Volkswagen Jetta Hybrid – Der Sparspaßmeister

Jetta Hybrid Foto: Volkswagen

Der Volkswagen Jetta Hybrid ist der zweite in Serie gebaute Fullhybrid von Volkswagen nach dem Touareg SUV. Obwohl primär für den nordamerikanischen Markt entwickelt, bieten ihn die Wolfsburger zum leider überzogen hohen Preis von 31.700 Euro auch in Deutschland an. Schade, weil abgesehen vom durch das Batteriepaket geschrumpften Kofferraum ist der Hybride eine vortreffliche Alternative zur Konkurrenz von Toyota. Von Thomas Imhof

Der lange Zeit von Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace wegen vermeintlich zu lascher Klimaschutzbemühungen angefeindete Volkswagen Konzern hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2015 einen Flottenmix von 120 g/km CO2 zu erreichen. Dazu sollen neben dem von uns getesteten Volkswagen Jetta Hybrid (Normemissionen von 95 g/km CO2, 4,1 Liter/100 km) auch Fahrzeuge wie der Polo BlueMotion (89 g/km) und der Eco! Up (79 g/km) beitragen. Aber auch die rein batterieelektrisch angetriebenen Versionen von Up! und Golf sowie die Plug-in-Hybridvariante des deutschen Autos Nummer Eins.

Die Stufenhecklimousine Volkswagen Jetta ist bekanntermaßen bei nordamerikanischen Kunden seit vielen Jahren sehr beliebt und sogar die meistverkaufte Baureihe eines deutschen Herstellers auf dem US-Markt. Zugleich legen Hybridfahrzeuge in den USA deutlich zu: Ihr Anteil am Neuwagenabsatz stieg im ersten Halbjahr 2012 um 63,5 Prozent, während der Gesamtmarkt nur um 14,9 Prozent anzog. Ähnlicher Aufwärtstrend in Deutschland: Laut aktueller Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes wurden 2012 insgesamt 21.483 Hybrid-Fahrzeuge zugelassen – ein Plus von 8.816 Fahrzeugen oder 69,8 Prozent zum Vorjahr. Gegenüber 2010 kommt dies sogar einer Verdoppelung der Zulassungszahlen gleich. Für das nun zu Ende gehende Jahr 2013 rechnen Marktforscher sogar schon mit rund 40.000 neuen Hybrid-Fahrzeugen, was einem weiteren Zuwachs von 90 Prozent gleichkäme.

VW Jetta Hybrid - Drehzahlmesser überflüssig Foto: Volkswagen
VW Jetta Hybrid – Drehzahlmesser überflüssig Foto: Volkswagen

Gilt der Jetta in den USA als „sportlich“, steht er hierzulande eher im Ruf einer gewissen Biederkeit, ja Spießigkeit. Das ihn VW als Hybrid nun im Gegensatz zur 24.995 $ günstigen US-Version in einer gehobenen Ausstattung (Comfortline) und zum Basispreis von 31.700 Euro offeriert, ist schade. Denn das Modell hätte aufgrund seines Technikpakets eine größere Verbreitung verdient. So aber kommt er schon ab Werk in Kombination mit der Highline-Ausstattung und zusätzlich vorderer Sitzheizung und Bi-Xenon-Scheinwerfern.

Ein modifizierter Frontspoiler, eine kleine Spoilerlippe am Kofferraumdeckel, aufgesetzte Seitenschweller, ein speziell abgestimmter Heckdiffusor und eine flächenbündig abgedeckte obere Kühleröffnung verbessern den Cw-Wert des Volkswagen Jetta Hybrid um zehn Prozent. Zusammen mit rollwiderstandsarmen All Season-Reifen trägt das Aero-Paket zur Verbrauchssenkung maßgeblich bei. Ansonsten ist der Volkswagen Jetta Hybrid neben den erwähnten aerodynamischen Modifikationen an LED-Rückleuchten, blau hinterlegten Hybridschriftzügen und 15-Zoll-Leichtmetallrädern („Lexington“) zu erkennen.

