In einer Zeit des Umbruchs bei Ford setzen ein paar an den entscheidenden Stellen sitzende „car guys“ für das erste Modell unterhalb des Fiesta eine mutige neue Designsprache durch. Der „Ka“ genannte Kleine trifft zwar bei seiner Vorstellung 1996 auf ein noch geteiltes Echo, gilt jedoch heute als unbestrittenes Highlight des Produkt- und Automobildesigns der 1990er Jahre. Ein Unikat, das sich noch immer gut im Straßenverkehr sehen lassen kann und kaum Patina angesetzt hat. Alles über die Knutschkugel. Von Thomas Imhof
Der Ford Ka gab 1996 auf dem Pariser Salon seine Weltpremiere. Unter Leitung des gerade erst zum neuen Ford of Europe-Designchef ernannten Franzosen Claude Lobo zeichneten zwei ideenreiche Briten für das Design der „Knutschkugel“ verantwortlich: Chris Svensson für das Exterieur und Pierre Webster für das Interieur. Zu jener Zeit wurde die Ford Motor Company von einer Führungsspitze gelenkt, die man durchaus als „Car guys“ bezeichnen konnte. Jacques „Jac“ Nasser, der Australier mit libanesischen Wurzeln, war als CEO deutlich wagemutiger als viele seiner blassen Vorgänger, die nur den shareholder value im Auge und Ford zu einem grauen Image „verholfen“ hatten. Mit dem Waliser Richard Parry-Jones hatte Ford zudem einen Motorsport-affinen Entwicklungschef, der viel Wert auf fahrspaßmaximierte Fahrwerke legte. Was dazu führte, dass der Ka nicht nur verdammt cool aussah, sondern auch sehr viel Fahrspaß bescherte. Als dann 1997 noch J Mays – unter anderem in seiner VW/Audi-Zeit verantwortlich für die erste Konzeptstudie des späteren „Beetle“ – Jack Telnack als „Global Vice President Design“ ablöste, gewann Ford noch mehr an altem Glanz zurück.
Der Ka entstand jedoch noch in der Zeit vor Mays und – als allerdings stark abgerundete – Interpretation des neuen „New Edge Designs“ von Ford. Als sein stilistischer Vorbote muss die im April 1996 auf dem Turiner Salon von der Carozzeria Ghia gezeigte Speedster Studie Saetta (italienisch für “schnell wie der Blitz”) gelten. Ein extrem mutiger, ja fast umstürzlerischer Entwurf auf Fiesta-Basis und mit einer Karosserie aus Kohlefaser. Der Saetta stellte das in den USA entwickelte “New Edge Design” von Ford in reinster Form zur Schau. Wie beim späteren Ka bestand auch hier die Grundform im Wesentlichen aus sich überschneidenden Bögen, allerdings ergänzt um extrem scharfe Kanten, Ecken und dreieckige Elemente. Doch sowohl Saetta wie Ka zeugten vom Mut zu neuen geometrischen Formen. Die Farben der Studie – Dunkelgrau, Silber und “Electric Blue”, sollten die Wolken, den Regen und die Blitze eines Sommergewitters symbolisieren.
Das Interieur des von einem internationalen und jungen Designteam unter Leitung von Ghia-Chefstilist Filippo Sapino entworfenen Ghia Saetta setzte die straffe und spannungsreiche Formensprache des Exterieurs fort und wiederholte zugleich die Flächenbehandlung der Außenhaut. Schon deutlich zu erkennen: die spätere, bauchige und asymmetrische Mittelkonsole des Ka.
Bei der Wahl des Namens ließ sich Ford von der altägyptischen Mythologie inspirieren. Dort steht „Ka“ für den Teil einer Seele, der die Lebenskraft spendete. Kaum war das neue Modell auf dem Markt, wurde sein polarisierendes Design mit Preisen und Auszeichnungen geradezu überhäuft. 1998 ernannte der damalige britische Premierminister Tony Blair den Ka im Namen des Design Council zu einem der ersten „Jahrhundert Produkte“. 1996 kürte Automobilia aus Italien den Ka zum schönsten Auto der Welt, Bild am Sonntag verlieh ihm im gleichen Jahr das „Goldene Lenkrad“ , die Auto Zeitung wählte den kleinen Ford im Jahr darauf zum besten Stadtauto des Jahres. Ebenfalls 1997 erhielt Ford für das New Edge Design den europäischen „Automotive Design Award“.
