Als Mini Vision Concept zeigt sich der neue Mini bisher nur als virtuelles 3D-Hologramm. Doch dessen verblüffend reale Projektion zeigt: Die dritte Auflage unter BMW-Ägide bleibt den Wurzeln treu, geht aber vor allem im Innenraum neue Wege. Von Thomas Imhof
Er steht in einer Reihe mit dem Porsche 911, dem VW Golf, dem Mazda MX-5 und dem Fiat 500. Der Mini – egal ob als Ur-Typ Baujahr 1959 oder als moderne Reinkarnation anno 2013 – ist eine Ikone des Automobil-Designs. Und entsprechend delikat jeder Anlauf, seine Formen dem Zeitgeschmack anzupassen. Vor allem, wenn er doch „everybody‘s darling“ ist. Und speziell Frauenherzen entzückt. „Mit dem Mini hat es BMW geschafft, eine echte Kultmarke zu etablieren. Was bei den Sportwagen der Porsche 911 ist, ist bei den Premium-Kleinwagen der Mini: einzigartig und hoch emotional“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Auto-Analyst an der Universität Duisburg-Essen. Diese Position verteidigen muss ab 2014 nun die dritte Generation des BMW-Zöglings. Mit einem goldschimmernd Orange gefärbten Animationsmodell namens Mini Vision Concept zeigen die Designer schon sehr konkret, wohin die Reise geht.
Was aus dem Mini Vision Concept geworden ist: Hier zur Vorstellung des neuen Mini 2014.
Die BMW-Geschichte von Mini
Rückblick ins Jahr 2001: BMW legt die zuvor aus den Trümmern der untergegangenen MG Rover Group gerettete Marke Mini neu auf. Ein dem Original eng verbundener Entwurf des amerikanischen Designers Frank Stephenson macht das Rennen in der Designausscheidung – ein Glücksfall, wie sich schnell erweist. Denn geschickt verstehen es die Münchener Marketing-Experten, den knorrig-britischen Charme des Originals mit der sportlichen Aura der Cooper-Modelle zu verquicken. Dass der Diesel-Motor anfangs noch aus dem Toyota Yaris kommt, kann den Hype um den von 3,06 auf 3,64 Meter gestreckten Mini ebenso wenig trüben wie die Herkunft der Benziner. Die kommen von Trimec, einem in Brasilien ansässigen Joint-Venture zwischen BMW und Chrysler.
Auch die kruden Überrollbügel des zusätzlich zur Limousine angebotenen Cabrios ändern nichts daran, dass schon die erste Neuinterpretation des Klassikers zum Selbstläufer wird. Im November 2006 rollt dann die zweite Auflage zu den Händeln. Günstiger in der Produktion und mit einer etwas längeren und höheren Haube zum besseren Fußgängerschutz – sonst bleibt zunächst alles beim Alten.
Ab 2007 brennt BMW dann ein bis heute andauerndes Feuerwerk an neuen Varianten ab: 2007 erscheint der Kombi Mini Clubman, 2009 gefolgt vom neuen Mini Cabrio. 2010 rollt der staksige, in Graz bei Magna-Steyr gebaute Mini-SUV Countryman ans Licht. Auch wenn das als Mini-SUV getarnte Modell den Namen Mini konterkariert, ist es immerhin der einzige, das ein wenig Alltagtauglichkeit bietet und optional auch mit Allradantrieb zu haben ist. 2011 und 2012 stürmen die zweisitzigen „Ich will Spaß“-Versionen Coupé und Roadster ans Licht, und im Frühjahr dieses Jahres setzt das Crossover-Coupé Paceman zunächst den Schlusspunkt.
