Kaum ein anderer Hersteller ist so eng mit der Auszeichnung „legendär“ verbunden wie McLaren. Die britische Sportwagenmanufaktur bietet derzeit im Portfolio den Supersportwagen McLaren 12C sowie den McLaren 12C Spider an – der hat zwar keine 12 Zylinder, doch 625 PS bei unter 1.500 kg ließen Traum und Realität des Autofahrens für uns verschwimmen. Von Thomas Majchrzak
Legendär durch Formel 1 und Need for Speed
Need for Speed 2, das ist das Autorennspiel auf dem PC, das in meiner Kindheit ganz hip war, ein must have. Ein McLaren F1, der legendäre Rennwagen mit Straßenzulassung und Monocoque, war in dem Spiel das beste, schnellste und teuerste Auto. Also dachte meine komplette Generation (zumindest die Jungs) auch: Das ist das beste, schnellste und teuerste Auto der Welt.
Von 1994 bis 1997 wurde dieser Supersportwagen mit drei Sitzen (einer mittig, je einer links und rechts daneben) in Kooperation mit BMW gebaut. Der erste Ausflug von McLaren in eine Serienfertigung für die Straße, wobei Serienfertigung bei McLaren natürlich nie die Dimensionen einer üblichen Serienfertigung erreicht. Der zweite Anlauf: Von 2003 bis 2009 fertigte McLaren in Kooperation mit Mercedes den Mercedes-Benz SLR McLaren.
McLaren will sich als Sportwagenmarke etablieren
Und danach kam die Idee des McLaren MP4-12C, der Einfachheit halber mittlerweile nur noch McLaren 12C genannt. Er ist seit 2011 erhältlich und wurde bis heute immer wieder leicht überarbeitet. Mit dem 12C will McLaren endgültig als Sportwagenmarke Fuß fassen. Denn bislang ist McLaren eben hauptsächlich als Formel-1-Rennstall bekannt und als Fertiger von handgemachten Einzelstücken.
Aston Martin und Maserati wirken im Vergleich wie Massenhersteller, haben sie doch seit Jahrzehnten bekannte Sportwagenmarken, die Fahrzeuge in Serie herstellen. Nun greift McLaren als Sportwagenmarke auch den deutschen Markt an, mit Händlern in Hamburg, Frankfurt, München, Düsseldorf und Stuttgart. Und so kommt auch für uns eine McLaren 12C Spider Probefahrt in Betracht.
Nun steht er also vor mir, der McLaren 12C Spider, so die vielseitige Variante mit variablem Hardtop – in 17 Sekunden geöffnet oder geschlossen bis zu einer Geschwindigkeit von 30 km/h. Das Dach gehört offen, allein, damit man den Sound besser hören kann. Ich hätte nie gedacht, eines Tages einmal selber einen McLaren zu fahren, jetzt wird der Traum Wirklichkeit.
Der Finger nähert sich dem Start-Knopf. Ich höre Maximus in Gladiator sagen: „Auf mein Signal lasst ihr die Hölle los!“ Der McLaren 12C Spider erwacht zum Leben, ein Donnergrollen bringt Luft und Lunge zum Vibrieren. Elektronische Parkbremse lösen, „D“ Drive Mode einlegen und schon im Leerlauf rollt der McLaren 12C Spider kraftvoll von der Stelle. An der Ampel muss man echt aufpassen, dass man die Bremse schön festhält.
Das meistfotografierte Auto des Jahres
In Volcano Red, so die tiefrote Racing-Farbe, ziehen wir von dannen – und bleiben nicht unbemerkt. Mit keinem anderen Fahrzeug auf der Welt erregt man so viel Aufmerksamkeit und bleibt gleichzeitig englisch stilvoll. Denn der McLaren 12C Spider ist behutsam designed, eine Evolution im McLaren-Design, keine Revolution. Von vorne und von der Seite im Vergleich zu einem Lamborghini eher etwas bescheiden, nur von hinten sagt der McLaren, wo der Ziegenbock den Honig hat.