Claude Lobo, der zuvor das Ford Advanced Design in Detroit geleitet und nun die Leitung des Europa-Studios übertragen bekommen hatte, erinnerte sich an die Ursprünge des Ford Ka wie folgt: „Ich sagte zu Jac (Jacques Nasser, damaliger CEO von Ford), dass wir bei diesem Auto mal etwas ganz Neues ausprobieren könnten. Weil es für Ford der Einstieg in ein neues Segment war. Er stimmte mir zu und gab mir carte blanche.“
„Wir wollten einen Anti-Twingo machen. Der Twingo war ja für sich betrachtet ein extrem cleveres Auto: Eine Art Mini-Minivan, den wir so nicht wiederholen konnten. Ich wollte den Renault aber auch nicht kopieren. Meine Philosophie orientierte sich vielmehr am Ur-Mini. Mir schwebte ein Auto vor, das so unverwechselbar aussah, dass wir uns ein sonst zur Hälfte der Laufzeit übliches Facelift ersparen könnten. Als ich den Ka dem Vorstand in den USA vorstellte, sagte ich den Mitgliedern: ‚Entweder verkaufen wir ihn genau so oder stampfen ihn ein – aber wir können ihn nicht faceliften!‘“
Für Paolo Tumminelli, Professor für Design Konzepte an der Köln International School of Design, ist der Ka ebenso wie der Mini von 1959, der Panda von 1980, der Twingo von 1994 und der VW Up von 2011 mehr Designobjekt als Automobil. Und ein absolutes Unikat. „Seine ikonische Linie war beeinflusst von und prägte zugleich den Designstil der 1990er Jahre, wie er unter anderem vom französischen Designer Philippe Starck – mit seiner Zitronenpresse für Alessi – bestimmt wurde.“ Tumminelli erinnert zum Beispiel die Form der Ka-Scheinwerfer auffallend an die von Starck hörnerförmig zugespitzte Tischleuchte „Ará“ für Flors von 1988. „Die Kombination aus rund und spitz, aus superweichen Flächen und messerscharfen Spitzen gibt dem Ka seinen unverwechselbaren Charakter und nimmt das spätere New Edge Design von Ford vorweg. So wurde er zu einem sehr coolen und frechen Spielzeug, ohne zugleich babyhaft zu sein.“ Der Mix aus emotionalen und funktionalen Merkmalen sei eine weitere Stärke des Ka, sagt der erklärte Funktionalist Tumminelli. Daher zieht er einen Ka mit unlackierten Stoßfängern bis heute einer komplett lackierten Version vor. „Ein Ka in Silber oder Rot mit grauen Stoßfängern – das ist seine Natur!“
Claude Lobo, der 2011 im Alter von nur 67 Jahren allzu früh starb, fühlte sich auch Jahre später in seiner Entscheidung bestätigt: „Wir haben drei Exemplare in der Familie. Der Ka macht viel Spaß, dank der guten Fahrwerksabstimmung kommt fast Go-Kart-Feeling auf. Jedes Mal, wenn ich einen auf der Straße sehe, gefällt mir sein Anblick. Es war zunächst nicht einfach gewesen, die Marketing-Jungs zu überzeugen, weil wir uns doch im Design ziemlich weit vorgewagt hatten. Doch im Nachhinein muss man sagen, dass wir richtig gelegen haben. Der Ka ist sehr gut gealtert und hat – im Gegensatz zu vielen anderen Autos – auch nach vier, fünf Jahren nichts von seinem Charisma verloren.“
Nun – dieser Satz von Lobo, der übrigens in den 1970er Jahren ein sehr guter Rennfahrer war und privat auch einen Ford GT40 in der Garage hatte, trifft noch bis heute zu. Ein gut gepflegter Ka, mit lackierten Stoßfängern und Kotflügelverschalungen sowie schönen Leichtmetallfelgen ist noch immer ein Hingucker. Die Proportionen stimmen halt,und das im Gegensatz zum ersten Ford Focus oder dem Cougar Coupé entschärfte New Edge Design mit seinen sich überkreuzenden Halbbögen wirkt frisch wie eh und je. Ebenso wie die originellen Scheinwerfer – übrigens eine der ersten in Klarglastechnik.
