Der Traum von einem großen Ami-Kreuzer, mit dem man unbeschwert stundenlang die Route 66 entlang fahren kann, mit der ganzen Familie und großem Gepäck: Der Chevrolet Captiva rückt diese Möglichkeit in greifbare Nähe, sowohl von seiner Fähigkeit, als auch vom Preis. Nur eigenwillig ist er, der Ami. Von Thomas Majchrzak
Eine imposante Erscheinung hat er, der große Chevi. Ein richtiger Kreuzer eben. Der Chevrolet Captiva verkörpert das, was lange Zeit nur viele Amerikaner wollten und jetzt eben auch die Europäer: Eine richtig hohe Sitzposition (nicht nur Pseudo wie beim Kompakt-SUV), mächtig Übersicht und ein souveränes Gefühl sowie massig Platz auf den Vordersitzen, im Fond und natürlich auch im Gepäckraum. Außerdem sorgt er für ein derartig komfortables Fahren, gerade auf langen Strecken, dass man nie das Gefühl hat, keine Lust mehr zu haben. In diesem Auto, so das Autogefühl, könnte man auch Tage ununterbrochen am Stück verbringen.
Dabei ist der Chevrolet Captiva übrigens in Amerika gar nicht erhältlich, dort gibt es Schiffe mit dem Namen Equinox, Traverse, Tahoe oder Suburban (der Größe nach aufsteigend). Entwickelt wurde der Captiva wie das Schwestermodell Opel Antara ursprünglich bei Daewoo und lief als Daewoo Winstorm.
Wir fahren den Captiva LTZ 2,2 l Diesel mit 184 PS und Allrad. Das ist der stärkste Diesel mit der höchsten Ausstattung – inklusive
Rückfahrkamera, elektrischem Glas-Hub-Schiebedach , Ambientebeleuchtung, Sitzheizung vorne und im Fond sowie 19-Zoll-Leichtmetallfelgen.
Das alles bietet also der Chevrolet Captiva. Auf dem Fahrersitz fühlt man sich wie in einer Lkw-Kabine, im positiven Sinne – King of the Road. Maßgeblich trägt dazu das riesige Lenkrad bei, das zunächst gewöhnungsbedürftig ist, aber dann richtig viel Spaß macht. In der von uns getesteten Top-Ausstattung des Chevrolet Captiva (s.u.) ist das Lenkrad zudem komplett mit Leder bezogen, und zwar in einem besonders angenehmen. Eine Freude, am großen Lenkradkranz den langen Weg entlang zu streichen und das samtige Leder zu streicheln. Das gilt übrigens auch für jeden Schaltvorgang, denn auch der Schaltknauf ist so angenehm: sowohl von der Leder-Oberfläche, als auch vom Schaltvorgang. Die Gänge springen sanft ein, mit wenig Kraftaufwand.
Eine dunkle, glänzend eingefasste Holzleiste ziert den Innenraum und zieht sich von links nach rechts durch. Die Instrumente im Tachobereich: modern und klar. Lediglich das Multimedia-System ist etwas umständlich, weil es zweigeteilt ist. Oben thront der Navi-Bildschirm als moderner Touchscreen, darunter eine klassische Audioeinheit mit anachronistischer Digitalgrafik für Musik und Handy/Bluetooth. Da muss man sich von der Bedienung her einfinden. Der USB-Stick wird bei jedem Fahrzeug-Start neu geladen und spielt wieder von Anfang an ab. Beim Handy lässt sich der „Last Call“ ganz praktisch aufrufen, aber das war’s dann auch mit der schnellen Bedienung.
Und hier wird die Schwäche des Chevrolet Captiva offenbar: die Elektronik. Nicht, dass die Elektronik nicht funktionieren würde, aber irgendwie haben wir das Gefühl, man hat sich bei manchen Funktionen nichts dabei gedacht oder das Auto einfach nicht in der Praxis ausprobiert. Einmal wäre da das umständliche Navi und die seltsame Zweiteilung der multimedialen Funktionen. Dann braucht das Navigationssystem jedes Mal ewig, bis eine Route geladen ist.
Dann ist – eigentlich praktisch – die Heckklappe des Kofferraums zweigeteilt, so dass man die Glasscheibe einzeln öffnen kann. Doch es kommt dann zu Situationen, in denen man vor dem Auto steht, und die eigentliche Heckklappe nicht mehr offen bekommt, egal was man drückt. Oder man steigt aus dem Auto, der Chevrolet Captiva verriegelt sich binnen 10 Sekunden automatisch und man muss ihn wieder aufschließen. Bei einem Keyless Entry ist man dann gut beraten, den Schlüssel immer bei sich zu führen – sonst kann direkt jemand mit dem Zweitschlüssel anrücken.
Beim Tanken schließt der Wagen sich natürlich auch selber ab, weshalb der offene Tankdeckel sich nicht mehr schließen lässt, bis der Wagen einmal wieder offen geschlossen wurde. Auf diese Dinge muss man erst einmal kommen, wenn man das Fahrzeug kennenlernt – oder eben hier einmal vorher lesen, damit man Bescheid weiß. Insofern hatten wir mehrere Situationen, in denen wir vor dem Fahrzeug standen und dachten: Wie funktioniert das jetzt? Warum tut er das?
Bei unserem Testwagen konnten wir übrigens einen für uns unangenehmen Geruch feststellen, der möglicherweise von der Klimaanlage stammt oder von den neuen Materialien, die ggf. noch ausdünsten. Chevrolet konnte bei der anschließenden Überprüfung des Fahrzeugs nichts feststellen und ließ den Klimaanlagenfilter austauschen.
