Fall eine aktive Sitzkühlung bedeutet, also Sitzlüftung. Manche Systeme kühlen den Sitz nur herunter wie die Sitzheizung. Was nicht unbedingt Sinn macht, denn – um es direkt mal zu sagen – wer möchte, dass sein schwitziges Gesäß noch heruntergekühlt wird? Die Sitzlüftung dagegen verhindert durch den leichten kühlen Luftstrom, dass man überhaupt im Sitz schwitzt und am Leder kleben bleibt. Grandios für heiße Sommertage.
Dann noch zurücklehnen in die weichen Kopfstützen – und man könnte fast einschlafen vor Komfort. Nun, selbst das wäre in einem aktuellen Mercedes-Modell kein Problem, denn mit der Distronic Plus fährt der Mercedes CLS fast wie von alleine. Anfangs nervt der Hebel neben dem Blinker-Hebel, man will ihn nicht wirklich benutzen, manchmal kommt man beim Blinken aus Versehen dran. Und man fühlt sich ein wenig entmündigt, wenn die Geschwindigkeit immer automatisch an das vorausfahrende Fahrzeug angepasst wird. Doch je länger man fährt, desto eher gewöhnt man sich an die Distronic. Und desto mehr Spaß macht es sogar, den Hebel jeweils zu verändern. Ein leichtes hoch- oder runterdrücken, und man kann km/h um km/h einzeln verstellen, ein kräftigeres hoch- oder runterdrücken, und man wechselt in Zehnerschritten.
Erkennt das automatische Sensorsystem, dass von 130 die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 gesenkt wird, sieht man das Verkehrsschild vorne in der digitalen Geschwindigkeitsanzeige und auch auf dem Navi-Bildschirm in der Mitte. Dann dreimal den Distronic-Hebel nach unten gedrückt für drei Zehnerschritte, schon ist man auf 100 und das Fahrzeug hält die Geschwindigkeit. Egal ob es bergauf oder bergab geht. Und wenn Autos vor einem erscheinen, hält der Mercedes CLS automatisch immer denselben Abstand – und bremst sogar runter bis auf Null. Wer in einen Sekundenschlaf verfallen sein sollte oder kurz einmal abgelenkt ist, kann davon richtig profitieren – und sogar sein Leben retten lassen.
Es ist beinahe beängstigend, wie gut das System funktioniert. Man stellt die Distronic ein und schwimmt mit durch den Verkehr – gerade auf Autobahnen sehr angenehm. Gleichzeitig vermittelt es ein Gefühl von absolutem Vertrauen in das Fahrzeug. Der Spurhaltewarner meldet sich zudem mit einem kleinen Vibrieren des Lenkrads, wenn man ins Schlingern gerät (kann auch z.B. beim Sekundenschlaf passieren). Optional bietet Mercedes mittlerweile auch einen aktiven Spurhalteassistent an, der immer leicht mitlenkt. Wenn man die Hände ganz vom Lenkrad nimmt, hält der Assistent den Wagen sogar aktiv in der Spur. Theoretisch könnte man in Verbindung mit der Distronic Plus den Wagen mit Augen zu fahren, aber das ist (noch) nicht so gedacht. Der aktive Assistent beschwert sich, wenn man die Hände ein paar Sekunden ganz vom Lenkrad nimmt. Wenn man später in ein anderes Auto einsteigt, will man die Distronic Plus gar nicht mehr hergeben.
Der Tote-Winkel-Assistent verhindert übrigens, dass jemand einfach aus dem Toten Winkel heranbraust oder dass man zu unvorsichtig die Spur wechselt. Im Außenspiegel erscheint ein kleines Blinksignal, das bei Bedarf sogar noch akustisch unterstützt wird.
Jetzt haben wir viel über die Perfektion und die modernen Assistenzsysteme geschrieben. Doch es ist genau das, was Mercedes derzeit von anderen Wettbewerbern unterscheidet. In dieser Hinsicht setzt Mercedes den Benchmark in der Industrie.
Mehr Fahrspaß könnte der Mercedes CLS jedoch vermitteln. Das Fahrwerk lässt sich zwar von Comfort auf Sport umstellen, jedoch ist der Unterschied marginal. Hier wäre wünschenswert, wenn die Verstellung etwas intensiver ausfallen könnte. Abgesehen aber von der fehlenden etwas sportlicheren Möglichkeit ist das Fahrwerk großartig. Es schluckt jede Bodenwelle, wird in schnelleren Kurven stabiler und ermöglicht ein Schweben auf der Straße. Luftfederung sei Dank.
Dafür, dass sich der CLS jedoch relativ weich anfühlt, bleibt er auch bei hohen Geschwindigkeiten erstaunlich stabil in der Kurve. Ein ideales Testareal: die Schwarzwaldhochstraße.
Hier kann man mit dem Mercedes CLS ordentlich Kurven räubern, und die Distronic ist in diesem Moment auch vergessen. Es geht durch den Wald über traumhafte Straßen, Kurven mit 60, 70, 80 … so muss Autofahren sein. Und dann eröffnet sich uns plötzlich ein weiter Blick auf die Umgebung.
Den Rückweg bestreiten wir auf der Autobahn und lassen uns von der Distronic Plus langsam nach Hause tragen. Wer das nachmachen möchte: Der Mercedes CLS geht los bei 59.857 Euro (250 CDI mit 204 PS), der Mercedes CLS 350 CDI 4MATIC (also Allrad) mit 265 PS bei 66.461,50 Euro (Wer lässt sich eigentlich diese krummen Preise einfallen?). Der 350 CDI ist zu empfehlen, dem 250 CDI fehlt ein bisschen die Power, um das Gewicht von 1.785 kg rasant nach vorne zu bringen. Der 350er wiegt zwar ganze 100 kg mehr, macht dann schon richtig Laune mit den Mehr-PS und bringt den CLS Mercedes 350 CDI 4MATIC von 0 auf 100 km/ in 6,4 Sekunden – wie unser kleines Tachovideo zeigt.
Unser Testwagen bewegt sich keineswegs auf Basispreis-Niveau und so ein CLS lässt sich schnell teurer machen. Auszug: Das Paket der Assistenzsysteme schlägt mit 2.677,50 Euro zu Buche, 1.523,20 Euro für den Multikontur-Sitz, 1.380,40 Euro für ein Schiebedach, 1.285,20 Euro für die Sitzlüftung – grob gefasst ist man mit auf jeden Fall über 70.000 Euro dabei. Es kostet eben schon etwas, auf dem aktuellen Stand der Technik zu sein. Die Zulassungszahlen sind für Mercedes durchaus erfreulich: Bisher (2013 inkl. Juli) wurden 3.674 Mercedes CLS neu zugelassen (Coupé + Shooting Brake). Unseren Bericht zum Mercedes CLS Shooting Brake gibt es hier.
Eine – im Vergleich zum CLS – günstigere Alternative wäre der kleine Bruder Mercedes CLA, der mit 28.976,50 Euro zumindest in der Basisversion weniger als die Hälfte kostet.
Der Mercedes CLS ist ein absolut überzeugendes Auto ohne jeglichen Makel, mit High Tech im Innern und Haute Couture beim Äußeren. Lediglich das nicht ganz korrekte Preis-/Leistungsverhältnis verhindert, dass wir dem Edel-Stern noch einen weiteren Autogefühl-Stern verleihen.
Autogefühl: ***
Text, Fotos, Videos: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Vielen Dank an Kai Bösel für die Unterstützung beim Dreh.
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