Insgesamt verkaufte Ford 1,46 Millionen Einheiten des auf der Bodengruppe des Fiesta der vierten Generation (Codename BE 91) gebauten Ka, allein 500.000 im Vereinigten Königreich. Varianten wie der optisch aufgemotzte SportKa und das bei Pininfarina gebaute Cabrio StreetKa halfen, die Reputation der Baureihe weiter zu erhöhen. Zumal Ford für die Einführungskampagne des Speedsters die australische Pop-Sängerin Kylie Minogue verpflichten konnte.
Überhaupt die Frauen: Sie schließen den oft liebevoll als Knutschkugel apostrophierten Ka bis heute nur zu gern ins Herz. Doch auch die Männerwelt kann Spaß mit ihm haben: Die Pressefahrveranstaltung für den neuen Ka fand seinerzeit auf Sardinien statt, und der Autor dieser Zeilen erinnert sich noch gern an die von viel Fahrspaß geprägten Testfahrten. Auch bei einem späteren Privaturlaub auf Mallorca bereitete ihm ein Ka als Leihwagen viel Spaß bei Spritztouren ins Bergland der Insel. Bis auf seine Anfälligkeit gegen Rost und den im Grunde antiquierten 1,3 Liter Endura-E-Motor (mit 50 und 60 PS) gab es am Ka nicht viel zu bekritteln. Im Interieur fiel neben der tropfenförmig auslaufenden Mittelkonsole vor allem die schicke Analog-Uhr ins Auge. Die Oberflächen in Hartplastik der frühen Ka würden dagegen heutigen Maßstäben nicht mehr gerecht werden. Und auch eine nur als Ganzes umklappbare Rückbank (eine geteilte Version kostete extra) würden heutige Kunden wohl ebenso wenig akzeptieren wie das in den frühen Versionen noch offene Ablagefach auf der Beifahrerseite..
In den ersten drei Jahren kam der Ka ab Werk ausschließlich mit mausgrauen und großflächigen Stoßfängern, die sich vorne wie hinten jeweils bis in die Radhäuser hineinzogen. Das sah zwar etwas billig und vor allem hinten leicht schwülstig aus, sparte aber viel Geld bei kleineren Remplern und Parkunfällen. Da die Teile mit einem Stabilisator gegen eine Ausbleichung durch UV-Licht geschützt waren, wäre nachträglich angebrachte Farbe abgeblättert. Doch da sich immer mehr Kunden in Wagenfarbe lackierte Anbauteile wünschten, ließ sich Ford 1999 schließlich erweichen. Und bot ab dann alternativ auch komplett in Wagenfarbe lackierte Modelle ohne „Grauschleier“ an.
Ende 2002 spendierte Ford dem im spanischen Werk Valencia produzierten Modell endlich auch einen moderneren Motor – den Vierzylinder-„Duratec“. Der hatte zwar wie der Endura-E auch einen Zylinderblock aus Grauguss, doch dafür eine obenliegende und via Steuerkette angetriebene Nockenwelle samt Rollenschlepphebeln zum hydraulischen Ventilspielausgleich. Der nach Euro 4 abgaszertifizierte Motor holte aus ebenfalls 1,3 Litern wahlweise 60 oder 69 PS. Eine 95 PS starke 1,6-Liter-Version blieb allerdings dem 2003 neu hinzugekommenen SportKa und dem offenen Streetka vorbehalten. Der radikal offene und bei Pininfarina montierte Roadster wurde erstmals 2000 als Studie gezeigt und heizte in Deutschland ab Mai 2003 die Ka-Mania an. Ein puristischer Zweisitzer mit Stoff-Verdeck, für den Ford 2004 alternativ auch ein Hardtop offerierte. Ein besonders auffälliges Detail war der mittig im Stil eines Auspuffs unterhalb des Nummernschildes in der Heckschürze angebrachte Rückfahrscheinwerfer.