Spätestens mit diesem zweitürigen Countryman musste sich Mini dann aber den Vorwurf gefallen lassen, Autos zu bauen, die nicht vorhandene Probleme lösen sollen. „Keine Frage, mit solchen Modellen hat BMW den Mini-Code stark ausgeweitet“, sagt der Kölner Design-Professor Paolo Tumminelli. „Der Countryman ist ebenso wenig ein Mini wie der Cayenne ein Porsche, aber die Leute kaufen ihn.“
Der klassische Mini ist der Bestseller
Ein Blick auf den Mini-Mix ergibt jedoch klare Schwerpunkte: Der klassische Mini, das Cabrio und der Countryman machen in Deutschland 85 Prozent aller Verkäufe aus. Die anderen Modelle dagegen sind primär Imageträger und nur Nischenfüller. „Ob mit der Neuauflage alle heutigen Varianten weiterleben, wird man sehen. Der Paceman, aber auch der Roadster könnten durch etwas Neues ersetzt werden, da ist durchaus noch Optimierungsbedarf“ orakelt Ferdinand Dudenhöffer.
Anders Warming, seit Frühjahr 2011 neuer Mini Designchef, verrät natürlich noch nicht, aus wie vielen Typen das neue Mini-Programm bestehen wird. Dafür spricht der Däne knapp drei Monate vor der Weltpremiere des Neuen programmatische Worte: „Mini ist eine Marke, die ihr historisches Erbe bei jedem Modell neu interpretiert, aber dennoch die legendäre Formensprache mit ihren markentypischen Merkmalen fortführt. Wir suchen immer die Balance zwischen „Wo kommen wir her“ und ‚Wo wollen wir hin‘.“
Mini 2014: außen vertraut, innen neu
Wo Mini herkommt, wird beim Studium des virtuellen „Mini Vision“ deutlich. Dessen Proportionen sind wohl vertraut: superkurze Überhänge vorn und hinten, steil stehende Frontscheibe, große Glasflächen, rundum führende Fensterlinie, scheinbar schwebendes Dach. Auch die elliptischen LED-Scheinwerfer (jetzt mit äußerem Leuchtring als Tagfahrlicht) grinsen freundlich-frech wie immer.
Doch es gibt auch neue Elemente. Beispiel Grillöffnung: Sie wird garniert mit einem zierlichen Stoßfänger und Zusatzleuchten, ist zugleich weiter aufgerissen als beim Auslauf-Modell. „Wir werden beim neuen Modell stärker den großen Grill des Original-Minis betonen”, sagt der Warming und weist auf einen neben ihm stehenden 1959er Mini mit Morris-Wappen auf der Haube.
„Auch die Motorhaube ist ein typisches Mini-Merkmal. Vom Fahrersitz aus erkennt man aufgrund ihrer Krümmung sofort, dass man in einem Mini sitzt“, doziert Warming. Und lässt einen weiteren Glaubenssatz folgen: „Ich glaube, dass das Mini-Design ewige Gültigkeit besitzt. Daher müssen wir an solchen Details festhalten, ohne uns dabei in unserer Arbeit zu sehr einzuschränken.”
Zu den Mini-Konstanten zählt auch die schräg nach unten verlängerte vordere Dachsäule (A-Säule) – Reminiszenz an die beim Ur-Modell dort entlanglaufende Regenrinne. Im Mini Vision besteht diese Leiste aus farblich kontrastierendem „Organoblech“. Ein aus verschiedenen Faserstoffen gepresstes, extrem formbares und zugleich stabiles Leichtbaumaterial. Dieses bis in die Radhausverkleidungen und Türschweller gezogene Fachwerk erinnert Paolo Tumminelli an die Tridion-Zelle des seligen Smart for four. Aber auch an den neuen BMW i3. Ob Mini ein solches Element allerdings nötig hat, bezweifelt er.