Das Gebrüll weckt die ganze Stadt auf. An jeder Ampel reicht ein Blick in den Rückspiegel, um hinter sich die zückenden Handykameras zu sehen oder Touristen, die auf die Straße springen und die DSLR-Kamera ziehen. Kein Witz, sowas haben wir noch nie erlebt. Hält man in einer kleinen Straße kurz an, stehen nach einer Minute mehrere Familien mit Kind und Kegel auf der Straße und gucken und fotografieren.
Man darf sich fühlen wie von einem anderen Stern, nur dass es in diesem Fall stimmt.
Beschleunigung pur
Ein Druck aufs Gaspedal und wir kommen den Sternen näher. 3 Sekunden von 0 auf 100, 9 Sekunden von 0 auf 200 km/h. Dieses Auto kann man im Alltag nicht wirklich sinnvoll bewegen, man wird bescheuert, wenn man an den Ampeln hält oder sich in einer Fahrzeugschlange einreiht. McLaren 12C Spider zu fahren heißt, mit 625 wilden ausgehungerten Tigern an der Leine in einem Gehege voller Sambarhirschen spazieren zu gehen.
Dabei verspricht der McLaren 12C Spider mehr Emotion als perfekte deutsche Fabrikate. Einerseits sind da die kleinen englischen Verfehlungen: Die traumhaften Flügeltüren muss man richtig knechten, damit sie zugehen. Und selbst dann muss man das Schließen manchmal noch wiederholen, damit es richtig funktioniert. Das Radio und Navigationssystem schmiert manchmal ab. Das darf bei einem 220.000 Euro Auto nicht passieren. Es gibt allerdings schon ein Update der Software, das noch nicht in unserem Testwagen integriert war. Das Update können McLaren Kunden sich beim Händler installieren lassen. Allgemein tröstet es uns, dass der unfassbare Sound das Musikhören ohnehin überflüssig macht.
Und somit kommen wir zum Punkt der Emotion: Ein Porsche 991 Turbo S ist besser zu dirigieren, präziser, gutmütiger, für den ungeübten Fahrer auch sicher schneller auf der Nordschleife. Aber ein McLaren 12C Spider zelebriert dieses breite Grinsen auf dem Gesicht, das Gefühl, Michael Schumacher persönlich zu sein und einfach im geilsten Auto zu sitzen. Dass der Rücken diese Ansicht nicht unbedingt teilt, sei dahin gestellt. Allerdings muss man beachten, dass der McLaren 12C für eine extrem niedrige Straßenlage und das hervorragende Racing-Handling ein erstaunlich komfortables Fahrwerk besitzt – dank hydraulisch miteinander verbundenen adaptiven Dämpfern. Da kann man durchaus die Strecke zur Rennstrecke normal auf der Straße erledigen und muss den McLaren 12C Spider nicht in den Lkw packen.
Dazu passt auch, dass der Kofferraum vorne sogar erstaunlich alltagstauglich ist – egal ob für 2 Kisten Wasser oder für das Gepäck für den Wochenendausflug.
Kohlefaser-Chassis wiegt nur 75 kg
Der Innenraum versprüht die Reduzierung aufs Wesentliche. Moderne Kohlefaser-Elemente lassen erahnen, was darüber hinaus noch unter dem Gewand steckt. Das Chassis wiegt nur 75 kg! Mit dem schweren Motor kommt der McLaren dann auf gut 1.500 kg, was bei 625 PS natürlich entsprechende Leistungen ermöglicht.
Besonders wichtig und interessant: Wie von 0 auf 100 geht der McLaren 12C Spider auch von 100 auf 0. Die riesigen Keramik-Bremsen packen kräftiger als Popey die Spinatdose. Technisches Feature: Die Air Break Funktion lässt den Heckflügel bei einer Geschwindigkeit von über 100 km/h und entsprechend heftiger Bremsung hochschnellen, so dass eine Art Fallschirmeffekt entsteht. Das bremst das Fahrzeug zusätzlich und sorgt beim Bremsen auch für noch mehr Anpressdruck.