Die Produktion des Streetka lief im Juli 2005 nach 37.000 Fahrzeugen aus, da Pininfarina die Kapazitäten für die Produktion des neuen Focus Cabriolets benötigte. 2004 ließ Ford sogar eine Sonderserie von acht Fahrzeugen für den Film „Thunderbirds“ pink lackieren. Auf einer Plakette im Interieur war neben der Seriennummer die Unterschrift von Sophie Myles abgebildet, die in der Rolle der „Lady Penelope“ den StreetKa fuhr.
Gegen eine solche Designikone konnte der 2008 eingeführte Ka Mk2 nur schlecht aussehen. Anders als beim Fiesta, der in seiner aktuellen Version besser aussieht denn je, waren den Kölner Designern rund um Martin Smith und Stefan Lamm diesmal ziemlich die Hände gebunden. Denn der zweite Ka teilt sich die Plattform mit dem Duo Fiat 500/Panda und wird wie dieses im polnischen Fiat-Werk Tychy bei Kattowitz produziert. Die Ford-Designer versuchten nach bestem Wissen, so viele Elemente ihres neuen „Kinetic Designs“ in den neuen Ka einfließen zu lassen. Als Folge differenziert er sich zwar eindeutig vom retrolastigen Fiat 500, ohne jedoch im Vergleich zum Original-Ka überzeugen zu können. Die Notwendigkeit, gewisse „Hard points“ übernehmen zu müssen, sieht man dem Nachfolger deutlich an. Er erscheint ein wenig wie ein aufgequollenes, weil zu heiß gebackenes Brötchen.
Laut Paolo Tumminelli leidet der aktuelle Ka weniger unter dem gemeinsam mit seinen Fiat-Brüdern genutzten Genpool als an der versuchten Anpassung an das Design der anderen Ford-Modelle. Die übertriebene Keil-Form stünde dem Stadtwagen ebenso wenig wie der riesige Kühlergrill. Dazu komme die sehr hoch gezogene Dachlinie. „So wirkt er wie ein geschrumpfter Fiesta für den Herrn Schlumpf!“, bedauert der gebürtige Italiener.
Auch im Interieur treten die Designkompromisse offen zutage: Vor allem in Gestalt der weit ausladenden Mittelkonsole, die schon im Fiat Panda die Bewegungsfreiheit der Insassen unnötig einschränkte.
Als Trostpflaster erhalten Kunden des Ford Ka eine bessere Fahrwerksabstimmung – auch dank einer „spitzeren“ Lenkung und vorn um 20 und hinten um sogar 70 Prozent dickerer Querstabilisatoren. So verringern sich die Wankbewegungen, während die Stoßdämpfer komfortabler eingestellt werden können. Seit Sommer 2013 bietet Ford das Modell nach Wegfall des Diesels nur noch mit einem einzigen Motor an – einem 1,2 Liter Benziner mit 69 PS und Start/Stopp-System. ESP und Kopfairbags kosten extra.
Zum nun in Brasilien vorgestellten Ka der dritten Generation mit erstmals fünf Türen fällt es Tumminelli schwer, überhaupt noch etwas zu sagen. „Das ist eigentlich nur noch name-dropping, so gerät der eigentliche Ka langsam in Vergessenheit.“ Doch keine Sorge Herr Tumminelli: Solange noch so viele gut erhaltene gebrauchte Ford Ka der ersten Generation auf unseren Straßen herumrollen, wird die Erinnerung an einen Meilenstein des Automobildesigns so schnell nicht verblassen.
Text: Autogefühl, Thomas Imhof
Fotos: Ford, Ghia, Flors
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