Beste Anfahrperformance, einfache Bedienbarkeit, Robustheit und höchste Verfügbarkeit – alles ergänzt durch einen hohen Fahrkomfort und ein gutes Maß an Fahrspaß – so lauteten die Entwicklungsziele der technischen Projektleitung für den als Parallelhybrid konzipierten Jetta.

Hybrid-Antriebsstrang Foto: Volkswagen
Hybrid-Antriebsstrang Foto: Volkswagen

Dank des bekannt lebendigen 1,4 TSI-Motors mit 110 kW (150 PS) aus der neuen Ottomotorenbaureihe EA211, dem Doppelkupplungsgetriebe DQ 200 und einem sportlich abgestimmten Fahrwerk präsentiert sich die Familienkutsche als durchaus dynamisches Fahrzeug. Das trotz des Mehrgewichts flott um Kurven wedelt und auch grobe Stöße des Untergrunds souverän wegbügelt. Der aufgeladene Direkteinspritzer übertrifft sogar die Leistung des für den Jetta in den USA verfügbaren 2,5-Liter-Fünfzylinders, wiegt nur 98 Kilogramm und soll im Volkswagen-Konzern künftig für alle Hybrid-Applikationen und -Märkte als Basisaggregat dienen.

Der Verbrenner erfüllt die Abgasnormen EU6, SULEV und LZEV und stellt zwischen 1.600 und 3.500 U/min ein maximales Drehmoment von 250 Nm bereit. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h und einer (im kurzzeitigen Boost-Modus) Beschleunigung von 8,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h ist der Volkswagen Jetta Hybrid deutlich flinker als zum Beispiel der Toyota Prius (10,4 Sekunden) oder der neue Auris Touring Sports (11,2 Sekunden). Im Gegenzug begnügt er sich mit einem Normverbrauch von 4,1 Liter (ECE)/100 km, was CO2-Emissionen von 95 g/km entspricht. Wie erwartet ist es illusorisch, im realen Verkehr diesen nur im Labor und unter idealen Bedingungen auf einem Prüfstand gemessenen Wert zu erreichen. Aber wer das Gaspedal gefühlvoll streichelt und es mag, im per Knopfduck anwählbaren EV-Modus zwei Kilometer lang rein elektrisch durch ein Wohngebiet zu fahren, kann problemlos Verbräuche von unter sechs Liter/100 Kilometer erreichen.

Wie bei allen Hybriden steigt der Verbrauch bei zügiger Autobahnfahrt signifikant an – das mögen sie alle am wenigsten. Im Vergleich zu konventionell angetriebenen Modellen nennt Volkswagen Einsparpotentiale von 20 Prozent; bei primärer Nutzung im Stadtverkehr sogar bis zu 30 Prozent. Rein elektrisches und damit lokal emissionsfreies Fahren ist im EV-Modus bis zu den erwähnten zwei Kilometern und mit maximal 60 km/h möglich. Voraussetzung dazu ist, dass sich die HV-Batterie im für sie gesunden Temperaturfenster befindet und ausreichend geladen ist.

Be- und Entlüftung des Batteriepakets Foto: Volkswagen
Be- und Entlüftung des Batteriepakets Foto: Volkswagen

Bis auf das noch etwas altertümliche Starten per Zündschlüssel am Lenkrad bietet der Volkswagen Jetta Hybrid so ziemlich alles, was in punkto Hybridtechnologie heute gefragt ist. Zu den spritsparenden Technologien an Bord gehören neben den rollwiderstandsarmen Reifen eine Start-Stopp-Automatik, Bremsrekuperation und die „Segelfunktion“. Dabei wird der TSI-Motor beim Gaspedallupfen (bis Tempo 135) über eine Trennkupplung abgekoppelt. Schaltet sich der Benziner wieder zu, geschieht dies in der Regel ruckfrei und angenehm kultiviert.