Eine kleine Stil-Revolte spielt sich auch im Heckbereich ab. Denn die eher kleinen und bündig eingelassenen Rückleuchten sind nicht nur deutlich gewachsen, sondern überbrücken nun auch mühelos die Fuge des Kofferraumdeckels. „Das ähnelt fast einer Polo Rückleuchte“, murrt Tumminelli, dem vor allem die scharf geschnittenen Falten an der Oberseite der Leuchten missfallen: „Das verleiht dem Mini eine unnötig aggressive Note und passt nicht zur einfachen, glatten Behandlung der Flächen. Bei Anders Warming hört sich das dagegen anders an. Bei ihm „unterstreichen die klar definierten Kanten im Blech die Präzision und Sportlichkeit des Konzepts.“
Ein Sprung in den Innenraum lässt dann auch Tumminelli schwärmen. Fest steht schon heute: Der in der Mittelkonsole thronende Tachometer in der Größe einer Kloschüssel wandert – deutlich verkleinert – ins direkte Blickfeld des Fahrers. In den frei gewordenen Raum rückt eine neue Infotainment-Einheit. In der 3D-Studie präsentiert sich das Display in Form einer an die Glaskugel einer Wahrsagerein erinnernden Anzeige. Leider, so Mini-Interieur Designer Oliver Sieghart, sei eine solche Lösung mangels runder LED-Displays heute noch nicht umsetzbar. „Aber wir werden mit einer interessanten Zwischenlösung starten, das komplett runde Display ist unsere Vision für die Zukunft.“ Die Zahl der physisch greifbaren Tasten und Schalter werde im Gegenzug aber stark zurückgehen, geschuldet der zunehmenden Digitalisierung unserer Auto-Cockpits. „Die wenigen übriggebliebenen werden dafür besonders prominent ausfallen – wie der Kippschalter zum Starten und Abschalten des Motors“, verspricht Sieghart.
Tumminelli hofft, dass die „Kristallkugel“ in der Mittelkonsole schon bald Realität wird. „Auch wenn wir Menschen es gewohnt sind, auf eckige oder quadratische Bildschirme zu schauen, könnte sich da ein ganz starkes Element entwickeln. Im Übrigen waren ja auch die ersten Fernseher rund!“
Beim Exterieur hofft der Design-Experte dagegen noch auf Änderungen. Die kleinen Lufteinlässe in den Flanken des Frontspoilers hält er für unnötigen Zierrat, zugleich verblüfft ihn die leicht angedeutete Keil-Form: „Minis hatten nie eine Keilform, und sie ist im aktuellen Auto-Design ohnehin gerade out.“ Er sieht auch die Gefahr, dass BMW das Thema Sportlichkeit noch stärker betont als schon bei der Vorgänger-Generation. „Ich habe den Eindruck, dass das Dach noch verjüngter und kleiner geworden ist. Schon heute wünschen sich viele Mini-Kunden mehr Kopffreiheit und Platz. Man sollte nicht vergessen, dass der Mini in erster Linie ein Stadt-und kein Sportwagen ist.“
Auf den ersten Blick bleibe aber auch der der neue Mini ein Mini. „Man hat ein Erbe – und entwickelt es weiter. Das Markenkonzept wächst mit einem neuen Publikum und entwickelt sich von seinem Ur-Code weiter – und das ist auch für einen Puristen wie mich gut so. Wichtig bleibt beim Mini der leichte Widerspruch zwischen einer simplen, sauberen Form und einem peppigen Charakter“, so Tumminelli.
Wie der neue Mini nun wirklich aussieht, wird die Autowelt am 18. November 2013 erfahren. Dann will BMW das fertige Auto im Mini-Stammwerk Oxford und parallel in London enthüllen. Exakt zum 107. Geburtstag von Sir Alec Issigonis, dem britischen Konstrukteur griechischer Abstammung, der 1959 mit dem Ur-Mini eine Paradigmenwechsel im Automobilbau einleitete. Es folgen Messepremieren in Los Angeles und Tokio. Im ersten Quartal 2014 rollt der neue Mini dann zu den Händlern. Als Nachfolger eines seit 2001 weltweit über 2,6 Millionen Mal verkauften Modells.
Text: Autogefühl, Thomas Imhof
Fotos: Mini
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