Wenn man die Schwächen jedoch einmal kennt, stellt man sich darauf ein und versucht, diese Schwächen den Stärken unterzuordnen. Denn das übergeordnete Autogefühl des Chevrolet Captiva ist überzeugend.
Die Ledersitze sind äußerst bequem, die Sitzheizung wohlig warm an Gesäß und Rücken und die Beinauflage ist auch für große Fahrer mehr als ausreichend. Lediglich am Beifahrersitz wäre eine Höhenverstellung noch wünschenswert. Der Fahrer fühlt sich jederzeit als Herr der Lage. Dafür sorgt nicht nur das tolle Sitzen, sondern auch der durchzugsstarke Motor. Der 2.2 Liter Diesel ist die ideale Motorisierung für den Chevrolet Captiva, denn sie verbindet eine zügige Beschleunigung für Stadt und Autobahn mit einem angemessenen Verbrauch. Knapp über 8 Liter Realverbrauch sind für ein Auto in dieser Größenordnung in Ordnung. Trotz der Größe lässt sich der Chevrolet Captiva übrigens sehr gut auch rangieren. Dafür sorgen Rückfahrkamera , übersichtliche Form und ein erstaunlich angenehmer Wendekreis. So fühlt man sich selbst im Stadtverkehr und beim Einparken nie zu sperrig. Es sei denn, die parallele Parklücke ist einfach zu kurz.
Daten und Abmessungen Chevrolet Captiva
Länge: 4635 mm
Breite: 1850 mm
Höhe: 1720 mm
Radstand: 2705 mm
Leergewicht: 1730–1845 kg
Basispreis: 25.690 Euro
Motoren
2,4 Liter Benziner mit 167 PS
10,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h
8,9 l / 100 km offizieller kombinierter Verbrauch
3,0 Liter V6 Benziner mit 190 PS (Allrad)
9,3 Sekunden 0 auf 100 km/h
10,5 l / 100 km offizieller kombinierter Verbrauch
2,2 l Turbo-Diesel mit 163 PS
10,4 Sek. 0 auf 100 km/h
6,2 l / 100 km offizieller kombinierter Verbrauch
2,2 l Turbo-Diesel mit 184 PS (Allrad)
9,7 Sek. 0 auf 100 km/h
6,4 l / 100 km offizieller kombinierter Verbrauch
Testverbrauch: 8,3 Liter
Die Ausstattungsvarianten sind in LS, LT, LT+ und LTZ eingeteilt.
LS (Serie) bietet unter anderem:
AUX/USB/Bluetooth-Schnittstelle
17-Zoll-Leichtmetallfelgen
LT bietet zusätzlich:
7 Sitze (die 2 zusätzlichen Sitze sind im Laderaumboden „versteckt“)
Einparkhilfe hinten
Lederlenkrad und –schaltknauf
Regen- und Lichtsensor
Tempomat mit Lenkradbedienung
Niveuaregulierung an Hinterachse
2-Zonen-Klimaautomatik
LT+ bietet dann noch zusätzlich:
Einparkhilfe vorne und hinten
Sitzheizung vorne
Lederausstattung in Schwarz
18-Zoll-Leichtmetallfelgen
LTZ hat als Top-Version folgende weitere Features:
Aktive Kopfstützen vorne
Elektrisches Glas-Hub-Schiebedach
Ambientebeleuchtung in blau
Fahrersitz 8-fach elektrisch verstellbar
Sitzheizung in der 2. Sitzreihe
Keyless Entry mit Startknopf
Navigationssystem
Rückfahrkamera
19-Zoll-Leichtmetallfelgen
Bei der Top-Ausstattung mit dem stärkeren Diesel (184 PS) landet man damit bei 38.290 Euro.
Die Markteinführung – gleichzeitig mit dem Schwestermodell Opel Antara – erfolgte übrigens im Oktober 2006. Der Chevrolet Captiva ist also im Grunde genommen schon etwas in die Jahre gekommen, auch wenn er 2011 ein Facelift erhalten hat.
1.857 Neuzulassungen in Deutschland verzeichnete der Chevrolet Captiva im 1. Halbjahr 2013, fast alle davon übrigens als Diesel und drei Viertel als Allrad. Dass es hauptsächlich Diesel sind, ist nicht verwunderlich, der Verbrauch ist schließlich deutlich günstiger. Der große Überhang an Allrad ist jedoch nicht alltäglich, werden SUV heutzutage doch häufig als Frontantriebler gekauft und nicht im schweren Gelände eingesetzt. So ein Chevrolet Captiva ist auch eher der große bequeme SUV für die langen Autobahnstrecken, wie man es von den Highways aus Amerika kennt.
Fazit: Der Chevrolet Captiva bietet zu einem akzeptablen Preis das Feeling eines großen Luxus-SUV. Wer viel Platz benötigt oder einfach nur möchte und lange Autobahnfahrten entspannt und ohne auch nur einen Anflug von Rückenschmerzen bewältigen will, ist hier genau richtig. Nur mit ein paar Elektronik-Details muss man sich erst anfreunden, bis Chevrolet da nachgebessert hat oder dies bei einem Nachfolgemodell berücksichtigt. Ferner darf es nicht sein, dass einige Neukunden über einen unangenehmen Geruch berichten, solange der Wagen neu ist – das sollte andersherum sein. Dennoch: Wenn man Chevrolet Captiva gefahren ist und dann wieder in einen normalen Pkw steigt, möchte man diesen eigentlich gar nicht fahren, sondern direkt wieder Kind of the Road sein.
Autogefühl: ***
Text und Fotos: Autogefühl, Thomas Majchrzak
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