Trotz der hybridspezifischen Umfänge – E-Maschine, Traktionsleistungsstrang, Leistungselektronik und Hochvolt-Batterie (1,1 kWh) – wiegt der Volkswagen Jetta Hybrid in Summe nur 103 Kilogramm mehr als ein vergleichbares Modell mit Verbrenner und bringt damit weniger als 1.500 kg auf die Waage. Einziger Wermutstropfen: der Kofferraum. Hier sorgt die im Heck verstaute Batterie nicht nur für eine hinderliche Stufe, sondern auch eine Schrumpfung der sonst riesigen Höhle von 510 auf 374 Liter.

Lästige Stufe im Kofferaum - Foto: Volkswagen
Lästige Stufe im Kofferaum – Foto: Volkswagen

Das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe – mit kurzer Übersetzung von 2,11 für den siebten Gang – wiegt nur 74 kg und sorgt für den vielleicht größten Unterschied gegenüber Prius & Co. Denn wo die Japaner mit ihren stufenlosen CVT-Getrieben beim Hochdrehen meist mehr Lärm als Leistung produzieren, beschleunigt der Jetta speziell im kurzzeitigen Overboost-Modus fast wie ein Sportwagen. Dann arbeitet er mit der additiven Kraft seiner zwei Herzen (1 4 TSI + wassergekühlte E-Maschine mit 27 PS) und stellt kurzzeitig über den breiten Bereich von 1.000 bis 4.500/min eine Systemleistung von 170 PS zur Verfügung. Da der Boost nicht zur Verbrauchssenkung beiträgt, bleibt sein Einsatz auf Kickdown-Befehle in Wählhebelstellung „D“ und starkes Beschleunigen in Position „S“ oder in der „Tipp“-Gasse beschränkt.

Der Volkswagen Jetta Hybrid hat keinen separaten Starter für den Verbrennungsmotor. Sondern nutzt im Sinne einer einfachen und robusten Konstruktion die E-Maschine für den Wiederstart. Das Laden der Hochvolt-Batterie erfolgt über die Rückgewinnung der Bremsenergie oder durch generatorischen Betrieb des vom Verbrennungsmotor angetriebenen E-Motors. Es reicht schon, das Gaspedal zu lupfen, um durch Öffnen der Trennungskupplung den Motor abzustellen und so die Schleppverluste zu eliminieren. Beim Bremsen wird abhängig vom Pedalweg die Generator-Leistung der E-Maschine erhöht und die so gewonnene elektrische Energie der Batterie zugeführt.

Die Hochvolt-Batterie besteht aus 60 in Reihe geschalteten Lithium-Ionen-Zellen, aufgeteilt in vier Blöcke à 15 Zellen. Ihr Gesamtgewicht beträgt 53 Kilogramm, wobei 15 kg auf einen speziell konstruierten Rahmen und hinter der Rücksitzbank im Fahrzeug untergebrachten Rahmen entfallen. Er soll bei einem Heckaufprall die Aufprallenergie absorbieren.

Energieflussanzeige im Kombiinstrument Foto: Volkswagen
Energieflussanzeige im Kombiinstrument Foto: Volkswagen

Das Kombiinstrument des Volkswagen Jetta Hybrid weist bis auf die Analoganzeige für die Geschwindigkeit (samt integrierter Tankuhr) deutlich von den konventionell angetriebenen Versionen ab. Wo sonst der Drehzahlmesser sitzt, wartet der Hybride ähnlich wie seine Toyota-Kollegen mit einem Powermeter auf. Es zeigt farblich untermalt die verschiedenen Fahrzustände an – Rekuperation (Charge, grün), ökonomisches Fahren (EC, blau), Boosten (BOOST) und den ab 60 Prozent Energieeinsatz beginnenden Bereich des rein verbrennungsmotorischen Fahrens. Aber auch die Fahrbereitschaft (READY) und der Ruhezustand (OFF) werden unzweideutig dargestellt.