So lässt sich der McLaren 12C Spider fahren wie ein kleines Go-Kart, nur dass er ein Full-Size Sportwagen ist. Fährt man eine Kurve mit 80 km/h, glaubt man, nur geradeaus zu fahren. Denn der Wagen ist mit normalen Geschwindigkeiten im Straßenverkehr sowas von unterfordert, dass Kurven mit dieser Geschwindigkeiten nicht wie Kurven, sondern nur wie langweilige Witze wirken.
Eine 180-Grad-Autobahnauffahrt mit 100 km/h durchfahren (ein normaler Pkw wäre mit 50 km/h gut beschäftigt) – kein Problem. Dabei lässt der McLaren 12C Spider selbst mit eingeschaltetem ESP zu, dass das Heck ein klein wenig sportlich ausbricht – herrlich schön, aber trotzdem sicher kontrolliert.
Technische Daten McLaren 12C / McLaren 12C Spider
V8 Motor mit 3,8 Litern Hubraum
Doppelter Turbolader
625 PS
600 Nm
Sequenzielles 7-Gang-Schaltgetriebe
0-100 km/h: 3.1 Sek.
0-200 km/h: 8.8 Sek.
Höchstgeschwindigkeit: 333 km/h
Kraftstoffverbrauch (angegeben, kombiniert) 11.7 l / 100 km
Testverbrauch: 13 l / 100 km
Carbonchassis: 75 kg
Leergewicht: 1.434 kg
Preis McLaren 12C Spider: 232.650 Euro
Preis McLaren 12C Coupé: 209.700 Euro
Die Komponenten für das Fahrzeug sind vielfach Formel 1 inspiriert, werden jedoch vorwiegend von Zulieferern gebaut. Die Endmontage erfolgt dann bei McLaren in Südengland.
Was gäbe es überhaupt für Konkurrenz für den McLaren 12C Spider? Nun, die Konkurrenten unterscheiden sich zum Teil deutlich in Leistung und der Größe, aber hier einige Fahrzeuge, die in etwa in denselben Klassen spielen bei Leistung, Handling oder Preis. Da wären zum Beispiel:
– Porsche 911 Turbo S (195.256 Euro)
– Porsche 911 Turbo S Cabriolet (207.989 Euro)
– Porsche 911 GT3 (137.303 Euro)
– Ferrari 458 (197.000 Euro)
– Ferrari 458 Spider (221.500 Euro)
– Aston Martin V12 Vantage S Coupe, Sportshift III (179.950 Euro)
– Aston Martin DB9 Coupe (177.950 Euro)
– Aston Martin DB9 Volante (192.950 Euro)
– Aston Martin Vanquish Coupe (249.995 Euro)
– Aston Martin Vanquish Volante (264.995 Euro)
– Lamborghini Aventador LP 700-4 (312.970 Euro + Aufpreis für Roadster)
– Lamborghini Gallardo LP 570 (191.100 Euro + Aufpreis für Spider)
Als realistischste Konkurrenten stehen darunter am ehesten dann Porsche 911 Turbo S Cabriolet, Ferrari 458 Spider, Aston Martin DB9 Volante und Lamborghini Gallardo. Wobei aus McLaren-Sicht „alle Wagen über 200.000 Euro“ Wettbewerb bedeutet.
Fazit: Der McLaren 12C Spider gehört zu den Traumwagen dieser Welt und gehört in jede Scheich-Sammlung. Mit seiner britischen Emotion und Unartigkeit lässt er Rennsportherzen höher fliegen. Sein Zuhause ist die Rennstrecke – oder die Boulevards dieser Welt als Fotomodell.
Text & Videoschnitt: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Kamera Foto & Video: Autogefühl, Katharina Kruppa
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