VW Jetta Hybrid - digitale Balken-Verbrauchanzeige Foto: Volkswagen
VW Jetta Hybrid – digitale Balken-Verbrauchanzeige Foto: Volkswagen

Eine graphische Energiefluss-Anzeige findet sich gleich zweimal: Farbig im Stil von Toyota im Monitor des Infotainment-Systems auf der Mittelkonsole oder monochrom in Form eines zwischen den beiden großen Runduhren platzierten Displays. Die Energieflüsse werden schematisch in Form von Pfeilen visualisiert, die zwischen Piktogrammen für Verbrenner, Batterie und Rädern hin- und herführen. Der „Füllstand“ der Batterie wird in Form von maximal zehn Ladebalken dargestellt. Direkt unter der Energieflussanzeige befindet sich das balkenförmige e-Powermeter – es zeigt die relative Leistung des E-Motors an und ist daher auch nur in den Modi „elektrisches Fahren, „e-Mode“ und „Boost“ aktiv.
Den Ehrgeiz von betont sparsam fahrenden Kunden weckt das im Radio-Navigationssystem integrierte Untermenü „Zero Emission“. Dessen Graphik arbeitet mit Balkendiagrammen, wobei jedes Messintervall einer Fahrminute entspricht. Die aktuellsten Balken werden am linken Rand eingeblendet, analysiert wird immer ein Zeitraum von maximal 30 Minuten.

Fazit: Der Volkswagen Jetta Hybrid ist technisch betrachtet ein echter – leider aber schlecht vermarkteter – Geheimtipp. Denn modifizierte Motorlager, eine neue Abgasanlage mit speziell abgestimmten Schalldämpfer-Volumina, eine Akustik-Frontscheibe und dickere vordere Seitenscheiben machen ihn bei ziviler Gangart zum leisesten Fahrzeug, das Volkswagen nach eigenen Angaben jemals in der Golf-Klasse entwickelt hat. Wenn man will, kann man das in Mexiko produzierte Auto auch extrem sparsam fahren – Werte von 5,5 Liter sind von Tester-Kollegen bereits erreicht worden.

Als störend empfunden haben wir lediglich die elektrische Bremse, mit der ein Teil der Bewegungsenergie zum Laden des Akkus genutzt wird: Ihr Pedalgefühl ist synthetisch und schwammig; es mangelt an einem klar definierten Druckpunkt. Schon beim Antippen packt das System allzu kräftig zu, während beim weiteren Durchdrücken das Gefühl im Bremsfuß immer schwammiger wird. Erst nach einiger Eingewöhnung kann man sich aber auch an diese Eigenart gewöhnen.

Schwieriger wird da schon die Akzeptanz des Preises: Der in der höchsten Komfortstufe Highline 33.925 Euro teure und dann auf 17-Zoll-Felgen rollende Volkswagen Jetta Hybrid ist im Vergleich zum stärksten TDI mit 103 kw (140 PS) fast chancenlos. Denn der kostet mit nahezu gleicher Ausstattung nur 28.050 Euro und ist mit 9,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h und einer Spitze von 210 km/h kaum weniger temperamentvoll. Und mit einem Verbrauch von 4,8 Litern Diesel pro 100 km auch spritspartechnisch nicht chancenlos. Auch der Benziner mit 118 kW (160 PS) ist für 26.050 Euro nicht zu verachten. Nur in punkto CO2-Emissionen haben sie alle klar das Nachsehen – und das ist es, was ja am Ende die Hybridkunden vor allem wollen.

LED-Rückleuchten und Spoilerlippe Foto: Volkswagen
LED-Rückleuchten und Spoilerlippe Foto: Volkswagen

In Nordamerika wird der Volkswagen Jetta Hybrid seine Mission mit Sicherheit erfüllen – bekanntlich machen dort noch immer, wenngleich auch immer weniger Kunden einen Bogen um den Diesel. In Deutschland hingegen bekommt er schon 2014 starke Konkurrenz aus dem eigenen Lager: sprich dem neuen Golf mit Plug-in-Hybridantrieb. Mit einer elektrischen Reichweite von deutlich über 30 Kilometern und der Möglichkeit, die Batterie an einer öffentlichen Ladesäule oder zuhause an der Wallbox in der Garage neu aufzuladen, läutet er schon die nächste Evolutionsstufe der Elektrifizierung ein.

Autogefühl: ***

Text: Autogefühl, Thomas Imhof
Foto: Volkswagen

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